28.01.2019

BGH macht konkrete Vorgaben zur Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren

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28.01.2019

BGH macht konkrete Vorgaben zur Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte am 9. Januar diesen Jahres  seine vor etwa einem halben Jahr aufgestellten konkreten Vorgaben zur Umsetzung des Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren und zur Verbesserung der Kommunikationshilfen für Menschen mit Sprach- und Hörbehinderung (EMöGG) (BGH, 1 StR 347/18 zu BGH, 1 StR 159/17). Mit diesem Gesetz soll das Vertrauen der Bevölkerung in die Justiz gestärkt und dem veränderten Medienverständnis in Deutschland Rechnung getragen werden. Ob die getroffenen Regelungen dafür ausreichen, ist jedoch fraglich. Thematisch passend wurde zudem Mitte Juli 2018 das Urteil des BGH zum digitalen Erbe eines Facebook-Kontos in einem TV-Stream übertragen und damit erstmals eine bundesgerichtliche Entscheidung live einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
 

… and: Action!

Die Bundesrichter entschieden, dass Ton- und Fernseh-Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts erst mit der Eröffnung der Urteilsgründe durch den Vorsitzenden beginnen dürfen. Die Aufnahmen dürfen höchstens durch zwei (geräuscharme) TV- bzw. Filmkameras auf Stativen an festgelegten Plätzen im Sitzungssaal stattfinden und müssen bis spätestens 10 Minuten vor Beginn der Verkündung einer Entscheidung aufgebaut sein. Sie sind während der Eröffnung der Urteilsgründe an ihren Plätzen zu belassen. Soweit aus technischen Gründen eine fortwährende Bedienung der Kameras unabdingbar ist, darf je Kamera eine Person bei der Kamera verbleiben, die jedoch nicht hin- und herlaufen darf. Während der Eröffnung der Urteilsgründe sind die Kameras ausschließlich auf die Richterbank zu richten und Kameraschwenks sind nur innerhalb dieses Bereichs zulässig. Nach dem Ende der Eröffnung der Urteilsgründe sind die Kameras unverzüglich zu entfernen.
 

Für die interessierte Öffentlichkeit

Bisher formulierte § 169 Satz 1 GVG den Grundsatz der Öffentlichkeit für Gerichtsverhandlungen. Dieser wurde seit 1964 jedoch durch § 169 Satz 2 GVG eingeschränkt, der jegliche Ton- Fernseh- und Rundfunkaufnahmen verbot. Eine Ausnahme galt seit 1998 nur für Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Durch den Erlass des EMöGG wird die Einschränkung der (Medien-)Öffentlichkeit jedoch nun, nach etwas mehr als 20 Jahren, auch für die übrigen Gerichte moderat gelockert. Die Änderungen schlagen sich in drei neuen Absätzen des § 169 GVG nieder, die als sitzungspolizeiliche Maßnahmen ausgestaltet sind und im Ermessen des betroffenen Gerichts stehen.

Nach § 169 Abs. 1 GVG ist zunächst die Tonübertragung der Verhandlung in einen Medienraum möglich. Diese dürfen jedoch weder mitgeschnitten noch aufgenommen werden. Nach Absatz 2 kann das Gericht Ton- und Filmaufnahmen der Verhandlung und Verkündung der Urteile und Beschlüsse in Verfahren, die eine herausragende zeitgeschichtliche Bedeutung haben, zulassen. Wie die Gerichte eine solche definieren, wird die zukünftige Praxis zeigen. Der NSU-Prozess, an dem das öffentliche Interesse immens war, hätte ein solches Verfahren sein können. Derartige Aufnahmen können dann in Archiven zu wissenschaftlichen oder historischen Zwecken angeschaut werden. Absatz 3 behandelt eben jene Fälle, in denen der BGH nun konkrete Vorgaben machte - bei der Verkündung von Entscheidungen des BGH können Ton-, Fernseh- und Rundfunkaufnahmen sowie Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder der Veröffentlichung ihres Inhalts zugelassen werden.
 

Ist das Gesetz zeitgemäß?

Es stellt sich die Frage, ob die Gesetzesänderungen der Prämisse der Bundesregierung - dem veränderten Medienverständnis in Deutschland Rechnung zu tragen - gerecht geworden ist. Aus dem Regierungsentwurf geht hervor, dass die Medien heutzutage insbesondere durch Livestreams oder Kurznachrichtendienste wie Twitter regiert werden. Livestreams sind allerdings nur vor dem BGH und dann auch nur bei den Entscheidungsverkündungen möglich. Ob ein juristischer Laie jedoch einer unter Umständen stundenlangen Urteilsbegründung folgt und diese gänzlich nachvollziehen kann, ist zu bezweifeln. Es ist wahrscheinlicher, dass ihn eher das Zustandekommens des Urteils, also die gesamte Verhandlung interessiert. Ferner leben Plattformen wie Twitter von Bloggern. Gerade solche zählen aber nicht zur medial zugelassenen Öffentlichkeit. 

 

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Rechtsanwalt
Partner
stephan.bausch@luther-lawfirm.com
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Svenja Trömpert
Rechtsanwältin
Associate
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