02.10.2018
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Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Digitalisierung der Arbeitswelt ist in aller Munde. Sie wirkt sich auch auf die Arbeitsorganisation in den Unternehmen aus. Um Entwicklungsprojekte schnell und flexibel
umsetzen zu können, sind die agile Projektorganisation und insbesondere Scrum
inzwischen weit verbreitet. Unser Arbeits- und Sozialversicherungsrecht sind für diese
neuen Formen der Arbeitsorganisation scheinbar aus der Zeit geraten. Dietmar
Heise beleuchtet daher das Thema Scrum und agile Projekte in dieser Ausgabe unseres
Newsletters von verschiedenen Seiten und richtet hierbei den Fokus auf die arbeits-
und sozialversicherungsrechtlichen Fragestellungen. Die Aspekte agiler Inhouse-
Projekte folgen sodann in einem zweiten Teil in einer unserer nächsten Ausgaben.
Mit der Reform der Entsenderichtlinie befasst sich in dieser Ausgabe Martina Ziffels.
Dieses Thema gewinnt angesichts der zunehmenden Arbeitsorganisation in grenzüberschreitenden
Matrixorganisationen globaler Konzernstrukturen an Bedeutung. Martina Ziffels stellt vor diesem Hintergrund die von Arbeitgebern zu beachtenden wesentlichen Neuerungen in diesem Bereich vor.
Auch in diesem Newsletter befassen wir uns zudem selbstverständlich wieder mit den
aus unserer Sicht wesentlichen Entscheidungen der letzten Monate, bei denen wir
denken, dass sie für Sie in der täglichen Arbeit von besonderem Interesse sind.
Sprechen Sie sehr gerne unsere Autoren bei Fragen zu den jeweiligen Kommentaren
und Artikeln an. Wir freuen uns auf Ihr Feedback zu unserem Newsletter und wünschen
Ihnen nunmehr viel Spaß bei der Lektüre!
Ihr
Achim Braner
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Die digitale Transformation im Vorfeld von Arbeit 4.0 macht auch vor der Arbeitsorganisation
nicht Halt. Aus der IT kommend, ist die Agile Projektorganisation mittlerweile in aller Munde. Sie soll insbesondere Entwicklungsprojekte schnell und flexibel umsetzen lassen. Besonders in Mode ist derzeit Scrum. Weder Arbeitsrecht noch Sozialversicherungsrecht passen für moderne Projektformen. Das gilt besonders bei dem Einsatz von Fremdkräften, seien dies Freelancer oder Mitarbeiter von Service-Providern. Damit stellt sich unvermeidlich die Frage nach Compliance, auch nach strafrechtlichen Risiken. Die Aspekte agiler Inhouse-Projekte seien in einem späteren
zweiten Teil behandelt.
Die digitale Entwicklung schreitet rasant voran. Die althergebrachte Projektorganisation etwa nach der „Wasserfallmethode“, die mit einer manchmal langwierigen Arbeit an einem Lastenheft beginnt, hält mit dem Innovationstempo nicht mehr Schritt. In der IT wird daher schon seit Jahren agil gearbeitet. Das Motto lautet „Individuen und Interaktionen vor Prozessen und Werkzeugen,
funktionierende Software vor umfassender Dokumentation, Zusammenarbeit mit dem Kunden vor Vertragsverhandlung, Flexibilität vor Plan“ (www.agilemanifesto.org/).
Mittlerweile dürften agile Methoden in fast jedem größeren Unternehmen angewendet werden, vor allem in der IT, in F+E sowie im Marketing. Aber auch schon ganze Unternehmen oder Konzerne sind agil.
Eine besondere Form agilen Arbeitens ist Scrum. Der Product Owner ist Herr des Projektes. Er gibt aber das Ergebnis nicht mehr in jedem Detail vor, sondern formuliert eine Vision und teilt diese in einzelne Arbeitspakete, die jeweils binnen kurzer Zeit abgeschlossen werden sollen.
Aus der Sammlung der Arbeitspakete, dem „Product Backlog“, nimmt sich das Entwicklungsteam so viele Pakete entsprechend der Priorisierung durch den Product Owner heraus, wie es im Rahmen eines Arbeitszyklus, des Sprints, fertigstellen kann. Als Höchstdauer gilt ein Monat. Am Ende eines Sprints werden die als fertiggestellt („done“) akzeptierten Teilprodukte, das Inkrement, wieder zurück in das Product Backlog gestellt und werden für den nächsten Sprint neue Pakete genommen. So schreitet die Produktentwicklung iterativ voran. Das Entwicklungsteam arbeitet während des Sprints völlig frei, alle Mitglieder sind gleichberechtigt. Nicht einmal der Product Owner darf in die Arbeit eingreifen. Er steuert über Änderungen und Priorisierungen des Product Backlog, zu Weisungen an das Entwicklungsteam ist er nicht berechtigt.
Der Scrum Master überwacht den formalen Ablauf. Er hat – quasi als freier Coach – darüber zu wachen, dass die Arbeit des Entwicklungsteams den Scrum-Regeln entsprechend abläuft und räumt Hemmnisse aus dem Weg. Zu Weisungen ist er allerdings auch nicht berechtigt, weder gegenüber dem Entwicklungsteam noch gegenüber dem Product Owner.
Auch in agilen Projekten zeigt sich der Fachkräftemangel. Vielfach müssen Fremd- oder Drittkräfte hinzugezogen werden. Sie arbeiten häufig als Freelancer völlig frei und ungebunden oder werden über Dienstleister („Provider“) vermittelt. Moderne Arbeitsformen treffen auf Vertragsrecht, das seine Wurzeln im 19. Jahrhundert hat.
Ein Agiler Projektvertrag passt nicht in die von Zivil- und Arbeitsrecht vorgesehene Systematik. Dementsprechend stellt sich bei jedem Vertrag die Frage, ob das Unternehmen mit dem Freelancer einen Dienst- oder Werkvertrag abgeschlossen hat oder einen Arbeitsvertrag. Die Frage gegenüber einem IT-Dienstleister ist im Grunde dieselbe. An die Stelle des Arbeitsvertrags mit dem Kunden tritt lediglich die Arbeitnehmerüberlassung; bei genauer Betrachtung gliedert sich die Frage bei IT-Dienstleistern sogar in zwei Stufen: Welchen Vertrag haben IT-Dienstleister und Kunde geschlossen? Welches Rechtsverhältnis besteht zwischen Fachkraft und IT-Dienstleister?
Die falsche Einordnung kann einschneidende Konsequenzen haben: unrichtige Arbeitnehmerüberlassung kann ein Arbeitsverhältnis zwischen Kunde und Drittkraft begründen – das dürfte im Lichte des Arbeitsmarktes das geringste Problem sein. Unrichtige Arbeitnehmerüberlassung kann in verschiedener Hinsicht ordnungswidrig sein. Sie kann auch zu einer neuen sozialversicherungsrechtlichen Bewertung führen, dazu sogleich.
Daher ist Sorgfalt bei der Ausgestaltung des Projektes und zuvor des Vertrages zwischen den Beteiligten dringend geboten. Im Rahmen eines Dienstvertrages leistet die Fremdkraft oder der IT-Dienstleister auf eigene Rechnung Dienste für den Kunden, auf Basis eines Werkvertrages erstellen beide ein vom Kunden bestelltes Werk, liefern also ein Ergebnis. Der Arbeitnehmer leistet hingegen fremdnützige Arbeit in fremder Organisation, bei Arbeitnehmerüberlassung stellt der Verleiher dem Kunden Arbeitskräfte zur Verfügung. Arbeitsvertrag und Arbeitnehmerüberlassung unterscheiden sich von Dienst- und Werkvertrag durch die Befugnis des Kunden zu (arbeitsrechtlichen) Weisungen gegenüber der Fachkraft und durch die Eingliederung derselben in die Organisation des Kunden.
Das erste Abgrenzungselement – die Weisungsfreiheit – ist bei einer sauberen Umsetzung von Scrum beherrschbar: Das Entwicklungsteam soll vollkommen weisungsfrei handeln. Auch ein unternehmensfremder Scrum Master kann weisungsfrei wirken. Komplexer, wenngleich auch handhabbar, wird die Gestaltung, wenn auch ein externer Product Owner benötigt wird.
Heikler ist die Eingliederung. Sie ist nicht durch ein einzelnes Merkmal gekennzeichnet, sondern durch die Gesamtumstände der Arbeitsleistung. Geprüft wird beispielhaft:
Schon im modernen „Normalarbeitsverhältnis“ wird die Eingliederung gelockert. Genannt seien nur Home Office, BYOD und Matrixorganisation. Das erleichtert die Bewertung nicht, sondern erschwert sie. In der arbeitsrechtlichen Literatur wird daher mit überzeugenden Gründen diskutiert, auf das Merkmal der Eingliederung zu verzichten und vollends auf die Bindung an (arbeitsrechtliche) Weisungen abzustellen. Der Gesetzgeber hat sich in 2017 mit der Definition des Arbeitsvertrages in § 611a Abs. 1 BGB und der Arbeitnehmerüberlassung in § 1 Abs. 1 Satz 2 AÜG anders entschieden.
In der Praxis werden meist die Typen Dienst- und Werkvertrag gemischt. Klarer von Arbeitsvertrag und Arbeitnehmerüberlassung zu trennen ist der Werkvertrag. Daher wird oftmals versucht, möglichst viele Einsätze von Fremdkräften als Werkvertrag auszugestalten. Das ist vor allem denkbar, wenn Fremdkräfte als Spezialisten im Entwicklungsteam spezielle Aufgaben zu erledigen haben. Vor der ursprünglichen Idee von Scrum entfernt sich eine solche Lösung freilich: Eigentlich sollen die Mitglieder im Entwicklungsteam gemeinsam Aufgaben lösen.
Noch größere Rechtssicherheit kann erreicht werden, wenn Teile eines Scrum als BGB-Gesellschaft ausgestaltet werden, arbeitsrechtlich betrachtet als Gemeinschaftsbetrieb. Denn die Rechtsprechung schließt bei der Zusammenlegung von Arbeitskräften in einem Gemeinschaftsbetrieb eine Arbeitnehmerüberlassung aus. Mehr arbeitsrechtliche Sicherheit muss allerdings durch Mehraufwand an anderer Stelle – insbesondere im Steuerrecht – erkauft werden.
Eine Parallele zu der Trennung zwischen Dienst- und Werkvertrag einerseits und Arbeitsvertrag und Arbeitnehmerüberlassung andererseits findet sich im Sozialversicherungsrecht. Das Begriffspaar heißt hier „abhängige Beschäftigung“ und „Selbständigkeit“. Als Hauptfall abhängiger Beschäftigung sieht das Sozialversicherungsrecht das Arbeitsverhältnis. Demzufolge sieht auch das Sozialversicherungsrecht die Tätigkeit nach Weisungen und Eingliederung als (wesentliche) Anhaltspunkte für die abhängige Beschäftigung (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Es wundert wenig, dass die sozialrechtliche Rechtsprechung der arbeitsrechtlichen ähnelt.
Allerdings wirkt die sozialgerichtliche Rechtsprechung im Einzelfall weit nebulöser. Dies liegt auch in der Erkenntnis des Bundessozialgerichtes, dass sich die Weisungsbefugnis bei Diensten höherer Art zur „dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert“. Dies zu lesen heißt zu fragen, ob das BSG den Satz tatsächlich reflektiert hat. Er klingt, als solle die Weisungsbefugnis bei höheren Diensten durch Eingliederung ersetzt werden. Dann käme es nur noch auf die Eingliederung an. Diese relativiert das BSG allerdings mit der Erkenntnis, dass abhängige Arbeit auch daheim im Home Office geleistet werden könne und zudem die Arbeitsmittel der IT-Spezialisten – Computer, Internetanschluss und Mobiltelefon – in jedem Haushalt zu finden seien und daher auch die Arbeit mit eigener Hardware kein Indiz für Selbständigkeit sei. Das für Selbständigkeit geforderte Unternehmerrisiko wird oftmals bei Freelancern negiert. Wenn das alles konsequent beherzigt würde, mutierte die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung zu einem Lotteriespiel. So verwundert nicht, dass die Landessozialgerichte eine Tätigkeit von IT-Beratern bei Kundenunternehmen ohne wesentliche Unterschiede und teilweise unter gegenteiliger Argumentation einmal als abhängige, ein anderes Mal als selbständige qualifiziert (ob die Projekte in Form von Scrum umgesetzt wurden, ist bislang keiner Entscheidung klar zu entnehmen).
Die hinter der Beurteilung stehende Strafbarkeit wegen Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile der Sozialversicherungsbeiträge (§ 266a Abs. 1 StGB) wird zu einer Drohung ohne fassbaren Tatbestand. Solche Strafdrohung scheint nur schwerlich mit der Verfassung vereinbar zu sein. Dazu auch sogleich noch.
Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht teilen einen weiteren Grundsatz: Wenn die vertragliche Regelung und die gelebte Praxis auseinanderfallen, richtet sich die rechtliche Beurteilung nach dem tatsächlichen Geschehen. Im Arbeitsrecht ist dies seit dem 1. April 2017 explizit geregelt: Für den Arbeitsvertrag in § 611a Abs. 1 Satz 6 BGB, für die Arbeitnehmerüberlassung in § 12 Abs. 1 Satz 2 AÜG – allerdings nicht einmal in solch einfachen Aussagen vermag der Gesetzgeber eine einheitliche Diktion zu finden. Für das Sozialversicherungsrecht sieht es die Rechtsprechung genauso.
Daher sollten Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden, dass die praktische Umsetzung eines Scrum-Projektes den vertraglich vereinbarten Regeln folgt. Hierfür stehen viele Instrumente zur Verfügung, beispielsweise:
§ 266a Abs. 1 StGB bedroht Arbeitgeber mit Strafe, die den Arbeitnehmeranteil am Sozialversicherungsbeitrag nicht an die Einzugsstelle abführt. Die Straftat erfordert Vorsatz. In Gesellschaften kann die Strafe auch die Organe treffen.
Die Anforderungen an den Vorsatz hat der Bundesgerichtshof sehr niedrig gehängt: Der Vorsatz muss sich nur „auf die Eigenschaft als Arbeitgeber und Arbeitnehmer – dabei allerdings nur auf die statusbegründenden tatsächlichen Voraussetzungen, nicht auf die rechtliche Einordnung als solche und die eigene Verpflichtung zur Beitragsabführung – und alle darüber hinausreichenden, die sozialversicherungsrechtlichen Pflichten begründenden tatsächlichen Umstände erstrecken“. Das hat der BGH erst zu Beginn diesen Jahres bestätigt. Nur beurteilen selbst die Landessozialgerichte Sachverhalte höchst verschieden. Sehr fragwürdig wäre, wenn sich fachfremde Strafrichter eine sicherere Beurteilung anmaßen und als Folge dessen dem Arbeitgeber vorhalten wollten. Die Sozialversicherungspflicht und damit der Straftatbestand ist für keinen Arbeitgeber klar vorhersehbar, auch nicht nach Beratung durch Juristen. Das ist wie gesagt verfassungsrechtlich fragwürdig.
Eine falsche Bewertung der Umstände als selbständige Beschäftigung begründet nach Auffassung des BGH bislang allenfalls einen Verbotsirrtum. Dieser, so der BGH schon früher, ist in der Regel vermeidbar und damit irrelevant, wenn nicht das Statusverfahren nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV durchgeführt wurde, nach dem die Deutsche Rentenversicherung Bund auf Antrag verbindlich über das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses entscheiden kann. Gegen als unrichtig erachtete Bewertungen der DRV Bund ist natürlich der Rechtsweg gegeben. So dürfte sich letztlich die selbst begründete Rechtsunsicherheit wieder gegen die Sozialgerichte wenden: Unternehmen, die Scrum-Projekte unter Einsatz von Fremdkräften betreiben, sollten jeden im Ansatz zweifelhaften Fall der DRV Bund zur Prüfung vorlegen und erforderlichenfalls gerichtlich anfechten.
Allerdings hat der BGH im Januar 2018 einen Silberstreif an den Horizont gezeichnet: Er erwägt, auch die Fehlvorstellung über die Arbeitgebereigenschaft in § 266a StGB und die daraus folgende Abführungspflicht insgesamt als (vorsatzausschließenden) Tatbestandsirrtum zu behandeln. Das wäre bitter nötig.
Die Durchführung von agilen Projekten wird notwendiger, je schneller die Entwicklung voranschreitet. Es ist nicht absehbar, dass das Tempo der Digitalisierung oder anderer Innovationen abnimmt.
Also wird diese Form von Projektarbeit vonnöten bleiben. Sie ist auch gegenwärtig möglich. Der Praxis wäre freilich sehr geholfen, wenn der Gesetzgeber im Sozialversicherungsrecht und auch im Strafrecht klare(re) Verhältnisse schaffen würde.
Wer größtmögliche Sicherheit anstrebt, sollte an allen Punkten ansetzen: Die Verträge sollten so klar und deutlich wie möglich gefasst werden. Die Umsetzung in die Praxis sollte sorgfältig vorbereitet und aufmerksam begleitet werden. Bei Zweifeln über die rechtliche Einordnung der Fremdkräfte sollte das sozialversicherungsrechtliche Statusverfahren beschritten werden.
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Richtlinie (EU) 2018/957 vom 28. Juni 2018
Mit der Neuregelung durch die Richtlinie (EU) 2018/957 wird die seit rund 20 Jahren geltende Richtlinie 96/71/EG über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen reformiert. Die reformierte Entsenderichtlinie ist am 21. Juni 2018 vom EU-Ministerrat gebilligt worden und am 29. Juli 2018 in Kraft getreten. Mit dem Inkrafttreten sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, diese Richtlinie innerhalb von zwei Jahren (bis zum 30. Juli 2020) in das nationale Recht umzusetzen.
Ziel der Neuregelung ist die Umsetzung des Grundsatzes „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“. Aus dem EU-Ausland entsandte Arbeitnehmer sollen nunmehr stärker den gleichen Vorschriften über Entlohnung und Arbeitsbedingungen unterliegen wie einheimische Arbeitnehmer. Bislang sieht die EU-Entsenderichtlinie 96/71/EG nur vor, dass entsendende Unternehmen einige Mindeststandards, zum Beispiel den Mindestlohn in dem jeweiligen Aufnahmestaat, einhalten müssen. Tatsächlich kommt es jedoch oft zu Einkommensunterschieden und einer Wettbewerbsverzerrung, da die tatsächlichen Standards für die Arbeitnehmer vor Ort beispielsweise durch tarifliche Vorgaben höher sind. Die Reform soll diese Ungleichheit verringern, indem für entsandte Arbeitnehmer aus EU-Ländern künftig die gleichen Vergütungsvorschriften wie im Aufnahmemitgliedstaat gelten.
Durch die Neuregelung der Richtlinie sollen die für entsandte Arbeitnehmer anzuwendenden Mindestarbeitsbedingungen des Arbeitsortes ausgeweitet werden. Unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht sollen für Arbeitnehmer, die zeitweise in ein anderes Land entsandt werden, in größerem Umfang als bisher die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Mitgliedsstaats, in dem die Arbeitsleistung erbracht wird, gelten. Die Richtlinie enthält im Einzelnen folgende Neuregelungen:
Die Unternehmen sollen auf transparente Weise die verschiedenen Bestandteile angeben, aus denen sich die Vergütung in ihrem Hoheitsgebiet zusammensetzt. Damit wird die Durchsetzungsrichtlinie (EU) 2014/67 gestärkt, die eine Veröffentlichung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen auf einer offiziellen nationalen Website erfordert. Die Umsetzung dieser Richtlinie führt bereits jetzt in vielen EU-Staaten zu einem hohen Bürokratieaufwand. So sind in einigen Staaten, wie in Frankreich, bereits jetzt verantwortliche Ansprechpartner im Gastland zu benennen und restriktive Registrierungspflichten zu beachten.
Die Richtlinie ist innerhalb von zwei Jahren nach ihrem Inkrafttreten bis zum 30. Juli 2020 in nationales Recht umzusetzen.
Ziel der Richtlinie ist die Durchsetzung von gleichem Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort, zugleich droht aber der europaweite Einsatz von Arbeitnehmern für Arbeitgeber bürokratischer, unrentabler und insgesamt unattraktiver zu werden. Die Bedeutung dieser Änderungen für den deutschen Arbeitsmarkt ist hoch, da Deutschland der größte Aufnahmestaat für Entsendungen innerhalb der EU ist.
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BVerfG, Beschluss vom 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14 und 1 BvR 1375/14
Nach dem Wortlaut von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist eine kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grunds bis zur Dauer von zwei Jahren grundsätzlich zulässig. Dies gilt allerdings nicht, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat (§ 14 Abs. 1 Satz 2 TzBfG). Das BAG hat die Vorschriften angesichts des von ihm angenommenen Normzwecks sowie aus Gründen der Praktikabilität sowie Rechtssicherheit seit 2011 rechtsfortbildend und verfassungsorientiert dahingehend ausgelegt, dass eine „Zuvor-Beschäftigung“ nicht gegeben sei, wenn das frühere Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt. Nach Ablauf eben dieser drei Jahre sollte die Möglichkeit, ein Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund bis zu zwei Jahre zu befristen, also wieder bestehen. Gegen diese Rechtsprechung haben sich sowohl das ArbG Braunschweig mit einem Vorlagebeschluss als auch ein Arbeitnehmer mit einer Verfassungsbeschwerde an das BVerfG gewendet.
Das BVerfG hat das gesetzliche Verbot mehrfacher sachgrundlos befristeter Beschäftigungen grundsätzlich bestätigt. Die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei grundsätzlich mit den verfassungsrechtlichen Maßgaben vereinbar und verletze weder die Berufsfreiheit der Beschäftigten noch die berufliche oder wirtschaftliche Betätigungsfreiheit der Arbeitgeber. Die mit der Regelung beabsichtigte Verhinderung von Kettenbefristungen und die Sicherung der unbefristeten Dauerbeschäftigung als Regelbeschäftigungsform trage der Pflicht des Staates zum Schutz der strukturell unterlegenen Beschäftigten im Arbeitsverhältnis und auch dem Sozialstaatsprinzip Rechnung. Allerdings gelte dies nur, soweit die Beschäftigten nach Art und Umfang der Vorbeschäftigung tatsächlich des Schutzes vor Kettenbefristungen bedürfen und andernfalls das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform gefährdet wäre.
Mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des BAG hat das BVerfG ausgeführt, dass die vorgenommene Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht zu vereinbaren sei. Die Annahme, eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrages sei immer dann zulässig, wenn eine Vorbeschäftigung mehr als drei Jahre zurückliege, überschreite die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, weil der Gesetzgeber sich hier erkennbar gegen eine solche Befristung entschieden hatte. Diese gesetzgeberische Grundentscheidung sei durch die Fachgerichte zu respektieren und nicht durch ein eigenes Konzept zu ersetzen.
Die insbesondere in der unternehmerischen Praxis sehr wohlwollend aufgenommene pragmatische Rechtsprechung des BAG aus dem Jahre 2011 gehört mit dem Beschluss des BVerfG schon wieder der Geschichte an. Die Arbeitgeber, die auf die zuvor dargestellte Rechtsprechung des höchsten deutschen Arbeitsgerichts zu § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG vertraut haben, sehen sich ggf. ungeahnten Risiken ausgesetzt. Die vom BAG beabsichtigte Rechtssicherheit im Befristungsrecht ist dahin.
Analog der Rechtslage bis zur BAG-Entscheidung in 2011 kann Arbeitgebern ab sofort erneut wohl nur geraten werden, von sachgrundlosen Befristungen im Anschluss an eine Zuvor-Beschäftigung – und mag sie noch so lang zurückliegen – Abstand zu nehmen. Und dies auch trotz der vom BVerfG angedeuteten Ausnahmen von der Anwendbarkeit des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, „wenn und soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten“. Beispielhaft für diese Ausnahmen benennt das BVerfG sehr abstrakt „eine Vorbeschäftigung, (die) sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist“. Das könnten bestimmte geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studienzeit oder der Familienzeit sein, die Tätigkeit von Werkstudierenden oder die lang zurückliegende Beschäftigung von Menschen, die sich später beruflich völlig neu orientieren. Konkrete und verlässliche Kriterien, an denen man sich bei der Einstellungsentscheidung orientieren könnte, lässt das BVerfG jedoch vermissen, wodurch sich entsprechend hohe Risiken für die Arbeitgeber ergeben.
Rechtssicher können sachgrundlose Befristungen nach derzeitiger Rechtslage nur vereinbart werden, wenn der einzustellende Bewerber in der Vergangenheit nicht bereits für den Arbeitgeber tätig gewesen ist. Die Arbeitgeber sind dementsprechend gut beraten, dies im Bewerbungsverfahren abzufragen und entsprechend zu dokumentieren. Ob eine entsprechend lange Speicherung der relevanten persönlichen Daten von ausgeschiedenen Mitarbeitern vor dem Hintergrund der nunmehrigen Entscheidung des BVerfG mit den datenschutzrechtlichen Vorgaben, insbesondere der neuen DSGVO, zu vereinbaren wäre, bleibt abzuwarten.
Unabhängig von alldem zeigt sich anhand des Beschlusses des BVerfG jedoch einmal mehr, dass insbesondere im Befristungsrecht „Bewegung“ ist. Dies gilt umso mehr, als die aktuelle Große Koalition die Reformierung des Befristungsrechts – vor allem auch mit Blick auf die sachgrundlose Befristung – im Koalitionsvertrag verankert und dementsprechend als arbeits- und sozialpolitisches Hauptziel der derzeitigen Legislaturperiode ausgegeben hat. Die Entscheidung des BVerfG könnte sich dementsprechend noch als Sturm vor dem Sturm im Befristungsrecht erweisen.
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BAG, Urteil vom 20. März 2018 – 9 AZR 508/17
Der Kläger war seit dem 1. Dezember 2007 als Kalibrier-/Servicetechniker bei der K-GmbH angestellt. Die K-GmbH setzte den Kläger über sechs Jahre bei der Beklagten ein (Januar 2008 – März 2014). Während dieser Zeit verfügte die K-GmbH nicht über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Diese wurde ihr erst im September 2014 erteilt.
Ab April 2014 arbeitete der Kläger auf Weisung der K-GmbH wieder in ihren Betriebsräumen. Die K-GmbH kündigte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger mit Wirkung zum 28. Februar 2017. Hiergegen erhob er Kündigungsschutzklage. Zuvor hatte er bereits Klage gegen die Beklagte erhoben und begehrte Feststellung, dass zwischen ihm und der Beklagten ein Arbeitsverhältnis bestehe. Zur Begründung führte er aus, er sei zur Arbeitsleistung an die Beklagte überlassen worden, ohne dass die K-GmbH über eine entsprechende Erlaubnis verfügt habe. Dies begründe kraft gesetzlicher Fiktion gemäß §§ 10 Abs. 1 S. 1 iVm 9 Nr. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis mit dem Entleiher, also der Beklagten.
Die Beklagte hielt dem entgegen, der Kläger habe sein Recht, sich auf diese gesetzliche Fiktion zu berufen, verwirkt, weil er sich erst ein Jahr und neun Monate nach Beendigung seiner Tätigkeit in ihrem Betrieb auf das Zustandekommen des Arbeitsverhältnisses mit ihr berufen habe. Nach Ablauf dieses Zeitraums habe sie nicht mehr damit rechnen müssen, von ihm in Anspruch genommen zu werden.
Das Arbeitsgericht Stuttgart hat der Klage stattgegeben. Das LAG stellte fest, dass jedenfalls im Zeitraum des Einsatzes bei der Beklagten ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Es entschied, der Kläger habe sein Recht verwirkt, sich für die Zeit ab Rückkehr zur K-GmbH auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten zu berufen. Hiergegen wandte sich der Kläger mit seiner Revision.
Das BAG entschied zu Gunsten des Klägers. Der Kläger habe sein Recht, Klage zu erheben, nicht verwirkt. Das BAG weist in diesem Zusammenhang auf die allgemeinen Grundsätze zur Verwirkung hin, wonach das Klagerecht ausnahmsweise verwirkt sein kann, wenn der Anspruchsteller die Klage erst nach Ablauf eines längeren Zeitraums erhebt (Zeitmoment) und zusätzlich ein Vertrauenstatbestand beim Anspruchsgegner geschaffen worden ist, er werde gerichtlich nicht mehr belangt (Umstandsmoment). Das Gericht ließ offen, ob die Untätigkeit des Klägers über einen Zeitraum von einem Jahr und neun Monaten ausreicht, um das erforderliche Zeitmoment zu begründen. Es ließ auch offen, ob das Recht, sich auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zu berufen, überhaupt verwirkt werden kann. Jedenfalls fehle es an dem erforderlichen Umstandsmoment. Allein die widerspruchslose Wiederaufnahme der Arbeit im Betrieb der K-GmbH könne kein Umstandsmoment schaffen. Hinzu komme, dass die Beklagte keinerlei Risikobewusstsein im Hinblick auf eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung gehabt habe. Hierzu führt das BAG prägnant aus: Wer überhaupt keine Kenntnis von einer möglichen Rechtsposition eines Dritten hat, kann auf das Ausbleiben einer entsprechenden Forderung allenfalls allgemein, nicht aber konkret hinsichtlich einer bestimmten Rechtsposition vertrauen. Aus der Kündigungsschutzklage gegenüber der K-GmbH sei ebenfalls kein Umstandsmoment herzuleiten. Der Kläger habe seine Tätigkeit bei der Beklagten nämlich nicht aufgrund der Kündigung der K-GmbH eingestellt. Vielmehr erfolgte die Kündigung zu einem Zeitpunkt, zu dem der Kläger seine Tätigkeit für die Beklagte längst eingestellt hatte.
Das BAG lässt – wie schon zuvor – offen, ob das Recht, sich auf den Bestand eines gemäß § 10 Abs. 1 S. 1 AÜG in Verbindung mit § 9 Nr. 1 AÜG begründeten Arbeitsverhältnisses zu berufen, verwirken kann. Eine Entscheidung hierzu war nicht notwendig, weil das BAG in dem konkreten Fall davon ausging, dass jedenfalls das für eine Verwirkung erforderliche Umstandsmoment nicht gegeben sei. Die Entscheidungsgründe machen deutlich, dass die Hürden hierfür durchaus hoch sind. Die bloße – selbst jahrelange – Untätigkeit des Arbeitnehmers genügt nicht, um einen besonderen Vertrauenstatbestand beim Entleiher hervorzurufen. Auch die Tatsache, dass der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage gegenüber dem Verleiher erhoben hat und somit zum Ausdruck bringt, dass er an diesem Arbeitsverhältnis festhalten will, soll nicht ausreichen. Ebenso genügt die widerspruchslose Arbeitsaufnahme im Betrieb des Vertragsarbeitgebers nach Beendigung des Einsatzes im Betrieb des Entleihers nicht. Die Auswertung der weiteren Rechtsprechung des BAG zu dieser Frage ergibt, dass auch die Vernichtung von Beweismitteln im Vertrauen auf den Klageverzicht nicht ausreicht. Beweisschwierigkeiten als solche begründen grundsätzlich keine Verwirkung. Der Arbeitgeber wird sich in der Regel auch nicht darauf berufen können, dass er darauf vertraut hat, nicht von dem Arbeitnehmer in Anspruch genommen zu werden, wenn er in der Vergangenheit bereits von anderen Leiharbeitnehmern diesbezüglich belangt wurde. Selbst die Äußerung des Klägers, er werde den Verleiher nicht verklagen, genügt nach Auffassung des BAG nicht. Der Kläger könne seine Meinung diesbezüglich schließlich jederzeit ändern. (vgl. BAG Urt. v. 10.10.2007 – 7 AZR 448/06, BAG Urt. v. 24.05.2006 – 7 AZR 365/05). Insbesondere schadet auch Unkenntnis bzgl. der rechtlichen Grundlagen: Sofern der Entleiher keinerlei Bewusstsein hat, dass eine Fiktion des Arbeitsverhältnisses mit dem Fremdpersonal droht, kann er sich – so das BAG – nicht darauf berufen, er habe darauf vertraut, der betreffende Mitarbeiter werde sich nicht auf eine solche Fiktion berufen.
Es ist daher durchaus schwierig, das erforderliche Umstandsmoment belastbar darzulegen; Entleiher dürfen sich daher auch nach jahrelanger Untätigkeit nicht in Sicherheit wiegen. Es empfiehlt sich daher, Beweismaterial, insbesondere Vertragsunterlagen zu Werk- bzw. Dienstverträgen, langfristig aufzubewahren, um im Streitfall verteidigungsfähig zu sein.
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AG, Urteil vom 20. Juni 2018 - 5 AZR 262/17 (Pressemitteilung)
Der Kläger war vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Juli 2015 bei der Beklagten als technischer Sachbearbeiter zu einem Gehalt oberhalb des gesetzlichen Mindestlohns beschäftigt. Der Arbeitsvertrag sah vor, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich gegenüber der Gegenseite geltend und bei Ablehnung innerhalb von weiteren drei Monaten ab Zugang der Ablehnung bei Gericht anhängig gemacht werden müssen, um nicht zu verfallen.
Mit Schreiben vom 14. September 2015 machte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend, ihm seien 4 Urlaubstage aus dem Jahr 2014 und 28 Urlaubstage aus dem Jahr 2015 abzugelten. Ebenso seien ihm 182,25 Überstunden, die sich bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf seinem Arbeitszeitkonto angesammelt hätten, abzugelten. Mit Schreiben vom 28. September 2015 lehnte die Beklagte die Erfüllung der Ansprüche ab. Sie wies allerdings darauf hin, eine einvernehmliche Lösung anzustreben. In der Folgezeit führten die Parteien bis zum 25. November 2015 über die von ihnen beauftragten Rechtsanwälte erfolglos Vergleichsverhandlungen. Mit Schriftsatz vom 21. Januar 2016 macht der Kläger die Ansprüche daraufhin klageweise geltend. Das ArbG hat die Klage unter anderem mit der Begründung abgewiesen, der Anspruch auf Urlaubsabgeltung sei aufgrund der vertraglichen Ausschlussfrist verfallen. Hiergegen legte der Kläger Berufung ein. Dies mit der Begründung, dass Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen, die nach Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes abgeschlossen wurden, unwirksam seien, wenn sie Mindestlohnansprüche nicht ausdrücklich ausnähmen.
Das LAG hat die Berufung zurückgewiesen. Es stützte sich dabei vornehmlich darauf, dass die vom Kläger erhobenen Ansprüche mangels gerichtlicher Geltendmachung innerhalb von drei Monaten nach Ablehnung durch die Beklagte verfallen seien. Es greife die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist. Diese sei weder durch die Vergleichsverhandlungen gehemmt gewesen, noch sei sie mangels Ausnahme von Mindestlohnansprüchen insgesamt unwirksam. Zur Begründung führte es aus:
Die Regelung zur Verjährungshemmung (§ 203 BGB) gelte nicht für Ausschlussfristen. Die Regelung solle nur bewirken, dass Zeiten, in denen über strittige Ansprüche verhandelt würde, keinen Einfluss auf ihre Durchsetzbarkeit haben. Der Ablauf einer Ausschlussfrist führe hingegen zum Erlöschen des Anspruchs.
Die Verfallklausel sei nur insoweit unwirksam, als sie etwaige Ansprüche auf Mindestlohn erfasse. § 3 MiLoG, der die Unwirksamkeit von Vereinbarungen regelt, die die Geltendmachung von Mindestlohnansprüchen beschränken, umfasse nicht die gesamte Klausel, sondern beschränke seine Rechtsfolge auf Mindestlohnansprüche. Vorliegend handele es sich jedoch um keine Mindestlohnansprüche. Darüber hinaus verstoße die Regelung nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. Nur weil diese nicht den Wortlaut eines gesetzlichen Verbotes wiedergebe, sei sie nicht intransparent, sondern allein insoweit unwirksam.
Die Revision des Klägers hatte Erfolg. Das BAG hat die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und den Rechtsstreit an das LAG zurückverwiesen.
In der bisher allein vorliegenden Pressemitteilung stellt das BAG bereits klar, dass das LAG die Klage nicht mit der Begründung hätte abweisen dürfen, die Ansprüche seien verfallen. Nach Ansicht des BAG habe der Kläger die dreimonatige Ausschlussfrist zur gerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche gewahrt. Diese sei für die Dauer der Vergleichsverhandlungen entsprechend § 203 S. 1 BGB gehemmt gewesen.
Ausdrücklich offen ließ das BAG hingegen, ob Verfallklauseln insgesamt unwirksam sind, wenn sie den Mindestlohnanspruch nicht ausdrücklich aus ihrem Anwendungsbereich ausnehmen.
Es bleibt abzuwarten, wie das BAG seine Entscheidung begründen wird. Fest steht aber schon jetzt, dass das BAG mit der Entscheidung den Anwendungsbereich des § 203 BGB erheblich erweitert hat und dass zukünftig auch der Verfall von Ansprüchen durch Vergleichsverhandlungen gehemmt werden kann. Ob hierdurch außergerichtliche Einigungen gefördert und damit Rechtsstreitigkeiten vermieden werden können, bleibt jedoch abzuwarten.
Die jedoch weitaus interessantere Frage, ob Verfallklauseln insgesamt unwirksam sind, wenn der Mindestlohnanspruch nicht explizit ausgenommen wird, hat das BAG in dieser Entscheidung ausdrücklich offengelassen. Es bestand daher bis zuletzt die leise Hoffnung, dass Ausschussklauseln auch teilunwirksam sein können, wenn sie den Mindestlohnspruch einschränken.
Diese Hoffnung hat das BAG nunmehr mit Urteil vom 18. September 2018 (Az. 9 AZR 162/18) genommen und abschließend festgestellt:
„Eine vom Arbeitgeber vorformulierte arbeitsvertragliche Verfallklausel, die ohne jede Einschränkung alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit auch den ab dem 1. Januar 2015 von § 1 MiLoG garantierten Mindestlohn erfasst, verstößt gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB und ist - jedenfalls dann - insgesamt unwirksam, wenn der Arbeitsvertrag nach dem 31. Dezember 2014 geschlossen wurde.“
Zur Begründung führt es aus, dass die Klausel insgesamt nicht klar und verständlich sei. Vor diesem Hintergrund könne die Unwirksamkeit auch nicht auf Mindestlohnansprüche begrenzt werden.
Da unwirksame Ausschlussfristen dazu führen können, dass Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis noch innerhalb der Regelverjährung von drei Jahren geltend gemacht werden können, wird die Entscheidung weitreichende Folgen haben. Dies selbst dann, wenn die Unwirksamkeit nur sog. Neuverträge (Vertragsschluss nach dem 31. Dezember 2014) umfasst. Vor dem Hintergrund, dass das BAG schon in anderen Fällen bei Vornahme von Vertragsänderungen den Abschluss eines Neuvertrages angenommen hat, spricht viel dafür, dass dies auch für den Ausschluss von Mindestlohnansprüchen gelten wird. In der Folge würde die Ausschlussklausel mit Vertragsänderung unwirksam werden. Es empfiehlt sich daher dringend, die Ausschlussklauseln in Arbeitsverträgen zu prüfen und – soweit erforderlich – anzupassen.
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BAG, Urteil vom 26. April 2018 – 3 AZR 586/16
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten (Arbeitgeberin), eine zugunsten des Klägers (Arbeitnehmers) bestehende Direktversicherung zu kündigen.
Der Kläger ist seit 1986 bei der Beklagten beschäftigt. Im Mai 2001 vereinbarten die Parteien, dass ein Teil des Bruttolohnanspruches durch Entgeltumwandlung für die betriebliche Altersversorgung verwendet werden sollte. Die Beklagte verpflichtete sich, den umgewandelten Anteil in eine Direktversicherung einzuzahlen.
Hierzu hatten die Parteien ebenfalls im Mai 2001 zunächst eine vom Kläger zuvor abgeschlossene Lebensversicherung auf die Beklagte übertragen. Versicherte Person blieb der Kläger, während die Beklagte Versicherungsnehmerin wurde. Dem Kläger bzw. seinen Hinterbliebenen wurde ein unwiderrufliches Bezugsrecht auf die Versicherungsleistung einschließlich der Überschussanteile eingeräumt.
Seit 2009 ruhte die Direktversicherung; Beiträge wurden nicht mehr entrichtet. Der Vertragswert der Versicherung betrug zuletzt ca. 7.000,00 EUR. Im Januar 2013 kündigte der Kläger den Versicherungsvertrag. Die Beklagte weigerte sich jedoch, der Kündigung zuzustimmen oder den Versicherungsvertrag selbst zu kündigen.
Der Kläger hat klageweise von der Beklagten verlangt, den Direktversicherungsvertrag zu kündigen. Er trägt vor, dass er sich in einer finanziellen Notlage befinde, weil er hinsichtlich der Rückführung eines Baudarlehens in Höhe von 1.775,75 EUR in Rückstand sei. Ihm drohe die Kündigung des Darlehensvertrages durch die Bank und die Zwangsvollstreckung seiner Immobilie. Diese Situation habe die Beklagte mitverursacht, indem sie Entgeltfortzahlungsansprüche aus dem Jahr 2012 erst nach gerichtlicher Geltendmachung gezahlt habe. Die Beklagte hat die Notlage bestritten und vorgetragen, aufgrund von §§ 3, 4 BetrAVG an der Zustimmung zur Kündigung gehindert zu sein.
Die Vorinstanzen haben die Klage jeweils abgewiesen. Der Kläger habe kein schützenswertes Interesse an einer Auflösung des Versicherungsvertrags. Der ausstehende Restbetrag gegenüber der baufinanzierenden Bank sei verhältnismäßig geringfügig. Zudem drohe der Beklagten ein hoher Verwaltungsaufwand sowie ein Haftungsrisiko aufgrund sozialversicherungs- und steuerrechtlicher Probleme.
Die Revision des Klägers vor dem BAG war ebenfalls erfolglos. Die Beklagte müsse die zugunsten des Klägers bestehende Direktversicherung nicht kündigen. Ein solcher Anspruch ergebe sich mangels entsprechender Regelung weder aus der Umwandlungsvereinbarung, noch aus allgemeinen vertraglichen Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB).
Das BAG führt aus, dass der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung, den Vertrag (nicht) zu kündigen, sozialpolitische Erwägungen zur Begründung einbeziehen dürfe. Die betriebliche Altersversorgung diene der Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung und bezwecke eine Sicherung des Lebensstandards des Arbeitnehmers im Ruhestand. Daher sei es auch im Interesse des Arbeitnehmers, dass seine betriebliche Altersversorgung erhalten bleibe. Insgesamt fehle es somit an einem berechtigtem Interesse an der begehrten Kündigung.
Das BAG berücksichtigte dabei auch den besonderen Schutz von Versorgungsanwartschaften im BetrAVG. Der Gesetzgeber habe etwa durch Unverfallbarkeit, Insolvenzschutz und die mögliche Fortführung mit Eigenbeiträgen zum Ausdruck gebracht, dass der Erhalt der Versorgungsanwartschaften besondere Bedeutung besitze. Aus diesem Grund beschränke das BetrAVG auch die Möglichkeit der vorzeitigen Auflösung und Abfindung der Versorgungszusage, anstatt diese zu eröffnen.
Ob ausnahmsweise ein Anspruch besteht, wenn die Zwangsversteigerung der Wohnimmobilie unmittelbar bevorstünde und die Auflösung der Direktversicherung mit der Auszahlung des Rückkaufswerts den Verlust verhindern würde, musste das BAG nicht entscheiden. Eine derartige konkrete Gefahr habe der Kläger nicht vorgetragen.
Die Revision hat das BAG zu Recht für unbegründet erachtet.
Der Arbeitgeber ist bei unverfallbaren Anwartschaften – um eine solche handelte es sich im vorliegenden Fall – gesetzlich dazu verpflichtet, die Zusage nicht mehr zu widerrufen. Hierzu kann er auch nicht aufgrund eines privaten Liquiditätsengpasses vom Arbeitnehmer gezwungen werden. Die arbeitsvertragliche Entgeltumwandlungsvereinbarung ist eine vertragliche und gesetzlich geregelte Bindung, die der Arbeitnehmer auch dann einzuhalten hat, wenn ihm eine anderweitige Verwendung des (Rückkauf-)Wertes der Versicherung sinnvoller erscheint.
Im Ergebnis überzeugen auch die Ausführungen zu vertraglichen Nebenpflichten (§ 241 Abs. 2 BGB). Zu dieser Frage musste das BAG deshalb Stellung beziehen, weil der Arbeitnehmer einen Zusammenhang mit verspäteten Entgeltfortzahlungen – somit einen arbeitsvertraglichen Bezug – vorgetragen hatte.
Ob sich das Ergebnis – wie das BAG ausführt – dogmatisch daraus ergibt, dass sich der Arbeitgeber die sozialpolitischen Erwägungen des Gesetzgebers bei seiner Entscheidung gegen eine Kündigung zu eigen machen darf, erscheint zweifelhaft. Überzeugender wäre es gewesen, auf die berechtigten Vermögensinteressen des Arbeitgebers abzustellen. Solche können sich etwa aus einem erhöhten Verwaltungsaufwand und v.a. aus steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Haftungsrisiken einer gem. BetrAVG unzulässigen Abwicklung des Versicherungsvertrages ergeben. Angesichts der vergleichsweise geringen Liquiditätslücke kann das Interesse des Arbeitnehmers nicht überwiegen. Alternative Vorgehensweisen hätten sich dem Arbeitnehmer sicherlich geboten.
Gänzlich ausgeschlossen hat das BAG einen Anspruch auf Kündigung der betrieblichen Altersversorgung dennoch nicht, v.a. nicht bei verfallbaren Anwartschaften. Verlangen wird man in diesen Fällen allerdings eine erhebliche Beeinträchtigung der Rechtsposition des Arbeitnehmers aufgrund eines unplanmäßigen Verlaufs, bei dem das Festhalten am Versicherungsvertrag den Sicherungszweck der Versorgungszusage im Ruhestand offensichtlich konterkariert. Ein solcher Fall lag hier allerdings nicht vor.
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BAG, Beschluss vom 20. März 2018 – 1 ABR 15/17
Die Beteiligten streiten über das Bestehen eines Auskunftsanspruchs des Betriebsrats gegenüber der Arbeitgeberin im Hinblick auf Details eines Leistungsanreizprogramms. Die in den USA ansässige Konzernmutter der Arbeitgeberin führte innerhalb des Konzerns für Arbeitnehmer der Führungsebene ein „Long Term Incentives“-Programm ein. Dieses sieht die Gewährung von Aktienoptionen (Stock Options) und Nachzugsaktien (Deferred Stock) vor. Die entsprechende Leistungseinstufung der Arbeitnehmer erfolgt durch ein elektronisches Tool, mit dem die jeweiligen Vorgesetzten unverbindliche Vorschläge machen können. Der Betriebsrat begehrt Auskunft darüber, in welchem Umfang und aus welchen Gründen Vorgesetzte auf die Zuteilung von derartigen Aktienoptionen Einfluss nehmen und inwiefern die Konzernmutter den Vorschlägen gefolgt sei. Hiermit wolle er zum einen prüfen, ob die Grundsätze der Lohngerechtigkeit gewahrt wurden und ob ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bestehe; zum anderen benötige er die Auskunft zur Überwachung der Einhaltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nach § 75 Abs. 1 BetrVG. Das Arbeitsgericht hat die (ausdifferenzierten) Anträge abgewiesen; das Landesarbeitsgericht hat ihnen zunächst überwiegend stattgegeben. Nach Aufhebung dieser Entscheidung und Zurückverweisung durch das BAG hat das Landesarbeitsgericht nur noch einem (Hilfs-)Antrag stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Arbeitgeberin wiederum. Das BAG hebt die Entscheidung erneut auf und weist auch den Hilfsantrag, der sich nur noch auf die Überprüfung der Einhaltung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes bezieht, als unbegründet zurück.
Nach Ansicht des BAG besteht kein Anspruch des Betriebsrats auf Auskunft nach § 80 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Hiernach steht dem Betriebsrat ein Auskunftsanspruch hinsichtlich solcher Informationen zu, die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlich sind. Diese Erforderlichkeit hat der Betriebsrat darzulegen. Anhand seiner Angaben kann der Arbeitgeber und im Streitfall das Arbeitsgericht prüfen, ob die Voraussetzungen einer Vorlagepflicht gegeben sind. Zu den Aufgaben gehören die in § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG aufgezeigten Überwachungspflichten (insb. Einhaltung der zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze), die sich auch auf die Gewährleistung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes (vgl. § 75 Abs. 1 BetrVG) erstrecken. Der Betriebsrat hat nach Auffassung des BAG jedoch nicht dargetan, zur Durchführung welcher seiner Aufgaben die begehrte Information erforderlich ist. Der Vortrag, die Auskunft sei „dienlich“, um die Einhaltung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Hinblick auf die Lohngerechtigkeit zu kontrollieren, genügt hierfür nicht. Eine Prüfung anderer in Betracht kommender Aufgaben durch die Arbeitsgerichte erfolgt nicht von Amts wegen.
Jedenfalls aber scheidet vorliegend ein Anspruch gegenüber der Arbeitgeberin deshalb aus, weil die Voraussetzungen des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht gegeben sind. Dieser gebietet dem Arbeitgeber, Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden, gleich zu behandeln. Untersagt ist ihm sowohl eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe als auch eine sachfremde Gruppenbildung. Der Arbeitgeber ist zwar nicht nur dann an den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz gebunden, wenn er einseitig eine Leistung bestimmt, sondern auch, wenn er solche arbeitsvertraglich vereinbart. Erforderlich ist jedoch stets, dass es sich um vom Arbeitgeber kontrollierte bzw. kontrollierbare Maßnahmen oder Entscheidungen handelt. Dies ist hier nicht gegeben, da die Gewährung der Aktienoptionen ausschließlich durch die Konzernmuttergesellschaft erfolgt.
Der Arbeitgeber ist ohne besondere Anhaltspunkte auch nicht dazu verpflichtet, darüber zu wachen, dass der arbeitsvertragliche Gleichbehandlungsgrundsatz auch im Rahmen und bei der Durchführung anderer Vertragsverhältnisse gewahrt bleibt, die bei ihm beschäftigte Arbeitnehmer mit Dritten geschlossen haben. Eine generelle „Drittbezogenheit von Überwachungspflichten“ im Rahmen des § 75 Abs. 1 BetrVG, die „jedwede diskriminierende Handlung, gleich welchen Ursprungs, abdeckt“, lässt sich auch nicht aus § 12 Abs. 4 AGG ableiten. Danach ist der Arbeitgeber zwar verpflichtet, bei einer Diskriminierung durch Dritte geeignete Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Die Vorschrift schützt jedoch nur vor einer Diskriminierung wegen der in § 1 AGG genannten Merkmale und verlangt zudem, dass die diskriminierende Handlung Dritter „bei Ausübung ihrer Tätigkeit“ für den Arbeitgeber erfolgt. Jedenfalls an letzterem fehlt es bei der streitgegenständlichen Gewährung der Aktienoptionen durch die Konzernmutter.
Die Entscheidung des BAG ist zutreffend und zu begrüßen. Das BetrVG regelt im Wesentlichen ausschließlich das Verhältnis der Betriebsparteien untereinander. Daher stehen dem Betriebsrat Überwachungsrechte und damit verbundene Auskunftsansprüche auch nur insoweit zu, als der Arbeitgeber zu einer Änderung des beanstandeten Verhaltens überhaupt in der Lage ist. Wie der vorliegende Fall zeigt, ist dies insbesondere dann nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber keinen Einfluss auf die beanstandete Maßnahme der Konzernmutter hat. In praktischer Hinsicht kann daher empfehlenswert sein, die inländische Konzerntochter in derartige Maßnahmen bewusst nicht einzubinden. Es stellt sich jedoch die – vom BAG hier nicht zu beantwortende – Frage, ob jedenfalls das neue Entgelttransparenzgesetz aufgrund seines weiten Entgeltbegriffs nunmehr entsprechende Auskunftsansprüche begründen kann (§ 13 i.V.m. § 5 Abs. 1 EntgTranspG). Insgesamt ist zudem darauf hinzuweisen, dass die Rechtsprechung zum Auskunftsanspruch des Betriebsrats bisher eher großzügig war; die Grenze war danach erst dann überschritten, wenn eine Aufgabe des Betriebsrats offensichtlich nicht in Betracht kommt. Ohne sich hierzu direkt zu äußern, hat das BAG dies hier wohl angenommen. Daher ist nicht davon auszugehen, dass es mit dem vorliegenden Beschluss generell einen neuen Prüfungsmaßstab etabliert hat.
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BAG, Urteil vom 25. April 2018 – 5 AZR 245/17
Die Parteien streiten über die Vergütung für Umkleidezeiten. Die beklagte Arbeitgeberin betreibt ein bundesweit tätiges Unternehmen für Geld- und Werttransporte sowie Geldbearbeitung. Die Klägerin ist in der stationären Dienstleistung tätig. Sie ist verpflichtet bei der Arbeit Sicherheitsschuhe und ein schwarzes Polohemd mit Firmenlogo zu tragen. Der Arbeitsvertrag der Klägerin verweist auf die Bestimmungen der zwischen dem Bundesverband Deutscher Wach- und Sicherheitsunternehmen und der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge in der jeweiligen Fassung. Der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe für die Bundesrepublik Deutschland vom 1. Dezember 2006 (im Folgenden: „MTV“) bestimmt in § 4 Nr. 1: „Der Dienst beginnt mit der Aufnahme der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Übergabe der Arbeitsmittel und endet mit der Beendigung der Tätigkeit gemäß Dienstanweisung oder der Rückgabe der Arbeitsmittel.“ Ferner sieht der MTV vor, dass der Arbeitgeber die „erforderliche Dienstkleidung (..) unentgeltlich zur Verfügung“ stellt und dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, diese Sachen „im Dienst zu gebrauchen“, § 10 Nr. 1 MTV. Die mit Wirkung zum 1. Januar 2014 zwischen der Bundesvereinigung Deutscher Geld- und Wertdienste e. V. mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di geschlossene Rahmenvereinbarung für Geld- und Wertdienste in der Bundesrepublik Deutschland (im Folgenden: „RVB“) ordnet die Weitergeltung des MTV an, soweit die RVB keine eigene Regelung enthält.
Das BAG verdeutlichte, dass das An- und Ablegen einer besonders auffälligen Dienstkleidung im Betrieb vergütungspflichtige Arbeit darstellt. Es stellte klar, dass die Vergütungspflicht durch einen Arbeits- oder Tarifvertrag grundsätzlich ausgeschlossen werden kann; im konkreten Fall verneinte es allerdings die Vereinbarung einer derartigen Regelung. Für die Ermittlung der Höhe der Vergütung verwies das BAG an das Landesarbeitsgericht zurück.
In seiner Entscheidung führte das BAG aus, dass der Arbeitgeber gemäß § 611 BGB zur Vergütung der Leistung der versprochenen Dienste durch den Arbeitnehmer verpflichtet ist. Zu den „versprochenen Diensten“ zählt auch jede andere Tätigkeit, die mit der Erbringung der eigentlichen geschuldeten Tätigkeit unmittelbar zusammenhängt, solange diese „andere“ Tätigkeit der Befriedigung eines fremden Bedürfnisses dient. Nach Ansicht des BAG befriedigt das An- und Ablegen des Firmen-T-Shirts und der Sicherheitsschuhe ausschließlich das (aus Sicht des Arbeitnehmers: fremde) Bedürfnis des Arbeitgebers und ist daher vergütungspflichtig. Zur Begründung führte das BAG aus, dass kein objektives Interesse des Arbeitnehmers an der Offenlegung seiner Tätigkeit gegenüber Dritten außerhalb der Arbeitszeit durch das Firmen-T-Shirt feststellbar sei. Ferner habe der Arbeitgeber das Tragen der Dienstkleidung während der Arbeitszeit angewiesen. Grundsätzlich stellte das BAG fest, dass das Tragen von Dienstkleidung lediglich dann nicht fremdnützig und mithin keine vergütungspflichtige Arbeitszeit sei, wenn sie als nicht auffällige Dienstkleidung schon auf dem Weg zur Arbeit getragen werden kann oder wenn eine auffällige Dienstkleidung auch außerhalb der Arbeitszeit getragen werden darf und der Arbeitnehmer sich entschließt, diese nicht im Betrieb an- und abzulegen.
Das BAG stellte fest, dass in Arbeits- und Tarifverträgen geregelt werden könne, „wie“ die Umkleidezeit zu vergüten ist. Die Vergütungsregelung hat deutlich zu bestimmen, welche Tätigkeiten zur (vergütungspflichtigen) Arbeitszeit zählen oder wann die Arbeitszeit beginnt oder endet. Arbeits- und tarifvertragliche Regelungen können auch einen Ausschluss der Vergütung für andere Tätigkeiten als die eigentliche Tätigkeit enthalten. Dieser Ausschluss bedarf einer klaren, konkreten Regelung. Nach der Auslegung des BAG war weder im Arbeitsvertrag, noch in dem auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren MTV oder RVB die Vergütungspflicht für Umkleidezeiten ausgeschlossen.
In der aktuellen Entscheidung bekräftigt das BAG seine ständige Rechtsprechung zur Vergütung von Umkleide- und Wegezeiten.
Arbeitgeber können die Vergütungspflicht vermeiden, indem sie das Tragen der Dienstkleidung im Betrieb nicht anweisen. Ferner sollten sie den Arbeitnehmern erlauben, die Dienstkleidung auch auf dem Weg zur Arbeit zu tragen. Die Einordnung des Umkleidens als Arbeit und die damit verbundene Vergütungspflicht entfällt in diesen Fällen allerdings nur, wenn die Dienstkleidung nicht auffällig ist, d.h. dem Arbeitnehmer das Tragen der Dienstkleidung auf dem Weg zur Arbeit zugemutet werden kann oder der Arbeitnehmer die auffällige Dienstkleidung freiwillig schon zu Hause anlegt.
In der Praxis dürfte entweder das Tragen der Dienstkleidung häufig vom Arbeitgeber angeordnet sein oder die Dienstkleidung Rückschlüsse auf das Unternehmen des Arbeitgebers zulassen und damit auffällig sein. Das Urteil des BAG verdeutlicht daher die Chance der Arbeitgeber und Tarifparteien die Vergütung für Umkleidezeiten zu regeln oder auszuschließen. Im Arbeitsvertrag könnte vereinbart werden, dass die (Arbeits-)Zeit für das Umkleiden pauschal tage-, wochen- oder monatsweise durch eine Zeitgutschrift auf das Arbeitszeitkonto oder durch die Zahlung eines Geldbetrages abgegolten wird. Gerade mit Blick auf die (individuelle) Dauer der Umkleidezeit empfiehlt sich zur Vermeidung von Streitigkeiten eine solche Regelung. Denn erbringt der Arbeitnehmer durch das Tragen der Dienstkleidung eine fremdnützige Arbeit, zählt die Umkleidezeit auch zur Arbeitszeit im Sinne des § 2 Abs. 1 Arbeitszeitgesetz.
Regelt der anwendbare Tarifvertrag die Materie der Umkleidezeiten nicht abschließend und sind die Umkleidezeiten Arbeitszeit, haben Arbeitgeber in Betrieben mit Betriebsrat auch das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hinsichtlich der Lage der Arbeitszeit zu wahren. Dabei ist der Arbeitszeitbegriff des BetrVG zu beachten, der auch Vorbereitungshandlungen als Arbeitszeit ansieht, solange diese Vorbereitungshandlungen einem fremden Bedürfnis dienen.
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung einer Arbeitszeiterhöhung. Die Beklagten bieten Teilzeitbeschäftigungen mit 40 %, 50 % oder mit 74,67 % der tarifvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit von 38,5 Stunden an. Dabei ist die Arbeitszeit für die ¾-Stelle auf den Wert von 74,67 % festgelegt, um die Berechnung der täglichen Arbeitszeit von fünf Stunden 45 Minuten zu vereinfachen. Die Klägerin war zunächst in Vollzeit bei der Beklagten angestellt. In Folge ihrer Elternzeit fand eine einvernehmliche Reduzierung ihrer Arbeitszeit auf 50 % statt. Für den Zeitraum vom 1. März 2012 bis zum 28. Februar 2013 vereinbarten die Parteien eine befristete Erhöhung der Arbeitszeit auf 74,67 %. Diese Regelung wurde bis zum 31. Dezember 2014 erneut verlängert. Ende November 2014 teilten die Beklagten sodann der Klägerin mit, dass die befristete Arbeitszeiterhöhung zum Jahresablauf ende. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung des Fortbestands der erhöhten Arbeitszeit über den 31. Dezember 2014 hinaus. Das ArbG wies die Klage ab, wohingegen das LAG ihr stattgab und die Befristung der Arbeitszeiterhöhung für unwirksam erklärte.
Die Revision der Beklagten vor dem BAG blieb erfolglos. Das BAG stellte zunächst fest, dass die im Arbeitsvertrag vereinbarte befristete Arbeitszeiterhöhung der uneingeschränkten Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 BGB unterliege. Die Befristung der Arbeitszeiterhöhung von 50 % auf 74,67 % der tarifvertraglichen regelmäßigen Arbeitszeit sei vorliegend nach § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, da sie die Klägerin unangemessen benachteilige. Bei einer befristeten Arbeitszeiterhöhung in erheblichem Umfang seien nämlich Umstände erforderlich, die auch eine Befristung eines Arbeitsvertrages nach § 14 Abs. 1 TzBfG rechtfertigen könnten, d.h. das Vorleigen eines Sachgrundes. Das BAG stellte in diesem Zusammenhang zudem fest, dass von einem erheblichen Umfang zwar grundsätzlich erst ab einem Aufstockungsvolumen von mindestens 25 % einer entsprechenden Vollzeitbeschäftigung auszugehen sei. Die hier vorliegende Unterschreitung dieses Wertes (24,67 %) sei indessen ausnahmsweise unerheblich, weil der Arbeitgeber hierdurch nur vermeiden wollte, dass sich die tägliche Arbeitszeit mit einem Bruchteil von Minuten berechnet. Der folglich zur Rechtfertigung notwendige Sachgrund i.S.v. § 14 Abs. 1 TzBfG sei von den Beklagten schon nicht substantiiert dargelegt worden.
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Die Parteien streiten um die Frage, ob der Betriebsrat im einstweiligen Verfügungsverfahren dem Arbeitgeber untersagen kann, eine Betriebsänderung durchzuführen. Die Arbeitgeberin ist eine Einrichtung des Deutschen Roten Kreuzes und betreibt in Rheinland-Pfalz unter anderem das D. Krankenhaus N., in welchem zum streitgegenständlichen Zeitpunkt 665 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Da die Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe des D. Krankenhauses N. seit mehreren Jahren mit großen Defiziten geführt wurde, beschloss die Arbeitgeberin, die Abteilung zum 31. Dezember 2017 zu schließen. Die in der Abteilung angestellten 32 Mitarbeiter sollten teilweise in anderen Abteilungen weiterbeschäftigt, teilweise aber auch betriebsbedingt gekündigt werden. Gegen die Schließung beantrage der Betriebsrat den Erlass einer einstweiligen Verfügung beim Arbeitsgericht. Er beantragte, der Arbeitgeberin zu untersagen die Schließung durchzuführen und betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen bis ein Interessenausgleich mit dem Betriebsrat stattgefunden hat oder aber dessen Scheitern festgestellt wurde. Das ArbG hat die Anträge zurückgewiesen.
Auch das LAG hat die Beschwerde des Betriebsrates zurückgewiesen und einen Unterlassungsanspruch gegen die Arbeitgeberin verneint. Der Unternehmer sei für die Durchführung der Betriebsänderung nicht auf die Zustimmung des Betriebsrats angewiesen. Dagegen spreche, dass der Gesetzgeber mit dem Nachteilsausgleich gem. § 113 Abs. 3 BetrVG anders als bei der Mitbestimmung gem. § 87 BetrVG eine ausdrückliche Sanktion für die Nichtbeachtung der Beteiligungsrechte vorgesehen habe. Neben dieser Sanktion sei kein Raum für ein eigenständiges Recht des Betriebsrats zu einer präventiven Verhinderung eines vorzeitigen Abbruchs von Interessenausgleichsverhandlungen.
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Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger für die Dauer eines Arztbesuches einen Anspruch auf bezahlte Freistellung hat. Da der behandelnde Arzt des Klägers unstreitig keine Sprechstunde außerhalb der betrieblichen Arbeitszeit des Klägers anbot und er außerhalb dieser Zeit auch sonst keinen Termin erhalten konnte, nahm der Kläger einen 1,5 stündigen Arzttermin während seiner Arbeitszeit wahr. Die Beklagte zahlte für diese Zeit zwar die reguläre Arbeitsvergütung, belastete jedoch das Arbeitszeitkonto des Klägers für die Dauer des Arztbesuches. Der Arbeitnehmer klagte auf eine Gutschrift auf seinem Arbeitszeitenkonto in Höhe von 1,5 Stunden und berief sich auf eine Regelung aus dem Manteltarifvertrag. Danach wird das Entgelt im Falle unverschuldeter Arbeitsversäumnis nur für die unumgänglich notwendige Abwesenheit fortgezahlt. Das ArbG wies die Klage ab.
Das LAG Niedersachsen bejahte hingegen einen solchen Anspruch des Arbeitnehmers. Das Gericht stellte zunächst fest, dass es sich auch bei einem Arztbesuch um einen Fall unverschuldeter Arbeitsversäumnis handeln könne, wenn der Arzt auf terminliche Wünsche des Arbeitnehmers keine Rücksicht nehmen wolle oder könne. Darüber hinaus sei auch die Abwesenheit des Arbeitnehmers unumgänglich gewesen. Das Gericht stellte zwar zunächst fest, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet sei, eine Arbeitsversäumnis möglichst zu vermeiden und mithin Arzttermine außerhalb seiner Arbeitszeit wahrnehmen müsse. Unter Berücksichtigung der konkreten Arbeitszeit des Klägers sei ihm indessen das Aufsuchen des Arztes außerhalb der Arbeitszeit objektiv erst gar nicht möglich gewesen. Der Arbeitnehmer habe daher auch einen Anspruch auf bezahlte Freistellung.
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Der Arbeitnehmer, der im Gesundheitsamt eines Landkreises tätig ist und dort regelmäßig Rufbereitschaftsdienste ausübt, klagt auf Entfernung einer Abmahnung aus seiner Personalakte. Bis Ende 2016 wurden ihm und anderen Mitarbeitern für die Tätigkeit außerhalb der regulären Dienstzeiten Diensthandys zur Verfügung gestellt. Aus Kostengründen schaffte die beklagte Arbeitgeberin die nächtlichen Rufbereitschaftszeiten ab und stellte auch kein Diensthandy für die Nächte zur Verfügung. Um gleichwohl für dienstliche Notfälle einen Mitarbeiter des nachts – also in der Freizeit - erreichen zu können, verlangte sie von den betroffenen Mitarbeitern die Mitteilung ihrer privaten Mobiltelefonnummern. Weil der Kläger sich weigerte, seine Nummer mitzuteilen, erteilte die Beklage ihm eine Abmahnung.
Wie schon das ArbG gab auch das LAG dem Kläger Recht. Dieser sei nicht verpflichtet gewesen, seine private Mobilfunknummer mitzuteilen. Der Arbeitgeber verlange die Bekanntgabe personenbezogener Daten. Schon nach landesrechtlichen Datenschutzvorschriften – die DSGVO war zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht anzuwenden – sei eine Datenerhebung ohne Einwilligung der Beschäftigten nur zu Beschäftigungszwecken zulässig. Außerhalb davon sei eine solche zwar auch möglich, wenn im Einzelfall eine legitime Arbeitsaufgabe ansonsten nicht oder nicht richtig erfüllt werden könne. Kollidieren dabei aber Rechte des Arbeitnehmers, etwa wie hier das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, sei ein schonender Ausgleich vorzunehmen, nach dem im vorliegenden Fall der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht nicht im Verhältnis zu den Motiven der Rufnummernabfrage stehe. Es gehöre zu den vornehmsten Persönlichkeitsrechten, selbst zu entscheiden, für wen man in der Freizeit erreichbar sein will. Zuletzt sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber mit der Abschaffung der umfassenden Rufbereitschaft und der Diensthandys die Erreichbarkeitslücken selbst geschaffen habe; dies dürfte nicht einseitig zu Lasten der Beschäftigten gehen.
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Die Parteien streiten im beendeten Arbeitsverhältnis um die Kürzung des Urlaubsanspruchs aus Anlass der Inanspruchnahme von Elternzeit. Die Klägerin war bei der Beklagten als Pflegedienstleiterin beschäftigt. Ausweislich des Arbeitsvertrages standen der Klägerin 30 Urlaubstage bei einer Fünf-Tage-Woche zu. Mit Schreiben vom 23. April 2015 bewilligte die Beklagte der Klägerin für den Zeitraum vom 24. März 2015 bis zum 24. März 2017 die beantragte Elternzeit. Gleichzeitig wies sie die Klägerin darauf hin, dass ihr anteiliger Urlaubsanspruch für das Jahr 2015 von insgesamt 12,5 Tagen ausgezahlt werde. Nach dem Ende der Elternzeit kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30. April 2017. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin nunmehr die Urlaubsabgeltung für 17,5 Urlaubstage aus dem Jahr 2015 sowie 30 Urlaubstage aus dem Jahr 2016. Die Klägerin behauptete zu keiner Zeit eine Kürzungserklärung hinsichtlich des Erholungsurlaubs seitens der Beklagten erhalten zu haben. Das ArbG hat die Klage abgewiesen.
Die Berufung des Klägers hatte teilweise Erfolg. Grundsätzlich könne der Arbeitgeber den Erholungsurlaub gemäß § 17 Abs. 1 S.1 BEEG kürzen, er müsse aber von diesem Recht auch Gebrauch machen. Dem Schreiben der Beklagten vom 23. April 2015 könne eine solche Kürzung für das Jahr 2016 indessen nicht entnommen werden. Nach der auch bei einseitigen Willenserklärungen gebotenen Auslegung gemäß §§ 157, 133 BGB habe die Beklagte keine hinreichend erkennbare Kürzungserklärung für das Kalenderjahr 2016 abgegeben. Selbst unter Beachtung des Grundsatzes, dass eine Kürzungserklärung konkludent erfolgen könne, müsse diese Erklärung jedenfalls einen bestimmten Erklärungswillen erkennen lassen. Dies sei abzulehnen, da die Beklagte in ihrem Schreiben ausdrücklich nur auf das Kalenderjahr 2015 Bezug genommen habe, so dass die Kürzung auch nur für das Jahr 2015 wirksam erfolgt sei. In diesem Zusammenhang stellte das LAG zudem fest, dass die Kürzungsregelung des § 17 Abs. 1 S.1 BEEG nicht gegen europarechtliche Vorgaben, insbesondere nicht gegen die Richtlinien 2010/18/EU sowie 2003/88/EG verstoße.
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