12.11.2018
12.11.2018
Die Berechnung von Rechtmittelfristen gehört zum Arbeitsalltag aller Rechtsanwälte. Dabei ist es zulässig und gängige Praxis, die Berechnung und Notierung von Fristen einem gut ausgebildeten Rechtsanwaltsfachangestellten zu übertragen, sofern sichergestellt ist, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und regelmäßig vom zuständigen Rechtsanwalt kontrolliert werden. Sofern die Kanzlei ihren Sitz in einem anderen Bundesland als das zuständige Rechtsmittelgericht inne hat, bedarf die Fristberechnung einer besonders erhöhten Sorgfalt.
Grundsätzlich gilt: Endet eine Rechtsmittelfrist an einem Samstag, Sonntag oder einem gesetzlichen Feiertag, so tritt an die Stelle dieses Tages der nächste Werktag, § 222 Abs. 2 ZPO. Bis auf den 3. Oktober (Tag der Deutschen Einheit) ist die Feiertagsregelung beispielsweise am 6. Januar (Heilige Drei Könige), am 31. Oktober (Reformationstag) oder am 1. November (Allerheiligen) aufgrund der entsprechenden Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer unterschiedlich. Dabei hat der Bundesgerichtshof bereits klargestellt, dass das Fristende nur dann auf den nächsten Werktag hinausgeschoben wird, wenn der ursprüngliche Tag des Fristablaufs an dem Ort, an dem das Rechtsmittel einzulegen ist, auch auf einen gesetzlicher Feiertag fällt (BGH, Beschluss vom 10. Januar 2012, VI ZA 27/11). Das Oberlandesgericht Koblenz hat in der Folge in einer Entscheidung (OLG Koblenz, Beschluss vom 27. Juni 2016, Az.10 U 1263/15) die Anwaltspflichten in Bezug auf die Fristberechnung bundesuneinheitlicher Feiertage konkretisiert.
Dem Kläger wurde am 6. November 2015 das Urteil des Landgerichts Koblenz zugestellt. Die Berufungsbegründung erreichte das Oberlandesgericht Koblenz per Telefax am 7. Januar 2016. Das Original des Schriftsatzes ging am 12. Januar 2016 beim Oberlandesgericht ein. Der Senat wies den Kläger darauf hin, dass die Berufungsbegründung erst einen Tag nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, die am 6. Januar 2016 endete, bei Gericht eingegangen sei. Der Klägervertreter beantragte hinsichtlich der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung machte er geltend, dass das Ende der Berufungsbegründungsfrist durch die hiermit betraute Rechtsanwaltsfachangestellte versehentlich auf den 7. Januar 2016 notiert wurde, statt richtigerweise auf den 6. Januar 2016. Der 6. Januar sei in Bayern – wo der Klägervertreter seinen Kanzleisitz hatte – seit jeher ein gesetzlicher Feiertag. Die Rechtsanwaltsfachangestellte habe beim Notieren der Frist übersehen, dass der 6. Januar aber in Rheinland-Pfalz gerade kein gesetzlicher Feiertag sei. Die Berechnung von Routinefristen sei vom Klägervertreter zulässigerweise auf die Rechtsanwaltsfachangestellte übertragen worden.
Die beantragte Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist wurde dem Kläger jedoch nicht gewährt. Das Oberlandesgericht Koblenz führte aus, dass in den Fällen, in denen die Kanzlei eines Rechtsanwalts und das betreffende Gericht ihren Sitz in unterschiedlichen Bundesländern mit verschiedenen Feiertagsregelungen haben, es sich um keine einfache und übliche Frist handele, deren Berechnung Angestellten übertragen werden dürfe. Vielmehr handele es sich dabei um eine Fristberechnung unüblicher und schwieriger Art. Selbst wenn die in Rede stehenden Angestellten bisher stets zuverlässig die Eintragung von Notfristen vorgenommen hätten, könne daraus nicht der Schluss gezogen werden, sie seien auch geeignet und zuverlässig, schwierige und unübliche Fristen zu berechnen. Hinzu komme, dass selbst die Berechnung einfacher und üblicher Fristen Kanzleiangestellten nur dann zur selbstständigen Bearbeitung übertragen werden dürfe, wenn und soweit diese in dem in Rede stehenden Bereich ausreichend geschult worden seien.
Der Rechtsanwalt dürfe damit die Fristberechnung mit bundesweit uneinheitlichen Feiertagen nicht seinen Angestellten übertragen, sondern müsse sie selbst berechnen oder zumindest die Fristberechnung seiner Angestellten überprüfen.
Dr. Stephan Bausch, D.U. |
Marie Silvia Naumann |