15.04.2024
Seit Jahren nehmen die Forderungen nach einer stärkeren Konsolidierung im deutschen Krankenhaussektor – sowohl auf politischer als auch auf wirtschaftlicher Ebene - mehr und mehr zu. Aktuell ist eine Fusions- und Konsolidierungswelle zu beobachten, größtenteils erzwungen durch die schwierige wirtschaftliche Lage, in die die Krankenhausträger ganz überwiegend unverschuldet geraten sind.
Auf die multiplen Ursachen wie höhere Energiekosten, eine dramatisch gestiegene Inflation usw., die aufgrund des DRG-Fallpauschalen-Systems nicht einfach an die Patienten bzw. deren Krankenkassen weitergegeben werden können, soll an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen werden. Stattdessen soll der Fokus auf ein Instrument gelenkt werden, das die Folgen der aktuellen Krise im Krankenhaussektor etwas abmildern könnte und nach meiner Wahrnehmung noch nicht ausreichend genutzt wird:
Bereits im Jahr 2016 wurde mit Inkrafttreten des Krankenhausstrukturgesetzes (KHSG) u.a. der Krankenhausstrukturfonds zur Förderung von erforderlichen Strukturanpassungen in der stationären Versorgung eingerichtet. Der Krankenhausstrukturfonds wird mit 500 Millionen Euro jährlich aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds ausgestattet. Die Bundesländer können die Mittel zweckgebunden beim Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS, früher Bundesversicherungsamt, BVA) beantragen, sofern sie sich selbst an den Investitionen beteiligen. Der Krankenhausstrukturfonds dient der Verbesserung der Strukturen in der Krankenhausversorgung, z.B. durch Abbau von Überkapazitäten sowie der Konzentration von stationären Versorgungsangeboten und Standorten.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung des Pflegepersonals (Pflegepersonal-Stärkungsgesetz - PpSG) im Jahr 2019 wurde das zunächst auf drei Jahre (2016 bis 2018) ausgelegte Programm für weitere vier Jahre verlängert (2019 bis 2022). Den Kliniken steht damit bundesweit ein zusätzliches Volumen von 500 Millionen Euro pro Jahr aus dem Gesundheitsfonds zur Verfügung.
Mit Einführung des „Krankenhauszukunftsgesetzes“ (KHZG) im Oktober 2020 hat die Bundesregierung die Regelungen schließlich dahingehend ergänzt, dass die o.g. Fördermittel – insgesamt bis zu zwei Milliarden Euro – noch bis zum 31. Dezember 2024 bereitgestellt werden.
Doch wie sich aktuellen Presseberichten entnehmen lässt, wurden die Fördermittel bislang nur zögerlich von den Bundesländern abgerufen: Von den für die Förderperiode 2019 bis 2024 zur Verfügung stehenden zwei Milliarden Euro sind nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) bisher nur rund 745 Millionen beantragt worden. Deutlich mehr als die Hälfte der Mittel (1,25 Milliarden Euro), wurden hingegen noch nicht angefragt.
Für Krankenhäuser bieten die Fördermittel aus dem Krankenhausstrukturfonds dabei jedoch nicht nur finanzielle Unterstützung, sondern unter bestimmten Voraussetzungen auch (entscheidende) Erleichterungen im Rahmen der deutschen Fusionskontrolle:
Der Gesetzgeber hatte mit der 10. GWB-Novelle einen zeitlich befristeten Ausnahmetatbestand für bestimmte Zusammenschlüsse von Krankenhäusern eingeführt. Hintergrund der Regelung war die zunehmende Forderung nach mehr Konsolidierung im Krankenhaussektor bei gleichzeitig restriktiver Entscheidungspraxis des Bundeskartellamts im Bereich von Krankenhausfusionen. Nach § 187 Abs. 9 GWB unterfällt ein Zusammenschluss im Krankenhausbereich nicht (mehr) der deutschen Fusionskontrolle, wenn das Vorhaben u.a. eine standortübergreifende Konzentration von Krankenhäusern vorsieht und ein Bescheid auf Auszahlung aus dem Krankenhausstrukturfonds des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS) vorliegt. Eine weitere Voraussetzung ist, dass der Zusammenschluss bis zum 31. Dezember 2027 vollzogen wird.
Doch auch hier macht sich die zögerliche Inanspruchnahme der Fördergelder aus dem Krankenhausstrukturfonds bemerkbar: Soweit ersichtlich, profitierte bislang allein die Fusion der Kölner Krankenhausträger „Stiftung der Cellitinnen“ und „Stiftung der Cellitinnen zur heiligen Maria“ im Jahr 2022 von der fusionskontrollrechtlichen Ausnahmeregelung des § 187 Abs. 9 GWB.
Zwar ist nach dem „Eckpunktepapier – Krankenhausreform“ des BMG vom 10. Juli 2023 eine Verlängerung und Ergänzung des Krankenhausstrukturfonds aus Mitteln von Bund und Ländern vorgesehen. Im Hinblick auf die zeitliche Befristung der fusionskontrollrechtliche Ausnahmeregelung des § 187 Abs. 9 GWB sind die Risiken eines möglichen Abwartens jedoch sorgfältig abzuwägen. In vielen Fällen – wie etwa im Fall der Kölner Cellitinnen – ist die Ausnahmeregelung des § 187 Abs. 9 GWB die entscheidende Weichenstellung für die fusionskontrollrechtliche Machbarkeit eines Krankenhauszusammenschlusses.
Prof. Dr. Christian Burholt, LL.M.
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