11.05.2022

Dem Personal- und Fachkräftemangel effektiv begegnen - Handlungsmöglichkeiten und -unmöglichkeiten um dem Personal- und Fachkräftemangel zu begegnen

Die Situation ist allseits bekannt – Personalnot allerorten. Eigenes Personal aufzubauen, fällt schwer, es mangelt an Fachkräf-ten und selbst dort, wo Fachkräfte vorhanden sind, ist eine Beschäftigung zum Tariflohn nicht immer möglich. Die anderen möglichen Personaleinsatzformen wie etwa Leiharbeit und Fremdvergabe von Aufträgen werden durch die Gesetzgebung drastisch erschwert – so jedenfalls die gängige Meinung. Doch ist dies tatsächlich so und welche Möglichkeiten gibt es, sich den derzeitigen Herausforderungen zu stellen und Fachkräfte zu gewinnen?

I. Beschäftigung von eigenem, qualifiziertem Personal

Die Beschäftigung von eigenem Personal ist aktuell noch die bevorzugte Personaleinsatzform, jedenfalls dort, wo sich noch geeignetes Personal finden und auch halten lässt. Mit zunehmender Personalnot wird beides immer schwieriger. Und insbesondere Letzteres ist zunehmend immer mehr mit der Herausforderung verknüpft, bereits langgedientes Personal an die Gegebenheiten einer sich verändernden Arbeitswelt heranzuführen. Es verwundert daher nicht, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales insbesondere immer wieder auf die Wichtigkeit von Aus- und Weiterbildung von (eigenen) Beschäftigten unter Hinweis auf die Vorteile für die Arbeitnehmer – Erwerb von Kompetenzen und Fähigkeiten, die wichtig für die eigene Karriere sind – wie für die Arbeitgeber – Mittel zu einer besseren Gestaltung der Arbeitsabläufe und Instrument zur Mitarbeiterbindung verweist (vgl. u. a. Forschungsbericht „Personalentwicklung und Weiterbildung, S. 2.

1. Aus- und Weiterbildung von eigenem Personal

Im Bereich der Weiterbildung mangelt es auch nicht an vollmundigen Ankündigungen aus der Politik, umgesetzt wurde aber bisher nichts, was eine aktive Fortbildung der Mitarbeiter erleichtert:

So ist zwar bereits seit dem 1. Januar 2019 das Qualifizierungschancengesetz in Kraft, das unter anderem auch die staatliche Förderung von Aus- und Weiterbildung eigenen Personals bei strukturbedingtem Qualifizierungsbedarf vorsieht. Wohl auch wegen der recht strengen Anforderungen wird hiervon jedoch – soweit ersichtlich – in der Praxis kaum Gebrauch gemacht. Voraussetzung ist nämlich nicht nur, gem. § 82 Abs. 1 S. 1 SGB III, dass


1. Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten vermittelt werden, die über ausschließlich arbeitsplatzbezogene kurzfristige Anpassungsfortbildungen hinausgehen,

2.  der Erwerb des Berufsabschlusses mindestens vier Jahre zurückliegt,

3. der/die Beschäftigte in den letzten vier Jahren an keiner geförderten beruflichen Weiterbildung teilgenommen hat,

4. es sich um eine arbeitgeberfremde Maßnahme mit einem Stundenvolumen von mind. 120 Stunden handelt und

5. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.

Nach § 82 Abs. 1 S. 2 SGB ist bei Beschäftigten unter 45 Jahren, die in einem Betrieb mit mind. 250 Beschäftigten tätig sind, zusätzliche Voraussetzung, dass

6. die Ersetzung der (menschlichen) Arbeitskraft droht oder der Arbeitsplatz in sonstiger Weise vom Strukturwandel betroffen ist und die Weiterbildung eine Anpassung und Fortentwicklung der beruflichen Kompetenzen ermöglicht oder

7. es sich um eine Weiterbildung in einem Engpassberuf (werden halbjährlich im Rahmen einer Fachkräfteengpassanalyse durch die Bundesagentur für Arbeit ermittelt) handelt.

Und selbst bei Erfüllung der Voraussetzungen führt dies nicht zwingend zu einem (vollen) Anspruch. Denn es handelt sich hierbei sowohl hinsichtlich des „Ob“ als auch des „Wie“ (Höhe und Dauer des Zuschusses) um eine Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde (Bundesagentur für Arbeit) (vgl. auch Heinz/Schmidt-De Caluwe/Scholz, Sozialgesetzbuch III - Arbeitsförderung, SGB III § 82 Rn. 39).

Der Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung sieht zudem die Schaffung eines sog. Qualifizierungsgelds vor, welches Unternehmen im Strukturwandel zukünftig bei der Bundesagentur für Arbeit beantragen können sollen. Wie dies tatsächlich ausgestaltet und umgesetzt werden soll, lässt der Koalitionsvertrag jedoch offen, sodass sich noch nicht abgesehen lässt, ob dies möglicherweise ein Schritt in Richtung Problemlösung sein kann.

Es bleibt daher (leider) aktuell erst einmal dabei: Arbeitgeber müssen selbst die Initiativkraft sein.

2. Erprobung von neuem Personal

Neben der Aus- und Weiterbildung eigenen Personals, kann die Erprobung von neuem Personal eine Möglichkeit darstellen. Hier kam in der Vergangenheit insbesondere die Vereinbarung einer Probezeit von maximal sechs Monaten in Betracht, währenddessen die Beschäftigten nicht nur noch keinen Kündigungsschutz genießen und deshalb einfacher gekündigt werden können, sondern das Arbeitsverhältnis auch mit einer kürzeren Kündigungsfrist (zwei Wochen, soweit vertraglich nichts anderes vereinbart) beendet werden und/oder die Vereinbarung einer Befristung zum Einsatz kommen kann. Letztere unter anderem, um (auch noch nach Ablauf einer Probezeit) sicherzustellen, dass im Bedarfsfall keine aufwändige Trennung mittels Kündigung notwendig wird.

Beide Mittel sind – auch wenn immer mal wieder Gerüchte eines Befristungsverbots laut werden – weiterhin in den gesetzlichen Grenzen möglich, auch wenn die Personalnot die Befristungspraxis zum Teil verändert, da viele Bewerber schlicht nicht mehr zum Abschluss befristeter Verträge bereit sind. Nach unseren Beobachtungen hat diese Veränderung jedoch hauptsächlich beherrschbare Konsequenzen. Denn insbesondere in den Branchen mit Personalmangel findet sich regelmäßig schnell eine Anschlussbeschäftigung, was eine erforderliche Trennung von einem Mitarbeiter vereinfacht. Gleichzeitig gewinnt die veränderte Beschäftigungssituation auch aus wirtschaftlicher Sicht an Bedeutung: Denn grundsätzlich trifft einen gekündigten Mitarbeiter bereits während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses die Verpflichtung, eine angemessene Ersatzbeschäftigung aufzunehmen und vorbehaltlich anderslautender Vereinbarung die hieraus erzielten Entgelte auf das vom Arbeitgeber zu zahlende Entgelt anzurechnen. Das heißt, selbst wenn eine einvernehmliche Trennung nicht möglich sein sollte, führt der Verweis auf eine alternative Beschäftigung bei einem anderen Unternehmen der Branche vielfach zu einer drastischen Senkung des Annahmeverzugslohnrisikos.

Bei der Befristung selbst ist grundsätzlich zwischen der sog. Sachgrundbefristung und der Befristungen ohne Sachgrund zu unterscheiden:

Bei der sachgrundlosen Befristung bestehen die praktischen Probleme aus unserer Sicht in erster Linie in Bezug auf die einzuhaltenden Formalitäten. Hier gilt es nach wie vor zu beachten, dass

  • die Befristung schriftlich erfolgt (= eigenhändige Unterzeichnung durch beide Parteien vor Arbeitsaufnahme)
  • der Mitarbeiter nicht bereits zuvor schon einmal im Unternehmen beschäftigt war (= keine Vorbeschäftigung),
  • die maximale Befristungsdauer von zwei Jahren nicht überschritten wird,
  • Befristung maximal dreimal verlängerbar (= erstmalige Befristungsabrede zuzüglich drei Verlängerungsabreden möglich)
  • Änderungen von Arbeitsbedingungen nicht zusammen mit einer Befristungsverlängerung erfolgen dürfen (= Vertragsveränderungen bei Verlängerung führen zu einem neuen unbefristeten Arbeitsverhältnis).

Eine Sachgrundbefristung, die im Übrigen auch schriftlich vereinbart werden muss, kommt nach wie vor grds. in den folgenden Fällen in Betracht:

  • vorrübergehender betriebliche Mehrbedarf an Arbeitsleistung,
  • Anschlussbeschäftigung an Ausbildung oder Studium,
  • Vertretung eines anderen Arbeitnehmers,
  • Eigenart der Arbeitsleistung,
  • Erprobung,
  • in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe,
  • Zweckbindung von Haushaltsmitteln,
  • gerichtlicher Vergleich.

Hieran soll sich in naher Zukunft – jedenfalls im nichtöffentlichen Sektor – auch nichts ändern. Die einzige „Veränderung“, die der aktuelle Koalitionsvertrag vorsieht, ist, dass sog. Kettenbefristungen eingeschränkt werden sollen. Dies, indem mit Sachgrund befristete Arbeitsverträge beim selben Arbeitgeber auf eine Dauer von sechs Jahren begrenzt werden sollen. Parallel zeigt sich jedoch in der Praxis, dass die Rechtsprechung zur Befristung infolge eines befristeten Mehrbedarfs zusehends restriktiver wird. Insbesondere die unteren Instanzen neigen dazu, die Darlegungsvoraussetzung bzgl. des vorübergehenden Personalmehrbedarfs und damit auch bzgl. der Personal(bedarfs)planung zu überspannen. So verlangt die Rechtsprechung bei Sachgrundbefristungen wegen befristeten Mehrbedarfs grds. die Erstellung einer Prognose über den vorübergehenden Mehrbedarf, die auf konkreten („verständlichen“) Anhaltspunkten basieren muss. Häufig reicht den Gerichten hierfür jedoch allein die Darlegung von Auftrags- und/oder Umsatzzahlen nicht mehr aus, um einen lediglich vorrübergehenden Mehrbedarf nachzuweisen. Vielmehr wird die Annahme getroffen, dass dies jedenfalls auch das Ergebnis der Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs im Unternehmen sein könne, weswegen die Befristung unwirksam sei. Denn eine bloße Unsicherheit über die künftige Entwicklung des Arbeitskräftebedarfs reiche für eine Sachgrundbefristung zur Abdeckung vorübergehenden Mehrbedarfs nicht aus.

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Paul Schreiner

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Nina Stephan

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