28.06.2018
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Richtlinie zum Know-how-Schutz und das bevorstehende Geheimnisschutzgesetz sind bislang weithin ohne Beachtung geblieben, obwohl erheblicher Veränderungsbedarf in Unternehmen besteht. Nach der bereits anzuwendenden Richtlinie ist es erforderlich, dass Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse besonderen Schutzmaßnahmen unterzogen werden, um rechtlich auch zukünftig als solche behandelt zu werden. Maurice Straub und ich versuchen, in einem kurzen Beitrag die wesentlichen Aspekte einmal zu erläutern.
Mit Neuerungen im Bereich der betrieblichen Altersversorgung setzen sich Dr. Thomas Thees und Nadine Ceruti auseinander, insbesondere wird hier eine Vorlage des BAG an den EuGH besprochen, die erhebliche Auswirkungen auf die Beitragshöhe beim Pensionssicherungsverein haben könnte. Daneben erhalten Sie wie gewohnt Kommentare zu aus unserer Sicht wesentlichen Entscheidungen der letzten Monate sowie unseren Entscheidungsüberblick.
Sprechen Sie sehr gerne unsere Autoren bei Fragen zu den jeweiligen Kommentaren und Artikeln direkt an. Für Vorschläge und Anregungen zur Verbesserung unseres Newsletters steht Ihnen bei Achim Braner, unser verantwortlicher Chefredakteur, gerne zur Verfügung.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!
Ihr
Paul Schreiner
Paul Schreiner |
Die betriebliche Altersversorgung entwickelt sich für viele Arbeitgeber immer mehr zum Sorgenkind. Aufgrund der Niedrigzinsphase sinken die Rechnungszinsen, während die Pensionsrückstellungen für arbeitgeberfinanzierte Zusagen immer weiter steigen. Auch bei mittelbar finanzierten Zusagen stellt sich zunehmend die Frage, ob die Versorgungsträger die in den Leistungsplänen zugesagten Versorgungen noch finanzieren können. Wenn das nicht gelingt, werden die Arbeitgeber einspringen müssen, sei es durch höhere Beitragsleistungen an den jeweiligen Versorgungsträger oder über die Haftung im Rahmen der Einstandspflichten nach § 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG und § 1 a Abs. 4 S. 2 BetrAVG.
Die hieran anschließende Frage, was geschieht, wenn ein Arbeitgeber aufgrund Insolvenz seinen Einstandspflichten nicht nachkommen kann, beschäftigte auch das BAG in seinem Vorlagebeschluss vom 20. Februar 2018 (Az.: 3 AZR 142/16 (A)) an den EuGH. Die Parteien des Rechtsstreits vor dem BAG streiten darüber, ob der beklagte Pensionssicherungsverein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit ("PSV") für einen Anspruch des Klägers gegen seine ehemalige Arbeitgeberin eintreten muss, weil diese zahlungsunfähig ist und deshalb ihrer Verpflichtung, für eine Leistungskürzung einer Pensionskasse einzustehen, nicht nachkommen kann. Der PSV ist der gesetzlich bestimmte Träger der Insolvenzsicherung für die betriebliche Altersversorgung. Er finanziert sich aus Pflichtbeiträgen derjenigen Arbeitgeber, die Leistungen der betrieblichen Altersversorgung unmittelbar zugesagt haben oder eine betriebliche Altersversorgung über eine Unterstützungskasse, Direktversicherungen oder Pensionsfonds durchführen. Der PSV soll im Fall einer Insolvenz des Arbeitgebers die betrieblichen Altersversorgungsansprüche der Arbeitnehmer schützen. Fraglich ist aber, ob der PSV auch dann einzustehen hat, wenn eine Pensionskasse ihre Leistungen mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde kürzt und der Arbeitgeber seiner Einstandspflicht aufgrund einer Insolvenz ebenfalls nicht nachkommen kann.
Wie es sich mit der Einstandspflicht des PSV in einem solchen Fall verhält, haben die Vorinstanzen unterschiedlich beurteilt. Während das Arbeitsgericht die Klage abwies, hatte der Kläger vor dem Landesarbeitsgericht Köln mit seiner Klage Erfolg. Das BAG vertritt die zutreffende Ansicht, dass sich jedenfalls aus dem deutschen Recht keine Eintrittspflicht des PSV für Kürzungen von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung ergibt, wenn die Leistungen im Durchführungsweg der Pensionskasseerbracht werden. Tatsächlich sieht § 7 BetrAVG für den Durchführungsweg der Pensionskasse keinen Versicherungsschutz vor. Das BAG führt in seinem Vorlagebeschluss weiter aus, dass eine Haftung des PSV allenfalls aus Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG (Zahlungsunfähigkeitsrichtlinie) folgen könne. Nach Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG haben sich die Mitgliedsstaaten zu versichern, dass die notwendigen Maßnahmen zum Schutz der Interessen der Arbeitnehmer und Betriebsrentner hinsichtlich der erworbenen Rechte und Anwartschaften getroffen werden. Voraussetzung für eine etwaige Haftung des PSV sei jedoch, dass Art. 8 Richtlinie 2008/94/EG auch auf Sachverhalte anwendbar sei, in denen ein Arbeitgeber aufgrund seiner eigenen Zahlungsunfähigkeit die Kürzungen der Renten der Pensionskasse für seine Betriebsrentner nicht ausgleichen könne. Ferner, so das BAG, stelle sich die Frage, unter welchen Voraussetzungen nach Art. 8 der Zahlungsunfähigkeitsrichtlinie ein staatlicher Insolvenzschutz zu gewährleisten sei und ob sich der einzelne Arbeitnehmer gegenüber dem PSV direkt auf die Richtlinie berufen könne. All diese Fragen wird nun zunächst der EuGH zu klären haben.
Je nachdem, zu welcher Rechtsansicht der EuGH und in der Folge das BAG gelangen, könnte dies erhebliche Auswirkungen auf den Insolvenzschutz betrieblicher Altersversorgungen in Deutschland haben. Käme das BAG am Ende zu dem Ergebnis, dass eine Einstandspflicht des PSV auch besteht, wenn eine Pensionskasse ihre Leistungen kürzt und der Arbeitgeber aufgrund von Insolvenz seine Einstandspflicht nicht erfüllen kann, sähe sich der PSV weiteren Forderungen ausgesetzt. Für die im PSV beitragspflichtigen Arbeitgeber wäre dann voraussichtlich mit einer nicht ganz unwesentlichen Erhöhung der Pflichtbeiträge zum PSV zu rechnen.
Die betriebliche Altersversorgung stellt eine wichtige Säule der Altersvorsorge für Arbeitnehmer dar. Dieser Rolle wird die betriebliche Altersversorgung derzeit aber nicht gerecht, denn sie ist viel zu wenig verbreitet. Dies mag auch daran liegen, dass es sich um ein Thema handelt, das aufgrund seiner Komplexität auf viele Arbeitgeber - insbesondere kleinere Unternehmen - in erster Linie abschreckend wirkt. Der Gesetzgeber hat dieses Problem erkannt und das Betriebsrentenstärkungsgesetz auf den Weg gebracht, welches seit dem 1. Januar 2018 die betriebliche Altersversorgung für Unternehmen und Arbeitnehmer attraktiver machen und zusätzliche Anreize bieten soll.
In der Vergangenheit mussten die Arbeitgeber im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung stets eine bestimmte Leistungshöhe zusagen. Die Arbeitgeber trugen das Risiko, für die Erfüllung dieser Leistungen einstehen zu müssen. Dieses Risiko besteht bei der neu eingeführten reinen Beitragszusage, die in § 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG geregelt ist, nicht mehr. Allerdingswird sich noch zeigen müssen, ob die reine Beitragszusage zu einem Erfolgsmodell werden wird.
Ein Hindernis könnte sein, dass für die reine Beitragszusage zwingend eine tarifvertragliche Grundlage vorhanden sein muss. Dies erfordert, dass die Tarifpartner eine entsprechende Tarifvereinbarung über die Einführung einer reinen Beitragszusage abschließen. An diesen Tarifvertrag können Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgrund Mitgliedschaft in der jeweiligen Tarifpartei (Arbeitgeberverband, Gewerkschaft) normativ gebunden sein. Sieht der Tarifvertrag eine entsprechende Öffnungsklausel vor, kann die reine Beitragszusage auch durch eine Betriebsvereinbarung eingeführt werden, die für alle Arbeitnehmer des Betriebs, unabhängig von einer Gewerkschaftszugehörigkeit, normativ gilt. Zudem können nichttarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemäß § 24 BetrAVG die Anwendung einer einschlägigen tariflichen Regelung vertraglich vereinbaren. "Einschlägig" ist die tarifliche Regelung dann, wenn es sich bei der in Bezug genommenen Tarifregelung um den räumlich, zeitlich, betrieblich-fachlich und persönlich maßgeblichen Tarifvertrag handelt, der auch bei normativer Tarifbindung Anwendung finden würde. Die Inbezugnahme von branchenfremden Tarifverträgen ist also ausgeschlossen.
Für nicht tarifgebundene Arbeitgeber stellt sich ein weiteres Problem: Sie müssen sicherstellen, dass die Versorgungseinrichtung, die die Versorgung durchführt, mit der Teilnahme des Unternehmens einverstanden ist. Ein Kontrahierungszwang der Versorgungseinrichtung besteht nicht. Den durchführenden Versorgungseinrichtungen dürfen aber nach § 21 Abs. 3 BetrAVG von den Tarifvertragsparteien keine sachlich unbegründeten Vorgaben im Hinblick auf die Aufnahme von nichttarifgebundenen Arbeitgebern gemacht werden.
Aktuell - mehr als ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Betriebsrentenstärkungsgesetzes - ist es allerdings noch nicht zu einer Tarifvereinbarung hinsichtlich einer derartigen reinen Beitragszusage gekommen.
Entschließt sich der Arbeitgeber, eine betriebliche Altersversorgung im Wege der reinen Beitragszusage zu gewähren, verpflichtet er sich (lediglich) zur Zahlung von Beiträgen in das Versorgungswerk. Er steht aber nicht für die Zahlung einer (Mindest)Betriebsrente oder eines (Mindest) Kapitalbetrags ein. Die Höhe der zu zahlenden Beiträge richtet sich nach der jeweiligen Kollektivvereinbarung, auf der die reine Beitragszusage beruht. Dabei soll der Tarifvertrag zur Absicherung der reinen Beitragszusage einen zusätzlichen Sicherungsbeitrag des Arbeitgebers vorsehen (§ 23 Abs. 1 BetrAVG). Diese Sicherungsbeiträge sollen helfen, kapitalmarktbedingte Schwankungen in den Kapitalanlagen abzufedern.
Die betriebliche Altersversorgung in Form der reinen Beitragszusage kann auch durch arbeitnehmerfinanzierte Beiträge im Wege der Entgeltumwandlung durchgeführt werden. Im Falle der Entgeltumwandlung muss der Tarifvertrag regeln, dass der Arbeitgeber 15 % des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an die Versorgungseinrichtung zahlt, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart (§ 23 Abs. 2 BetrAVG).
Die Arbeitnehmer haben einen Anspruch gegen die Arbeitgeber auf Beitragszahlung an die Versorgungseinrichtung. Aus dem mittels der Beiträge und deren Erträgen gebildeten Versorgungskapital hat die Versorgungseinrichtung (Pensionskasse, Pensionsfonds, Direktversicherung) eine Rentenleistung zu erbringen. Die Zahlung einer einmaligen Kapitalleistung ist bei der reinen Beitragszusage ausgeschlossen. Für die Arbeitnehmerist dabei wichtig, dass sie keinen Anspruch auf eine Garantierente erwerben. Wie hoch die Rente im Alter tatsächlich ausfällt, hängt von der Höhe des aufgrund der wirtschaftlichen Performance des Versorgungsträgers angesammelten Versorgungskapitals ab. Die Ansprüche der Arbeitnehmer richten sich also allein gegen den Versorgungsträger und es sind allein die Arbeitnehmer, welche das Risiko der Entwicklung der Anlage bei der Versorgungseinrichtung tragen.
Um zu erreichen, dass die Verpflichtung des Arbeitgebers aus der reinen Beitragszusage sich auf die Erfüllung der Beitragspflicht beschränkt ("pay and forget"), finden insbesondere die Regelungen zur Insolvenzsicherung (§§ 7 bis 14 BetrAVG), zur Anpassungsprüfungspflicht (§ 16 BetrAVG) und zur subsidiären Haftung des Arbeitgebers bei mittelbarer Durchführung (§ 1 Abs. 1 S. 3 BetrAVG und § 1a Abs. 4 S. 2 BetrAVG) bei der reinen Beitragszusage keine Anwendung.
Das Betriebsrentenstärkungsgesetz beschreitet auch auf dem Gebiet der Entgeltumwandlung Neuland, indem es den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit eröffnet, für die betriebliche Altersversorgung ein Optionsmodell einzuführen (§ 20 Abs. 2 BetrAVG). Diese Möglichkeit gilt für alle Formen der Altersversorgung, nicht nur für die reine Beitragszusage. Beim Optionsmodell sieht ein Tarifvertrag die automatische Umwandlung von Entgelt vor, wobei die betroffenen Arbeitnehmer gegen die Entgeltumwandlung ein individuelles Widerspruchsrecht ("opting out") ausüben können.
Die automatische Umwandlung von Entgelt setzt zunächst voraus, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer ein entsprechendes Angebot unterbreitet hat. Das Gesetz stellt an ein solches Angebot einige inhaltliche und formale Voraussetzungen. So muss das Angebot dem Arbeitnehmer in Textform und mindestens drei Monate vor der Fälligkeit des umzuwandelnden Entgelts unterbreitet werden. Zudem muss sich dem Angebot entnehmen lassen, welcher Betrag und welcher Vergütungsbestandteil umgewandelt werden sollen und dass der Arbeitnehmer diesem Angebot binnen einer Frist von mindestens einem Monat widersprechen und die Entgeltumwandlung innerhalb einer Frist von höchstens einem Monat beenden kann. Das Angebot gilt als angenommen, wenn der Arbeitnehmer nicht widerspricht.
Arbeitgeber, die nicht tarifgebunden sind, können aufgrund eines einschlägigen Tarifvertrags durch Betriebsvereinbarung die Einführung eines Optionssystems regeln oder - soweit kein Betriebsrat besteht - ein solches Optionssystem einseitig einführen.
Ab dem 1. Januar 2019 wird § 1a BetrVG durch den neuen Abs. 1a ergänzt. Nach diesem muss der Arbeitgeber zukünftig in allen Fällen der Entgeltumwandlung 15 % des umgewandelten Entgelts als Arbeitgeberzuschuss an die Versorgungseinrichtungen Pensionsfonds, Pensionskasse oder Direktversicherung zahlen, soweit der Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart. Für Entgeltumwandlung zur Finanzierung von Direktzusagen oder Unterstützungskassenzusagen gilt die Zuschussregelung nicht. Die Zuschusspflicht gem. § 1a Abs. 1a BetrAVG ist tarifdispositiv und kann durch arbeitsvertragliche Inbezugnahme der einschlägigen Tarifvertragsregelung vereinbart werden. Die Zuschusspflicht für Entgeltumwandlung außerhalb der reinen Beitragszusage gilt für Entgeltumwandlungsvereinbarungen, die vor dem 1. Januar 2019 geschlossen worden sind, erst ab dem 1. Januar 2022.
Mit der durch das Betriebsrentenstärkungsgesetz eingeführten reinen Beitragszusage hat der Gesetzgeber den Arbeitgebern - zumindest theoretisch - eine risikofreie Möglichkeit eröffnet, ihre Arbeitnehmer dabei zu unterstützen, für das Alter vorzusorgen. Der durchaus berechtigten Angst der Arbeitgeber, sich Jahrzehnte nach erfolgter Versorgungszusage plötzlich mit einem gigantischen Kostenberg konfrontiert zu sehen, wäre mit der reinen Beitragszusage abgeholfen. Allerdings wird sich noch zeigen müssen, ob die reine Beitragszusage in der Praxis hält, was sie in der Theorie verspricht. So ist es nun zunächst einmal an den Tarifvertragsparteien, die tarifvertragliche Voraussetzung dafür zu schaffen, damit Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer den Weg der reinen Beitragszusage überhaupt gehen können.
Dr. Thomas Thees |
Nadine Ceruti |
Umsetzung der Know-how-Schutz-Richtlinie (EU) 2016/943: Unternehmenskritisches
Wissen / Know-how ist ohne angemessene (arbeitsvertragliche) Schutzmaßnahme
kein Geschäftsgeheimnis.
Der Schutz von Geschäftsgeheimnissen wird erfahrungsgemäß in Deutschland arbeitsrechtlich bislang eher stiefmütterlich behandelt. Insbesondere dort, wo der Schutz des eigenen, unternehmenskritischen Wissens beginnt, namentlich bei den eigenen Mitarbeitern, werden bislang kaum trennscharfe Regelungen eingesetzt. Typischerweise wird die Frage nach dem Schutz des Know-how erst gestellt, wenn das Arbeitsverhältnis kurz vor seiner Auflösung steht. Erst zu diesem Zeitpunkt stellen sich viele Arbeitgeber die Frage, wie verhindert werden kann, dass das von einem langjährigen Mitarbeiter erworbene Wissen für einen Konkurrenten nutzbar wird.
Umgekehrt will und muss der ausgeschiedene Arbeitnehmer regelmäßig das bei ihm vorhandene Wissen und Know-how weiter anwenden, um seine Karriere weiterverfolgen zu können. Die Parteien des Arbeitsvertrages befinden sich daher typischerweise in einem Interessenwiderstreit, dem nur dadurch Rechnung getragen werden kann, dass von Anfang an klargestellt wird, welche Tatsachen geheimhaltungsbedürftig sind und welche nicht. Die Know-how-Schutz-Richtlinie und der Entwurf des Geschäftsgeheimnisgesetzes stellen für dieses Spannungsfeld neue Spielregeln auf.
Aufgrund der zunehmenden digitalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und der enormen wirtschaftlichen Bedeutung betrieblichen Know-hows hat sich die Europäische Union bereits 2016 dazu entschieden, einen einheitlichen europäischen Geheimnisschutz zu schaffen. Hierdurch soll ein einheitlicher europäischer Mindeststandard beim Schutz von Know-how geschaffen werden.
Seit dem 9. Juni 2018 gelten die neuen europäischen Vorgaben für den Geheimnisschutz, dem Ablaufdatum der im Rahmen der Know-how-Richtlinie vorgegebenen Frist für die Umsetzung in nationales Recht. Ab diesem Stichtag sind deutsche Gerichte gehalten, das (dann veraltete) deutsche Recht zum Geheimnisschutz "europarechtskonform" auszulegen. Somit kommt es zu weitreichenden Veränderungen, die bereits jetzt zu einem Handeln der Unternehmen zwingen, wenn sie auch künftig ihr betriebliches Know-how geschützt wissen wollen. Wann das neue GeschGehG, die nationale Umsetzung der Richtlinie, in Kraft tritt, ist noch nicht bekannt.
Während in der Vergangenheit die dem Arbeitnehmer auferlegten Treue- und Sorgfaltspflichten gegenüber seinem Arbeitgeber zumindest theoretisch dafür sorg(t)en, dass Arbeitnehmer während des laufenden Arbeitsverhältnisses verpflichtet waren / sind, Geschäftsgeheimnisse ihres Arbeitgebers zu wahren und nicht preiszugeben, bringt nun die Definition des Geschäftsgeheimnisses in der Know-how-Richtlinie und daran anschließend in dem Referentenentwurf des GeschGehG einige wesentliche Änderungen mit sich. Als Geschäftsgeheimnis gelten nach der Know-how-Richtlinie nur solche Informationen,
Gerade das letzte Erfordernis der "angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen" führt zu Handlungsbedarf für die Unternehmen. Denn nach der bisherigen Rechtsprechung liegt ein Geschäftsgeheimnis bereits vor, wenn eine geheime Tatsache von kommerziellem Wert nach dem erkennbaren subjektiven Willen des Inhabers geheim gehalten werden soll. Dieser subjektive Geheimhaltungswille reicht künftig nicht mehr aus. Vielmehr ist eine geheime Tatsache nur dann auch geschütztes Know-how, wenn sie Gegenstand angemessener Geheimhaltungsmaßnahmen ist.
Auch wenn es letztlich der gerichtlichen Bestimmung überlassen wird, was unter einer "angemessenen Geheimhaltungsmaßnahme" anzusehen ist, dürfte es als sicher gelten, dass ein entsprechender Umgang bzw. entsprechende Vorkehrungen in der Zusammenarbeit und der Vertragsgestaltung mit den eigenen Mitarbeitern unerlässlich wird. Die Begründung des Gesetzesentwurfs benennt hier u.a. ausdrücklich vertragliche Abreden / Verpflichtungen in Arbeitsverträgen.
Eine einzelvertragliche Erweiterung / Konkretisierung der Schweige- / Geheimhaltungspflicht bleibt aber nur innerhalb der allgemeinen Grenzen der §§ 134, 138, 242 BGB und den AGB-Vorschriften zulässig.
Maßstab für das Geheimhaltungsinteresse ist die Bedeutung des Geheimhaltungsgegenstandes für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens. Klauseln, die ohne entsprechende Konkretisierung Arbeitnehmern pauschal auferlegen, alle betrieblichen Verhältnisse streng geheim zu halten, wurden in der Rechtsprechung regelmäßig für unzulässig erachtet. Die hinreichende Konkretisierung der geheimzuhaltenden Informationen rückt aber auch vor dem Hintergrund der Gesetzesänderung in den Vordergrund.
Als angemessene Geheimhaltungsmaßnahme des Arbeitgebers wird man darüber hinaus auch nachvertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen des Mitarbeiters verlangen können. Grundsätzlich ist dies entschädigungslos möglich. Da aber gerade im nachvertraglichen Bereich die Beschränkung einer künftigen Berufsausübung im Raume steht, verläuft die Grenze zu einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot, welches nur mit einer entsprechenden Karenzentschädigung wirksam / verbindlich ist, fließend.
Die Formulierung wirksamer (entschädigungsfreier) Verschwiegenheits- und Geheimhaltungsklauseln ist dennoch möglich:
Ein größeres Augenmerk dürften im Lichte der neuen Gesetzgebung auch Geheimhaltungsvereinbarungen / -verpflichtungen im Rahmen von Projekten mit "fremden" Arbeitskräften erhalten. Sowohl bei Arbeitnehmerüberlassungen als auch im Zuge von Dienstverträgen mit freien Mitarbeitern / Spezialisten spielt der Schutz der eigenen Geschäftsgeheimnisse eine bedeutende Rolle, da diesen Vertragsgestaltungen schon immanent ist, dass der Arbeitseinsatz nur vorübergehend erfolgt und die entsprechenden Arbeitskräfte anschließend häufig gerade auch in Wettbewerbsunternehmen tätig werden.
Darüber hinaus bringt die Gesetzesänderung weitere Umstellungen mit sich, insbesondere ein zivilrechtliches Anspruchssystem (§§ 17 - 19 UWG werden aufgehoben). Im Vordergrund steht hier der Unterlassungsanspruch, der es dem Anspruchsinhaber ermöglicht, die Unterlassung künftiger Verletzungen seines betrieblichen Know-hows zu verlangen. Daneben kann er vom Verletzer auch Auskunft und Schadensersatz verlangen.
Weitere Informationen, sonstige Änderungen durch die neue Rechtslage und sich hieran anschließenden Handlungsbedarf bei Unternehmen finden Sie auf unserer Homepage.
Paul Schreiner |
Maurice Straub |
Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist nicht verletzt, wenn der Arbeitgeber freiwillig eine Betriebsrente zahlt, bei deren Berechnung er auch Beschäftigungszeiten zugrunde legt, auf deren Berücksichtigung nach seiner Auffassung kein Rechtsanspruch besteht, diese Begünstigung stichtagsbezogen jedoch nur den Versorgungsempfängern, nicht aber den Versorgungsanwärtern gewährt.
Die Parteien streiten über die Berechnung einer Betriebsrente. Die Klägerin verlangt, dass bei der Berechnung ihrer Betriebsrente auch Beschäftigungszeiten nach dem 31. Dezember 1994 berücksichtigt werden. Sie war bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin in derZeit vom 28. Oktober 1968 bis zum 31.Juli 2012 beschäftigt. Bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten gab es eine Betriebsvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung, die mit Wirkung zum 31. Dezember 1994 gekündigt worden ist. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten nahm an, auch nach dem 31. Dezember1994 verpflichtet zu sein, bei der Berechnung der Betriebsrente eine anrechenbare Dienstzeit bis zum Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis zugrunde zu legen. Als es Ende 2010 bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu einer Unternehmensspaltung kam, fiel einer Mitarbeiterin auf, dass die Arbeitnehmer, die Ende 1994 noch keine Betriebsrente bezogen, nur noch Anspruch auf eine quotierte Betriebsrente hatten. Die Geschäftsführung der Beklagten entschied daraufhin zum Jahreswechsel 2010/2011, den Versorgungsempfängern die Betriebsrente in voller Höhe weiter zu gewähren. Ferner sollten diejenigen ehemaligen Arbeitnehmer, die im Rahmen der mit der Unternehmensspaltung verbundenen Betriebsänderung im Jahr 2010 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden waren, eine auf den Zeitpunkt ihres Ausscheidens quotierte Rente erhalten. Hingegen sollte den Versorgungsanwärtern in Zukunft die Betriebsrente nur unter Berücksichtigung der biszum 31. Dezember 1994 erbrachten Dienstzeit gewährt werden. Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes verpflichtet, bei der Berechnung der Betriebsrente auch ihre nach dem 31. Dezember1994 zurückgelegten Dienstzeiten zu berücksichtigen. Das ArbG hatd er Klage stattgegeben, das LAG die Klage abgewiesen.
Die Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. Das BAG ist der Ansicht, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, der Klägerin aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes eine Betriebsrente unter Zugrundelegung einer anrechenbaren Dienstzeit bis zum 31.Juli 2012 zu gewähren. Im Betriebsrentenrecht hat der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gemäß § 1b Absatz 1 Satz 4 BetrAVG kraft Gesetzes anspruchsbegründende Wirkung. Der Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer, die sich in vergleichbarer Lage befinden, bei Anwendung einer von ihm selbst aufgestellten Regelung gleich zu behandeln. Eine vorgenommene Differenzierung muss sachlich gerechtfertigt sein. Vorliegend habe die Beklagte bei der Entscheidung,die Betriebsrente auch unter Zugrundelegung der nach dem 31. Dezember1994 zurückgelegten Beschäftigungszeiten zu gewähren, zwei unterschiedliche Gruppen von Begünstigten gebildet: Zum einen erhalten die Versorgungsempfänger sowie die Arbeitnehmer, die im Rahmen der mit der Unternehmensspaltung einhergehenden Betriebsänderung vorzeitig aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, eine ungekürzte Betriebsrente. Von dieser Begünstigung ausgenommen sind nur die Arbeitnehmer, die noch auf eine Betriebsrente warten. Diese Entscheidung sei nicht zu beanstanden, da die unterschiedliche Behandlung der nach dem31. Dezember 1994 erbachten Beschäftigungszeiten sachlich gerechtfertigt ist. Die Beklagte habe hiermit der besonderen Lage der Versorgungsempfänger Rechnung getragen. Bei gebotener typisierender Betrachtung seien die Versorgungsanwärte rund die Versorgungsempfänger nicht in gleichem Maße von einer Kürzung der Betriebsrente betroffen. Die Beklagte habe annehmen dürfen, dass sich die Versorgungsempfänger nach Eintritt des Versorgungsfalles in ihrem Lebensstandard bereits auf ein bestimmtes finanzielles Niveau eingestellt haben. Demgegenüber hätten die Versorgungsanwärter hinsichtlich der späteren Betriebsrente lediglich eine entsprechende Erwartung. Der von der Beklagten gewählte Stichtag sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Festsetzung eines Stichtags sei als Ausdruck einer pauschalierten Betrachtung und dem Interesse der Praktikabilität grundsätzlich zulässig, wenn sich die Wahl des Zeitpunkts am zugehörigen Sachverhalt orientiert und demnach sachlich vertretbar ist. Vorliegend lag der Stichtag zeitnah nach der Aufdeckung des Irrtums bezüglich der Berechnung der Betriebsrenten. Er orientiert sich damit am zugehörigen Sachverhalt.
Diese Entscheidung stellt eine Weiterentwicklung der bisherigen Rechtsprechung dar. Bislang hat das BAG in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass das Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis sowie der Eintritt des Versorgungsfalls eine Zäsur und deshalb sachgerechte Anknüpfungspunkte für versorgungsrechtliche Bestimmungen sind (BAG, Urteil vom 12.August 2014 - 3 AZR 764/12). Mit der vorliegenden Entscheidung hat das BAG erstmalig entschieden, dass der Eintritt des Versorgungsfalls ein sachgerechter Anknüpfungspunkt im Rahmen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes für die Differenzierung bei der Gewährung von freiwilligen Leistungen ist.
Das BAG hat die unterschiedliche Behandlung von Versorgungsempfängern und Versorgungsanwärtern zutreffend aufgrund ihrer unterschiedlichen Situation als gerechtfertigt angesehen: Erst bei Eintritt des Versorgungsfalls stellt sich die betreffende Person in seinem Lebensstandard auf ein bestimmtes finanzielles Niveau unter Berücksichtigung der Betriebsrente ein. Das BAG hat sich wegen der Grenze des prozessualen Anspruchs (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) nicht mit möglichen Ansprüchen aus der Betriebsvereinbarung oder betrieblicher Übung befasst. Dies zeigt, dass in der Praxis mögliche unterschiedliche Anspruchsgrundlagen genau zu prüfen und Anträge sowie Sachvortrag entsprechend zu gestalten sind.
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Das BAG hat entschieden, dass Anspruch auf Urlaub, der weniger als einen halben Urlaubstag beträgt, weder auf volle Urlaubstage aufzurunden noch auf volle Urlaubstage abzurunden ist. Es verbleibt bei dem Anspruch auf den bruchteiligen Urlaubstag.
Der Beklagte beschäftigte die Klägerin seit dem 1. September 2002 als Bürokauffrau. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag sah einen Anspruch auf 25 Arbeitstage Jahresurlaub vor. Im Jahr 2007 gewährte der Beklagte der Klägerin keinen Urlaub. Nach der Geburt von zwei Kindern befand sich die Klägerin zunächst von März 2008 bis Januar 2011 und erneut von November 2011 bis September 2014 in Elternzeit. Für die Zeit zwischen der ersten Elternzeit und der Geburt des zweiten Kindes hat die Klägerin keinen Urlaub erhalten. Mit Schreiben vom 15. Juni 2015 erklärte der Arbeitgeber, er kürze den Erholungsurlaub um ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endeteam 30. September 2015.
Die Klägerin hat Urlaubsabgeltung für 190 Urlaubstage aus den Jahren 2007 bis 2015 mit einem Bruttobetrag in Höhe von EUR 11.400 geltend gemacht. Sie beruft sich unter anderem darauf, dass die in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG vorgesehene Befugnis des Arbeitgebers, Urlaub wegen der Inanspruchnahme von Elternzeit zu kürzen, gegen Unionsrecht verstoße.
Nach dem Urteil des Arbeitsgerichts Leipzig hatte die Klägerin Anspruch auf Abgeltung von 74,58 Urlaubstagen mit einem Bruttobetrag in Höhe von EUR 4.474,80 nebst Zinsen. Auf die Berufung des Beklagten bestätigte das Landesarbeitsgericht Sachsen die Entscheidung im Wesentlichen und änderte nur den Zinsausspruch; die Berufung der Klägerin wurde als unzulässig verworfen. Das BAG hielt die von dem Beklagten eingelegte Revision für weitgehend begründet, soweit das LAG der Klägern Urlaubsabgeltung für mehr als 70,5 Urlaubstage zugesprochen hat. Der Rechtsstreit gab dem BAG Gelegenheit, sich zu verschiedenen Fragen im Zusammenhang mit der Berechnung der Urlaubsabgeltung zu äußern.
Zunächst hat das BAG entschieden, dass der Anspruch auf Abgeltungvon 6,25 Arbeitstagen Urlaub für das Kalenderjahr 2008 in dieser Höhe bestehe und mangels Rechtsgrundlage nicht auf ganze Urlaubstage zu runden sei. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 BUrlG, der eine Rundung vorsieht, lägen nicht vor. Weder ergäbe der beanspruchte Bruchteil von 0,25 einen halben Urlaubstag, noch sei der durch die Anwendung des § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG errechnete bruchteilige Urlaubsanspruch ein Teilurlaub im Sinne von § 5 Abs. 1 BUrlG. § 5 Abs. 2 BUrlG schließe darüber hinaus nicht aus, dass einem Arbeitnehmer ein Urlaubsanspruch zusteht, der sich nach Bruchteilen bemisst. Es sei ständige Rechtsprechung,dass der Vorschrift im Umkehrschluss nur zu entnehmen ist, dass ein Urlaubsanspruch, der weniger als einen halben Tag umfasst, nicht aufzurunden ist, nicht aber, dass er ersatzlos wegfällt.
Das BAG nutzte die Gelegenheit ferner, die Bedeutung von Mutterschutzfristen und Elternzeit für den Urlaubsanspruch klarzustellen. Nach Ablauf der Wartezeit (§ 4 BUrlG) entsteht der Anspruch eines Arbeitnehmers auf Erholungsurlaub am 1. Januar eines Kalenderjahres in voller Höhe. Dies gilt auch, wenn die Arbeitnehmerin zu Beginn eines Jahres einem Beschäftigungsverbot im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 MuSchG unterliegt, da die Entstehung des Anspruchs auf Erholungsurlaub allein vom rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses abhängt, nicht von der Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Erbringung der Arbeitsleistung. Für den Fall des mutterschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots ist in § 17 Satz 1 MuSchGa. F. (vgl. § 24 MuSchG in der seit dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung) ausdrücklich geregelt, dass dadurch bedingte Ausfallzeiten sich nicht nachteilig auf den gesetzlichen Urlaubsanspruch auswirken dürfen.
Die Elternzeit als solche hat ebenfalls keinen Einfluss auf den Urlaubsanspruch. Die Suspendierung der Hauptleistungspflichten infolge der Elternzeit wirke sich nicht urlaubsschädlich aus, solange der Arbeitgeber das in § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG vorgesehene Kürzungsrecht nicht ausgeübt hat.
Die Frage, ob der Beklagte gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG berechtigt war, den Urlaub der Klägerin wegen Elternzeit zu kürzen, oder ob Unionsrecht dem entgegensteht, brauchte der Senat nicht zu entscheiden. Diese Frage war noch von Bedeutung für den Urlaubsanspruch 2008, über den das Arbeitsgericht rechtskräftig entschieden hat. Begehrt ein Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber, nicht genommenen Urlaub abzugelten, der aus mehreren Kalenderjahren stammt, bildet das Abgeltungsverlangen hinsichtlich eines jeden einzelnen Urlaubsjahres einen eigenen Streitgegenstand. Da das Arbeitsgericht die Klage, soweit die Klägerin die Abgeltung der Urlaubs aus dem Jahr 2008 verlangt hat, rechtskräftig abgewiesen hat, durfte das LAG und infolgedessen das BAG keine davon zugunsten der Klägerin abweichende Entscheidung treffen.
Das Urteil des BAG ist stringent. Der Senat hat zu Recht das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 5Abs. 2 BUrlG verneint und sich folgerichtig dafür ausgesprochen, bruchteilige Urlaubstage von weniger als 0,5 exakt abzugelten. Der Senat hat bezüglich der Bestimmung des Streitgegenstandes den zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff zugrunde gelegt und kam somit zu dem richtigen Ergebnis, dass das Abgeltungsverlangen hinsichtlich eines jeden einzelnen Urlaubsjahres einen eigenen Streitgegenstand bildet. Infolgedessen und wegen der bereits eingetretenen materiellen Rechtskraft war nicht über die Unionsrechtskonformität der Urlaubskürzung bei Elternzeit zu entscheiden. Diese Frage wird in Rechtsprechung und Literatur höchst unterschiedlich beurteilt. Das LAG Niedersachsen hat mit Urteil vom 16. November 2010 (Az.: 3 Sa 128/10) das Kürzungsrecht des Arbeitgebers für europarechtskonform gehalten, da die Inanspruchnahme der Elternzeit und die dadurch ausgelöste Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers auf der Willensentscheidung des Arbeitnehmers beruhe. In der Literatur wird zu dieser Frage auch vertreten, dass eine Kürzung jedenfalls insoweit europarechtswidrig wäre, wie der Elternurlaub gemeinschaftsrechtlich durch die Rahmenvereinbarung über den Elternurlaub und die dazu ergangene Elternzeitrichtlinie 2010/18/EU abgesichert ist, d.h. für die Dauer von vier Monaten. Diese Frage, die nicht unerhebliche wirtschaftliche Belastungen seitens des Arbeitgebers nach sich ziehen kann, bleibt somit spannend.
Martina Ziffels |
Das Erfordernis der eindeutigen Bestimmbarkeit der jeweiligen Normurheber gilt nicht nur in mehrgliedrigen Kollektivvereinbarungen zwischen Arbeitgeber, Betriebsrat und Gewerkschaft, sondern auch bei Betriebsvereinbarungen mit mehreren Betriebsräten auf verschiedenen Hierarchieebenen.
Die beklagte Arbeitgeberin vereinbart eals herrschendes Unternehmen im Zuge betriebsändernder Maßnahmen, zugleich handelnd namens und im Auftrag mehrerer anderer konzernzugehöriger Unternehmen, mit dem Konzernbetriebsrat sowie den jeweiligen Gesamtbetriebsräten "soweit zuständig" ein Eckpunktepapier, das u.a. die Bedingungen für den Abschluss von Aufhebungsverträgen mit Abfindung festlegte. Welche Betriebsratsebene für welche genaue Regelung verantwortlich war, ging daraus nicht hervor. Für den betroffenen Fachbereich der klagenden Arbeitnehmerin schloss die Beklagte im Anschluss mit dem Gesamtbetriebsrat einen Sozialplan ab, der das Eckpunktepapier nahezu wortgleich übernahm. Die Abfindungshöhe sollte dabei auch vom Beschäftigungsgrad in einem Referenzzeitraum abhängen. Da sich die Klägerin zuvor in mehreren arbeitszeitverringerten Elternzeitphasen befand, verlangte sie insbesondere wegen einer unzulässigen Ungleichbehandlung mit anderen Mitarbeitern eine höhere, d.h. ungekürzte Abfindung. Obwohl dem veröffentlichten Urteil gar nicht zu entnehmen ist, dass es einen Unterschied gemacht hätte, aus welcher Quelle die Abfindung zu zahlen war, führten die Erfurter Richter wie folgt aus:
Das BAG hob das vorherige Urteil des LAG auf und verwies die Sache dorthin zurück, da der streitgegenständliche Referenzzeitraum fehlerhaft bestimmt worden sei. Abseits der Begründung dazu führten die Erfurter Richter aus, dass wie bei Standortsicherungs- oder Konsolidierungsvereinbarungen, an denen auch Gewerkschaften beteiligt sind, auch reine Betriebsvereinbarungen wie hier das Eckpunktepapier dem sog. "Gebot der Rechtsquellenklarheit" unterliegen, nachdem eine eindeutige Beurteilung darüber möglich sein muss, wer für eine konkrete Normsetzung wem gegenüber verantwortlich ist, ob sie von der jeweiligen Normsetzungskompetenz gedeckt und wer zu ihrer Ablösung berechtigt ist oder wem entsprechende Durchführungs- und Einwirkungspflichten obliegen (vgl. BAG, Urteil vom 15. April 2008 - 1 AZR 86/07). Zwar stehe bei Betriebsvereinbarungen fest, dass es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsquelle handelt, die für alle Arbeitnehmer unmittelbar und zwingend gilt - anders als bei einem Kollektivvertrag, der auch tarifliche Normen beinhaltet. Ob die jeweiligen Parteien im Rahmen ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Zuständigkeiten im Verhältnis zueinander und gegenüber ihren vom BetrVG zwingend vorgegebenen Vertragspartnern gehandelt haben, folge daraus jedoch nicht ohne Weiteres. Es müsse deshalb hervorgehen, ob eine bestimmte Regelung Einzel-, Gesamt oder Konzernbetriebsvereinbarung ist; der Zusatz, dass jeweils "soweit zuständig" gehandelt wurde, reiche dafür nicht aus, da es zweifelhaft bleibe, in welchem Umfang sich die einzelnen Vertretungen gegenüber dem jeweiligen Vertragspartner binden wollten sowie ob und inwieweit sie sich auf Regelungen zur zwingenden oder zur freiwilligen Mitbestimmung verständigt haben, hinsichtlich derer unterschiedliche Ablösungs- und Verdrängungsregeln gelten.
Das BAG führt mit dieser Entscheidung seine Rechtsprechung zum Gebot der Rechtsquellenklarheit weiter. Bereits für das Verhältnis von Tarifvertragsparteien hat das BAG entschieden, dass es dem für kollektive arbeitsrechtliche Normenverträge geltenden Gebot der Rechtsquellenklarheit widerspräche, wenn sich der Rechtscharakter eines kollektiven Normenvertrags nicht zweifelsfrei bestimmen ließe. Habe ein Normenvertrag unterschiedliche Rechtsquellen zum Inhalt, müsse die Frage, ob eine bestimmte Regelung Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung oder gar etwas Drittes ist, im Interesse der Normadressaten einer raschen und zuverlässigen Beantwortung zugänglich sein (vgl. BAG, Urteil vom 15. April 2008 - 1 AZR 86/07). Diese Rechtsprechung ist im Hinblick auf Tarifverträge und deren Unterschiede zu Betriebsvereinbarungen verständlich und nachvollziehbar. Im Hinblick auf Betriebsvereinbarungen, bei denen feststeht, dass es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsquelle handelt, die für alle Arbeitnehmer unmittelbar und zwingend gilt, ist das vorliegende Urteil nicht nachvollziehbar. Dennoch gilt auch für mehrseitige Betriebsvereinbarungen nach dieser Rechtsprechung nunmehr die Vorgabe, dass sich aus ihnen zweifelsfrei ergeben muss, welche Regelungen von welchem Betriebsverfassungsorgan im Rahmen seiner gesetzlichen Zuständigkeit vereinbart wurden. Keine zwingende Voraussetzung ist dabei die einheitliche Qualifizierung als Einzel-, Gesamt- oder Konzernbetriebsvereinbarung: Innerhalb einer gebündelten Vereinbarung muss nur strukturell klar abgegrenzt sein, wer Urheber welcher Regelung ist. Die einfachste Gestaltungslösung bildet folglich (abseits der gänzlichen Trennung in separate Vereinbarungen) die Einteilung in Abschnitte nach der jeweiligen Regelungszuständigkeit, die diese bzw. die Urheberebene eindeutig benennen; letztere sollte zuletzt nicht erst durch Auslegung ermitteln werden müssen. Die alleinige Unterzeichnung aller Betriebsratsgremien unter der Gesamtvereinbarung dürfte dann ausreichen, solange klar ist, wer Urheber der jeweiligen Passagen ist und die Vereinbarung insgesamt den Rechtscharakter einer Betriebsvereinbarung hat.
Axel Braun |
Wurde der Arbeitnehmer zwar nicht ordnungsgemäß i.S.d. § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet, aber über den mit dem Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses, den geplanten Zeitpunkt sowie den Gegenstand des Betriebsübergangs, den Betriebsübernehmer und sein Widerspruchsrecht (grundlegende Informationen) in Textform belehrt, führt eine widerspruchslose Weiterarbeit bei dem neuen Inhaber über einen Zeitraum von sieben Jahren regelmäßig zur Verwirkung des Widerspruchsrechts.
Die Parteien streiten über den Bestand des Arbeitsverhältnisses sowie über Zahlungs- und Beschäftigungsansprüche. Der Kläger war seit 1984 bei der Beklagten zuletzt im Betrieb Kundenniederlassung Spezial beschäftigt. Zum 1. September2007 ging dieser Betrieb der Beklagten im Wege eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB auf die V C S GmbH über. Die V C S GmbH informierte den Kläger mit Unterrichtungsschreiben vom 26. Juli 2007 über den Betriebsübergang. Das Unterrichtungsschreiben enthielt Informationen über den Gegenstand des Betriebsübergangs, den geplanten Zeitpunkt, den Übergang des Arbeitsverhältnisses, die V C S GmbH als Betriebsübernehmer und eine Belehrung über das Widerspruchsrecht. Nicht enthalten waren Hinweise auf die Begrenzung der Haftung der Beklagten nach § 613a Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 BGB und auf die gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten und der V C S GmbH. Der 8. Senat des BAG hatte daher mit Urteil vom 26. Mai 2011 (Az.: 8 AZR 18/10) zu einem wortgleichen Unterrichtungsschreiben, das ein anderes Arbeitsverhältnis der Beklagten betraf, entschieden, dass das Unterrichtungsschreiben die Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB nicht erfüllte. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses von der Beklagten auf die V C S GmbH zunächst nicht und arbeitete nach dem Betriebsübergang für die V C S GmbH. Erst mit Schreiben vom 3. Juni 2015 widersprach der Kläger gegenüber der Beklagten dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses. Nachdem die Beklagte die Beschäftigung des Klägers ablehnte, klagte der Kläger u.a. auf Feststellung, dass zwischen ihm und der Beklagten über den 31. August 2007 hinaus ein Arbeitsverhältnis besteht, da die Frist für den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses aufgrund der fehlerhaften Unterrichtung vom 26. Juli 2007 nicht zu laufen begonnen habe. Das Arbeitsgericht hat der Klage überwiegend stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen.
Das BAG wies die vom Kläger eingelegte Revision als unbegründet zurück. Das Landesarbeitsgericht habe zu Recht festgestellt,dass zwischen der Beklagten und dem Kläger über den 31. August 2007 hinaus kein Arbeitsverhältnis besteht, weshalb der Kläger weder einen Anspruch auf Beschäftigung noch auf Annahmeverzugslohn habe. Die einmonatige Widerspruchsfrist gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB wurde durch das Unterrichtungsschreiben vom 26. Juli 2007 nicht in Lauf gesetzt, da dieses den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB nicht entsprach. Dennoch war der Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses vom 3. Juni 2015 nicht wirksam, da der Kläger sein Widerspruchsrecht verwirkt hatte. Hierfür sprachen das Zeit- und das Umstandsmoment. Zwar wurde der Kläger nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 613a Abs. 5 BGB unterrichtet. Der Kläger war durch die V C S GmbH jedoch mit Unterrichtungsschreiben vom 26. Juli 2007 unstreitig über den mit dem Betriebsübergang verbundenen Übergang seines Arbeitsverhältnisses, über den Erwerber sowie über den geplanten Zeitpunkt des Betriebsübergangs in Kenntnis gesetzt worden. Auch wurde er über sein Widerspruchsrecht nach § 613a Abs. 6 BGB belehrt. Ihm lagen daher die grundlegenden Informationen zu dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses und seinem Widerspruchsrecht vor. In Kenntnis dieser Informationen hat der Kläger ab dem Betriebsübergang vom 1. September 2007 bis zum 3. Juni 2015, also mehr als sieben Jahre, für die V C S GmbH gearbeitet, ohne von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen. Zwar gibt ein Arbeitnehmer durch das bloße Erbringen seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung für den neuen Inhaber ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht zu erkennen, dass er an der Vertragsbeziehung mit dem bisherigen Arbeitgeber nicht mehr festhalten will. Die widerspruchslose Weiterarbeit nach Erhalt der grundlegenden Informationen über einen Betriebsübergang und das Widerspruchsrecht ist jedoch ein Umstand, der in Verbindung mit dem erheblichen Zeitraum der Weiterarbeit von sieben Jahren für einen Arbeitgeber regelmäßig keine andere Beurteilung gebieten lasse, als dass der Kläger an seinem bisherigen Arbeitsverhältnis zu der Beklagten nicht länger festhält und von seinem Widerspruchsrecht keinen Gebrauch mehr macht.
Mit seinem Urteil entwickelt der 8. Senat seine Rechtsprechung zur Verwirkung des Widerspruchsrechts im Rahmen eines Betriebsübergangs fort. Bei der Verwirkung gilt der Grundsatz, dass sich Zeit- und Umstandsmoment gegenseitig beeinflussen. Je stärker der Umstand ist, der das Vertrauen der Gegenseite begründet, ein Recht werde nicht mehr geltend gemacht, desto schneller kann ein Recht verwirken. Umgekehrt sind die Anforderungen an das Umstandsmoment umso geringer, je mehr Zeit seit dem Betriebsübergang verstrichen ist und je länger der Arbeitnehmer für den Betriebserwerber gearbeitet hat. Die Frage, nach welchem Zeitraum der widerspruchslosen Weiterarbeit beim Erwerber das Zeitmoment erfüllt ist und damit die Verwirkung eintritt, hat das BAG bislang nicht beantwortet. Nunmehr sorgt das BAG für Klarheit und erklärt das Widerspruchsrecht für verwirkt, wenn der Arbeitnehmer im Rahmen einer fehlerhaften Unterrichtung über die grundlegenden Informationen (Zeitpunkt, Gegenstand des Betriebsübergangs, Erwerber, Belehrung zum Widerspruchsrecht) in Textform Kenntnis erlangt hat und im Zeitpunkt der Ausübung des Widerspruchrechts über sieben Jahre widerspruchslos weiter gearbeitet hat. Der 8. Senat bezeichnet die Dauer der Weiterarbeit von sieben Jahren selbst als "Regelfrist" und führt damit erstmals eine konkrete zeitliche Grenze zur Verwirkung des Widerspruchrechts ein. Diese Regelfrist beginne mit dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs bzw. falls der Ablauf der Widerspruchsfrist des § 613a Abs. 4 BGB nach dem Zeitpunkt des Betriebsübergangs liegt, mit Ablauf der Widerspruchsfrist.
Sandra Sfinis |
Auch Besitzstandspauschalen, die an Stelle von Nachtarbeitszuschlägen gezahlt werden, sind auf den Mindestlohn anzurechnen.
Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 2007 als Servicemitarbeiterin beschäftigt. Ihr vertraglich vereinbarter Stundenlohn betrug nur 7,50 EUR, dazu kamen regelmäßig noch die Zuschläge für die Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit. Die Beklagte zahlte zusätzlich noch einen variablen "Mindestlohnzuschlag",mit dem die monatliche Gesamtvergütung mindestens dem Mindestlohnniveau entsprach. Nachdem sie einen Änderungsvertrag angenommen hatte, erhielt die Klägerin als Ausgleich für verringerte Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeitszuschläge eine monatliche (Besitzstands-)Pauschale von der beklagten Arbeitgeberin. Die Klägerin forderte auf der Grundlage von § 1 Abs. 1 und Abs. 2 Mindestlohngesetz (MiLoG) ausstehende Vergütung von der Beklagten jeweils in Höhe der Besitzstandspauschale für Januar bis Oktober 2015. Sie war der Ansicht, dass die erhaltene Vergütung nicht zumindest dem Mindestlohn (zu diesem Zeitpunkt EUR 8,50 pro Stunde) entsprach. Die Besitzstandspauschale sei dabei nicht auf den Mindestlohnanspruch anzurechnen, da sie allein zur Erhaltung des Vergütungsniveaus, welches vor der Verringerung der Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeitszuschläge bestanden habe, diene. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen.
Auch in der Revision vor dem BAG hatte die Klägerin keinen Erfolg. Das BAG wiederholte, dass aus § 1 MiLoG ein eigener Anspruch für den Arbeitnehmer erwächst, der neben den Lohnanspruch aus dem Arbeits- oder Tarifvertrag tritt. Dieser Anspruch gilt zwar unmittelbar nur für tatsächlich geleistete Arbeit, für aufgrund von Urlaub, Feiertagen oder Arbeitsunfähigkeit ausgefallene Arbeitsstunden ist aber ebenfalls der Mindestlohnstundensatz zu Grunde zu legen. Die Beklagte hat die entstandenen Lohnansprüche erfüllt, indem sie unter anderem die Besitzstandspauschale zahlte. Alle Gegenleistungen für die Arbeitsleistung können zur Erfüllung des Mindestlohnanspruchs angerechnet werden. Ausgenommen sind nur Zahlungen,die der Arbeitgeber ganz ohne Rücksicht auf die Arbeitsleistung seiner Arbeitnehmer erbringt oder, wie im Fall von Nachtarbeitszuschlägen nach § 6 Abs. 5 ArbZG, aufgrund einer besonderen gesetzlichen Zweckbestimmung. Die Besitzstandspauschale stellt zwar einen Ausgleich für unter anderem verringerte Nachtarbeitszuschläge dar, tritt aber nicht an deren Stelle und unterliegt somit keiner besonderen Zweckbestimmung nach § 6 Abs. 5 ArbZG. Als pauschale Kompensation für erwartete geringere Einnahmen ist die Besitzstandspauschale kein Ausgleich für die Erschwernisse der Nachtarbeit.
Die Entscheidung ist eine konsequente Weiterführung der Rechtsprechung des BAG zum Mindestlohn. Das BAG stellt erneut klar, dass auch verschiedene Sonderleistungen des Arbeitgebers auf den Mindestlohnanspruch angerechnet werden können. Die Vertragsänderung zwischen den Parteien erwies sich vorliegend somit als günstig für die Beklagte. Die Beklagte konnte durch die teilweise Ersetzung der Zuschläge durch eine Besitzstandspauschale mit geringeren Lohnkosten rechnen. Da die Besitzstandspauschale, im Gegensatz zu den Nachtarbeitszuschlägen, auf die Abgeltung des Mindestlohns angerechnet werden kann, belaufen sich die Lohnkosten in der Regel höchstens auf den Mindestlohn. Der vertraglich vereinbarte Stundenlohn kann daher auch unter dem Mindestlohn liegen, solange insgesamt das Mindestlohnniveau durch verschiedene monatliche gezahlte Zulagen erreicht wird. Dies wurde bereits für monatlich anteilig gezahltes Weihnachtsgeld entschieden (BAG, Urteil vom 25. Mai 2016 - 5 AZR 135/16). Jährlich oder unregelmäßig geleistete Prämien (z.B. für die Betriebstreue oder Urlaubsgeld) können hingegen nicht angerechnet werden. (Zur Anrechnung von Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlungsansprüchen: siehe die Urteilsbesprechung zu BAG, Urteil vom 6. Dezember 2017 - 5 AZR 699/16 in der 1. Ausgabe2018 unseres Newsletters.) Es ist zu begrüßen, dass das BAG bei der Klärung einer weiteren Einzelfrage zur Entlohnung von Arbeitnehmern im Bereich des Mindestlohns seiner Linie treu bleibt und so für Arbeitgeber klare Vorgaben schafft.
Fabian Huber |
Eine Drittmittelfinanzierung kann einen „sonstigen“ unbenannten sachlichen Grund gem. § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG darstellen.
Der beklagte Landkreis ist Träger von Berufsschulen. Seit dem Schuljahr 2008/2009 bietet die Beklagte am beruflichen Schulzentrum F. ein sog. "gestrecktes Berufsvorbereitungsjahr" an,wobei die sozialpädagogische Betreuung der Jugendlichen stets durch Zuwendungen des Freistaates Sachsen finanziert wurde. Die Klägerin war bei dem Beklagten seit dem 25. August 2008 als Sozialpädagogin auf Grundlage von sechs jeweils fürdie Dauer eines Schuljahres befristeten Arbeitsverträgen beschäftigt. Mit Bescheid vom 23. Juli 2013 bewilligte der Freistaat Sachsen auch für das Schuljahr 2013/2014 die Zuwendungen zur Finanzierung der sozialpädagogischen Betreuung der Jugendlichen im sog. "gestreckten Berufsvorbereitungsjahr" am beruflichen Schulzentrum F. Die Bewilligung erfolgte nach Maßgabe der Richtlinie des sächsischen Staatsministeriums für Kultur über die Gewährung von Zuwendungen für die sozialpädagogische Betreuung im Berufsvorbereitungsjahr. Diese bestimmt zum einen, dass die Förderung nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen hat und verweist zum anderen auf die sächsische Haushaltsordnung und die dazu ergangenen Verwaltungsvorschriften. Aus denen ergibt sich, dass Zuwendungen zur Projektförderung nur für solche Vorhaben bewilligt werden, deren Beginn noch bevorsteht. Am 8./20. August 2013 schlossen die Klägerin und der Beklagte sodann erneut einen befristeten Arbeitsvertrag für das Schuljahr 2013/2014. Als Sachgrund für die Befristung wurde angegeben, dass es sich um Aufgaben von begrenzter Dauer im Rahmen der Fördermaßnahme der sächsischen Bildungsagentur (Freistaat Sachsen) für die sozialpädagogische Betreuung im Berufsvorbereitungsjahr handle. Mit Schreiben vom 13. Februar 2014 reichte die Klägerin eine Befristungskontrollklage beim Arbeitsgericht ein. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht gab der Berufung der Klägerin jedoch statt.
Die Revision des Beklagten hatte keinen Erfolg. Das BAG entschied,dass die Befristung mangels eines sie rechtfertigenden sachlichen Grundes nach § 14 Abs. 1 Satz TzBfG unwirksam sei.
Eine Rechtfertigung folge insbesondere nicht aus § 14 Abs. 1Satz 2 Nr. 1 TzBfG, da die sozialpädagogische Betreuung Jugendlicher im Berufsvorbereitungsjahr kein zeitlich begrenztes Projekt darstelle. Die Einrichtung des Berufsvorbereitungsjahres sei nicht auf die Dauer von einem Schuljahr angelegt. Zwar entscheide der Freistaat Sachsen für jedes Schuljahr neu über die Einrichtung eines Berufsvorbereitungsjahres und die Bewilligung von Fördermitteln. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 8./10. August 2013 hätten jedoch keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass ein Berufsvorbereitungsjahr fürdie Zeit nach dem 31. Juli 2014 entgegen der bisherigen Praxis nicht mehr habe eingerichtet werden sollen. Die Befristung sei auch nicht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG gerechtfertigt, da die Vergütung der Klägerin aus zweckgebundenen Fördermitteln erfolgt sei. Solche Förder- oder Drittmittel stellten keine Haushaltsmittel im Sinne der Norm dar. Die Befristung könne auch nicht auf den Sachgrund der "Drittmittelfinanzierung" nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG gestützt werden. Voraussetzung wäre, dass ein Drittmittelgeber die Mittel von vornherein lediglich für eine genau bestimmte Zeitdauer bewillige, diese anschließend wegfielen und sich der Arbeitgeber gerade aufgrund der Finanzierung zur Durchführung des Vorhabens entschlossen habe. Die zeitliche Begrenzung der Bewilligung könne nicht die Annahme rechtfertigen, dass die finanzielle Förderung anschließend wegfalle. Dies gelte umso mehr, als dass der Freistaat Sachsen dem Beklagten jedenfalls seit dem Schuljahr 2008/2009 lückenlos für jedes Schuljahr Zuwendungen für die sozialpädagogische Betreuung der Jugendlichen gewährt habe. Auch aus dem Umstand, dass auf die Förderung kein Rechtsanspruch bestehe, folge nichts anderes. Die bestehende Unsicherheit über die Gewährung der Drittmittel, rechtfertige die Befristung nicht. Erteile der Drittmittelgeber die Vorgabe, Arbeitsverträge zur Mitwirkung an dem Vorhaben erst nach Bewilligung der Drittmittel befristet abzuschließen, so könne daraus ebenfalls keine Rechtfertigung der Befristung folgen. Eine gegenteilige Einschätzung wiederspräche den in § 14 Abs. 1TzBfG zum Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben. Der Arbeitgeber hätte es dann nämlich im Zusammenwirken mit dem Drittmittelgeber in der Hand, einen Sachgrund für die Befristung des Arbeitsvertrages zu schaffen.
Die Entscheidung platziert sehr deutlich die Anforderungen an einen Sachgrund, insbesondere soweit es haushaltsrechtliche Gründe betrifft. Sie ist insofern für Arbeitgeber, die regelmäßig befristete Arbeitsverträge abschließen, sehr instruktiv. Ein sachlicher Grund für die Befristung eines Arbeitsvertrages liegt nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG vor, wenn der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend bestehet. Der Sachgrund setzt allerdings voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht. Der Arbeitgeber hat also bei Abschluss des Arbeitsvertrages eine Prognose anzustellen. Die allgemeine Unsicherheit über die zukünftig bestehende Beschäftigungsmöglichkei trechtfertigt eine Befristung nicht, sondern gehört zum unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers, dass dieser nicht durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages auf den Arbeitnehmer abwälzen darf. Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 TzBfG setzt die Bereitstellung von Haushaltsmitteln für die befristete Beschäftigung in einem Haushaltsplan und die Vergütung des Arbeitnehmers aus diesen Haushaltmitteln voraus. Eine Drittmittelfinanzierung kann zwar als sonstiger, in § 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG nicht genannter Sachgrund geeignet sein, die Befristung eines Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 1 Satz 1 TzBfG zu rechtfertigen. Voraussetzung ist allerdings, dass den in § 1 Abs. 1 TzBfG zum Ausdruck kommenden Wertungsmaßstäben entsprochen wird. Mithin bleibt das BAG seiner Linie treu, indem es den Sachgrund restriktiv bestimmt.
Ann-Berit Sturm |
Der EGMR verschärft die Anforderung an eine Überwachung des Arbeitnehmers. Arbeitgeber dürfen in die Internetkommunikation des Arbeitnehmers Einsicht nehmen, wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der den dienstlichen Account eines Messengers zur privaten Kommunikation nutzte und daraufhin gekündigt wurde. Auch auf private Daten des Arbeitnehmers, die auf seinem dienstlichen Laufwerk gespeichert sind, hat der Arbeitgeber zumindest nach französischem Recht Zugriff, sofern diese nicht deutlich als private Daten gekennzeichnet sind. Geklagt hatte in diesem Fall ein Arbeitnehmer, auf dessen Dienstrechner pornografische Medien gefunden wurden und daraufhin ebenfalls gekündigt wurde. In beiden Fällen liegt keine Verletzung der Privatsphäre vor. Die Überwachung muss nach Ansicht des EGMR insbesondere verhältnismäßig sein. Das ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer vorab über die Möglichkeit, Art und Ausmaß der Überwachung informiert wurde. Der Anlass der Überwachung muss belegbar sein und mildere, gleich geeignete Mittel zur Zweckerreichung dürfen nicht zur Verfügung stehen. Private Daten müssen auf einem dienstlichen Laufwerk deutlich als privat gekennzeichnet werden und für den Arbeitgeber als ausschließlich privat erkennbar sein. Ob Arbeitgeber außerhalb Frankreichs bei fehlender Kennzeichnung der Daten in diese Einsicht nehmen können, geht aus diesem Urteil jedoch nicht hervor. Zur ausführlichen Urteilsbesprechung siehe: Newsletter IP / IT, Ausgabe 3 /2018
Der Arbeitgeber fordert vom Arbeitnehmer die Herausgabe eines Facebook- Accounts bzw. der Zugangsdaten des Accounts, der vom Arbeitnehmer während der Arbeitszeit für die Firma registriert
und betrieben wurde. Die Parteien schlossen im Januar 2017 einen Aufhebungsvertrag. Dieser Vertrag enthielt eine Erledigungsklausel, mit der sämtliche Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund und gleich, ob bekannt oder unbekannt, erledigt oder ausstehend erfüllt seien. Im März 2017 gründete der Ex-Arbeitnehmer eine eigene Firma, die starke Ähnlichkeit zu der Firma des Arbeitgebers aufwies, und verlinkte auf dem Facebook-Account die eigene Firma. Das Gericht lehnte einen Herausgabeanspruch ab. Zwar habe grundsätzlich der Arbeitgeber das Recht, alles herauszuverlangen, was der Arbeitnehmer durch die Ausführung „firmenbezogener“ Geschäfte erlangt hat. Dazu gehöre auch das Recht an der Nutzung der Facebook- Seite. Allerdings galten sämtliche Ansprüche durch die Erledigungsklausel als erloschen. Hier sah das Gericht zudem kein firmenbezogenes Geschäft, da der Ex-Arbeitnehmer den Account auf seinen Namen angemeldet hat und durch ihn betrieben wurde. Entscheidend sei weiterhin das äußere Erscheinungsbild des Accounts, der hier auch zahlreiche private Inhalte des Ex-Arbeitnehmers enthielt. Der Umstand, dass der Account während der Arbeitszeit erstellt wurde, ist nicht ausschlaggebend. Zur ausführlichen Urteilsbesprechung siehe: Newsletter IP / IT, Ausgabe 3 / 2018
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung der erhöhten Vergütung entsprechend der Tarifvereinbarung. Seit 1990 war die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis ging 2013 im Wege des Betriebsübergangs auf die Beklagte über. Die Klägerin ist Mitglied in der Gewerkschaft ver.di. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten war tarifgebunden. Im Arbeitsvertrag war eine Bezugnahmeklausel auf die Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung enthalten. Danach galt eine sechsmonatige Ausschlussfrist für die Geltendmachung von finanziellen Ansprüchen. Die Beklagte selbst ist nicht tarifgebunden. Zum 1. September 2013 sah der Tarifvertrag eine Vergütungserhöhung vor, die die Beklagte nicht zahlte. Die Klägerin bat am 7. März 2014 um Stellungnahme seitens der Beklagten, die einen Anspruch ablehnte. Im März 2016 machte die Klägerin den Anspruch geltend. Das LAG Düsseldorf bejahte eine Bindung der Beklagten an die jeweils gültige Fassung des Tarifvertrages. Bei der Bezugnahmeklausel, die auf die Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung verweist, handele es sich um einen sog. Neuvertrag, weshalb die Klausel dynamisch wirke. Die Klausel sei nicht als Gleichstellungsabrede auszulegen. Allerdings wurden die Ansprüche nicht innerhalb der tariflich vereinbarten Ausschlussfrist geltend gemacht. Die Bitte um bloße Stellungnahme ist keine ordnungsgemäße Geltendmachung, vielmehr hätte die Klägerin der Beklagten unmissverständlich den Grund und die Höhe der Forderung mitteilen müssen.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit eines Aufhebungsvertrages, den die Parteien in der Wohnung der beklagten Arbeitgeberin unterzeichnet haben. Die Klägerin trägt vor, sie sei durch den Lebensgefährten der Beklagten zur Unterzeichnung des Vertrages bestimmt worden und sie habe zudem den Vertrag widerrufen. Das LAG sah die Drohung in dem Klägervortrag nicht ausreichend substantiiert dargelegt. Weiterhin besteht nach Ansicht des LAG Niedersachsen kein Widerrufsrecht. Ein solches wäre anzunehmen, wenn die §§ 312 ff. BGB einschlägig sind. Die Klägerin ist Verbraucherin i.S.v. § 13 BGB und der Arbeitsvertrag ist auch ein Verbrauchervertrag nach § 310 Abs. 3 BGB. Allerdings seien nach Ansicht des Gerichts die §§ 312 ff BGB nicht auf Arbeitsverhältnisse anwendbar. Zweck der Regelungen sei es, die Lieferung von Waren oder das Erbringen von Dienstleistungen zu regeln. Diese Ansicht vertrat der BGH bereits zur alten Rechtslage. Nach der Reform 2014 habe sich an dieser Ansicht allerdings nichts geändert, denn die §§ 312 ff. BGB dienten weiterhin der Umsetzung der europäischen Richtlinie, die auf arbeitsvertragliche Aufhebungsverträge keine Anwendung findet. Anhaltspunkte für eine Erweiterung des Anwendungsbereiches seien nicht ersichtlich. Hinzu käme, dass der Aufhebungsvertrag keine arbeitgeberseitigen Gegenleistungen vorsähe, sodass schon deshalb ein Widerrufsrecht ausgeschlossen sei.