21.09.2022
Aufgrund des russischen Angriffskrieges haben sich die europäischen Mitgliedsstaaten im April 2022 auf ein fünftes Sanktionspaket gegen Russland geeinigt. Die am 8. April 2022 veröffentlichte Verordnung (EU) 2022/576 sieht die Ergänzung der bisher bestehenden Sanktionen vor Diese sind in der Verordnung (EU) Nr. 833/2014, der sog. Sanktions-VO, geregelt. Mit dem fünften Sanktionspaket haben erstmals Maßnahmen Einzug in die europäischen Sanktionen gefunden, die unmittelbar das Vergaberecht betreffen. Die Sanktions-VO sieht nunmehr ein Zuschlags- und Vertragserfüllungsverbot vor. In unseren FAQ haben wir die Antworten auf die drängendsten Fra-gen zu den Verboten der Sanktions-VO für Sie zusammengefasst.
1.1 Was verbietet die Sanktions-VO mit Blick auf das Vergaberecht?
Die Sanktions-VO sieht ein grundsätzliches Zuschlags- und Vertragserfüllungsverbot vor. Das Zuschlagsverbot verbietet es öffentlichen Auftraggebern, den Zuschlag im Rahmen eines Vergabeverfahren auf das Angebot eines Bieters zu erteilen, der einen bestimmten Bezug zu Russland aufweist. Nach dem Vertragserfüllungsverbot ist es öffentlichen Auftraggebern verboten, vor dem 9. April 2022 geschlossene Verträge nach dem 10. Oktober 2022 weiterhin zu erfüllen, sofern der Vertragspartner des öffentlichen Auftraggebers einen Bezug zu Russland aufweist.
1.2 Welche Bieter oder Vertragspartner sind von den Verboten betroffen?
Unter die Sanktion fallen diejenigen Bieter, die einen in der Sanktions-VO definierten Bezug zu Russland aufweisen. Nach der Sanktions-VO besteht ein Bezug zu Russland,
(i) wenn der Bieter oder Bewerber die russische Staatangehörigkeit besitzt oder sich die Niederlassung des Bieters oder Bewerbers in Russland befindet;
(ii) wenn eine natürliche Person oder ein Unternehmen, auf welche/welches eine der Möglichkeiten nach (i) zutrifft, an dem Bieter oder Bewerber Anteile im Umfang von mehr als 50% hält;
(iii) wenn der Bieter oder Bewerber im Namen oder auf Anweisung einer Person oder eines Unternehmens handelt, welche/welches die Kriterien nach (i) und/oder (ii) erfüllt.
1.3 Wann handelt ein Bieter „im Namen oder auf Anweisung“ einer Person oder eines Unternehmens im Sinne der Sanktions-VO?
Diese Frage ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Die europäische Kommission hat eine Orientierungshilfe zur Verfügung gestellt, aus der sich ergibt, welche Aspekte bei der Beurteilung der konkreten Situation zu berücksichtigen sind. Danach sind die genaue Eigentums- und Kontrollstruktur einschließlich der Verbindungen zwischen natürlichen Personen sowie Art und Zweck des Geschäfts mit in die Beurteilung einzubeziehen. Auch vorherige Fälle eines Handelns auf Anweisung sollen mit in die Beurteilung einfließen. Zudem sind auch Informationen von Dritten und weitere Beweise zu berücksichtigen, aus denen hervorgeht, dass eine von den Sanktionen betroffene Organisation Anweisungen an das Unternehmen erteilt hat.
1.4 Wir haben im Unternehmen einige Mitarbeiter mit russischer Staatsbürgerschaft – werden wir jetzt von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen?
Ein Ausschluss kommt in diesem Fall nur dann in Betracht, wenn einer dieser Mitarbeiter mehr als 50% der Anteile am Unternehmen hält. Ist dies nicht der Fall, ist kein Ausschluss zu befürchten.
1.5 Was gilt, wenn unsere Mitarbeiter eine doppelte Staatsbürgerschaft haben?
Aus der Sanktions-VO ergibt sich, dass ein Russland-Bezug auch dann vorliegt, wenn die betroffenen Personen neben der russischen Staatsbürgerschaft noch eine weitere Staatsbürgerschaft besitzen.
1.6 Was gilt, wenn wir einen Projektleiter benennen müssen, der (auch) die russische Staatsbürgerschaft hat?
Ein Ausschluss kommt in diesem Fall nur in Betracht, wenn es sich bei dem Projektleiter zugleich um eine Person handelt, die mehr als 50 % der Anteile am Unternehmen hält.
1.7 Was gilt, wenn wir Leiharbeiter mit russischer Staatsbürgerschaft einsetzen?
In diesem Fall ist kein Ausschluss zu befürchten. Die Teilnahme an Vergabeverfahren sowie die Erfüllung bereits geschlossener Verträge ist möglich.
1.8 Gilt etwas anderes, wenn einer unserer Geschäftsführer (auch) die russische Staatsbürgerschaft hat?
Die russische Staatsangehörigkeit des Geschäftsführers allein vermag keinen ausreichenden Bezug zu Russland zu begründen. Der Vertrag kommt schließlich nicht mit dem Geschäftsführer selbst zustande, sondern mit dem Unternehmen. Etwas anderes kann jedoch gelten, wenn der Geschäftsführer selbst oder eine juristische Person mit Sitz in Russland mehr als 50 % der Anteile am Unternehmen hält.
2.1 Gelten die Verbote für den Bund?
Ja, als Gebietskörperschaft gem. § 99 Nr. 1 GWB gelten die Verbote der Sanktions-VO für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen durch die Bundesbehörden.
2.2 Gelten die Verbote für die Länder (also bspw. wenn Ministerien etwas beschaffen)?
Ja, auch bei den Ländern handelt es sich um öffentliche Auftraggeber. Diese müssen die Verbote der Sanktions-VO beachten.
2.3 Gelten die Verbote für die Kommunen?
Ja, auch die Kommunen sind verpflichtet, die Verbote der Sanktions-VO zu befolgen.
2.4 Gelten die Verbote auch für juristische Personen des Privatrechts, etwa eine GmbH?
Die Verbote der Sanktions-VO gelten für juristische Personen des Privatrechts, sofern es sich bei diesen um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 Nr. 2 GWB handelt.
Das ist nur dann der Fall, wenn die Gesellschaft eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe nicht gewerblicher Art erfüllt und darüber hinaus eine Staatsbezogenheit aufweist. Bei einer Gesellschaft, die auf Gewinnerzielung gerichtet ist und/oder keine Staatsbezogenheit aufweist, gelten die Verbote nicht.
2.5 Ist das anders, wenn die juristische Person des Privatrechts, etwa eine GmbH, dem Bund, einem Land oder einer Kommune zu 100% gehört?
Ja. Die Gesellschaft weist in diesem Fall die erforderliche Staatsbezogenheit auf. Sofern darüber hinaus der Gesellschaftszweck auf die Erfüllung einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe gerichtet ist und die Tätigkeit in nicht gewerblicher Art erfolgt, gelten die Verbote der Sanktions-VO.
2.6 Ist das anders, wenn dem Bund, einem Land oder einer Kommune weniger als 50 % der GmbH oder einer anderen privaten Gesellschaft gehören?
Ja. Sofern sich nicht etwa durch eine überwiegende öffentliche Finanzierung die Staatbezogenheit ergibt und auch die anderen Voraussetzungen für eine Qualifizierung als öffentlicher Auftraggeber (Aufgabenerfüllung im Allgemeininteresse, Nichtgewerblichkeit) nicht vorliegen, gelten die Verbote der Sanktions-VO nicht.
2.7 Gilt die Sanktions-VO auch für öffentliche Auftraggeber im Sektorenbereich, die die SektVO anwenden?
Ja, auch diese Auftraggeber müssen das Zuschlags- und das Vertragserfüllungsverbot beachten.
2.8 Gilt die Sanktions-VO auch für öffentliche Auftraggeber im Bereich Verteidigung und Sicherheit, die die VSVgV anwenden?
Ja, auch für diese Auftraggeber gilt die Sanktions-VO.
2.9 Gilt die Sanktions-VO auch für öffentliche Auftraggeber im Bergbau, die den § 143 GWB anwenden?
Ja, auch diese Auftraggeber sind an die Verbote der Sanktions-VO gebunden.
2.10 Gilt die Sanktions-VO auch für öffentliche Auftraggeber, die Konzessionen nach der KonzVgV ausschreiben?
Ja, die Sanktions-VO gilt ausdrücklich auch für die Vergabe von Konzessionen durch öffentliche Auftraggeber.
2.11 Gilt die Sanktions-VO auch für öffentliche Auftraggeber, die aufgrund einer bestehenden Binnenmarktrelevanz ausschreiben?
Nein, die Verbote der Sanktions-VO sind in diesen Fällen nicht zu beachten. Dies gilt allerdings nur, soweit sich die Ausschreibungspflicht ausschließlich aufgrund der Binnenmarktrelevanz ergibt.
3.1 Gilt die Sanktions-VO nur im Oberschwellenbereich?
Ja, die Verbote gelten ausschließlich für öffentliche Aufträge, deren Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer den jeweils geltenden Schwellenwert überschreitet. Für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen unterhalb der Schwellenwerte des Kartellvergaberechts gilt die Sanktions-VO nicht.
3.2 Gelten die Verbote auch in den Fällen, in denen eine Ausnahme vom Anwendungsbereich des Kartellvergaberechts nach dem GWB einschlägig ist (also bspw. Miete und Pacht durch die öffentliche Hand)?
Die Verbote gelten nur in manchen der im Kartellvergaberecht geregelten Ausnahmefälle. Für Miet-, Pacht und andere Grundstücks- oder Immobilienverträge gelten die Verbote nur, soweit es sich um die Beschaffung einer Konzession handelt.
Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat eine Übersicht über die vom Anwendungsbereich umfassten Ausnahmen des Kartellvergaberechts erstellt. Diese finden Sie hier: Übersicht Anwendungsbereich Sanktions-VO.
3.3 Gelten die Verbote auch innerhalb des 20 %-Kontingents bei Bauaufträgen gem. § 3 Abs. 9 VgV?
Ja, davon ist auszugehen. § 3 Abs.9 VgV führt gerade nicht dazu, dass die Lose im Rahmen des 20 %-Kontingents nicht mehr von der zugrundeliegenden Richtlinie umfasst sind. Demnach gelten auch bei einer nationalen Ausschreibung dieser Lose das Zuschlags- und das Vertragserfüllungsverbot.
3.4 Gelten die Vorschriften auch bei geförderten Projekten, bspw. unter Beachtung der ANBest-P?
Es kommt darauf an, ob auch ohne die Förderung eine Ausschreibungspflicht besteht. Ergibt sich die Pflicht zur Ausschreibung nur aus den Nebenbestimmungen des Förderbescheides, etwa den ANBest-P, gilt die Sanktions-VO nicht. Das gilt unabhängig davon, ob aufgrund der Nebenbestimmungen ein Verfahren nach den Vorschriften des Unter- oder Oberschwellenbereichs durchzuführen ist.
4.1 Was ist bei der Vorbereitung zukünftiger und der Durchführung laufender Vergabeverfahren zu beachten?
Zu beachten ist in diesen Fällen das in der Sanktions-VO geregelte Zuschlagsverbot. Sofern der Bestbieter einen Russland-Bezug aufweist (siehe Ziff 1.2 der FAQ), darf der Zuschlag nicht erteilt werden. Dieses Zuschlagsverbot gilt seit dem 09.04.2022.
Wichtig ist, dass dem öffentlichen Auftraggeber kein Ermessenspielraum zusteht. Sind die Voraussetzungen des Zuschlagsverbotes erfüllt, darf kein Zuschlag erteilt werden.
4.2 Gibt es Ausnahmen vom Zuschlagsverbot?
Ja, Ausnahmen bestehen etwa für den Betrieb nuklearer Kapazitäten, die Beschaffung von Kohle, anderen fossilen Brennstoffen und weiteren Rohstoffen sowie für die Bereitstellung unbedingt notwendiger Güter oder Dienstleistungen. Sämtliche Ausnahmen sind unter Ziff. 23 der Verordnung 2022/576 nachzulesen: VERORDNUNG (EU) 2022/576 .
Das zuständige Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) hat für die Nutzung der Ausnahmetatbestände eine sog. Allgemeine Genehmigung erlassen. Diese ist zunächst bis zum 31.12.2022 befristet. Beabsichtigt ein öffentlicher Auftraggeber, von einem der Ausnahmetatbestände Gebrauch zu machen, muss er beim BAFA keine Genehmigung für den Einzelfall einholen. Vielmehr hat er selbst prüfen, ob der vorliegende Sachverhalt vom einem der Ausnahmetatbestände umfasst ist. Soweit der Auftraggeber einen der Ausnahmetatbestände in Anspruch nimmt, muss er dies den Bewerbern oder Bietern bzw. seinem Vertragspartner anzeigen und die Inanspruchnahme dokumentieren. Zudem muss er sich einmalig beim BAFA registrieren. Die Allgemeine Genehmigung Nr. 31 des Bundesamtes für Ausfuhrkontrolle (BAFA) haben wir hier für Sie verlinkt. Wichtig ist Folgendes: Liegt ein Sachverhalt vor, der unter einen der Ausnahmetatbestände fällt, entscheidet der Auftraggeber, ob er von der Ausnahme Gebrauch machen möchte. Er ist nicht dazu verpflichtet, den Ausnahmetatbestand zu nutzen.
4.3 Gilt das Zuschlagserbot auch dann, wenn ein Bieter einen russischen Unterauftragnehmer oder Lieferanten einsetzen möchte?
Ob das Zuschlagsverbot gilt, ist abhängig vom Umfang der Beteiligung des Nachunternehmers oder Lieferanten am Auftrag. Es gilt dann, wenn das Unternehmen oder die Person einen Russland-Bezug aufweist (siehe Ziff. 1.2 der FAQ) und mit mehr als 10%, gemessen am Auftragswert, als Unterauftragnehmer, Lieferant oder im Rahmen der Eignungsleihe am Auftrag beteiligt ist.
4.4 Gilt die Beschränkung der Beteiligung von Nachunternehmern und Lieferanten auf 10 % lediglich für Lieferanten und Unterauftragnehmer auf erster Stufe?
Nein, gemeint sind sämtliche Lieferanten und Nachunternehmer entlang der gesamten Lieferkette. Davon umfasst sind auch diejenigen Lieferanten und Unterauftragnehmer, von denen der Auftraggeber keine Kenntnis hat. Der Auftraggeber sollte daher umfassend prüfen, ob entlang der Lieferkette eine Beteiligung eines von der Sanktions-VO betroffenen Wirtschaftsteilnehmers besteht, die 10 % des Auftragswertes übersteigt. Ist dies der Fall, gelten das Zuschlags- und das Vertragserfüllungsverbot.
4.5 Gilt die Sanktions-VO auch dann, wenn ein Lieferant oder Unterauftragnehmer in keiner Weise an der Erfüllung des Vertrages beteiligt ist?
Ja, umfasst sind auch diejenigen Wirtschaftsteilnehmer, die an der Erfüllung des Vertrages nicht beteiligt sind und deren Kapazitäten nur in Anspruch genommen werden, um die Eignungsanforderungen zu erfüllen.
4.6 Wer ist für die Einhaltung des Zuschlagsverbotes zuständig?
Für die Einhaltung der Vorschriften ist der öffentliche Auftraggeber zuständig.
4.7 Wie stelle ich sicher, dass kein Bieter den Zuschlag erhält, für den das Zuschlagsverbot gilt?
Wir empfehlen Ihnen, den Vergabeunterlagen eine entsprechende Eigenerklärung als Formblatt beizufügen. Darin erklärt der Bieter, nicht zu dem vom Zuschlagsverbot betroffenen Bieterkreis zu gehören. Bieter, die das Formblatt auch nach einer etwaigen Aufforderung zur Nachreichung nicht einreichen, werden vom Verfahren ausgeschlossen.
4.8 Wo finde ich die Formblätter? Wo erhalte ich weitere Informationen?
Formblätter existieren sowohl vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Formblatt BMWK) als auch vom VHB NRW (Formblatt VHB NRW).
Weitere Informationen zu der Sanktions-VO und deren Umsetzung finden sich auf der Website des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK): BMWK - Öffentliche Aufträge und Vergabe. Dort ist das Rundschreiben des BMWK zur Umsetzung der Sanktions-VO abrufbar: Kopfbogen Berlin (bmwk.de).
Weitere Informationen zum fünften Sanktionspaket finden sich auf Website der EU-Kommission Fragen und Antworten zum fünften Sanktionspaket gegen Russland (europa.eu).
4.9 Kann ein anderer Bieter gegen die Erteilung des Zuschlags vor der Vergabekammer vorgehen, wenn er einen Verstoß gegen das Zuschlagsverbot befürchtet?
Ja, dem Bieter steht der Weg zu den Vergabekammern offen. Neben dem Verstoß gegen die Sanktions-VO muss er jedoch die weiteren in §§ 160 ff. GWB geregelten Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrages erfüllen.
4.10. Welche Konsequenzen drohen, wenn der Zuschlag trotz eines bestehenden Zuschlagsverbotes erteilt wird?
Der Vertragsschluss verstößt gegen die Sanktions-VO und somit gegen unmittelbar geltendes Recht. Der Verstoß kann strafrechtlich verfolgt und geahndet werden.
5.1 Was ist bei der Durchführung bereits bestehender Verträge zu beachten?
Die Sanktions-VO regelt neben dem Zuschlagsverbot auch ein sog. Vertragserfüllungsverbot. Die Voraussetzungen für den Anwendungsbereich entsprechen denen des Zuschlagsverbotes. Dies gilt insbesondere für den erforderlichen Russland-Bezug (siehe Ziff. 1.2 der FAQ) sowie für die Einbeziehung von Nachunternehmern und Lieferanten (siehe Ziff. 4.3 der FAQ). Geschlossene Verträge, die unter die Sanktion fallen, muss der Auftraggeber bis zum 10. Oktober 2022 beenden.
Es besteht kein Ermessensspielraum des öffentlichen Auftraggebers.
5.2 Gibt es Ausnahmen vom Vertragserfüllungsverbot?
Ja, es gelten die unter Ziff 4.2 des FAQ dargestellten Ausnahmen. Zu finden sind diese unter Ziffer 23 der Verordnung 2022/576 (VERORDNUNG (EU) 2022/576 ). Die Allgemeine Genehmigung des BAFA gilt auch für das Vertragserfüllungsverbot. Der öffentliche Auftraggeber hat die unter Ziff. 4 dargestellten Besonderheiten zur Nutzung der Allgemeinen Genehmigung zu beachten.
5.3 Wer ist für die Einhaltung des Zuschlagsverbotes verantwortlich?
Auch für die Einhaltung des Vertragserfüllungsverbotes ist der öffentliche Auftraggeber verantwortlich.
5.4 Gilt das Vertragserfüllungsverbot für alle Verträge, unabhängig von ihrer Laufzeit?
Nein, Verträge, die vor dem 10.10.2022 enden, dürfen vollständig erfüllt werden.
5.5 Wie setze ich das Vertragserfüllungsverbot in der Praxis um?
Wir empfehlen, allen Auftragnehmern, mit denen Verträge bestehen, deren Laufzeit über den 10.10.2022 hinausgeht, ein Formblatt zu übermitteln, in welchem abgefragt wird, ob die Voraussetzungen des Vertragserfüllungsverbotes vorliegen. Sollten Sie im Zuge dessen erfahren, dass ein Vertragsverhältnis unter die Sanktion fällt, sind Sie verpflichtet, das Vertragsverhältnis zu beenden. Das Vertragsverhältnis muss zum 10.10.2022 enden. Die Kündigung zu einem früheren Zeitpunkt kann jedoch nicht mit dem Vertragserfüllungsverbot begründet werden.
Alternativ besteht auch die Möglichkeit, den Vertrag auf unbestimmte Zeit auszusetzen. In jedem Fall ist sicherzustellen, dass nach dem 10.10.2022 keine Vertragserfüllung mehr erfolgt.
5.6 Der Nachunternehmer oder Lieferant des Vertragspartners weist einen einschlägigen Bezug zu Russland auf. Was ist zu tun?
In diesem Fall muss der öffentliche Auftraggeber den Auftragnehmer dazu verpflichten, seine Geschäftsbeziehung im Zusammenhang mit der Erfüllung dieses Auftrages zum 10.10.2022 zu beenden. Auch hier besteht kein Ermessenspielraum des öffentlichen Auftraggebers. Zudem sollte die Ersetzung des Nachunternehmers bzw. Lieferanten verlangt werden. Schlägt der Vertragspartner einen neuen Nachunternehmer oder Lieferanten vor, muss geprüft werden, ob für diesen Ausschlussgründe vorliegen und der Bieter auch unter Berücksichtigung des neuen Nachunternehmers oder Lieferanten die Anforderungen an die Eignung erfüllt.
5.7 Ein bestehender Vertrag muss aufgrund des Vertragserfüllungsverbotes gekündigt werden. Kann ein neuer Auftrag im Wege des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb vergeben werden?
Sofern keine Ausnahme vom Anwendungsbereich vorliegt, gelten für die Vergabe eines neuen Auftrages die Vorschriften des Kartellvergaberechts. Die Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb muss nach der Vorschriften des EU-Vergaberechts im Einzelfall zulässig sein. Eine Vertragskündigung aufgrund des Vertragserfüllungsverbotes der Sanktions-VO kann als unvorhersehbares Ereignis, etwa im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV, in Betracht kommen. Zu prüfen ist jedoch, ob im Einzelfall auch ein dringlicher Grund für die Beschaffung vorliegt, da das Vertragserfüllungsverbot erst am 11.10.2022 in Kraft tritt. Es sollte daher auch die Möglichkeit geprüft werden, ein beschleunigtes Verfahren durchzuführen.
5.8 Kann der Vertragspartner wegen der Beendigung der Vertragsbeziehung Schadensersatzansprüche geltend machen?
Schadenersatzansprüche der Vertragspartner sind europarechtlich ausgeschlossen, soweit es sich um russische natürliche oder juristische Personen handelt.
5.9 Welche Konsequenzen drohen, wenn ein unter das Verbot fallender Vertrag nicht bis zum 10.10.2022 gekündigt wird?
Die Vertragserfüllung stellt eine Zuwiderhandlung gegen die Sanktions-VO dar. Diese kann strafrechtlich verfolgt und geahndet werden.
Dr. Stefan Mager
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