07.12.2016

Weltweite Vollstreckung von Zivilurteilen leicht gemacht: Das Haager Übereinkommen über Gerichts-standsvereinbarungen (HGÜ) im Überblick

Blog

Background

07.12.2016

Weltweite Vollstreckung von Zivilurteilen leicht gemacht: Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ) im Überblick

Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen (HGÜ) regelt nunmehr für 29 Staaten die Fragen des Umgangs mit ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarungen und der Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen.

Das HGÜ soll für grenzüberschreitend tätige Unternehmen die gerichtliche Rechtsdurchsetzung und Vollstreckung erleichtern. Denn außerhalb des Anwendungsbereichs der Brüssel I- bzw. nunmehr Brüssel Ia-Verordnung gab es vor dem HGÜ keine international vereinheitlichten Grundsätze zu Gerichtsstandsvereinbarungen und der Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen. Durch die Regelungen des HGÜ soll zudem ein gerichtliches Vorgehen im Vergleich zur Schiedsgerichtsbarkeit, die von einer Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen durch das 1958 abgeschlossene und in 156 Vertragsstaaten geltende New York-Übereinkommen profitiert, wieder attraktiver werden.
 

I. Anwendungsbereich

Das HGÜ ist bei internationalen Sachverhalten auf ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen Unternehmern anzuwenden. Dabei sind gewisse Rechtsgebiete vom Anwendungsbereich ausgenommen – etwa das Insolvenz-, Kartell- oder Teile des Deliktsrechts. Das HGÜ ermöglicht die Anerkennung und Vollstreckung für alle gerichtlichen Entscheidungen und für gerichtliche Vergleiche. Der einstweilige Rechtsschutz wird vom HGÜ nicht erfasst.
 

II. Vertragsstaaten

Bisher entfaltet das HGÜ in 29 Staaten seine Wirkung, nämlich:

  • allen Mitgliedsstaaten der EU (außer Dänemark),
  • Mexiko und
  • Singapur.

Die USA und die Ukraine haben das HGÜ unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert. Nach vollzogenem Brexit könnte das Vereinigte Königreich das HGÜ unterzeichnen und ratifizieren, um so eine internationale Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen (insbesondere im Verhältnis zu den Mitgliedsstaaten der EU) zu ermöglichen. Denn der Brexit wird (wahrscheinlich) dazu führen, dass das Vereinigte Königreich nicht mehr von der raschen und unkomplizierten Anerkennung und Vollstreckung innerhalb der EU nach den Vorgaben der Brüssel Ia-Verordnung profitieren kann.
 

III. Zuständigkeit des vereinbarten Gerichts

Das in einer Gerichtsstandsvereinbarung vereinbarte Gericht ist zuständig, wenn die Vereinbarung nicht nach dem Recht dieses Staates ungültig ist. Das gewählte Gericht ist zuständig, auch wenn zuvor das Gericht eines anderen Staates in derselben Sache angerufen wurde. Alle Gerichte von Vertragsstaaten, deren Zuständigkeit nicht vereinbart wurde, müssen eine bei ihnen eingereichte Klage als unzulässig abweisen oder das Verfahren aussetzen.
 

IV. Anerkennung und Vollstreckung einer gerichtlichen Entscheidung

Gerichtliche Entscheidungen, die von einem aufgrund einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung angerufenen Gericht erlassen wurden und rechtskräftig sind, sind grundsätzlich in allen anderen Vertragsstaaten anzuerkennen und damit dort vollstreckbar.

Die Anerkennung und Vollstreckung kann nur aus den im HGÜ genannten Gründen versagt werden. Dabei darf die Entscheidung des Ursprungsgerichts in der Sache selbst nicht nachgeprüft werden. Als Gründe, die eine Versagung der Anerkennung und Vollstreckung rechtfertigen, nennt das HGÜ etwa: Ungültigkeit der Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Recht des Staates des vereinbarten Gerichts, verspätete/unterbliebene Übermittlung von verfahrenseinleitenden Schriftstücken an den Beklagten, Prozessbetrug, Widerspruch zur öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Staates oder Titulierung eines Strafschadensersatzes.

Die eine Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung beantragende Partei hat folgende Schriftstücke vorzulegen:

  • beglaubigte Abschrift der Entscheidung
  • Abschrift der Gerichtsstandsvereinbarung
  • Schriftstück, das nachweist, dass die Entscheidung im Ursprungsstaat vollstreckbar ist.

Sollte es sich um ein Versäumnisurteil handeln, muss zudem durch eine Urkunde nachgewiesen werden, dass die säumige Partei von der Einleitung des Verfahrens in Kenntnis gesetzt wurde. Bei einem gerichtlichen Vergleich bedarf es zusätzlich der Bescheinigung des Gerichts, dass der Vergleich im Ursprungsstaat wie eine gerichtliche Entscheidung vollstreckbar ist.
 

V. Praktische Relevanz

Die praktische Relevanz des HGÜ ist aufgrund der (noch) recht geringen Anzahl von Vertragsstaaten derzeit noch überschaubar, wird aber in den kommenden Jahren stark zunehmen. Denn die Ratifikation des HGÜ durch die USA steht bevor. Innerhalb der EU gehen zwar die Regelungen der Brüssel Ia-Verordnung dem HGÜ vor, jedoch könnte es bezüglich des Vereinigten Königreichs nach dem Brexit eine wichtige Rolle spielen.

Für die Zukunft bietet das HGÜ die Möglichkeit einer erleichterten gerichtlichen Rechtsdurchsetzung auf globaler Ebene und einer erhöhten Rechtssicherheit zwischen den Vertragsstaaten. Zu betonen ist, dass die Anerkennung und Vollstreckung nicht für alle gerichtlichen Entscheidungen zwischen den Vertragsstaaten gelten, sondern nur, wenn Entscheidungen aufgrund einer ausschließlichen Gerichtsstandsvereinbarung ergangen sind. Das HGÜ ist zudem nur anzuwenden, wenn die ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung, auf der die gerichtliche Entscheidung beruht, abgeschlossen wurde, nachdem das Übereinkommen für den Staat des vereinbarten Gerichts in Kraft getreten ist.

Der Volltext des HGÜ kann online auf Deutsch und Englisch abgerufen werden.

 

Dr. Stephan Bausch, D.U.
Partner
stephan.bausch@luther-lawfirm.com
Telefon +49 221 9937 25782


 

 

Simon Heetkamp
Associate
simon.heetkamp@luther-lawfirm.com
Telefon +49 221 9937 25050