19.04.2018
19.04.2018
Fast drei Jahre hat es gedauert, ehe die Richtlinie (EU) 2018/410 zur Änderung der Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EG am 8. April 2018 in Kraft getreten ist. Mit ihr gibt der Unionsgesetzgeber für den Emissionshandel (EU ETS) als wichtigstes Instrument des Klimaschutzes die wesentlichen Regelungen für die Jahre ab 2021 vor.
Besonders interessant ist dabei die Frage, inwieweit energieintensive Industriebetriebe auch zukünftig auf die Zuteilung kostenloser Emissionszertifikate bauen können, um im globalen Wettbewerb zu bestehen. Die gute Nachricht dabei lautet: auch in der 4. Handelsperiode des EU-Emissionshandels von 2021 bis 2030 werden kostenlose Emissionszertifikate zugeteilt werden. Doch angesichts verschärfter klimarechtlicher Vorgaben wird es im Vergleich zur jetzigen 3. Handelsperiode prinzipiell zu einer restriktiveren Verteilung kommen. Hierzu müssen Details aber noch geklärt werden.
Größere Klarheit bietet die Richtlinienänderung bereits jetzt im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf des Zuteilungsverfahrens: Bis zum 30. September 2019 müssen die Mitgliedstaaten insoweit ein Anlagenverzeichnis übermitteln, aus dem sämtliche Anlagen hervorgehen, die in den fünf Jahren ab dem 1. Januar 2021 dem unionsweiten Emissionshandel unterfallen. Dabei sind Informationen über Aktivitätsraten, Wärme- und Gasaustausch, Stromerzeugung und Emissionen anzugeben. Kostenlose Zertifikate werden nur Anlagen zugeteilt, für die diese Informationen bereitgestellt werden. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Datenerhebung hierfür auf nationaler Ebene mit der Stellung der Zuteilungsanträge Anfang 2019 erfolgen wird.
Die Zuteilung der exakten Menge an kostenlosen Zertifikaten beruht dann wie bisher auf Benchmarkwerten, die die Kommission noch in Durchführungsrechtsakten festlegen wird. Wie aus den neu eingefügten Unterabsätzen zu Art. 10a Abs. 2 RL (EU) 2003/87/EG hervorgeht, hat die Kommission dabei maßgeblich die bisherigen Benchmarkbestimmungen gemäß dem Kommissionsbeschluss 2011/278/EU zu beachten. So sollen die seit 2013 geltenden Benchmarkwerte für die kostenlose Zuteilung, die auf Datenerhebungen in den Jahren 2007 und 2008 beruhen, überprüft und anhand von Datenerhebungen in den Jahren 2016 und 2017 dem technologischen Fortschritt in den betreffenden Sektoren angepasst werden.
Der Unionsgesetzgeber verfolgt somit im Ausgangspunkt keine umfassende, komplette Neubewertung und -festlegung der Benchmarkwerte. Stattdessen strebt er eine Aktualisierung an, die an die bereits existierenden Vorgaben des Kommissionsbeschlusses 2011/278/EU anknüpft.
Konsequent ist es daher, wenn die jährlichen Reduktionsraten durch einen Vergleich der bisherigen und der neuen Benchmarkwerte festgelegt werden. Denn dann geben die neuen Reduktionsraten eine Emissionsreduktion vor, die in der zurückliegenden Praxis nachweislich technisch realisierbar war. Nur in den Fällen, in denen die Daten in dem betreffenden Zeitraum eine jährliche Reduktionsrate von weniger als 0,2% oder von mehr als 1,6% des Wertes von 2007-2008 ergeben, sind diese Grenzwerte – jedenfalls bis 2025 – abweichend von den tatsächlichen Werten als Reduktionsraten anzusetzen. Denn nur so wird gewährleistet, dass Anreize zur Emissionsreduktion gewahrt bleiben bzw. Investitionen angemessen belohnt werden. Zugleich führt die Ausrichtung an in der Praxis bereits tatsächlich erzielten Emissionseinsparungen einerseits und absoluten Grenzwerten andererseits zu einer besseren Vorhersehbarkeit bei der Festlegung der Reduktionsraten. Insbesondere die gesetzliche Fixierung eines Höchstwerts der jährlichen Reduktionsraten von 1,6% schafft für die betroffenen Anlagenbetreiber Planungssicherheit und ermöglicht eine wirtschaftlichere Allokation von Emissionszertifikaten.
Da die Richtlinie (EU) 2018/410 zur Änderung der Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EG sich jedoch inhaltlich auf diese grundlegenderen Regelungen zur kostenlosen Zuteilung von Emissionszertifikaten beschränkt, sind weitere präzisierende (Unions-)Rechtsakte erforderlich. Die EU-Kommission hat hierfür bereits einen Zeitplan erarbeitet.
Dieser sieht zum einen für das 4. Quartal 2018 den Erlass eines delegierten Rechtsaktes vor, mit dem unionsweit gültige, vollständig harmonisierte Regeln für die Zuteilung kostenloser Zertifikate umgesetzt werden sollen. Denn auch wenn der Rahmen nicht über die bisherigen 54 stoffbezogenen Benchmarks hinaus ausgedehnt wird, so gibt es doch z.B. aufgrund geänderter Zuteilungsmethoden bei Neuanlagen und Kapazitätserweiterungen Anpassungsbedarf. Zudem sollen detaillierte Vorgaben für die Erhebung von Daten bei den etwa 11.000 betroffenen Industrieanlagen gemacht werden, die u.a. zur Aktualisierung der Benchmarks gedacht sind.
Des Weiteren sieht die geänderte Emissionshandelsrichtlinie vor, dass die Höhe der kostenlosen Zuteilungen an Anlagen angepasst wird, wenn deren Betriebsleistung – bezogen auf einen gleitenden Durchschnitt von zwei Jahren – um mehr als 15% nach oben oder unten von dem Wert abweicht, der für die ursprüngliche Berechnung der kostenlosen Zuteilungen für den betreffenden Zeitraum verwendet wurde. Um diese Vorgabe durchzusetzen, plant die Kommission für das 3. Quartal 2019 einen Durchführungsrechtsakt, der Vorgaben zur kostenlosen Zertifikatszuteilung bei entsprechend veränderter Betriebsleistung enthalten wird. So sollen u.a. absolute Schwellenwerte für eine veränderte Zuteilung von kostenlosen Emissionszertifikaten festgelegt werden. Zudem sollen Fristen vorgegeben werden, innerhalb derer geänderte Betriebsleistungen mitzuteilen sind.
Zusammenfassend hat das Inkrafttreten der Richtlinie (EU) 2018/410 zur Änderung der Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EG im Hinblick auf die 4. Handelsperiode des EU-Emissionshandels einen Konkretisierungsbedarf ausgelöst, dessen Bewältigung nun umgehend durch die zuständigen Stellen auf Unionsebene angegangen wird.
Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham) |