24.10.2017
24.10.2017
Nach einem 13 Stunden dauernden Verhandlungsmarathon herrschte um 3:00 Uhr am Morgen des 13. Oktober 2017 Gewissheit unter den Beteiligten: die im Vorfeld des fünften informellen Trilogs zur Reform des EU-Emissionshandelssytems (EU-ETS) geäußerte Hoffnung des Generalsekretariats des Rates, es möge sich dabei um die letzte, zum Ergebnis führende Sitzung zwischen dem Rat der Europäischen Union, dem Europäischen Parlament und der Europäischen Kommission handeln, bewahrheitete sich nicht. Stattdessen soll nun - zeitlich durchaus ambitioniert - noch vor der vom 6. bis 17. November 2017 stattfindenden UN-Klimakonferenz COP 23 in Bonn ein weiterer Trilog stattfinden, um letzte Differenzen bei der Reform des EU-ETS auszuräumen. Worum es bei diesen Differenzen im Einzelnen geht, zeigt die Ratsunterlage zum Trilog auf.
Insbesondere konnte bislang nicht geklärt werden, welche Grenzwerte für eine Zuteilung von Fördermitteln aus dem Modernisierungsfonds gelten sollen. Der Vorschlag des Europäischen Parlaments, diese Grenze bei einem Treibhausgasausstoß von 450 g CO2/kWh zu ziehen, konnte sich nicht durchsetzen. Für Polen, aber auch andere vorwiegend osteuropäische Staaten, deren Energieerzeugung maßgeblich durch konventionelle Kraftwerke mit fossilen Energieträgern erfolgt, würde dies nämlich praktisch den Ausschluss aus der Förderung durch den Modernisierungsfonds bedeuten. Dieser Ansatz, Kohlekraftwerke ab der 4. EU-ETS-Handelsperiode de facto komplett vom Anwendungsbereich des Modernisierungsfonds auszuschließen, erweist sich jedoch als eine aus dem politischen Umfeld stammende (Wunsch-)Vorstellung, die sich jedenfalls nicht für eine kurzfristige Umsetzung in der Praxis eignet. Eine übereilte, vorwiegend aus politischen Überzeugungen resultierende Implementierung solcher Standards wäre vielmehr kontraproduktiv für eine langfristig am Ziel der Dekarbonisierung ausgerichtete (Energie-)Wirtschaft. Denn gerade Instrumente wie der Modernisierungsfonds schaffen die essentiellen finanziellen Ressourcen, damit auch Staaten mit einer historisch auf fossilen Energieträgern ausgerichteten Energiewirtschaft ihre Anlagen technisch aufrüsten und so die Entwicklung hin zu einer CO2-emissionsarmen Energiewirtschaft aufnehmen können. Von daher wird wohl bzgl. des o.g. Grenzwertes eine Einigung erzielt werden, die in den besonders betroffenen Mitgliedsstaaten nicht zu einem "Abwürgen" der energiewirtschaftlichen Neuausrichtung mangels finanzieller Unterstützung führt.
In engem Zusammenhang zum Anwendungsbereich des Modernisierungsfonds steht die Zuteilung kostenloser Zertifikate, mit denen besonders energieeffiziente Anlagen und deren Errichtung gefördert wird. Während das Europäische Parlament diesbezüglich vorgeschlagen hat, die Menge an kostenlosen Zertifikaten auf bis zu 5 % der Gesamtmenge zu erhöhen, beinhaltet der Kompromissvorschlag des Rates unter der Ratspräsidentschaft Estlands eine solche Erhöhung auf lediglich 2,5 %, um geringere mitgliedstaatliche Erlöse aus der Zertifikatsversteigerung zu vermeiden.
Angesichts dieser beiden offenen Punkte des Modernisierungsfonds und des Anteils kostenloser Zertifikate kommt die Reform des EU-ETS einer "Gratwanderung" gleich, bei der ein funktionsfähiger Emissionszertifikatshandel mit einem den Klimaschutz fördernden Preisniveau und ein wettbewerbsfähiger Betrieb CO2-emittierender Anlagen mit finanziellen Unterstützungen zwecks Effizienzsteigerung bzw. langfristigem Ersatz zu harmonisieren sind.
Wie dieser Ausgleich zwischen Klimaschutzinteressen und Industrieanliegen bei der Reform des EU-ETS für die 4. Handelsperiode (2021-2030) genau erfolgen wird, ist daher letztendlich eine politische Entscheidung, deren Ergebnis sich nicht konkret vorhersagen lässt.
Absehbar dürfte daher lediglich sein, dass die Reform des EU-ETS zu einer Zertifikatsverknappung mit höheren Kosten führen wird, um so den in der 3. Handelsperiode verstärkt aufgetretenen Preisverfall infolge eines Überangebots an Zertifikaten zu unterbinden und zugleich die Einhaltung der Verpflichtung aus dem Pariser Übereinkommen zu gewährleisten, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf deutlich unter 2 °C, nach Möglichkeit auf 1,5 °C, gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Für Anlagenbetreiber hat dies zur Konsequenz, dass ein wettbewerbsfähiger Betrieb von Anlagen mit (hohen) CO2-Emissionen zukünftig angesichts der politisch intendierten Zertifikatsverknappung voraussichtlich mit höheren Kosten verbunden sein wird. Es kann sich anbieten, im Rahmen der eigenen Handelsstrategien hierauf zu reagieren und das derzeit geringe Preisniveau zum Aufbau von EUA-Positionen zu nutzen. Am Banking, also der Übertragung der Emissionszertifikate in die nächste Handelsperiode, soll sich nach den bisherigen Diskussionen nichts ändern.
Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham) |