11.02.2019

O Venue, Where Art Thou? – „Gegenstand des Verfahrens“ im Sinne des Art. 7 Nr. 1a EuGVVO

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11.02.2019

O Venue, Where Art Thou? – „Gegenstand des Verfahrens“ im Sinne des Art. 7 Nr. 1a EuGVVO

Foto: Gerichtshof der Europäischen UnionDer Europäische Gerichtshof (EuGH) konkretisierte kürzlich, wie die Formulierung „Gegenstand des Verfahrens“ im Sinne des Art. 7 Nr. 1a der Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) auszulegen ist und schaffte somit Klarheit im Recht der internationalen Zuständigkeiten. Die Vorschrift stelle eine Ausnahme und gleichzeitig eine Ergänzung zu der allgemeinen örtlichen Zuständigkeitsregelung des Art. 4 Abs. 1 EuGVVO dar, nach der Personen grundsätzlich an ihrem Wohnort in einem Mitgliedstaat zu verklagen sind. Nach Art. 7 Nr. 1a EuGVVO kann eine Person davon abweichend an dem Gericht eines anderen Mitgliedstaats verklagt werden, an dem die Verpflichtung aus einem Vertrag oder Ansprüchen aus einem Vertrag, die den Gegenstand des Verfahrens bilden, erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.

Ob eine Gläubigeranfechtungsklage „Ansprüche aus einem Vertrag“ gemäß  Art. 7 Nr. 1a EuGVVO darstellt, hatte der EuGH aufgrund der Vorlagefrage des Bezirksgerichts Stettin zu klären. Mit der Gläubigeranfechtungsklage können Ansprüche gegen einen Schuldner gesichert werden, indem ein Vertrag zwischen dem Schuldner und einem Dritten, der die Ansprüche des Gläubigers außer Acht lässt und diesen dadurch – in Kenntnis des Dritten – benachteiligt, angefochten wird.
 

Polen oder Spanien?

Die in Polen ansässigen Unternehmen Feniks und Coliseum, schlossen im Rahmen eines Immobilieninvestitionsvorhabens in Danzig einen Vertrag über verschiedene Bauleistungen. Coliseum hatte mehrere Subunternehmer für die Durchführung des Vertrags beauftragt, konnte seinen Zahlungsverpflichtung nach einiger Zeit jedoch nicht mehr nachkommen. Deshalb befriedigte Feniks, nach den polnischen Regeln zur Gesamtschuldnerschaft verpflichtet, die Subunternehmer.

Zu einem späteren Zeitpunkt schloss Coliseum mit Azteca, einer in Spanien ansässigen Kapitalgesellschaft, einen Kaufvertrag über eine in Stettin gelegene Immobilie. Da das Vermögen von Coliseum keinerlei Aktiva umfasste, sah Feniks die Verwirklichung ihrer Rückforderungsansprüche gefährdet. Deshalb focht das Unternehmen den Kaufvertrag zwischen Azteca und Coliseum vor dem Bezirksgericht Stettin an. Dabei stützte Feniks die Begründung der gerichtlichen Zuständigkeit auf Art. 7 Nr. 1a EuGVVO. Hiergegen erhob Azteca eine Unzuständigkeitseinrede unter Berufung auf Art. 4 Abs. 1 EuGVVO.
 

Anspruchsinhaber bestimmt Ort der Klage

Der EuGH bejahte die  Zuständigkeit des polnischen Gerichts und stützte dies im Ergebnis auf Art. 7 Nr. 1a EuGVVO. Die Formulierung „Ansprüche aus einem Vertrag“ in Art. 7 Nr. 1a EuGVVO setze zunächst voraus, dass der Gegenstand des Verfahrens aus einer freiwillig eingegangenen Verpflichtung entspringe. Die Feststellung der Unwirksamkeit des Kaufvertrages zwischen Azteca und Coliseum in der vorliegenden Konstellation der Gläubigeranfechtungsklage entspringe aus dem Vertrag über die Erbringung von Bauleistungen bzw. die Erteilung der Aufträge an die Subunternehmer. Eine unmittelbare Verpflichtung zwischen Kläger und Beklagtem sei im Rahmen des Art. 7 Nr. 1a EuGVVO nicht erforderlich - um die besondere Zuständigkeit zu begründen, bedürfe es einer genauen Betrachtung der Klage, nicht aber der Identität der Parteien.

Der Anspruchsinhaber könne in einem solchen Fall Klage am Gericht des Erfüllungsortes nach Art. 7 Nr. 1a EuGVVO oder am Ort des Wohnsitzes des Beklagten nach Art. 4 Abs. 1 EuGVVO zwischen den zuständigen Gerichten wählen, da er andererseits gezwungen wäre, seine Klage am Wohnsitz des Beklagten zu erheben, obwohl womöglich jegliche Verbindung zum Erfüllungsort der Verpflichtungen des Schuldners fehlte. Zum anderen müsste der Gläubiger, sofern er die Feststellung der Unwirksamkeit mehrerer Rechtsgeschäfte seines Schuldners mit in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen Vertragspartnern begehrte, an den Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten klagen, was ein immenses Kostenrisiko bedeuten könnte.
 

Fazit

Mit seiner Entscheidung, den besonderen Gerichtsstand des Art. 7 Nr. 1a EuGVVO im Rahmen einer Gläubigeranfechtungsklage zuzulassen, legt der EuGH diese Ausnahmevorschrift unabhängig aus und fördert durch ihre stringente Anwendung die Vereinheitlichung der internationalen Zuständigkeitsvorschriften. Dies führt zu einem gesteigerten Maß an Rechtssicherheit und bietet einen erhöhten Rechtsschutz auch in Fällen der Gläubigeranfechtungsklage. Die Erhebung der Klage am Erfüllungsort der Verpflichtung steht dieser Annahme gerade nicht entgegen. Vielmehr kann auch ein Dritter aufgrund des engen Sachzusammenhangs zwischen dem Klageort und der Verpflichtungen als Klagegrundlage vernünftigerweise damit rechnen, vor einem Gericht eines anderen Mitgliedstaates verklagt zu werden. 

 

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Rechtsanwalt
Partner
stephan.bausch@luther-lawfirm.com
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Dr. Jennifer Velz
Associate
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