19.11.2019
Der russische Markt gilt für viele europäische Unternehmen als unübersichtlich, intransparent, unberechenbar und chaotisch - ein reines Abenteuer. Solche Vorstellungen sind geprägt durch den historischen Hintergrund, kulturelle Unterschiede, die vielen unbekannte russische Sprache und die ambivalente politische Lage. Dennoch, auch wenn es in Russland noch viele ungelöste Probleme gibt, spiegelt dieses Meinungsbild nicht die realen Wirtschaftsverhältnisse in Russland wieder.
In den letzten Jahren haben zahlreiche nationale Projekte zu mehr Transparenz und Stabilisierung im Rechtsverkehr beigetragen. Dabei hat die Digitalisierung der Wirtschaft, Verwaltung und Justiz eine wesentliche Rolle gespielt. Dank zahlreicher neu eingeführter elektronischer Register mit offenem Zugang und aufgrund der Umstellung des Verwaltungsverfahrens auf den elektronischen Rechtsverkehr "E-Government“, hat sich die Informationslage in Russland erheblich verbessert und die Kommunikation der Unternehmen mit den Behörden enorm vereinfacht.
All dieses bietet sowohl russischen und als aber auch ausländischen Unternehmen die Möglichkeit, die eigenen Geschäfte in Russland sicherer zu gestalten und einige potenzielle Risiken von Anfang an auszuschließen. Aktuell stellt der Staat selbst umfangreiche Online-Datenbanken zur Verfügung, mit deren Hilfe man die Zuverlässigkeit seines Vertragspartners überprüfen kann. In diesem Artikel wird ein (kleiner) Überblick gegeben, wie man sich in nur drei Schritten und wenigen Mausklicks einen umfangreichen Überblick über potenzielle oder bereits vorhandene russische Geschäftspartner verschaffen kann.
Anders als in Deutschland, darf in Russland eine juristische Person, wie auch eine Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmer, erst dann im Rechtsverkehr auftreten, wenn diese durch die Steuerbehörde (Föderaler Steuerdienst) im einheitlichen staatlichen Register eingetragen ist.
Damit man die Identität einer Firma bzw. eines Einzelunternehmers ohne größere Umstände überprüfen kann, bietet die russische Steuerbehörde eine offene Online-Datenbank mit umfangreichem Service an. Über die Webseite https://egrul.nalog.ru/ kann jedermann Auskünfte über einzelne russische Unternehmen in Form eines elektronischen Auszugs abrufen, der die wichtigsten Informationen wie eigetragener Firmenname, Rechtsform, Registrierungsnummer, Steuer-Identifikationsnummer, Firmensitz, Stammkapital, Geschäftsführung, Gesellschafter, vorhandene Lizenzen und vieles mehr enthält.
Dabei werden auch alle im Register vorgenommenen Änderungen angezeigt, sodass die gesamte Historie einer Firma chronologisch aufgelistet von der Gründung bis zu den aktuellen Aktivitäten nachvollzogen werden kann.
Ein Auszug aus dem einheitlichen staatlichen Register wird in russischer Sprache in Echtzeit erstellt (die Daten sind immer auf aktuellstem Stand) und mit elektronischer Signatur versehen. Dieser Service ist jederzeit zugänglich, kostenlos und bedarf keiner Registrierung (auf der Webseite). Die Navigation auf der Webseite erfolgt auch in englischer Sprache.
Um die Reichweite der Befugnisse von Vertretern russischer Unternehmen zu überprüfen, kann auch der online-Service der Bundesnotarkammer unter http://reestr-dover.ru hilfreich sein, der eine Gültigkeitsprüfung notarieller Vollmachten ermöglicht.
Einen Auszug aus dem Register von „disqualifizierten“ Personen (also solchen, die aufgrund eines gerichtlichen Urteils oder einer vollziehbaren Entscheidung einer Verwaltungsbehörde einen Beruf, einen Berufszweig, ein Gewerbe oder einen Gewerbezweig nicht ausüben dürfen), bekommt man unter https://service.nalog.ru/disqualified.do.
Was auf den ersten Blick nicht so einfach erscheint, ist in der Praxis doch unkompliziert – die Bonitätsprüfung eines russischen Geschäftspartners.
So kann man beim Statistischen Bundesamt Russlands (Rosstat) unter https://www.gks.ru/accounting_report die Jahresabschlüsse eines Unternehmens beantragen. Die dafür erforderliche Registrierungsnummer oder die Steuer-Identifikationsnummer des Unternehmens sind – wie gezeigt – über die Datenbank der Steuerbehörde zu ermitteln (s.o.).
Ein Jahresabschluss enthält in der Regel eine Bilanz, eine Gewinn- und Verlustabrechnung und einen Überblick über den Cashflow, was zusammen die finanzielle Lage des Unternehmens wiederspiegelt. Die gewünschten Dokumente werden kostenfrei per E-Mail in Word- oder Excel-Format zur Verfügung gestellt.
Mit dem Service der russischen Steuerbehörde kann man sich unter https://service.nalog.ru/zd.do informieren, ob Steuerrückstände des Geschäftspartners von mehr als 1000 Rubel vorliegen und ob das Unternehmen regelmäßig Steuererklärungen abgibt.
Auf der Webseite https://fssprus.ru/iss/ip des Gerichtsvollzieherdienstes erfährt man anhand der jeweiligen Vollstreckungsverfahren, ob und welche titulierten Ansprüche es gegen das Unternehmen gibt.
Mithilfe des Immobilienregisters https://rosreestr.ru/wps/portal/p/cc_present/EGRN_1 können Informationen über den Eigentürmer eines Grundstücks oder einer Immobilie überprüft werden. Dieser Service ist allerdings kostenpflichtig.
Noch eine wertvolle Informationsquelle findet man unter https://fedresurs.ru (Einheitliches Bundesregister der rechtlich relevanten Informationen über die Tätigkeit von juristischen Personen und Einzelunternehmern). Auf dieser Webseite kann man unter anderem Auskünfte über Pfändungen, Zwangsversteigerungen, Insolvenzen usw. bekommen.
Auch wenn der Geschäftspartner sich in den beiden vorangegangenen Schritten 1 und 2 als zuverlässig erwiesen hat, darf man den letzten Schritt 3 der Überprüfung auf keinen Fall außer Acht lassen. Die frühzeitige Erkenntnis darüber, ob gegen den Geschäftspartner eine Klage anhängig ist oder sogar ein Insolvenzantrag vorliegt, kann nämlich schon im Vorfeld helfen viele Probleme zu vermeiden.
Dafür bietet das russische Arbitragegericht (das Gericht zur Entscheidung von Wirtschaftsstreitigkeiten) unter https://kad.arbitr.ru/ einen hervorragenden Service an. Hier bekommt man alleine mit der Eingabe des Firmennamens oder der Registernummer eine Liste der momentan anhängigen und auch der früheren Verfahren des beteiligten Unternehmens.
Die vollständigen Informationen, wie Protokolle und Beschlüsse, sind online für jedermann sofort abrufbar. Dieser Service ermöglicht es auch den Prozessbeteiligten selber die erforderlichen Dokumente elektronisch beim Gericht einzureichen. Die Funktion „Online-Benachrichtigung“ vereinfacht die Monitoring bestimmter Gerichtsverfahren und die Kommunikation mit dem Gericht.
Im Falle einer Insolvenz kann man jedes Verfahren auf der offiziellen Webseite https://bankrot.fedresurs.ru/ des Einheitlichen Bundesregisters für Insolvenzinformationen mitverfolgen. Alle Informationen werden dort sehr ausführlich, jedoch nur in russischer Sprache dargestellt.
In Russland werden immer neue Datenbanken und Online-Services zu Verfügung gestellt, die die wichtigsten Informationen über russischen Unternehmen beinhalten. Solche Transparenz im Geschäftsverkehr kann zwar auch kritisch gesehen werden, da man die Daten auch leicht(er) missbrauchen kann.
Dennoch hat sich diese Praxis in Russland schon fest etabliert, sodass eine Überprüfung eines (potentiellen) Geschäftspartners mithilfe der offenen Datenbanken zu einem selbstverständlichen Teil des Geschäftsverhaltens geworden ist. Es ist jedoch sehr wichtig (insbesondere für ausländische Unternehmen), nicht nur über die Informationen zu verfügen, sondern auch die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen und rechtzeitig und rechtlich korrekt darauf zu reagieren.
Dabei kann Ihnen die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH helfen. Unser Russian-Desk-Team betreut schon lange russische, deutsche sowie internationale Kunden bei grenzüberschreitenden Aktivitäten auf dem russischen Markt, und verbindet Fachkompetenz mit Sprach-, Kultur- und Rechtkenntnissen.
Reinhard Willemsen
Partner
München/Köln
reinhard.willemsen@luther-lawfirm.com
Anna Schütz
Wissenschaftliche Mitarbeiterin
München
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Reinhard Willemsen
Partner
München, Köln
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