07.02.2019

Datenschutz – Bundeskartellamt geht gegen Facebook vor

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07.02.2019

Datenschutz – Bundeskartellamt geht gegen Facebook vor

Autoren: Daniel Lehmann / Lukas Kienzle / Peter Bongartz

Kartellamtschef Andreas Mundt macht seine Drohung war. Facebook darf Nutzerdaten ab sofort nicht mehr mit Daten anderer – auch eigener – Dienste zusammenführen.

Cambridge-Analytica, Sicherheitslücken, die Millionen von Nutzern betreffen, unliebsame EuGH Entscheidungen zu Facebook Fanpage und Co. 2017 und 2018 waren die Jahre der Facebook Skandale. Eine weitere schlechte Nachricht für Facebook-Gründer Mark Zuckerberg macht nun die Runde:
Das Bundeskartellamt verbietet es Facebook, Daten aus seinen unterschiedlichen Diensten zusammenzuführen, wenn Nutzer dem nicht freiwillig und eindeutig zustimmen. Dieser Zustimmungsvorbehalt gelte auch für das Zusammenführen mit Daten von Drittseiten.
 

Facebook als Platzhirsch unter den sozialen Medien

Mehr als 900 Millionen aktive Nutzer weltweit (mit Ausnahme von China, wo das soziale Netzwerk gesperrt ist), davon im Schnitt 520 Millionen täglich. Ein Upload – und visueller Datenzuwachs – von mehr als 300 Millionen Fotos täglich nährt das datenbasierte Unternehmen. 23,5 Millionen Nutzer gibt es allein in Deutschland, davon die Hälfte zwischen 18 und 24 Jahren – also im besten Zielgruppenalter. Das ist Facebook in Zahlen. Diese Fakten lassen einen Rückschluss auf die Beweggründe des Bundeskartellamts hinsichtlich seiner neuesten Entscheidung gegen Facebook zu.
 

Entscheidung nach einem 3 Jahre andauernden Verfahren

In einem Interview mit dem Magazin „Focus“  Ende Dezember 2018 rührte der Behördenchef noch die Werbetrommel für sein zu dieser Zeit noch andauerndes Untersuchungsverfahren gegen Facebook.  Facebook missbrauche, so das Bundeskartellamt, im Rahmen einer marktbeherrschenden Position seine Marktmacht – zulasten der Kunden und Nutzer. Marktbeherrschend sei die Position, weil es nach dem Ergebnis einer eigens vom Kartellamt in Auftrag gegebenen Kundenbefragung an ernsten Alternativen fehle (s. auch Zahlen oben) – zumal mittlerweile auch Google Plus seinen Dienst eingestellt hat. Dass diese Marktmacht nicht nur genutzt, sondern auch missbraucht werde, sieht das Bundeskartellamt nicht zuletzt darin begründet, dass vielfache Datenschutzverstöße vorlägen und auch Daten von nicht angemeldeten Facebook-Nutzern erhoben würden.

In einem weiteren Interview kurz nach der Jahreswende führte Herr Mundt dazu aus, dass er auch in den Geschäftsbedingungen gegenüber den Nutzern ein missbräuchliches Verhalten sehe. Dies würde auch nicht dadurch ausgeglichen, dass von den Nutzern keine unmittelbare Vergütung erhoben werde. Denn nach Auffassung der Behörde zahle der Nutzer letztlich mit seinen Daten und somit seiner Privatsphäre.
 

Zuckerbergs Reaktion während des Verfahrens

Dafür, dass man auch im großen und weit entfernten Silicon Valley im Westen der noch viel größeren und entfernteren USA die Stimme des Kartellamts eines mitteleuropäischen kleineren Landes vernimmt, spricht die medienwirksame Reaktion von Facebook Anfang des Jahres. Am 25. Januar 2019 veröffentlichte der Facebook Gründer eigens, oder jedenfalls unter eigenem Namen, Stellungnahmen in verschiedenen internationalen Leitmedien, in Deutschland über die ZEIT. Darin versuchte er, das Geschäftsmodell von Facebook zu erläutern und den Umstand, dass Facebook schon aus Eigeninteresse niemals sorglos mit Daten umgehen und diese erst recht nicht verkaufen würde.
 

Ergebnis: Zusammenführung von Daten nur mit dezidierter Einwilligung des Nutzers

Geholfen hat diese Aufklärungskampagne offenbar nicht. Denn nunmehr hat die Kartellbehörde Konsequenzen gezogen:
Das Bundeskartellamt untersagt es Facebook, in Deutschland die Nutzerdaten aus unterschiedlichen Diensten (z.B. Instagram und Whatsapp) des Konzerns außerhalb des eigentlichen Facebook-Accounts ohne explizite Einwilligung der Nutzer zusammenzuführen. Gleiches gelte für Daten, welche über Drittseiten erhoben wurden.

Die Ausführungen des Amtes erinnern dabei an die Position der deutschen Datenschutzbehörden zum Thema Nutzungsanalyse, was wenig überrascht, wenn man sich vor Augen führt, dass Herr Mundt im Rahmen seiner Verkündung dieser Facebook-Entscheidung die Enge Kooperation mit den Datenschutzbehörden betont hat.

Denn laut Bundeskartellamt reiche das faktisch obligatorische Häkchen bei der Zustimmung zu den Nutzungsbedingungen für eine solche Einwilligung angesichts der intensiven Datenverarbeitung als Einwilligung nicht aus. Und gerade diese unzulässige Aufwertung des eigenen Datenbestandes durch verbesserte Nutzerprofile sei es auch, die Facebook auf unzulässige Weise eine bessere Wettbewerbsstellung verschaffe. So schlägt die Behörde in ihrer Argumentation am Ende dann doch noch den Bogen vom auf den ersten Blick eher fernliegenden Datenschutz zur eigenen Kernaufgabe des Bundeskartellamts: der Überwachung des Wettbewerbs.
 

Facebooks Plan vom „Superdienst“ – ein Pyrrhussieg

Erst wenige Tage vor der Entscheidung der Kartellbeamten war bekannt geworden, dass Facebook seine großen Dienste (Instagram, Whatsapp, Facebook) zusammenlegen will und sich davon nicht nur finanziell wohltuende Synergien erhofft, sondern wohl auch die noch detailliertere Analyse von Kontaktdaten. Durch die Zusammenlegung würde Zuckerberg eine Art „Superdienst“ schaffen, der auf einen Bestand von mehreren Milliarden Nutzern zugreifen könnte. Und in der Tat war der kleinstdenkbare Sieg für Facebook am heutigen Tag jene Tatsache, dass sich das Bundeskartellamt sich zu diesem Vorhaben nicht weiter explizit äußerte und überdies grundsätzlich die Sammlung der Daten durch Facebook über die einzelnen Dienste an sich nicht in Frage stellte – aber eben deren Zusammenführung.

Nicht zuletzt die geplante Dienstezusammenlegung, von der das Bundeskartellamt im Rahmen seiner stets geheim geführten Verständigungsgespräche mit Facebook vielleicht schon früher Wind bekommen hat, könnte bei der Behörde den Willen zum Einschreiten verursacht haben.
 

Facebook kündigt Beschwerde an

Wie Facebook – ein ergebnisgleicher rechtskräftiger Verfahrensgang vorausgesetzt – die Nutzer über die Zusammenführung der Daten dergestalt ausreichend informieren und den Zustimmungsprozess ausgestalten will, dass die Einwilligung zu dieser Datenverarbeitung wirksam, insbesondere hinreichend freiwillig, ist, bleibt vorerst unklar. Da sich das Bundeskartellamt nach eigener Aussage aber intensiv mit den deutschen Datenschutzbehörden abgestimmt hat, wäre Facebook im Falle des Falles wohl aber dringend zu raten, sich an den jeweils herrschenden Rechtsansichten der Datenschutzbehörden zu orientieren. Aber auch ob diese sich ändern, ist nicht abschließend geklärt.

Klar ist bislang nur, dass Facebook sich wehren will. Facebook kündigte nämlich unmittelbar nach Bekanntwerden der Kartellamtsentscheidung an, Beschwerde gegen die Entscheidung einzulegen. 
 

Was ist mit Xing, Linkedin und Co?Auswirkung der Entscheidung über den Facebook Fall hinaus

Die Auswirkungen der Entscheidung des Bundeskartellamts werden aber wohl noch über das eigentliche Facebook Verfahren hinaus gehen. Denn die Entscheidung berücksichtigen sollten alle Plattformen, die in ihrem Markt einen Marktanteil von über 40% haben und die Nutzung ihres Dienstes von so weitreichenden Datensammlungs- und Datenkombinationsrechten abhängig machen wie dies Facebook derzeit handhabt. Eine zentrale Frage ist dabei natürlich die der Marktabgrenzung. Beispielsweise rechnete das Amt Dienste wie twitter, linkedin und youtube nicht zum deutschen „Markt für soziale Netzwerke". Es ist daher wahrscheinlich, dass etwa beruflich genutzte Netzwerke wie linkedin und xing nach Auffassung des Amtes einen eigenen Markt bilden. Facebook hingegen dürfte solche Dienste wiederum als zum selben Markt für soziale Netzwerke gehörig ansehen, was den eigenen Anteil wiederum verkleinern würde. Allein zur Klärung der Marktabgrenzung erscheint die Einlegung des Rechtsmittels daher sinnvoll. Aber auch die rechtliche Begründung des (Daten-)Ausbeutungsmissbrauchs wird Facebook wohl gerichtlich prüfen lassen wollen. Denn in der Sache beruft sich das Amt u.a. auf bestehende BGH-Rechtsprechung zum Marktmissbrauch durch AGB-Verstoß, bei der die Frage zu klären sein wird, inwieweit sie auf die Nutzungsbedingungen Facebooks übertragbar ist. Es bleibt daher spannend
 

Trotz negativer Schlagzeilen – Facebook steigert Gewinn 2018 um 61 %

Angesichts dieser Aussichten dürfte es Mark Zuckerberg und Co. aber trösten, dass – wie unter anderem auf tagesschau.de berichtet wurde – Umsatz, Nutzerzahlen und Gewinn trotz aller Skandale im Jahr 2018 wieder deutlich gestiegen ist. Wie sehr er den Trost benötigen wird, dürfte sich erst nach Eintritt der Rechtskraft der Behördenentscheidung herausstellen.