13.12.2018

Geschäftsführerhaftung an den zeitlichen Grenzen der Bestellung (Kopie 1)

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13.12.2018

Geschäftsführerhaftung an den zeitlichen Grenzen der Bestellung Teil II

Egal, in welcher Lage Sie die Leitung Ihrer Gesellschaft übernommen haben – Sie müssen wissen, ob es haftungsrelevante Altlasten gibt, die Sie von Ihrem Vorgänger geerbt haben. Dieser Beitrag ist Teil 2 der Reihe zu Haftungsrisiken an den zeitlichen Grenzen der Geschäftsführungstätigkeit und geht auf mögliche Haftungsfälle für Verbindlichkeiten aus der Zeit vor der Bestellung ein.

 


Die gute Nachricht vorab: Eine echte Nachhaftung im Sinne eines persönlichen und unbeschränkten Einstehenmüssens für Haftungsvorfälle Ihres Vorgängers in der Geschäftsleitung sieht weder das Gesetz noch die Rechtsprechung vor. Im Grundsatz gilt: Die Bestimmungen der Geschäftsführerhaftung folgen dem Konzept einer Handelndenhaftung, das bedeutet sie setzen ein konkretes vorwerfbares pflichtwidriges Verhalten des in Anspruch Genommenen voraus, das für den Schaden ursächlich gewesen sein muss. Dieses Verhalten kann ebenso im aktiven Ergreifen von verbotenen oder nachteiligen Maßnahmen liegen, wie in einem Unterlassen von notwendigen oder gebotenen Handlungen. Unter Umständen kann auch das Verhalten eines Dritten dem Geschäftsführer als eigene Pflichtverletzung zugerechnet werden, grundsätzlich aber erfolgt ohne Zutun des Geschäftsführers kein Transfer einer Haftung, die zunächst bei einem anderen entstanden ist.

 

Lageanalyse bei der Gesellschaft

Soweit, so klar, beginnt also die Haftung mit der Bestellung bzw. dem faktischen Tätigkeitsbeginn. Gegenstand der Geschäftsleitungsaufgaben ist unter anderem die ständige Überwachung der Liquidität bzw. Solvenz der Gesellschaft. Sollte diese zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr gewährleistet sein, zieht die Überwachungspflicht eine Pflicht der Geschäftsführung zur Insolvenzantragstellung nach sich. Schon deshalb ist eine genaue Analyse der unternehmerischen Entscheidungen der Gesellschaft aus der Vergangenheit gleich zu Beginn – oder besser im Vorfeld – Ihrer Tätigkeitsaufnahme geboten.

Der BGH und die obergerichtliche Rechtsprechung sehen die Geschäftsleitung in der Dauerverantwortung der Liquiditätsüberwachung. Dies erfordert zu jedem Zeitpunkt die umfassende Kenntnis der bilanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft, auch soweit sie ohne ihr Zutun in der Vergangenheit begründet worden sind. Führt die Gesamtlast bestehender Verbindlichkeiten der Gesellschaft im Verhältnis zu deren liquiden Mitteln zu einer Überschuldung oder gar Zahlungsunfähigkeit, so stellt die Verzögerung der Insolvenzantragstellung ohne Rechtfertigungsgrund bereits eine haftungsbegründende Pflichtverletzung dar. Einen Schutz hiergegen im Sinne einer Schonfrist oder einer Informationsbeschaffungsfrist existiert nicht.

Im Gegenteil kann ein später berufener Insolvenzverwalter nach der Rechtsprechung des BGH rückschauend den Zeitpunkt der Überschuldung bzw. Zahlungsunfähigkeit festlegen mit der Folge, dass die Geschäftsleitung plötzlich auf die Erstattung von Finanzmitteln haftet, die sie nach diesem „fremdbestimmten“ Zeitpunkt durch Verfügungen im Rahmen der Geschäftsführung der Gesellschaft entzogen hat.

 

Pflichtenmaßstab für die Geschäftsführung

Die Geschäftsführung ist gem. § 41 GmbHG zur ordnungsgemäßen Buchführung verpflichtet. Was so erstmal nicht nach Risiko klingt, ist in der Praxis Dreh- und Angelpunkt von Haftung und Entlastung. Rechnungslegung und Buchführung wird regelmäßig auf Mitarbeiter der Buchhaltung oder externe Dienstleister delegiert; bei der Geschäftsleitung verbleibt die Auswahl-, Einweisungs- und Überwachungsverantwortung, die genügt, um Fehler in der Ausführung „nach oben“ zuzurechnen. Zur ordnungsgemäßen Buchführung gehört, dass die Bücher zu jeder Zeit ein richtiges und vollständiges Bild der Geschäftsvorfälle vermitteln. Die Richtigkeit und Vollständigkeit der Bücher wird nach Ansicht des BGH im späteren Haftungsprozess der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer (widerlegbar) vermutet und führt dazu, dass der Geschäftsführer die Unrichtigkeit, so sie für seine Enthaftung maßgebend ist, darlegen und beweisen muss. Dies erstreckt sich auch auf die von dem Insolvenzverwalter erstellte Liquiditätsbilanz. Oft sind zu diesem Zeitpunkt die relevanten Unterlagen dem Geschäftsführer nicht mehr frei zugänglich. Jedenfalls aber gilt dies auch für Bücher Ihres Vorgängers.

Zum Inhalt der Zahlungsunfähigkeit, also dem Ausgangspunkt der Pflichten und Pflichtverletzungen wegen verzögerter Antragstellung nach § 17 InsO, sowie der Haftung für massemindernde Verfügungen hatte der BGH vor Kurzem klargestellt: Nicht die datumsgenaue Liquiditätslage der Gesellschaft ist entscheidend, sondern die in den jeweils nächsten drei Wochen fällig werdenden Verbindlichkeiten (Passiva II ) und zu beschaffenden Mittel (Aktiva II) sind in die Betrachtung einzubeziehen. Daraus ergibt sich, dass die antretende Geschäftsleitung im eigenen Interesse gehalten ist, nicht nur die Bücher, sondern auch die Verträge aus der Zeit ihrer Vorgänger genau zu erfassen, um sich ein exaktes, umfassendes Bild von der Finanzsituation der Gesellschaft – und damit dem eigenen Pflichtenumfang und Handlungsspielraum – zu verschaffen.

 

Handlungsempfehlung

Egal, ob Ihre Einkehr in die Gesellschaft reibungslos erfolgte oder mit großem Drama um ihren Vorgänger verbunden war, muss für Sie im eigenen Interesse gelten: Genau hinsehen und wirklich alle finanziell relevanten Pflichten, Vereinbarungen und sonstige Umstände der Gesellschaft gerade auch aus der Vergangenheit gründlich erfassen, denn die Anforderungen an Kenntnis und Sorgfalt des durchschnittlichen gewissenhaften Geschäftsleiters, den die Rechtsprechung als Maßstab bemüht, sind hoch und haftungsträchtig.

 

 

Susanne Abraham
Rechtsanwältin
Associate
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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