09.01.2018
09.01.2018
Kooperative Praxis – Alternative für Unternehmen
Beziehungen – private wie wirtschaftliche – sind in der Regel langfristig angelegt. Konflikte, die innerhalb solcher Beziehungen auftreten, sind daher behutsam zu lösen; die gerichtliche Klärung von Streitfragen stellt dabei nicht immer die beste Lösung dar. Aus diesem Grund kommt es immer häufiger zu Versuchen, Konflikte einvernehmlich und außergerichtlich zu klären. Bekannt ist diesbezüglich vor allem das Mediationsverfahren, in dessen Rahmen ein Mediator als neutraler Dritter den Konfliktbearbeitungsprozess zwecks Ausarbeitung einer für beide Seiten befriedigenden Vereinbarung begleitet.
Doch wer eine freiwillige außergerichtliche Streitbeilegung anstrebt, ist nicht zwangsläufig auf die Hinzuziehung eines Mediators angewiesen. Vielmehr existieren vielversprechende Alternativen zur Mediation. Eine solche ist das Konzept der Kooperativen Praxis (kurz „KP“ oder „CP“ für „Cooperative Praxis“ oder auch „Kokon-Verfahren“ für „Kooperative Konfliktlösung“ genannt). Dieses orientiert sich zwar an den Grundsätzen der Mediation. Allerdings wird auf die Leitung durch einen unparteilichen Dritten verzichtet. Überspitzt formuliert handelt es sich bei der KP also um ein Mediationsverfahren ohne Mediator.
Die Parteien beauftragen zu Beginn in der Regel je einen im KP-Verfahren ausgebildeten Anwalt, um gemeinsam auf eine außergerichtliche Lösung des Streitfalls hinzuarbeiten. Der Anwalt steht hierbei jeweils auf der Seite desjenigen, der ihn beauftragt hat. Er nimmt gerade nicht die Stellung eines Unparteiischen ein. Neben den Parteien und Anwälten können jederzeit weitere, interdisziplinäre Experten, namentlich Coaches, Steuerberater oder Psychologen hinzugezogen werden, soweit dies als förderlich erachtet wird. Nachdem eine KP-Vereinbarung geschlossen wurde, in der sich die Parteien zu einer freiwilligen Offenbarung aller relevanten Informationen und zur einvernehmlichen Lösungssuche verpflichten, sind das jeweilige Problem sowie die zugehörigen Fakten und widerstreitenden Interessen zu ermitteln. Hierzu finden gemeinsame Sitzungen sowie hierzwischen bei Bedarf auch Einzelberatungsgespräche statt. Sämtliche Informationen sind dabei vertraulich zu behandeln. Basierend auf den hierdurch gewonnenen Erkenntnissen soll eine Einigung formuliert und implementiert werden. Gelingt dies nicht und kommt es dennoch zu einem Gerichtsverfahren, ist die KP beendet. Regelmäßig wird für diesen Fall vereinbart, dass die an der KP beteiligten Anwälte sodann nicht mehr als Vertreter vor Gericht fungieren.
Obwohl die KP auf den ersten Blick vielleicht eher familienrechtliche Assoziationen hervorruft, kann sie auch im Unternehmensalltag fruchtbar gemacht werden. Dies gilt für Konflikte zwischen, aber auch innerhalb von Wirtschaftssubjekten.
Auslöser eines Streits zwischen Wirtschaftssubjekten kann etwa ein Vertragsbruch oder eine deliktische Handlung sein. Für die KP interessante Konflikte zwischen zwei oder mehreren Wirtschaftssubjekten ergeben sich hierbei beispielsweise, wenn zwischen den Konfliktparteien ein Zuliefererverhältnis besteht, sie Teil derselben Wertschöpfungskette sind oder in Fällen problematischer Unternehmenszusammenschlüsse oder -nachfolgen. Dann geht es den Parteien nicht ausschließlich um Kompensation, sondern um eine Restrukturierung des (Vertrauens-)Verhältnisses. Es sind also nicht bloß rechtliche, sondern auch emotionale Gesichtspunkte maßgebend. Für letztere ist in einem Gerichtsprozess regelmäßig kein Platz.
Konflikte innerhalb von Wirtschaftssubjekten können auch etwa zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat, zwischen Arbeitnehmern untereinander oder zwischen Vorgesetzten und Arbeitnehmern auftreten. Die emotionale Betroffenheit des Einzelnen ist hier möglicherweise sogar noch stärker als bei Streitigkeiten zwischen Unternehmen. Dies macht aus dem Konflikt zumindest für die Betroffenen mehr als nur eine reine Rechtsfrage. Verglichen mit einer Gerichtsverhandlung wäre mit der KP eine sensiblere und individuellere Herangehensweise möglich.
Die KP erweist sich für die Wirtschaft also insbesondere dann als gangbare Alternative, wenn ein Konflikt eine auf Dauer angelegte geschäftliche Beziehung zu beeinträchtigen droht und zumindest für eine der Parteien eine über ein bloß finanzielles Interesse hinausgehende emotionale Betroffenheit besteht.
Dr Stephan Bausch, D.U.
Partner
Cologne
stephan.bausch@luther-lawfirm.com
+49 221 9937 25782
Katharina Klenk-Wernitzki, Dipl. Reg.-Wiss
Partner
Berlin, Cologne
katharina.klenk@luther-lawfirm.com
+49 30 52133 25741