26.03.2018
26.03.2018
Zur richterlichen Unabhängigkeit im Schiedsverfahren
Das rechtliche Verbot des Richtens in eigener Sache gilt auch im Schiedsverfahren, wie der Bundesgerichtshof in seinem nun veröffentlichten Beschluss vom 11. Oktober 2017 (Az. I ZB 12/17) entschied. Ein Schiedsgericht, das mit Parteivertretern besetzt ist, ist deshalb kein taugliches Schiedsgericht im Sinne des Gesetzes. Ihm ist es verwehrt, vollstreckungsfähige Schiedssprüche abzufassen. Damit ist die „Überleitung“ von Vertragsbeiräten, die häufig mit den Geschäftsführern der Vertragsparteien besetzt sind, in ein Schiedsgericht nicht möglich. Anlass zu dieser Entscheidung gab ein Streitfall zwischen einem Klinikbetreiber und einer Projektgesellschaft, bei dem die Parteien selbst weit mehrheitlich das vermeintliche Schiedsgericht stellten. Die Luther Rechtsanwaltsgesellschaft vertrat die Hochtaunus Kliniken erfolgreich in diesem Fall.
1. Ausgangslage: Parteivertreter als Schiedsrichter?
Im Rahmen eines Public-Private-Partnership-Projekts hatten die später streitenden Parteien bei Aufnahme ihrer geschäftlichen Beziehungen in einem Rahmenvertrag einen zweistufigen Streitschlichtungsmechanismus vorgesehen. Im Falle von Streitigkeiten war zunächst durch einen sogenannten „Vertragsbeirat“ ein Mediationsverfahren abzuhalten. Sofern hierdurch keine Einigung erzielt werden konnte, war sodann durch dasselbe Gremium ein Schiedsverfahren durchzuführen. Die Regeln zur Besetzung dieser Gremien sahen vor, dass jede Partei zwei ihrer Geschäftsführer zu entsenden hatte. Als fünftes Mitglied sollte ein Vorsitzender einvernehmlich durch die Geschäftsführer bestimmt werden. Dieser musste die Befähigung zum Richteramt haben. Ein Wechsel der Besetzung der Gremien war zwischen diesen Verfahrensstufen (Mediation und Schiedsgericht) ausdrücklich nicht vorgesehen. Entscheidungen des Vertragsbeirats sollten mit Stimmenmehrheit erfolgen. Bei Stimmengleichheit sollte die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag geben.
2. Die Bedeutung des Verbots vom Richten in eigener Sache
Bereits im Ausgangsverfahren hob das im Vollstreckungsverfahren damit befasste OLG Frankfurt a.M. den Grundsatz, dass niemand Richter in eigener Sache sein dürfe, hervor. Dieser Grundsatz sei bereits im Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG in der Verfassung verankert und beherrsche damit das gesamte Recht. Auch die Schiedsgerichtsbarkeit sei Rechtsprechung im materiellen Sinne und der Schiedsrichter wie ein staatlicher Richter zur Entscheidung eines Rechtsstreits berufen. Er entscheide damit endgültig und bindend, was rechtens sei.
Diesen Erwägungen pflichtete der BGH in seiner Entscheidung (Az. I ZB 12/17) vollumfänglich bei. Der Grundsatz, dass niemand in eigener Sache richten dürfe, gälte demnach „als unverzichtbarer Bestandteil jeder rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit auch im Schiedsverfahren“. Richterliche Tätigkeit unterstehe „dem Gebot von Distanz und Neutralität“. Demnach gehöre es „zu ihrem Wesen, dass sie von unbeteiligten Dritten ausgeübt“ werde. Hierzu verwies der BGH auch auf die lange Tradition dieses Grundsatzes. Er ließe sich bis zur Rechtsprechung des Reichsgerichts zurückverfolgen. Schon dieses habe das Verbot des Richtens in eigener Sache auch für die Schiedsgerichtsbarkeit betont.
3. Ausnahmen im Einzelfall bei mangelndem Öffentlichkeitsbezug?
Von diesem Grundsatz gelten für die Schiedsgerichtsbarkeit jedoch Ausnahmen. Der BGH betonte in einer früheren Entscheidung, dass ein Schiedsverfahren letztlich nur dem Schutz der Parteien, nicht aber auch dem der Öffentlichkeit diene (BGHZ 65, 59). Dieser Aspekt rechtfertige es im Einzelfall, den Grundsatz, dass niemand in eigener Sache richten dürfe, strenger oder großzügiger zu handhaben. Der Sachverhalt, der der damaligen Entscheidung zugrunde lag, zeichnete sich dadurch aus, dass der einzige Schiedsrichter von beiden Seiten bestimmt wurde und nur zu einer Partei sog. „lose Verbindungen“ aufwies. Hinzu kam, dass das Schiedsgericht anlässlich bereits bestehender Streitigkeiten gebildet wurde. Demnach standen die klärungsbedürftigen Streitpunkte für jede der Parteien genau fest und jede Partei vermochte es, Chancen und Risiken en détail abzuschätzen. Solche mildernden Umstände lagen im aktuell entschiedenen Fall jedoch nicht vor, da die Rahmenbedingungen, unter denen das Schiedsgericht gebildet wurde, gänzlich andere waren: Die Parteien sahen in einem Rahmenvertrag bereits vor der Durchführung des Projekts ein Schiedsgericht vor. Konkrete Streitigkeiten waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht absehbar. Hinzu kommt, dass der gebildete Spruchkörper mit eigenen Vertretern der Parteien bestückt war. Eine derartige Personalunion sei jedoch nicht als bloß „lose Verbindung“ anzusehen. Als Geschäftsführer waren sie den jeweiligen Gesellschaften aufgrund rechtlicher Bestimmungen in besonderem Maße verpflichtet und verbunden. Schon daran lässt sich ein Interessenkonflikt ablesen. Diese unterschiedlichen Gegebenheiten rechtfertigten es somit, nicht von einem Ausnahmefall auszuge-hen.
4. Ausnahme wegen paritätischer Entsendung?
Der BGH ging auch auf die mathematischen Gegebenheiten bei der Besetzung und Entscheidungsfindung des Schiedsgerichts ein. Die paritätische Besetzung durch jeweils zwei Parteivertreter, sowie die weitere Tätigkeit eines unabhängigen Vorsitzenden, sei nicht ausreichend, um Neutralität und Überparteilichkeit zu gewährleisten. Dabei stellte der BGH einen Vergleich zu der in § 1035 Abs. 3 S. 2 ZPO geregelten Option an. So bestehe dort für die Parteien zwar die Möglichkeit, jeweils einen Dritten als Schiedsrichter zu berufen. Durch die einseitige Nominierung entstünde auch eine einseitige Beziehung zu einer Partei, die geeignet sei, Zweifel an der Neutralität zu begründen. Dies sei jedoch etwas anderes als die unmittelbare Eigenentsendung von Mitgliedern des eigenen Vertretungsorgans. Die dem entschiedenen Sachverhalt zugrundeliegende Vorgehensweise sei damit nicht mehr vom Gesetz gedeckt.
5. Vergleichbarkeit zu anderen streitschlichtenden Gremien?
Einem Vergleich zu den Regularien anderer gesetzlich vorgesehener streitschlichtender Gremien (etwa im Arbeits- und Sozialrecht) wurde durch den BGH eine Absage erteilt. Derartigen Gremien kämen andere Funktionen zu und dementsprechend seien sie auch anders organisiert. Daher ließen sie sich von vornherein nicht mit einem Schiedsgericht vergleichen.
Jens-Uwe Heuer-James |
Dr. Kuuya Josef Chibanguza LL.B.
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