11.07.2018
11.07.2018
Der BGH hat in seinem Urteil vom 26. April 2018 (Az. IX ZR 238/17) die Haftung des Geschäftsführers, der sich in einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung befindet, über die ihm sonst eigentümliche Innenhaftung gegenüber der Gesellschaft hinaus erweitert. Er legt damit an den die Eigenverwaltung ausführenden Geschäftsführer ähnliche Haftungsmaßstäbe an, wie an den gerichtlich bestellten Insolvenzverwalter.
Die Insolvenz im Eigenverwaltungsverfahren nach §§ 270 ff. InsO ist ein beliebtes Mittel zur Sanierung einer Gesellschaft, das Verfahrenserleichterungen und vor allem das Verbleiben des Unternehmens in eigenen Händen erlaubt, sofern „keine Umstände bekannt sind, die erwarten lassen, dass die Anordnung zu Nachteilen für die Gläubiger führen wird“. Hierbei wird der Geschäftsführer nicht von einem Insolvenzverwalter verdrängt, sondern kann – unter Aufsicht eines Sachwalters – weiterhin das Vermögen der Gesellschaft verwalten und über dieses verfügen (§ 270 Abs. 1 InsO). Er hat damit die Möglichkeit, erforderliche Sanierungsmaßnahmen auf der Grundlage eines eigenen Sanierungskonzepts unter Insolvenzbedingungen umzusetzen. Das ist attraktiv, weil der Geschäftsführer das Unternehmen bestens kennt, die Sanierung im eigenen Interesse voranbringt und den Gläubigern bekannt ist. Er selbst muss sich jedoch auf seine neue Aufgabe anders einstellen, als bisher.
Sachverhalt – In welchen Fällen gilt die strenge Haftung?
Der Beklagte wurde als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH einer bereits insolventen GmbH & Co. KG im Eigenverwaltungsverfahren bestellt. Kurz vor Aufhebung des Insolvenzverfahrens bestellte die GmbH & Co. KG bei der Klägerin Waren im Wert von EUR 87.120,49, die vereinbarungsgemäß im April 2015 geliefert, aber nicht bezahlt wurden. Nur wenige Wochen nach der Lieferung wurde über das Vermögen der Schuldnerin erneut das Insolvenzverfahren eröffnet. Die Klägerin verlangte wegen des Forderungsausfalls Schadensersatz vom Geschäftsführer.
Kernaussagen des BGH – Haftung, quo vadis?
Der BGH hat in seiner Entscheidung klargestellt, dass der Geschäftsführer im Falle der Eigenverwaltung allen Beteiligten ähnlich einem Insolvenzverwalter auf Schadensersatz haftet.
Das ist folgerichtig, denn der Geschäftsführer nimmt im Rahmen der Eigenverwaltung faktisch Befugnisse wahr, die im Regelinsolvenzverfahren dem Insolvenzverwalter obliegen (z.B. Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über Gesellschaftsvermögen, Erfüllung noch nicht vollständig abgewickelter Verträge, Sonderkündigungsrechte).
Daraus leitet sich für den BGH die nötige Angleichung an das Amt (und damit die Haftungsmaßstäbe) des Insolvenzverwalters ab. Dieser haftet im Falle einer Pflichtverletzung den Beteiligten auf Schadenersatz. Die spezifisch insolvenzrechtlichen Schutzpflichten hängen jedoch nicht davon ab, ob das Insolvenzverfahren unter der Leitung eines Insolvenzverwalters oder in der Verantwortung des Geschäftsführers geführt wird, denn aus Sicht der Geschädigten kann in der verantwortlichen Person kein haftungsbegrenzender Grund liegen.
Führt also der Geschäftsführer einer eigenverwalteten Gesellschaft in weitem Umfang dieselben Funktionen und Entscheidungen aus wie ein Insolvenzverwalter, muss er entsprechend für etwaige Pflichtverletzungen in diesem Bereich wie ein Insolvenzverwalter haften. Die ihm eigene und bekannte reine Binnenhaftung aus § 43 Abs. 2 GmbHG, § 93 Abs. 2 S. 1 AktG ist nicht geeignet, die berechtigten Interessen der Beteiligten wirksam zu schützen.
Fazit
Mit seiner Entscheidung hat der BGH die Haftung des Geschäftsführers bei der Ausübung von Insolvenzverwaltertätigkeiten gegenüber Dritten erweitert, also vor allem an die Insolvenzverwalterhaftung angeglichen. Bisher musste der Geschäftsführer eine solche Außenhaftung nur in Ausnahmefällen, etwa bei deliktischem Handeln, fürchten. Durch die Haftungserweiterung wird der Geschäftsführer im Eigenverwaltungsverfahren zu einem zusätzlichen potentiellen Schuldner für die Gläubiger der eigenverwalteten Gesellschaft.
Für den Geschäftsführer besteht somit ein zusätzliches Haftungsrisiko, das vor der Beantragung des Eigenverwaltungsverfahrens sorgfältig abgewogen werden sollte. Insbesondere wird der Geschäftsführer sich künftig verstärkt an schutzwürdigen Interessen der Gläubiger zu orientieren haben, um eine persönliche Haftung zu vermeiden. Damit ist ein Umdenken in der Geschäftsführertätigkeit verbunden, das sich jeder Geschäftsführer vor dem Hintergrund der Haftungsfolgen zu eigen machen sollte.
Kamil Flak |