21.09.2022
Aufgrund des russischen Angriffskrieges haben sich die europäischen Mitgliedsstaaten bereits im April 2022 auf ein fünftes Sanktionspaket gegen Russland geeinigt, das erstmals unmittelbar das Vergaberecht betraf und durch die Sanktions-VO ein Zuschlags- und Vertragserfüllungsverbot vor-sah. Diese Maßnahmen wurden in den vergangenen Jahren durch weitere Sanktionspakete und -verordnungen aktualisiert. In unseren FAQ haben wir die Antworten auf die drängendsten Fragen zu den Verboten der Sanktions-VO für Sie zusammengefasst.
Was verbietet die Sanktions-VO mit Blick auf das Vergaberecht?
Die Sanktions-VO verbietet es grundsätzlich, in einem Vergabeverfahren den Zuschlag auf ein Angebot eines Bieters zu erteilen, der einen bestimmten Bezug zu Russland aufweist. Darüber hinaus verbietet die Sanktions-VO, bereits geschlossene Verträge seit dem 11. Oktober 2022 weiter zu erfüllen, soweit die Auftragnehmer unter die Sanktionen fallen.
Welche Bieter oder Vertragspartner sind von den Verboten betroffen?
Unter die Sanktion fallen diejenigen Bieter, die einen in der Sanktions-VO definierten Bezug zu Russland aufweisen. Nach der Sanktions-VO besteht ein Bezug zu Russland,
(i) wenn der Bieter oder Bewerber die russische Staatangehörigkeit besitzt oder als natürliche Person in Russland ansässig ist (also Wohnsitz und/oder den gewöhnlichen Aufenthalt in Russland hat) oder sich die Niederlassung des Bieters oder Bewerbers in Russland befindet;
(ii) wenn eine natürliche Person oder ein Unternehmen, auf welche/welches eine der Möglichkeiten nach (i) zutrifft, an dem Bieter oder Bewerber Anteile im Umfang von mehr als 50 % hält;
(iii) wenn der Bieter oder Bewerber im Namen oder auf Anweisung einer Person oder eines Unternehmens handelt, welche/welches die Kriterien nach (i) und/oder (ii) erfüllt.
Wir haben im Unternehmen einige Mitarbeiter mit russischer Staatsbürgerschaft – werden wir jetzt von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen?
Ein Ausschluss kommt nur dann in Betracht, wenn einer dieser Mitarbeiter mehr als 50 % der Anteile am Unternehmen hält oder aufgrund seiner Position entscheidenden Einfluss auf die Geschäfte des Unternehmens nehmen kann. Ist dies nicht der Fall, ist kein Ausschluss zu befürchten.
Was gilt, wenn unsere Mitarbeiter eine doppelte Staatsbürgerschaft haben?
Aus der Sanktions-VO ergibt sich, dass ein Russland-Bezug im Sinne der Sanktions-VO auch dann vorliegt, wenn die betroffenen Personen neben der russischen Staatsbürgerschaft noch eine weitere Staatsbürgerschaft besitzen. Auch in diesem Fall kommt ein Ausschluss des Unternehmens jedoch nur in Frage, wenn die Bedingungen entsprechend der vorstehenden Antwort erfüllt sind.
Was gilt, wenn wir einen Projektleiter benennen müssen, der (auch) die russische Staatsbürgerschaft hat?
Ein Ausschluss kommt in diesem Fall nur in Betracht, wenn es sich bei dem Projektleiter zugleich um eine Person handelt, die entscheidenden Einfluss auf die Geschäfte des Unternehmens nehmen kann. Dies wäre etwa der Fall, wenn es sich bei dem Projektleiter zugleich etwa um einen Mehrheitsgesellschafter des Unternehmens handelt.
Was gilt, wenn wir Leiharbeiter mit russischer Staatsbürgerschaft einsetzen?
In diesem Fall ist kein Ausschluss zu befürchten. Die Teilnahme an Vergabeverfahren sowie die Erfüllung bereits geschlossener Verträge ist möglich.
Gilt etwas anderes, wenn einer unserer Geschäftsführer (auch) die russische Staatsbürgerschaft hat?
In diesem Fall wird der Vertrag mit dem inländischen Unternehmen und nicht mit seinem Geschäftsführer geschlossen, sodass dieser Umstand allein nicht zum Ausschluss führt. Die Verbote der Sanktions-VO können jedoch auch in diesem Fall gelten, wenn der Geschäftsführer die Möglichkeit hat, entscheidenden Einfluss auf die Geschäfte des Unternehmens zu nehmen. Das ist etwa der Fall, wenn es sich bei dem Geschäftsführer zugleich etwa um einen Mehrheitsgesellschafter der Gesellschaft handelt.
Dr. Stefan Mager
Partner
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Charlotte Jodocy
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