30.11.2017
1.12.2017
Jetzt mal von Anwalt zu Anwalt
Am 17. Mai 2017 hat der Gesetzgeber im Rahmen der kleinen BRAO-Reform („Gesetz zur Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie und zur Änderung weiterer Vorschriften im Bereich der rechtsberatenden Berufe“) die Erweiterung des § 59b Abs. 2 Nr. 8 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verkündet (BGBl. I S. 1121, 1124). Damit sollten die Probleme, die das Urteil des BGH vom 26. Oktober 2015 (Az. AnwSt (R) 4/15) in Bezug auf die Zustellung von Anwalt zu Anwalt auslöste, beseitigt werden. Als Reaktion hierauf wurde zudem von der Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer vom 19. Mai 2017 die Änderung des § 14 S. 1 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) zum 01. Januar 2018 beschlossen.
Hintergrund der Neuregelungen
In dem erwähnten Urteil ging der BGH davon aus, dass die Verweigerung des gegnerischen Rechtsanwalts an der Zustellung von Anwalt zu Anwalt nicht als Verstoß gegen § 14 BORA zu werten und damit nicht berufsrechtlich zu ahnden sei. Begründet hat er dies damit, dass weder die Zivilprozessordnung (ZPO) in § 195 eine entsprechende Pflicht zur Mitwirkung statuiere noch die BRAO eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für die Konkretisierung berufsrechtlicher Pflichten im Rahmen der Zustellung von Anwalt zu Anwalt durch den Satzungsgeber enthalte. Mindestens eine einfachgesetzliche Ermächtigungsgrundlage sei aber notwendig gewesen, damit die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer untergesetzliches Recht in der BORA, welches zur Einengung von der ZPO zugelassener prozessualer Handlungsspielräume und zur Zurückdrängung primärer Verpflichtungen aus dem Mandantenvertrag führt, wirksam hätte beschließen können.
Diese Einschätzung entsprach der des BVerfG in dem Urteil aus dem Jahre 1999 zu § 13 BORA (BVerfG, Urteil vom 14.12.1999, Az. 1 BvR 1327/98) und erging getreu des Grundsatzes, dass das ranghöhere Gesetz das rangniedrigere Gesetz verdrängt.
Inhalt und Umfang der Neuregelungen
Nichtsdestotrotz war dieses Ergebnis untragbar für die Praxis, da es die Wirksamkeit der Zustellung von Anwalt zu Anwalt vom Verhalten des Gegners abhängig machte und somit keine verlässliche Form der Zustellung mehr darstellte.
Dem wollte der Gesetzgeber mit der Erweiterung des § 59b Abs. 2 Nr. 8 BRAO um die Worte „die Pflichten bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt“ Abhilfe schaffen, in dem dieser den Satzungsgeber ausdrücklich dazu ermächtigt, die Pflichten bei der Zustellung von Anwalt zu Anwalt zu normieren. Somit gilt der bisher in seiner Formulierung allgemein gehaltene § 14 BORA, der die Rechtsanwälte zu einer Mitwirkung bei ordnungsgemäßen Zustellungen verpflichtet, nun auch für die Zustellung von Anwalt zu Anwalt.
Dennoch beschloss die Satzungsversammlung der Bundesrechtsanwaltskammer zwei Tage nach der Verkündung dieser Gesetzesänderung die Änderung des § 14 S. 1 BORA, sodass dieser ab dem 01. Januar 2018 ausdrücklich die Pflicht der Rechtanwälte normiert, die ordnungsgemäße Zustellung von Gerichten, Behörden und Rechtsanwälten entgegenzunehmen und das Empfangsbekenntnis mit dem Datum versehen unverzüglich zu erteilen. So wird ein unzweifelhafter Gleichlauf der beruflichen Pflichten im Rahmen aller Zustellungsarten erreicht.
Das Ende?
Mit der Änderung des § 59b Abs. 2 Nr. 8 BRAO in diesem zeitlichen Kontext wird offenbar, dass der Gesetzgeber die ordnungsgemäße Mitwirkung der Rechtsanwälte im Rahmen der Zustellung als Organ der Rechtspflege höher gewichtet als die Verpflichtungen des Rechtsanwalts aus dem Mandantenverhältnis.
Trotz alledem führt ein Verstoß gegen das Berufsrecht immer noch nicht ohne weiteres zu einer fingierten Zustellung. Diese kann nur durch eine Änderung der ZPO – etwa durch die Aufnahme einer Zustellungsfiktion in § 195 ZPO – erreicht werden, welche durch den Bundesrat im Verfahren zur Änderung des § 59b Abs. 2 Nr. 8 BRAO durchaus aufgezeigt wurde (vgl. BRat Drs. 431/16, S. 4 ff.).
Wenn also das Ziel der Schutz des Absenders und die Verlässlichkeit der Zustellung von Anwalt zu Anwalt ist, dann können die bisherigen Maßnahmen des Gesetzgebers mit Blick auf das Urteil des BGH nicht das Ende seiner Bemühungen sein, sondern nur als Schritt in die richtige Richtung gewertet werden.
Dr. Stephan Bausch, D.U. |
Dr. Simon Heetkamp
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