05.11.2018
05.11.2018
Gewässer sind zunehmend mit Arzneimittelrückständen belastet, die über das Abwasser eingetragen werden. Unter anderem weisen Gewässerproben immer häufiger Rückstände von Hormonen oder Antibiotika auf. Minimiert werden könnten diese durch die Einführung einer „vierten Reinigungsstufe“, etwa durch den Einsatz von Aktivkohle und/oder Ozon. Der Aufwand dafür wäre freilich enorm: Der Branchenverband BDEW schätzt die Kosten einer Umrüstung in Deutschland auf 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Mittel, die bei den kommunalen Aufgabenträgern für die Abwasserbeseitigung nicht ohne weiteres zur Verfügung stehen. Eine Lösung dafür sehen nun Prof. Dr. Gawel und Prof. Dr. Köck vom Umweltforschungszentrum Leipzig (UFZ). In einem Gutachten im Auftrag des Umweltbundesamtes schlagen sie die Einführung einer „Arzneimittelabgabe“ vor.
Fest steht, dass der steigenden Belastung öffentlicher Gewässer mit Mikroschadstoffen etwas entgegen gesetzt werden muss. Nicht nur das etwa durch Kosmetik in Gewässer eingetragene Mikroplastik, sondern auch eine immer extensivere Nutzung von Arzneimitteln hat zu einer steigenden Belastung öffentlicher Gewässer geführt. Während sich die Belastung mit Mikroplastik womöglich noch recht effektiv durch entsprechende Vermeidungsmaßnahmen an der Quelle (z. B. Kosmetika) reduzieren ließe, ist die Situation bei Arzneimitteln komplexer.
Sollten Bemühungen zur Vermeidung des Eintrags nicht zu dem gewünschten Erfolg führen, wird man diese in Zukunft wohl über eine „vierte Reinigungsstufe“ in Kläranlagen herausfiltern müssen. Kommunale Kläranlagen müssten entsprechend nachgerüstet werden. Das könnte zu erheblichen Gebühren- oder Preissprüngen bei den Verbrauchern führen, die nach dem geltenden Kommunalabgaben und –haushaltsrecht grundsätzlich zu kostendeckenden Abwassergebühren (bzw. Entgelten) heranzuziehen sind.
Als Alternative zu einer solchen „gesamtgesellschaftlichen Lösung“ schlagen die Verfasser des Gutachtens nun die Einführung einer sog. Arzneimittelabgabe vor. Sie sehen insbesondere die Hersteller von Arzneimitteln als Verursacher in der Verantwortung. Diese sollen die Kosten der erforderlichen Nachrüstungen von Kläranlagen tragen. Dafür werden verschiedene Ausgestaltungen der Abgabe zur Diskussion gestellt, die als Steuern oder sonstige Abgaben je nach Modell die Hersteller, den Handel oder die Verbraucher treffen würden.Wie man das Blatt dreht und wendet, bleiben jedoch viele Fragezeichen, was die Ausgestaltung einer solchen Abgabe betrifft.
Soweit die Autoren eine Ausgestaltung als Steuer erwägen, führt dies zu nicht ohne weiteres zu lösenden Folgefragen.
So wäre bereits grundsätzlich zu fragen, ob eine Steuer, die ja per se gerade keinen gebundenen Finanzierungszweck verfolgt sondern dem allgemeinen Haushalt zugeführt wird, überhaupt das geeignete Mittel zur Gegenfinanzierung der durch den Arzneimitteleintrag ausgelösten Kosten ist.
Aber selbst soweit „Zwecksteuern“ möglich sind, wäre eine rechtmäßige Ausgestaltung schwierig und etwa zu klären,
Einige dieser Fragen sind in dem Gutachten ausgeführt, einige angedeutet. Ganz festlegen scheinen sich die Verfasser jedoch nicht zu wollen.
Denn favorisiert wird anscheinend eine Abgabe in Form einer Sonderabgabe. Eine solche begegnet jedoch nicht weniger Bedenken. Im Gegenteil: Egal auf welcher Ebene man eine solche Abgabe ansetzt – die Verfasser des Gutachtens betrachten insbesondere Hersteller und Handel – sind die Problemlagen vielschichtig. Das gilt insbesondere, soweit es sich um Sonderabgaben mit Finanzierungsfunktion handeln soll. Denn hier wäre eine besondere Finanzierungsverantwortung erforderlich. Dabei ist vordergründig der Verursachergedanke zu beachten und die Abgabe muss im originären Interesse der Abgabenpflichtigen liegen. Daran kann man selbst bei den Herstellern pharmazeutischer Produkte zweifeln. Und zwar selbst dann wenn man unterstellte, dass diese (zumindest auch) Verursacher der Arzneimittelbelastungen in Gewässern sind. Jedenfalls darf insoweit das Interesse der Abgabenpflichtigen an dem Zweck der Abgabe in Frage gestellt werden. Ein unmittelbarer Vorteil für die Hersteller ist jedenfalls nicht ersichtlich.
Würde die Abgabe hingegen den Handel belasten, wäre der Verursachergedanke noch fernliegender als bei den Herstellern. Auch ein direktes Interesse der abgabenpflichtigen Händler ist nicht gegeben. An dieser Stelle würden zudem noch weitere praktische Hürden hinsichtlich des Preisrechts von Arzneimitteln bestehen. Kosten und Nutzen einer Regelung auf dieser Ebene dürften völlig außer Verhältnis stehen.
Besonders bedenklich erscheint jedoch die Belastung der Verbraucher. Hier erwägen die Verfasser zwar vorrangig eine „gewässerbezogen erhöhte Zuzahlung gem. §§ 31, 61 SGB V“, aber auch bei einer Belastung der Hersteller oder Händler würden die Zusatzkosten aus einer Arzneimittelabgabe wohl auf die Verbraucher und damit ausgerechnet auf das wohl schwächste Glied in der Kette abgewälzt werden. Dieser Umstand begegnet nicht zuletzt Bedenken mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit. Schließlich korreliert der Zugang zu medizinischer Versorgung mit den Grundrechten auf körperliche Unversehrtheit nach Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG und mit dem Sozialstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 S. GG. Die Abgabe von Arzneimitteln zu verteuern und mithin zu erschweren wäre daher ein besonders (schwer) zu rechtfertigender Grundrechtseingriff.
Die Einführung einer Arzneimittelabgabe wäre rechtlich außerordentlich schwierig, wenn nicht unmöglich. Im Übrigen bliebe zu fragen, ob es überhaupt zweckmäßig wäre, die Kosten der Beseitigung von Arzneimittelrückständen im Abwasser auf die Pharmabranche (und damit am Ende wohl immer auch auf die Verbraucher) abzuwälzen – oder ob die Bemühungen nicht eher dahin gehen sollten, die Kosten etwa durch sinnvolle Konzepte vor Ort zu minimieren. Zu denken wäre an technische Lösungen, die gezielt und bereits vor einer „vierten Reinigungsstufe“ in der Kläranlage bei besonders kritischen Einleitern wie Krankenhäusern, Altenpflegeeinrichtungen etc. ansetzen.
Das wäre schließlich auch mit Blick auf eine von den Verfassern des Gutachtens ebenfalls angedachte Lenkungsfunktion einer Arzneimittelabgabe zu überlegen. Denn es erscheint zweifelhaft, ob gewässerentlastende Effekte bei arzneimittelbezogenen Entscheidungen überhaupt eine Rolle spielen (sollten).
Dr. Sabrina Desens |
Steffen Blumert |