06.06.2019
Kundenbewertungen und Erfahrungsberichte zu bestimmten Produkten oder Dienstleistungen sind für den Handel ein wichtiges Instrument, neue Kunden zu gewinnen, da sie für den Kaufinteressenten eine gewisse Form der Unabhängigkeit ausstrahlen. Es ist für den Einzelnen leichter, sich für ein bestimmtes Produkt oder die Leistung eines bestimmten Unternehmens zu entscheiden, wenn bereits andere hiervon überzeugt waren und dies in einer entsprechenden Bewertung zum Ausdruck gebracht haben.
Die klassische Mund-zu-Mund Propaganda ist dabei grundsätzlich kein neues Phänomen. Das Internet bietet den werbenden Unternehmen durch die vielen Möglichkeiten, Kundenbewertungen zu generieren, allerdings ein erhöhtes Manipulationspotential. So können sich Bewertungen als Fake-Bewertungen herausstellen, die entweder von den Unternehmen (z.B. mittels Bots) selbst generiert wurden oder von Personen eingestellt wurden, die hierfür eine Gegenleistung vom so beworbenen Unternehmen erhalten haben. In beiden Fällen geht der Kaufinteressent aber fälschlicherweise davon aus, dass es sich um eine Bewertung eines echten Kunden handelt und trifft auf Basis dieser Fehlinformation seine geschäftliche Entscheidung. Diese Gefahr der Manipulation hat auch das Bundeskartellamt erkannt und mit seiner Pressemitteilung vom 23. Mai 2019 angekündigt, dass es eine Sektorenuntersuchung zu Nutzerbewertungen im Internet einleiten wird. Das Bundeskartellamt führt in seiner Pressemitteilung hierzu aus:
„Wenn Verbraucher aufgrund nicht-authentischer Bewertungen zu falschen geschäftlichen Entscheidungen verleitet werden, kann dies einen Verbraucherrechtsverstoß darstellen.“
Vor diesem Hintergrund wird das Bundeskartellamt im Rahmen seiner nunmehr dritten Sektorenuntersuchung zahlreiche Betreiber von Internet-Portalen, die Nutzerbewertungen darstellen und/oder Dienstleistungen zu Nutzerbewertungen anbieten, befragen und die gefundenen Ergebnisse in einem abschließenden Bericht der Öffentlichkeit vorstellen. Das Bundeskartellamt ist zwar mittlerweile befugt, Verbraucherrechte durch die Durchführung von Sektorenuntersuchungen zu stärken. Eine Befugnis, festgestellte Verstöße auch eigenständig zu ahnden, hat das Bundeskartellamt jedoch nicht.
Gegenstand der Sektorenuntersuchungen durch das Bundeskartellamt sind also Verstöße gegen verbraucherrechtliche Verstöße. Hierzu gehören nach dem Bundeskartellamt auch die Vorschriften aus dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Bei der Werbung mit gekauften Bewertungen bzw. mit selbstgenerierten Bewertungen handelt es sich um eine Irreführende Werbung im Sinne von §§ 5, 5a UWG. Bei gekauften Bewertung folgt die Irreführung daraus, dass der falsche Eindruck erweckt wird, dass die Person, die die Bewertung abgegeben hat, dies allein aus dem Grund getan hat, weil sie von dem Produkt und/oder dem Unternehmen überzeugt ist. Tatsächlich wurde die Bewertung allerdings nur deswegen abgegeben, weil die Person hierfür von dem beworbenen Unternehmen eine Gegenleistung erhalten hat. Streng genommen handelt es sich bei solchen Bewertungen folglich um Werbung, die als solche sowohl nach § 5a Abs. 6 UWG als auch nach § 6 TMG kenntlich gemacht werden muss. Auch die selbst generierten Bewertungen stellen eine wettbewerbswidrige geschäftliche Handlung dar, da hierdurch der Eindruck entsteht, das Unternehmen habe für seine Produkte eine Vielzahl unabhängiger Bewertungen durch Dritte erhalten. Der Kaufinteressent erfährt aber an keiner Stelle, dass diese Bewertungen gerade nicht von echten Kunden stammen, sondern selbst generiert wurden. Kann nachgewiesen werden, dass es sich um Fake-Bewertungen handelt, ist die wettbewerbsrechtliche Haftung des so beworbenen Unternehmen eindeutig.
Weniger eindeutig ist die Haftung des Bewertungsportals, dass die Fake-Bewertungen über das jeweilige Unternehmen lediglich verbreitet. Nach § 7 Abs. 1 TMG haften Bewertungsportale lediglich für eigene Inhalte. Für fremde Inhalte – und bei den Fake-Bewertungen handelt es sich in aller Regel um fremde Inhalte – haften Bewertungsportale nach ständiger Rechtsprechung zunächst nur, wenn sie sich diese zu Eigen gemacht haben. Ein solches zu Eigen machen liegt beispielsweise immer dann vor, wenn das Bewertungsportal einzelne Bewertungen vor ihrer Veröffentlichung inhaltlich-redaktionell kontrolliert oder auswählt. Das ist allerdings in der Regel nicht der Fall, sodass bei Bewertungsportalen davon auszugehen ist, dass diese sich die fremden Inhalte Dritter gerade nicht zu Eigen machen.
Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urt. v. 19.3.2015 – I ZR 94/13) kann im Einzelfall allerdings eine Haftung des Bewertungsportals als „Verbreiter“ in Betracht kommen. Eine solche Verbreiterhaftung kommt nach der Entscheidung des BGH nur dann in Betracht, wenn der Betreiber des Bewertungsportals spezifische Überwachungspflichten verletzt hat. Demnach muss der Betreiber erst in dem Moment, in dem er auf eine klare Rechtsverletzung hingewiesen wird, die konkrete Bewertung unverzüglich sperren und Vorsorge dafür treffen, dass es möglichst nicht zu weiteren derartigen Rechtsverletzungen kommt.
Bei der anstehenden Sektorenuntersuchung geht es dem Bundeskartellamt jedoch in erster Linie nicht darum, konkrete Einzelverstöße aufzudecken, sondern die grundsätzliche Anfälligkeit der einzelnen Bewertungsportale für Fake-Bewertungen zu untersuchen. Das Ergebnis der Sektorenuntersuchung wird die Bewertungsportale zwar nicht direkt dazu verpflichten, proaktiv auf die Suche nach Fake-Bewertungen zu gehen, um gegen diese Vorzugehen. Allerdings kann das Ergebnis der Sektorenuntersuchung einen konkreten Anlass für Wettbewerber der beworbenen Unternehmen liefern, einzelne Bewertungen auf ihre Authentizität hin zu prüfen. Darüber hinaus kann das Ergebnis im Einzelfall Anlass geben, sein Bewertungssystem anzupassen, vor allem dann, wenn die Sektorenuntersuchung zu der Feststellung gelangt, dass das eigene Bewertungssystem besonders anfällig für Manipulationen ist.
Mit seiner Sektorenuntersuchung zu Nutzerbewertungen greift das Bundeskartellamt ein für Verbraucher wichtiges Thema auf. Durch die Zunahme von Fake-Bewertungen schwindet stetig das Vertrauen der Verbraucher in die Richtigkeit der im Internet veröffentlichten Bewertungen. Dieser Vertrauensverlust kann langfristig das Geschäftsmodell der Bewertungsportale in Frage stellen, denn was ist eine positive Bewertung wert, wenn für den Verbraucher nicht ersichtlich ist, ob diese authentisch ist oder nicht. Darüber hinaus kann das Ergebnis der Sektorenuntersuchung Mitbewerber bewerteter Unternehmen dazu animieren, Bewertungen auf ihre Authentizität hin zu überprüfen. Stellt sich heraus, dass es sich bei einzelnen Bewertungen um Fake-Bewertungen handelt, haftet nicht nur das bewertete Unternehmen für diesen Wettbewerbsverstoß. Auch das Bewertungsportal kann in den engen Grenzen der Verbreiterhaftung ebenfalls vom Mitbewerber in Anspruch genommen werden. Zwar regelt § 32a Abs. 6 GWB, dass ein Anspruch auf Aufwendungsersatz für eine wettbewerbsrechtliche Abmahnung für einen Zeitraum von vier Monaten ab der Veröffentlichung des vollständigen Berichtes über das Ergebnis der Sektorenuntersuchung nicht besteht. Dies führt aber nicht dazu, dass die Geltendmachung des bestehenden Unterlassungsanspruches hierdurch nicht möglich ist. Will der Mitbewerber seinen Unterlassungsanspruch im Wege des Eilrechtsschutzes durchsetzen, ist er aufgrund der laufenden Dringlichkeitsfristen sogar verpflichtet, seinen Anspruch noch vor Ablauf der vier Monate gerichtlich geltend zu machen. Anderenfalls liefe er Gefahr, dass sein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung mangels Eilbedürftigkeit zurückgewiesen wird.
Sebastian Laoutoumai, LL.M. |