08.11.2023

Die EU-Entwaldungsverordnung – Neue Pflichten für Unternehmen zur Garantie entwaldungsfreier Lieferketten

Hintergrund und Kontext

In den letzten 30 Jahren kam es weltweit zu einem Waldverlust von mehr als 420 Mio. Hektar, eine Fläche, größer als die der Europäischen Union. Wälder sind Kohlenstoffspeicher, sie steuern Wasserkreisläufe und somit auch das Wetter. Der rapide Waldverlust trägt folglich erheblich zum Klimawandel bei. Zur Reduzierung dieser enormen Waldverluste und zur Verhinderung weiterer Abholzung des Regenwaldes ist die neue Verordnung (EU) 2023/1115 (nachfolgend: EU-Entwaldungsverordnung) am 29. Juni 2023 in Kraft getreten.

Wichtigstes Regelungsziel der Verordnung ist es, den Beitrag der Union zur weltweiten Entwaldung und Waldschädigung zu minimieren und damit zur Verringerung der weltweiten Entwaldung beizutragen. Zudem soll der Beitrag der Union zu Treibhausgasemissionen und zum weltweiten Verlust an biologischer Vielfalt verringert werden.

Unter die Verordnung fallen Rohstoffe, die im besonderen Maße zur Entwaldung beitragen. Dies sind Rinder, Kakao, Kaffee, Ölpalmen, Kautschuk, Soja und Holz. Darüber hinaus werden nach Anhang I der Verordnung bestimmte Erzeugnisse erfasst, die unter Verwendung der relevanten Rohstoffe hergestellt oder mit diesen gefüttert werden.

Die Übersicht der erfassten Rohstoffe soll regelmäßig durch die Kommission überprüft und erneuert werden, sodass zukünftig auch weitere relevante Rohstoffe identifiziert und aufgenommen werden könnten.

Wer ist von der EU-Entwaldungsverordnung umfasst?

Die Verpflichtungen gelten für große und mittlere Unternehmen im Sinne der Richtlinie 2013/34/EU bereits ab dem 30. Dezember 2024 und für kleinere Unternehmen ab dem 30. Juni 2025.

Von der Verordnung umfasst sind alle Unternehmen, welche Produkte und Rohstoffe, die unter der EU-Entwaldungsverordnung definiert sind, außerhalb oder innerhalb der EU beziehen, sowie innerhalb der EU bereitstellen. Dabei können sogar Unternehmen erfasst sein, die lediglich holzartige Verpackungen und Druckerzeugnisse für ihr eigentliches Produkt in der EU in den Verkehr bringen. Diese Unternehmer werden in der Verordnung allgemein als „Marktteilnehmer“ bezeichnet.

Ebenfalls umfasst sind diejenigen Personen, die im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit relevante Erzeugnisse auf dem Binnenmarkt bereitstellen (sog. Händler).

Anders als von dem EU-Parlament im September 2022 beabsichtigt, sind Finanzinstitute nicht von der Verordnung betroffen. Allerdings soll eine etwaige Ausweitung zwei Jahre nach Anwendungsbeginn der Verordnung überprüft werden.

Die wichtigsten Regelungen

Nach der EU-Entwaldungsverordnung dürfen Produkte nur unter folgenden Voraussetzungen in den Verkehr gebracht werden:

  • sie sind entwaldungsfrei,
  • sie wurden unter Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes hergestellt und
  • für sie liegt eine Sorgfaltserklärung vor.

In der Verordnung wird die Entwaldungsfreiheit so definiert, dass die Erzeugnisse keine Rohstoffe enthalten dürfen, die von einer Fläche stammen, auf welcher es zur Umwandlung von Wäldern in landwirtschaftlich genutzte Flächen kam.

Die betroffenen Rohstoffe und Produkte müssen bereits ab dem 30. Dezember 2020 entwaldungsfrei sein. Das bedeutet, dass Unternehmen rückwirkend nachweisen müssen, dass es in dem Land, von welchem es die Rohstoffe bezieht, nach dem 30. Dezember 2020 zu keiner Entwaldung mehr gekommen ist.

Zudem müssen bei der Herstellung und Abgabe der Rohstoffe die einschlägigen Rechtsvorschriften des Erzeugerlandes eingehalten werden. Dies umfasst sowohl die Gesetze zum Wald- und Naturschutz, als auch die Gesetze zu Menschen- und Arbeitnehmerrechten sowie die Rechte von indigenen Völkern und Antikorruptionsgesetze.

Zur Gewährleistung der Entwaldungsfreiheit und der Einhaltung lokaler Gesetze sind die Marktteilnehmer zu der Abgabe einer Sorgfaltserklärung (sog. Due Diligence Erklärung) an die zuständigen Behörden verpflichtet.

Mit dieser Erklärung müssen Unternehmen die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht und die Einhaltung der Verordnung bestätigen. Ohne die Vorlage einer solchen Erklärung dürfen keine relevanten Erzeugnisse in den Verkehr gebracht werden.

Ferner sind Marktteilnehmer verpflichtet, positiv festzustellen, dass kein Verstoß gegen die Verordnung besteht. Dafür müssen sie selbst Informationen über das Produkt, das Land der Erzeugnisse, die konkreten Erzeugungsflächen sowie die Lieferketten sammeln und den zuständigen Behörden auf Verlangen zur Verfügung stellen.

Die Europäische Kommission wird den Ländern Risikokategorien zuordnen. Je nach Risikostufe gelten strengere Anforderungen zur Einhaltung dieser Pflichten. Für Länder mit hohem Risiko ist eine stärkere Überwachung erforderlich, dagegen ist für Länder mit geringem Risiko nur eine vereinfachte Due Diligence Erklärung notwendig.

Die Unternehmen sind verpflichtet, diese Sorgfaltserklärung elektronisch an die staatlich beauftragten Behörden zu übermitteln sowie die Unterlagen mindestens fünf Jahre lang aufzubewahren.

Durchsetzung und Sanktionen

Die EU-Mitgliedstaaten selbst sind für die Durchsetzung und Kontrolle der Verordnung verantwortlich. In Deutschland wird die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) diese Aufgabe übernehmen.

Bei Verstößen gegen die Verordnung drohen diverse Sanktionen. Auf ein Unternehmen können Bußgelder in Höhe von bis zu vier Prozent des Jahresumsatzes zukommen. Des Weiteren können nicht nur die relevanten Erzeugnisse eingezogen werden, sondern ebenfalls die Einnahmen aus der Transaktion mit diesen.

Außerdem können Unternehmen für einen Zeitraum von bis zu zwölf Monaten bei Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge sowie vom Zugang zu öffentlicher Finanzierung ausgeschlossen werden. Darüber hinaus droht ein vorübergehendes Verbot des Inverkehrbringens, des Bereitstellens oder der Ausfuhr der relevanten Rohstoffe.

Ausblick

Unternehmen sollten bereits jetzt überprüfen, ob sie mit den von der Verordnung umfassten Rohstoffen handeln oder ob sie die betroffenen Erzeugnisse in den Verkehr bringen.

Sind Unternehmen von der Verordnung betroffen, sollten sie zeitnah ein umfassendes System zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten, der Risikobewertung und der Minderungsmaßnahmen implementieren. Zudem sollten diese ihre Lieferketten überwachen und relevante Informationen über die Herkunft und Rechtmäßigkeit der Rohstoffe sowie der daraus abgeleiteten Produkte sammeln.

Ferner sollten sie Verfahren etablieren, welche die Platzierung von Produkten verhindern, die mit der Entwaldung in Verbindung stehen.

Besonders wichtig ist dabei eine zeitnahe Analyse der eigenen Lieferketten und der Herkunft der genutzten Rohstoffe. Andernfalls drohen hohe Bußgelder oder sogar das Verbot des Inverkehrbringens.

Die Übersicht der erfassten Rohstoffe wird durch die Europäische Kommission stetig evaluiert und gegebenenfalls erweitert. Mithin können auch aktuell noch nicht umfasste Unternehmen zukünftig betroffen sein, sodass auch sie die Verordnung und ihre Änderungen regelmäßig überprüfen sollten.

Autor/in
Anja Wechsler

Anja Wechsler
Associate
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Dennis Gerdes

Dennis Gerdes
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