04.11.2016
Gesetzesänderung ab dem 1. Oktober 2016: Formerfordernisse für Anzeigen oder ErklärungenSeite 3Der Rechtsstreit „Volkswagen ./. Prevent“ und die Lehren darausSeite 4Der Kampf der Online-Händler gegensogenannte „Hoch-Retournierer“Seite 6Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages wegen Fehlens der HerstellergarantieSeite 7Bundesgerichtshof verneint Sachmangel bei einer zwölf Monate überschreitenden Standzeit eines Gebrauchtwagens zwischen Herstellung und ErstzulassungSeite 8Unwirksame Rechtswahlklauseln europaweit tätiger Online-ShopsSeite 10Aus alt mach neu – Auch ein Bestandskunde des Unternehmers kann unter Umständen ein „neuer“ Kunde im Sinne der handelsvertreterrechtlichen Ausgleichsregelungen seinSeite 11Anforderungen an die Fristsetzung zur Nacherfüllung im KaufrechtSeite 13Ausschluss des Ausgleichsanspruchs eines im EU-Ausland tätigen VertragshändlersSeite 15
Zum 1. Oktober 2016 trat mit § 309 Nr. 13 lit. b) BGB eine Neuregelung in Kraft, wonach Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, in welchen „die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Textform gebunden werden.“ Solche Schriftformerfordernisse finden sich häufig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Sie sind nach der neuen Rechtslage jedenfalls im Verhältnis zu Verbrauchern zwingend unwirksam. Als Folge daraus finden die entsprechenden gesetzlichen Regelungen Anwendung (§ 306 Abs. 2 BGB).
Zum 1. Oktober 2016 trat mit § 309 Nr. 13 lit. b) BGB eine Neuregelung in Kraft, wonach Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam sind, in welchen
„die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben sind, an eine strengere Form als die Textform gebunden werden.“
Solche Schriftformerfordernisse finden sich häufig in Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Sie sind nach der neuen Rechtslage jedenfalls im Verhältnis zu Verbrauchern zwingend unwirksam. Als Folge daraus finden die entsprechenden gesetzlichen Regelungen Anwendung (§ 306 Abs. 2 BGB).
Für den AGB-Verwender (hier: Verkaufende Hersteller oder Händler) stellt dies ein Risiko dar. Denn das Gesetz geht grundsätzlich von einer formfreien Abgabe von Erklärungen aus und stellt nur in besonderen Ausnahmefällen nähere Anforderung an die Formbedürftigkeit einer Erklärung. Geht es aber im Streitfall gerade darum, ob eine bestimmte Erklärung abgegeben wurde oder nicht, würde die Unwirksamkeit der Schriftformklausel dem anderen Teil ermöglichen, sich auf eine mündliche Abgabe der jeweiligen Erklärung zu berufen und dies gegebenenfalls durch Zeugen zu belegen.
Im Verhältnis zwischen Unternehmern findet die Neuregelung keine unmittelbare Anwendung. Es ist derzeit auch nicht davon auszugehen, dass ein Verstoß gegen § 309 Nr. 13 lit. b) im unternehmerischen Bereich eine unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB und damit eine Unwirksamkeit „indiziert“. Bei anderen AGB-Vorschriften, die unmittelbar ebenfalls nur gegenüber Verbrauchern Anwendung finden, ist dies durchaus der Fall. Sofern allerdings AGB sowohl gegenüber Unternehmern als auch gegenüber Verbrauchern verwendet werden und in Bezug auf die Neuregelung keine ausdrückliche Unterscheidung vorgenommen wird, ist die Klausel insgesamt als unwirksam zu betrachten (sog. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion). In diesem Fall müsste ein AGB-Verwender im Zweifel auch gegenüber Unternehmen formlose Erklärungen gegen sich gelten lassen.
Um Rechtssicherheit für den AGB-Verwender zu gewährleisten, sollten bestehende Klauseln in Allgemeinen Einkaufs- oder Allgemeinen Verkaufsbedingungen dahingehend angepasst werden, dass jedenfalls Erklärungen von Verbrauchern auch in Textform (§ 126b BGB) abgegeben werden dürfen. Dem Textform-Erfordernis genügen insbesondere Erklärungen mittels (Computer-) Fax und E-Mail. Mündliche Erklärungen sind aber jedenfalls ausgeschlossen. Der Verwender von AGB kann dadurch sicherstellen, dass ihm wichtige Erklärungen wenigstens in einer verkörperten Form vorgelegt werden.
Dr. Steffen Gaber, LL.M. (Sydney)
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Dr. Max Jakob Rösch, LL.M. (Exeter)
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Der von beiden Seiten mit harten Bandagen geführte Rechtsstreit zwischen den Automobilzulieferern der Prevent-Gruppe und VW hat einen Bereich der Rechtsstreitigkeiten ins Scheinwerferlicht der breiten Öffentlichkeit geführt, der es sonst nur selten aus der Diskretion der Anwaltskanzleien heraus schafft. Dabei wird in derartigen Fällen meist über hohe Streitwerte, nicht selten über Sein oder Nichtsein sowie immer über materiell-rechtlich spannende und prozessual knifflige Konstellationen entschieden. So gibt uns der Fall „Volkswagen ./. Prevent“, der immerhin zum Produktionsstillstand in mehreren Werken des Volkswagen-Konzerns geführt hat, die Gelegenheit, einige dieser Punkte zu beleuchten:
Der von beiden Seiten mit harten Bandagen geführte Rechtsstreit zwischen den Automobilzulieferern der Prevent-Gruppe und VW hat einen Bereich der Rechtsstreitigkeiten ins Scheinwerferlicht der breiten Öffentlichkeit geführt, der es sonst nur selten aus der Diskretion der Anwaltskanzleien heraus schafft. Dabei wird in derartigen Fällen meist über hohe Streitwerte, nicht selten über Sein oder Nichtsein sowie immer über materiell-rechtlich spannende und prozessual knifflige Konstellationen entschieden. So gibt uns der Fall „Volkswagen ./. Prevent“, der immerhin zum Produktionsstillstand in mehreren Werken des Volkswagen-Konzerns geführt hat, die Gelegenheit, einige dieser Punkte zu beleuchten:
Es entspricht einem ungeschriebenen Gesetz der Automobilbranche, dass Zulieferer ihre Kunden nicht vor Gericht verklagen, insbesondere wenn der Kunde der Hersteller selbst ist („Tier 1“). Gleichzeitig ist die Zahl der Streitpunkte gerade in solchen Zulieferbeziehungen aber hoch. Zu den immer wieder auftretenden Streitigkeiten gehört es, dass OEM ihre Zulieferer dazu „animieren“, wegen bestehenden Zeitdrucks bereits zu einem Zeitpunkt in neue Projekte zu investieren, zu dem der OEM sich noch außerstande sieht, bereits verbindliche Aufträge zu erteilen und Vereinbarungen abzuschließen. Bricht der OEM dann später das Projekt wieder ab, ist Streit über die vom Zulieferer investierten Entwicklungskosten, Werkzeugkosten etc. vorprogrammiert. Anspruchsgrund-lage für derartige Abbruchkosten kann Verschulden bei Vertragsschluss (culpa in contrahendo) sein. Kunden werden allerdings argumentieren, der Zulieferer habe sehenden Auges und in Kenntnis des noch nicht vertraglich abgesicherten Zustands das Risiko fehlender Amortisation seiner Kosten zum Zweck der Auftragsakquisition übernommen. Streitigkeiten dieser Art sind gleichermaßen zahlreich wie schmerzlich. Sieht sich der Zulieferer nun außerstande, seine Ansprüche auf Kostenersatz im Wege einer Schadensersatzklage vor ordentlichen Gerichten geltend zu machen, verbleibt ihm oft nur die Möglichkeit, ein Zurückbehaltungsrecht an von ihm geschuldeten Lieferungen anderer Teile auszuüben; faktisch also einen Lieferstopp auszusprechen, wie dies im Falle „Prevent“ geschehen ist. Vor diesem Hintergrund versuchen einerseits OEM, die ihren Lieferanten zustehenden Zurückbehaltungsrechte vertraglich auszuschließen. In Standardverträgen, die der AGB-Kontrolle unterliegen, ist dies allerdings nur in eingeschränktem Rahmen rechtlich wirksam möglich. Gleichzeitig besteht aber auch für den Lieferanten das Problem, dass nach der Gesetzeslage in § 273 Abs. 1 BGB die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts im Ausgangspunkt nur dann zulässig ist, wenn zwischen dem Gegenanspruch des Lieferanten (d.h. dem Kostenerstattungsanspruch aus dem abgebrochenen Projekt) und dem Anspruch des Kunden (d.h. dem Anspruch auf termingerechte Lieferung) ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang („einheitliches Lebensverhältnis“) besteht. Der Lieferant, der auf diese Weise einen Lieferstopp ausspricht, geht allerdings ein hohes Risiko ein: Stellt sich später heraus, dass ihm der von ihm behauptete Kostenerstattungsanspruch nicht zusteht oder der vom Gesetz für die Ausübung eines Zurückbehaltungsrechts vorausgesetzte Konnex zwischen den wechselseitigen Ansprüchen nicht vorliegt, macht dieser sich schadensersatzpflichtig. Die möglichen Schäden, die im Falle eines Produktionsstillstandes drohen, sind naturgemäß enorm.
An dieser Stelle kommt für den Kunden wegen der extremen Eilbedürftigkeit die prozessuale Konstellation des einstweiligen Rechtschutzes ins Spiel:
In der Praxis besteht die größte Hürde für den Kunden meist darin, die begehrte gerichtliche Entscheidung – das ist die Anordnung gegenüber dem Lieferanten, die vertragsgemäße Belieferung für einen bestimmten Zeitraum fortzusetzen – überhaupt im Wege des einstweiligen Rechtschutzes zu erhalten. Bei einer Entscheidung, die den Lieferanten im Wege des einstweiligen Rechtschutzes dazu zwingt, die Belieferung fortzusetzen, handelt es sich um eine sogenannte Leistungsverfügung, die jedenfalls für den betreffenden Zeitraum zu einer Vorwegnahme der Hauptsache führt. In der Systematik des einstweiligen Rechtschutzes, der in erster Linie das „Arretieren“ eines bestehenden Zustandes bis zum Zeitpunkt einer Entscheidung im normalen Hauptsacheverfahren ermöglichen soll, ist eine derartige Vorwegnahme der Hauptsache aber nur in Ausnahmefällen möglich. Die Rechtsprechung hat hierzu Fallgruppen gebildet, die auch meist zurückhaltend angewandt werden. So ist eine Leistungsverfügung etwa dann möglich, wenn anderweitig effektiver Rechtschutz von vornherein unmöglich wäre oder wenn anderenfalls die Existenzvernichtung des Antragstellers drohte. Im Einzelfall kann nach der Zivilprozessordnung das Vorliegen dieser Voraussetzungen durch die Stellung einer Sicherheit, wie etwa einer Bankbürgschaft, unterstützt werden.
Bei der Bewertung der vom Kunden für sich angeführten drohenden Schäden, müssen in der Praxis häufig die Vorstellungen des (potentiell) geschädigten Kunden auf ihren rechtlichen Kern zurückgeführt werden. Nicht nur führen Hersteller in dieser Situation gerne den bei einem Produktionsstillstand entfallenden Umsatz ins Feld anstelle des tatsächlich von einem säumigen Lieferanten allenfalls zu ersetzenden entgangenen Gewinns. Insbesondere stellt sich die Frage, ob mit ei-nem Produktionsstillstand tatsächlich Gewinn entgeht, oft als nicht einfach zu bewerten dar. In der Praxis ist es oft schwierig nachzuweisen, dass es wegen möglicher Lieferverzögerungen nach einem Produktionsstillstand zu nachweisbaren Stornierungen von Bestellungen durch Endkunden gekommen ist. Liegt daher beim OEM nicht eine andauernde Auslastung zu 100 % vor, stellt sich die Frage, ob das jeweilige Geschäft nach einem temporären Produktionsstillstand tatsächlich nicht nur „verschoben“ ist. In diesem Falle wäre der Gewinn aus dem betreffenden Produktionszeitraum gerade nicht dauerhaft entgangen. Als Schadenspositionen blieben dann insbesondere Mehrkosten für das Nachholen der ausgefallenen Produktion durch Zusatzschichten, Wochenendeinsatz und andere echte Mehrkosten.
Der Fall „Volkswagen ./. Prevent“ zeigt aber auch, dass die Gerichte bei ihrer Entscheidung des jeweils individuellen Einzelfalls durchaus zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können. Hier lagen zwei einstweilige Verfügungen zugunsten von Volkswagen gegen zwei verschiedene Unternehmen der Prevent-Gruppe vor. In einem Fall hat das Landgericht seine Entscheidung durch Beschluss und ohne vorherige mündliche Verhandlung erlassen – und damit ohne die Gelegenheit für den Zulieferer, zu dem Antrag von Volkswagen vor der Entscheidung Stellung zu nehmen. In diesem Falle ist eine vollstreckbare Entscheidung in der Welt, gegen die der Lieferant nur im Wege des Widerspruchs vorgehen und seine Gegenargumente anbringen kann. Im anderen Fall hat das Landgericht durch Urteil entschieden. Hier war also eine mündliche Verhandlung vorangegangen, in welcher der Zulieferer zumindest die Gelegenheit hatte, seine Sicht der Dinge darzustellen. Eine solche unterschiedliche Behandlung kann einerseits daran liegen, dass im einen Fall die besondere Dringlichkeit, die die Zivilprozessordnung für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung voraussetzt, von Volkswagen nicht ausreichend dargelegt war. Sie kann aber beispielsweise auch darauf beruhen, dass der Zulieferer sich hier durch Einreichung einer Schutzschrift taktisch gut abgesichert hatte. Die Einreichung einer Schutzschrift ist für Lieferanten in einer vergleichbaren Situation ein wichtiges Mittel zur Wahrung ihrer Rechte.
Nach Erlass der einstweiligen Verfügung ist der Lieferant allerdings noch nicht sofort verpflichtet, die Lieferung wieder aufzunehmen. Die einstweilige Verfügung wird gegenüber dem Lieferanten überhaupt erst dann verbindlich, wenn diese vom Antragsteller selbst durch Gerichtsvollzieher, d.h. im sogenannten Parteibetrieb, förmlich zugestellt wurde. Mit einer solchen Zustellung wird sowohl die einstweilige Verfügung gegenüber dem Lieferanten wirksam, als auch der Hersteller ggf. schadensersatzpflichtig, sollte die einstweilige Verfügung später in einem Hauptsacheverfahren wieder aufgehoben werden. Weigert sich der Lieferant auch nach förmlicher Zustellung der einstweiligen Verfügung durch einen Gerichtsvollzieher immer noch, die Belieferung wieder aufzunehmen, und können die fehlenden Teile nur vom Lieferanten hergestellt werden (sog. unvertretbare Leistung), was jedenfalls für das betreffende Zeitfenster wohl der Regelfall sei dürfte, so wird eine Lieferpflicht gegenüber dem Lieferanten auch nur auf indirekte Weise vollstreckt: Im Falle der schuldhaften Zuwiderhandlung des Lieferanten gegen die einstweilige Verfügung kann der Berechtigte hieraus die Verhängung eines (oder im Wiederholungsfalle: auch mehrere) Ordnungsgeldes beantragen. Vor dessen Verhängung wird wiederum dem Lieferanten nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Auch deshalb mag sich die tatsächliche Wiederaufnahme der Belieferung durchaus noch hinziehen. Anders mag dies bei reiner Handelsware oder im Hinblick auf einen Lagerbestand fertiger Teile beim Lieferanten sein. Im letzteren Fall kann wie im Streit „Volks-wagen ./. Prevent“ auch direkt eine vollstreckbare Herausgabe angeordnet werden.
Aus der Praxis lässt sich festhalten, dass die Regelung einer Lieferbeziehung im Wege des einstweiligen Rechtschutzes ein im Detail durchaus schwieriges Feld darstellt, das in jedem Fall eine schnelle und konsequente Herangehensweise für beide Parteien erfordert.
Volker Steimle
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OLG Köln, Urteil vom 26. Februar 2016 – 6 U 90/15
Nach Herzenslust online einkaufen. Die bestellte Ware in Ruhe zu Hause ausprobieren. Und wenn die Ware einem nicht gefällt, einfach zurück an den Absender schicken. Schöne neue Welt. Was für den Verbraucher ein Segen ist, entwickelt sich für so manchen Online-Händler zum Fluch. Deshalb lässt sich die Branche allerlei einfallen, um Auswüchse und Missbrauch zu verhindern.
Nach Herzenslust online einkaufen. Die bestellte Ware in Ruhe zu Hause ausprobieren. Und wenn die Ware einem nicht gefällt, einfach zurück an den Absender schicken. Schöne neue Welt. Was für den Verbraucher ein Segen ist, entwickelt sich für so manchen Online-Händler zum Fluch. Deshalb lässt sich die Branche allerlei einfallen, um Auswüchse und Missbrauch zu verhindern.
Im Online-Handel versteht man unter einem sogenannten „Hoch-Retournierer“ einen Kunden, der bestellte Waren sehr häufig zurückschickt. Die Transportkosten übersteigen in diesen Fällen den erzielbaren Gewinn, sodass Hoch-Retournierer für Online-Händler ein erhebliches Problem darstellen können. Viele Online-Händler haben deshalb in ihre Vertragsbedingungen eine Klausel aufgenommen, die es ihnen ermöglicht, das Vertragsverhältnis mit dem Hoch-Retournierer zu beenden und dessen Kundenkonten zu schließen. Hiergegen ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Vielmehr entspricht es dem Grundsatz der Privatautonomie, frei darüber zu entscheiden, mit wem man einen Vertrag schließt. Im Jahr 2013 führte „Trusted Shops“ bei 350 deutschen Online-Händlern eine Umfrage durch. Danach nahmen zwei Drittel der befragten Unternehmen die Möglichkeit wahr, Hoch-Retournierer aus ihrem Geschäft auszuschließen. Das OLG Hamburg hat bereits entschieden, dass ein Handelsunternehmen Vertragsabschlüsse mit Hoch-Retournierern grundsätzlich verweigern darf (Urteil vom 25. November 2004 – 5 U 22/04). Der Einwand der Gegenseite, die Möglichkeit der Rücksendung der Ware sei dem Einzelhandel doch immanent, konnte das Gericht nicht überzeugen.
In einem Urteil vom 26. Februar 2016 hat das OLG Köln jetzt die AGB-Klausel eines Online-Händlers für unwirksam erklärt, die dem Online-Händler das Recht einräumte, die Vertragsbeziehung mit einem Hoch-Retournierer zu beenden. Die Klausel, über die das OLG Köln zu befinden hatte, lautete:
„Wir behalten uns das Recht vor, Ihnen Services auf der Webseite vorzuenthalten, Mitgliedskonten zu schließen oder Inhalte zu entfernen oder zu verändern, wenn Sie gegen anwendbare Gesetze, diese Nutzungsbedingungen oder andere anwendbare Vertragsbedingungen verstoßen.“
Auf der Grundlage dieser Klausel informierte der Online-Händler einen Kunden darüber, dass aufgrund der Überschreitung der üblichen Retourenzahl keine weitere Bestellung mehr entgegengenommen und das Kundenkonto geschlossen werde. Der Kunde machte geltend, nach Schließung des Kundenkontos nicht mehr auf sämtliche digitale Inhalte (wie E-Books und Hörbücher) zugreifen zu können. Die Verbraucherschutzzentrale Nordrhein-Westfalen erhob daher Klage gegen den Online-Händler, um die Klausel für unwirksam erklären zu lassen.
In der ersten Instanz hielt das LG Köln die Klausel unter zwei Gesichtspunkten für unwirksam. Zum einen sei die Klausel intransparent. Sie bestimme nicht hinreichend genau, unter welchen Voraussetzungen dem Online-Händler ein Kündigungsrecht zustehe. Zum anderen sei es unzulässig, dass Kunden nach einer entsprechenden Kündigung auf bereits erworbene digitale Inhalte nicht mehr zugreifen können. Das OLG Köln ließ indes offen, ob die Klausel wegen fehlender Transparenz unwirksam sei. Die Klausel sei aber jedenfalls deshalb unwirksam, weil sie dem Verwender die Möglichkeit gebe, bereits zuvor durch den Kunden erworbene Inhalte zu sperren. Die Möglichkeit, entgeltlich erworbene Nutzungsrechte jederzeit wieder entziehen zu können, stelle eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar.
Die Entscheidung des OLG Köln betrifft insbesondere Online-Händler, die Kunden über deren Kundenkonto die Möglichkeit bieten, digitale Leistungen in Anspruch zu nehmen. Daneben mahnt das Urteil Online-Händler aber auch unter einem anderen Gesichtspunkt zur Vorsicht: Eine AGB-Klausel, die unter bestimmten Voraussetzungen den Ausschluss eines Kunden von weiteren Geschäftsabschlüssen vorsieht, sollte so transparent wie möglich ausgestaltet werden. Wenn die Klausel so klar und deutlich formuliert ist, dass der Kunde problemlos nachvollziehen kann, unter welchen Umständen der Online-Händler künftige Vertragsabschlüsse verweigern darf, wird die Klausel als wirksam anzusehen sein.
Wichtig ist aber auch: Der Grundsatz, dass Online-Händler einen Vertragsschluss mit einem Hoch-Retournierer grundsätzlich verweigern dürfen, wird durch die Entscheidung des OLG Köln nicht in Frage gestellt.
Dr. Christoph von Burgsdorff, LL.M. (Essex)
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BGH, Urteil vom 15. Juni 2016 – VIII ZR 134/15
Nach der gesetzlichen Regelung (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Nach § 434 Abs. 1 BGB ist die Kaufsache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
Nach der gesetzlichen Regelung (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) hat der Verkäufer dem Käufer die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Nach § 434 Abs. 1 BGB ist die Kaufsache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Soweit die Beschaffenheit nicht vereinbart ist, ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, sonst wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann.
Zu der Beschaffenheit in diesem Sinne gehören auch Eigenschaften, die der Käufer nach den öffentlichen Äußerungen des Verkäufers, des Herstellers oder seines Gehilfen insbesondere in der Werbung oder bei der Kennzeichnung über bestimmte Eigenschaften der Sache erwarten kann, es sei denn, dass der Verkäufer die Äußerung nicht kannte und auch nicht kennen musste, dass sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in gleichwertiger Weise berichtigt war oder dass sie die Kau-fentscheidung nicht beeinflussen konnte.
In einer am 15. Juni 2016 verkündeten Entscheidung hat der BGH sich mit der Frage befasst, ob beim Kauf eines Gebrauchtwagens das Fehlen einer nach den Angaben des Verkäufers noch laufenden Herstellergarantie einen Sachmangel darstellt, der den Käufer zum Rücktritt berechtigen kann.
In dem entschiedenen Fall hatte der Kläger von dem beklagten Kraftfahrzeughändler einen Gebrauchtwagen gekauft. Der Beklagte hatte den Wagen zuvor auf einer Internetplattform zum Verkauf angeboten und dort mit einer noch mehr als ein Jahr laufenden Herstellergarantie beworben. Kurz nach dem Kauf mussten an dem Fahrzeug infolge von Motorproblemen Reparaturen durchgeführt werden. Diese blieben für den Kläger aufgrund der Herstellergarantie zunächst kostenfrei. Später verweigerte der Hersteller weitere Garantieleistungen jedoch mit der Begründung, im Rahmen einer Motoranalyse seien Anzeichen für eine Manipulation des Kilometerstandes – vor Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger – festgestellt worden. Die Kosten der bereits durchgeführten Reparaturleistungen und des während der letzten Reparatur zur Verfügung gestellten Ersatzfahrzeugs wurden dem Kläger nun teilweise in Rechnung gestellt. Der Kläger trat daraufhin wegen der fehlenden Herstellergarantie vom Kaufvertrag zurück und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises sowie den Ersatz ihm entstandener Aufwendungen.
Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Landgericht und das Oberlandesgericht haben die Auffassung vertreten, es handele sich bei der Herstellergarantie nicht um ein Beschaffenheitsmerkmal des Kraftfahrzeugs, sondern lediglich um eine rechtliche Beziehung außerhalb der Kaufsache, nämlich zwischen Hersteller und Fahrzeughalter. Deshalb könne das Fehlen einer solchen Garantie, auch wenn sie vom Verkäufer zugesagt oder beworben worden sei, von vornherein nicht einen für den Rücktritt erforderlichen Sachmangel im Sinne von § 433 Abs. 1 Satz 2 BGB begründen. Mit der vom BGH zugelassenen Revision hat der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgt.
Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Nach der Entscheidung des BGH gelte – entgegen der Auffassung der Vorinstanzen – seit der im Jahre 2001 erfolgten Modernisierung des Schuldrechts ein wesentlich weiterer Beschaffenheitsbegriff als vorher. Das Bestehen einer Herstellergarantie stelle daher für ein Kraftfahrzeug ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache nach allen Tatbestandsvarianten des § 434 Abs. 1 BGB dar. Seit der Schuldrechtsmodernisierung hatte der BGH bereits mehrfach entschieden, dass als Beschaffenheitsmerkmale einer Kaufsache nicht nur die Faktoren anzusehen seien, die ihr selbst unmittelbar anhaften, sondern vielmehr auch all jene Beziehungen der Sache zur Umwelt, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Nach der nun vorliegenden Entscheidung erfülle das Bestehen einer Herstellergarantie für ein Kraftfahrzeug diese Voraussetzungen. Ihr komme beim Autokauf regelmäßig sogar ein erhebliches wirtschaftliches Gewicht zu. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen könne das Fehlen der beworbenen Herstellergarantie deshalb – bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des § 434 Abs. 1 BGB – auch im vorliegenden Fall einen Mangel des verkauften Gebrauchtwagens begründen und den Kläger zum Rücktritt berechtigen.
Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BGH einen jahrzehntelangen Meinungsstreit über das Vorliegen eines Sachmangels bei fehlenden Garantien oder abgekürzten Garantiefristen unter Aufgabe seiner Rechtsprechung zum alten Recht (vgl. Urteil vom 24. April 1996 – VIII ZR 114/95) beendet. Denn nach einer in Rechtsprechung und Schrifttum verbreiteten Auffassung sollten Umstände, die in keiner Weise mit dem physischen Zustand der Kaufsache zusammenhängen, auch nach der Schuldrechtsreform nicht zur Beschaffenheit der Sache gehören. Nicht zur Beschaffenheit der Kaufsache sollte danach namentlich das Bestehen einer Herstellergarantie bei Kraftfahrzeugen gehören, sofern die Herstellergarantie nicht von physischen Merkmalen abhängt.
Der BGH hat die Forderung nach einem Zusammenhang der zur Beschaffenheit zählenden Umweltbeziehungen mit den physischen Eigenschaften der Kaufsache aufgegeben und lässt stattdessen nunmehr all jene Beziehungen der Kaufsache zur Umwelt genügen, die nach der Verkehrsauffassung Einfluss auf die Wertschätzung der Sache haben. Das Bestehen einer wertbildenden Herstellergarantie stellt danach unabhängig von der Abhängigkeit der Herstellergarantie von physischen Merkmalen ein Beschaffenheitsmerkmal der Kaufsache dar.
Auch wenn die vorliegende Entscheidung eher vom Ergebnis als von der dogmatischen Begründung überzeugt, sollte der Handel sich darauf einstellen, dass die Instanzgerichte ihr folgen und das Fehlen einer nach den Angaben des Verkäufers noch laufenden Hersteller- oder Verkäufergarantie künftig in der Regel als einen den Käufer zum Rücktritt berechtigenden Sachmangel ansehen werden.
Dr. Hans-Peter Hufschlag
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Der Beitrag der Logistik zur Kosteneffizienz gewinnt stetig an Bedeutung. Immer mehr Unternehmen erkennen, dass in der lange Zeit nur als Unterstützungsfunktion wahrgenommenen Logistik ein Erfolgsfaktor von hoher strategischer Bedeutung liegt. Dies gilt für die Industrie gleicher Maßen wie für Handelsunternehmen.
Wie eingangs der vorherigen Urteilsbesprechung bereits ausgeführt, hat der Verkäufer dem Käufer nach der gesetzlichen Regelung (§ 433 Abs. 1 Satz 2 BGB) die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu verschaffen. Nach § 434 Abs. 1 BGB ist die Kaufsache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat.
Nach der Rechtsprechung des BGH entsprechen ein von einem Kraftfahrzeughändler als „fabrikneu“ verkauftes unbenutztes Kraftfahrzeug und ein als „Jahreswagen“ verkaufter Gebrauchtwagen regelmäßig nicht der vereinbarten Beschaffenheit, wenn zwischen der Herstellung und der Erstzulassung mehr als zwölf Monate liegen. Wie sich eine zwölf Monate überschreitende Standzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung des Fahrzeugs bei sonstigen Gebrauchtwagen auswirkt, war in der obergerichtlichen Rechtsprechung bislang streitig.
In einer am 29. Juni 2016 verkündeten Entscheidung hat der BGH sich mit der Frage befasst, ob ein zwei Jahre und vier Monate nach seiner Erstzulassung verkaufter Gebrauchtwagen mangelhaft ist, wenn das Fahrzeug zwischen Herstellung und Erstzulassung eine Standzeit von mehr als zwölf Monaten aufweist.
In dem entschiedenen Fall hatte der Kläger im Juni 2012 von dem beklagten Kraftfahrzeughändler einen Gebrauchtwagen mit einer Laufleistung von 38.616 km zu einem Preis von 33.430 EUR gekauft. Im Kaufvertragsformular war unter der Rubrik „Datum der Erstzulassung lt. Fzg.-Brief“ der 18. Februar 2010 eingetragen. Ein Baujahr wurde nicht genannt. Später erfuhr der Kläger, dass das Fahrzeug bereits am 1. Juli 2008 – also 19 ½ Monate vor dem Datum der Erstzulassung – hergestellt worden war. Der Kläger war der Ansicht, die sich hieraus ergebende Dauer der Standzeit vor Erstzulassung begründe schon für sich genommen einen Sachmangel des Kraftfahrzeugs. Er ist deshalb vom Kaufvertrag zurückgetreten und verlangte von dem Kraftfahrzeughändler die Rückzahlung des Kaufpreises.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die vom Oberlandesgericht zugelassene Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Der BGH hat entschieden, dass eine Standzeit von über zwölf Monaten vor Erstzulassung beim Gebrauchtwagenkauf nicht ohne Weiteres einen Sachmangel begründe.
Nach der Entscheidung des BGH hätten die Parteien durch die bloße Angabe des Datums der Erstzulassung im Kaufvertrag weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Beschaffenheitsvereinbarung über ein bestimmtes Herstellungsdatum oder Baujahr getroffen. Denn durch den einschränkenden Zusatz „lt. Fzg.-Brief“ habe die Beklagte keine verbindliche Willenserklärung abgegeben, sondern lediglich mitgeteilt, aus welcher Quelle sie die entsprechenden Angaben entnom-men hat (Wissensmitteilung). Die Beklagte habe damit deutlich gemacht, dass sie weder für die Richtigkeit des Erstzulassungsdatums noch – darüber hinausgehend – für ein bestimmtes Baujahr des Fahrzeugs einstehen wolle.
Der erworbene Gebrauchtwagen habe deshalb trotz einer Standzeit von 19 ½ Monaten zwischen Herstellung und Erstzulassung bei Gefahrübergang die bei einem Gebrauchtwagen übliche Beschaffenheit aufgewiesen, die der Kläger auch erwarten konnte. Die Frage, welche Beschaffenheit bei einem Gebrauchtwagen üblich ist, hänge regelmäßig von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, wie beispielsweise dem Alter (bzw. der Dauer der Zulassung zum Straßenverkehr) und der Laufleistung des Fahrzeugs, der Anzahl der Vorbesitzer und der Art der Vorbenutzung. Bei der Käufererwartung komme es auf die objektiv berechtigte Erwartung an, die sich in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte jedenfalls im Regelfall an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sachen orientiere. Nicht entscheidend sei indes, welche Beschaffenheit der Käufer tatsächlich erwarte und wie er auf eine hiervon abweichende Beschaffenheit reagiere.
Gemessen an diesen Maßstäben sei das Oberlandesgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der vom Kläger rund zwei Jahre und vier Monate nach seiner Erstzulassung erworbene Gebrauchtwagen trotz einer Standzeit von 19 ½ Monaten zwischen der Herstellung und der Erstzulassung bei Gefahrübergang die Beschaffenheit aufwies, die bei einem Gebrauchtwagen üblich ist und die der Kläger erwarten konnte. Der Käufer eines Gebrauchtfahrzeuges dürfe nicht generell erwarten, dass das Produktionsdatum höchstens zwölf Monate vor der Erstzulassung liegt und das Fahrzeug der zum Zeitpunkt der Erstzulassung aktuellen Modellreihe angehört. Soweit der Senat bei Neuwagen und „Jahreswagen“ im Rahmen einer zugesicherten Eigenschaft oder einer Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Höchststandzeit von zwölf Monaten zwischen Herstellung und Erstzulassung angesetzt habe, beruhe dies auf der an ein geringes Alter anknüpfenden Kennzeichnung der genannten Fahrzeuge. Bei (sonstigen) Gebrauchtwagen lägen solche besonderen Umstände jedoch regelmäßig nicht vor. Dass konkrete standzeitbedingte Mängel aufgetreten sind, habe der Kläger nicht geltend gemacht. Der Kaufvertrag sei daher nicht rückabzuwickeln.
Mit der vorliegenden Entscheidung hat der BGH den Meinungsstreit über das Vorliegen eines Sachmangels bei einer zwölf Monate überschreitenden Standzeit eines Gebrauchtwagens zwischen Herstellung und Erstzulassung beendet.
Offen gelassen hat der BGH indes, wie bei einem jungen Gebrauchtwagen oder generell zu entscheiden gewesen wäre, wenn die Standzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung länger gewesen wäre als die Dauer der Zulassung zum Straßenverkehr. Bei einem jungen Gebrauchtwagen, der nicht länger als 18 Monate zum Straßenverkehr zugelassen ist, wird sich die Erwartungshaltung des Käufers von der eines Käufers eines „Jahreswagens“ regelmäßig kaum unterscheiden. Ebenso wird der Käufer eines älteren Gebrauchtwagens regelmäßig erwarten, dass die Standzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung jedenfalls nicht länger gewesen ist als die Dauer der Zulassung zum Straßenverkehr. Solange eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs dazu aussteht, muss jedoch mit uneinheitlichen Entscheidungen der Instanzgerichte gerechnet werden.
Enttäuschte subjektive Erwartungen an die Kaufsache begründen aber jedenfalls nur dann einen Mangel der Kaufsache, wenn der Käufer sich diese durch eine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung vertraglich hat zusichern lassen.
Dr. Hans-Peter Hufschlag
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EuGH, Urteil vom 28. Juli 2016 – C-191/15
Der EuGH hatte sich in einem Urteil vom 28. Juli 2016 unter anderem mit der Frage zu beschäftigen, ob folgende in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines europaweit vertreibenden Online-Händlers enthaltene Rechtswahlklausel wirksam ist
Der EuGH hatte sich in einem Urteil vom 28. Juli 2016 unter anderem mit der Frage zu beschäftigen, ob folgende in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines europaweit vertreibenden Online-Händlers enthaltene Rechtswahlklausel wirksam ist:
„Es gilt luxemburgisches Recht unter Ausschluss des UN-Kaufrechts“.
Die Luxemburger Richter verneinten die Wirksamkeit dieser Klausel. Hintergrund ist Art. 6 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (sog. Rom I-VO). Danach besteht bei einem grenzüberschreitenden Vertrag zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher zwar grundsätzlich die Möglichkeit, das hierauf anwendbare Recht zu vereinbaren. Indes wird in der Vorschrift sogleich eine Einschränkung gemacht: Die Rechtswahl darf nämlich nicht dazu führen, dass dem Verbraucher der Schutz der in seinem Mitgliedstaat zwingenden Regelungen entzogen wird. Das heißt zunächst, dass zwingende Vorschriften des Verbraucherschutzes stets anwendbar sind, unabhängig von einer getroffenen Rechtswahl.
Darüber hinaus führt dies zur Unwirksamkeit entsprechender Rechtswahlklauseln insgesamt, jedenfalls unter der Voraussetzung, dass die vorbezeichnete Einschränkung nicht explizit vorgenommen wird („vorbehaltlich zwingender Vorschriften des Rechtes in dem Land, in dem sich der Verbraucher gewöhnlich aufhält“).
Und selbst mit einer entsprechenden Einschränkung kann eine wirksame Rechtswahl im Übrigen nicht garantiert werden. So mancher Richter wird sich in diesem Fall fragen, ob der Verbraucher überhaupt einschätzen kann, welche zwingenden Vorschriften dies denn sind. Wird diese Frage verneint, besteht die Gefahr der Intransparenz, was wiederum die Unwirksamkeit der Klausel nach dem AGB-rechtlichen Grundsatz der Transparenz (§ 307 Abs. 1 Satz 1 BGB) nach sich ziehen würde.
Das Urteil des EuGH bestätigt, dass AGB von Produzenten oder Händlern, die ihre Ware über Online-Shops unmittelbar an Verbraucher im europäischen Ausland vertreiben, an die zwingenden verbraucherschützenden Vorschriften der jeweiligen Ziel-Länder angepasst werden müssen. Gerade für solche Länder, in welchen ein verstärkter Absatz erfolgt, ist eine entsprechende Anpassung dringend zu empfehlen.
Eine vollständige Abänderung der AGB ist damit nicht verbunden. Denn für die Mitgliedstaaten der EU wurde mit der Verbrauchsgüterrichtlinie ein einheitliches Mindestschutzniveau geschaffen. Im Einzelnen ergeben sich jedoch Abweichungen, die entsprechend zu berücksichtigen sind. So hat beispielsweise Frankreich erst in diesem Jahr die auch in Deutschland geltende Frist von sechs Monaten, innerhalb derer dem Verbraucher Beweiserleichterungen im Falle der Lieferung mangelhafter Ware zugutekommen, auf insgesamt zwei Jahre verlängert. Dies bedeutet: Werden die deutschen AGB ohne jede Anpassung in Frankreich verwendet und sehen diese eine (gemäß dem deutschen Recht wirksame) sechsmonatige Umkehr der Beweislast vor, so ist diese Regelung in Frankreich unwirksam, da dort – wie ausgeführt – nunmehr eine zweijährige Beweislastumkehr zugunsten des Verbrauchers gilt.
Dr. Steffen Gaber, LL.M. (Sydney)
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Dr. Max Jakob Rösch, LL.M. (Exeter)
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EuGH, Urteil vom 7. April 2016 – C-315/14
Gemäß § 89b Abs. 1 S. 1 HGB kann ein Handelsvertreter von einem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen finanziellen Ausgleich verlangen, wenn und soweit (1.) der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit den Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und (2.) die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Die gesetzliche Regelung zielt dabei auf die Gewährleistung materialer Vertragsgerechtigkeit, in dem sie dem Handelsvertreter – auch für den Fall der Vertragsbeendigung – eine Teilhabe an dem durch ihn geschaffenen „goodwill“ des Unternehmers sichert.
Gemäß § 89b Abs. 1 S. 1 HGB kann ein Handelsvertreter von einem Unternehmer nach Beendigung des Vertragsverhältnisses einen angemessenen finanziellen Ausgleich verlangen, wenn und soweit (1.) der Unternehmer aus der Geschäftsverbindung mit den Kunden, die der Handelsvertreter geworben hat, auch nach Beendigung des Vertragsverhältnisses erhebliche Vorteile hat und (2.) die Zahlung eines Ausgleichs unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der dem Handelsvertreter aus Geschäften mit diesen Kunden entgehenden Provisionen, der Billigkeit entspricht. Die gesetzliche Regelung zielt dabei auf die Gewährleistung materialer Vertragsgerechtigkeit, in dem sie dem Handelsvertreter – auch für den Fall der Vertragsbeendigung – eine Teilhabe an dem durch ihn geschaffenen „goodwill“ des Unternehmers sichert.
Seinen Ursprung hat § 89b HGB in Art. 17 der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedsstaaten betreffend die selbständi-gen Handelsvertreter. Durch die sog. Handelsvertreterrichtlinie sollten die in den Mitgliedsstaaten für Handelsvertreter geltenden Vorschriften harmonisiert werden, um Beeinträchtigungen der Handelsvertreter in ihren Beziehungen zu ihren Unternehmern abzubauen sowie allgemein die Sicherheit im Handelsverkehr zu verbessern.
Bei der Frage, ob dem Handelsvertreter ein entsprechender Ausgleichsanspruch gegen den Unternehmer zusteht, knüpfen sowohl die nationale Regelung des § 89b HGB als auch Art. 17 der Handelsvertreterrichtlinie daran an, ob dem Unternehmer aus der vom Handelsvertreter vermittelten Geschäftsverbindung auch nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses Vorteile verbleiben. Maßgeblich sind hierbei in erster Linie die Geschäftsabschlüsse mit Kunden des Unternehmers, die vom Handelsvertreter neu geworben wurden.
Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Kunde des Unternehmers als „Neukunde“ in diesem Sinne zu qualifizieren ist, hatte sich der EuGH in dem der Entscheidung vom 7. April 2016 zugrundeliegenden Fall, der ihm vom deutschen Bundesgerichtshof im Rahmen eines sog. Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art. 267 AEUV zur Entscheidung vorgelegt worden war, zu befassen.
Die Klägerin war von September 2008 bis Juni 2009 als Handelsvertreterin für die Beklagte tätig. Diese betrieb einen Großhandel mit Brillengestellen verschiedener Kollektionen und veräußert diese an Optiker. Den für sie tätigen Handelsvertretern wies die Beklagte dabei nicht den Vertrieb ihrer gesamten Produktpalette, sondern lediglich bestimmter Brillenkollektionen zu.
Die Klägerin wurde mit dem Vertrieb der Brillenkollektionen der Marken A. und B. betraut. Sie stand dabei im Wettbewerb zu anderen Handelsvertretern der Beklagten, denen der Vertrieb anderer Brillenkollektionen übertragen worden war. Die Beklagte stellte der Klägerin eine Kundenliste mit Optikern zur Verfügung, die bereits andere, d.h. nicht die von der Klägerin betreuten, Brillenkollektionen bei der Beklagten erworben hatten. Im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Beklagte vermittelte die Klägerin überwiegend Geschäfte mit solchen Optikern.
Nach Beendigung des Handelsvertretervertrags machte die Klägerin gegen die Beklagte unter anderem einen Anspruch auf Handelsvertreterausgleich gemäß § 89b HGB geltend. Ihre Forderung begründete sie dabei damit, dass die von ihr für Geschäftsabschlüsse mit der Beklagten geworbenen Optiker, auch wenn diese bereits auf der ihr zu Beginn ihrer Handelsvertretertätigkeit überlassenen Kundenliste verzeichnet waren, als Neukunden anzusehen seien, weil sie erstmalig Brillen der Kollektionen A. und B. bezogen hätten.
Mit ihrer Klage hatte die Klägerin im Wesentlichen Erfolg. Das deutsche Landgericht sah auch diejenigen von der Klägerin geworbenen Kunden, die vorher bereits andere Kollektionen von der Beklagten erworben hatten, als Neukunden an. Es nahm jedoch einen Billigkeitsabschlag in Höhe von 50 % mit der Begründung vor, dem Handelsvertreter werde der Vertrieb wesentlich erleichtert, wenn der Kunde seinen Vertragspartner bereits kenne. Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil in der Folge vollumfänglich.
In dem auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten hin durchgeführten Revisionsverfahren setzte der Bundesgerichtsgerichtshof mit Beschluss vom 14. März 2014 (VII ZR 328/12) die Entscheidung über die Revision der Beklagten aus und legte dem EuGH folgende Frage zur Auslegung von Art. 17 der Handelsvertreterrichtlinie vor:
„Ist Art. 17 Abs. 2 Buchstabe a) erster Gedankenstrich dahin auszulegen, dass er der Anwendung einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach „neue Kunden“ auch solche vom Handelsvertreter geworbene Kunden sein können, die zwar bereits Geschäftsverbindungen mit dem Unternehmer wegen von ihm vertriebener Produkte aus einem Produktsortiment unterhalten, jedoch nicht wegen solcher Produkte, mit deren alleiniger Vermittlung der Unternehmer den Handelsvertreter beauftragt hat?“
Zur Begründung seines Aussetzungs- und Vorlagebeschlusses wies der Bundesgerichtshof dabei auf die Entscheidungserheblichkeit der dem EuGH vorgelegten Auslegungsfrage hin. Für die Entscheidung des Rechtsstreits sei nämlich maßgeblich, ob die von der Klägerin erstmals für die Brillenkollektionen A. und B. geworbenen, gleichwohl bereits zuvor mit der Beklagten in einer Geschäftsbeziehung stehenden, Kunden als „neue Kunden“ im Sinne des § 89b Abs. 1 S. 1 HGB angesehen werden können oder ob Art. 17 der Handelsvertreterrichtlinie einer derartigen Interpretation entgegenstehe.
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 7. April 2016 im Ergebnis die Rechtsauffassung der beiden vorinstanzlich mit dem Rechtsstreit befassten deutschen Gerichte bestätigt und die ihm vom Bundesgerichtshof vorlegte Frage zur Auslegung von Art. 17 der Handelsvertreterrichtlinie wie folgt beantwortet:
„Art. 17 Abs. 2 Buchst. a erster Gedankenstrich der Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter ist dahin auszulegen, dass die von einem Handelsvertreter für Waren geworbenen Kunden, mit deren Vertrieb ihn der Unternehmer beauftragt hat, auch dann als neue Kunden im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind, wenn sie bereits wegen anderer Waren Geschäftsverbindungen mit dem Unternehmer unterhielten, sofern der Verkauf der erstgenannten Waren durch diesen Handelsvertreter die Begründung einer speziellen Geschäftsverbindung erfordert hat, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.“
Im Rahmen der Begründung seiner Entscheidung setzt sich der EuGH zunächst mit dem Wortlaut von Art. 17 der Handelsvertreterrichtlinie auseinander und stellt insoweit fest, dass der Wortlaut, da dort zwischen neuen Kunden und vorhandenen Kunden unterschieden wird, durchaus nahelege, dass als neue Kunden nur diejenigen Kunden anzusehen seien, mit denen der Unternehmer bis zur Einschaltung des Handelsvertreters ganz allgemein keine Geschäftsverbindungen unterhalten habe. Allerdings, so der EuGH, lasse sich allein anhand des Wortlauts letztlich nicht mit Sicherheit feststellen, ob die Eigenschaft als „neuer“ oder als „vorhandener“ Kunde in Bezug auf die gesamte Produktpalette des Unternehmers oder in Bezug auf bestimmte Waren zu beurteilen sei. Aus diesem Grunde, so der EuGH weiter, müsse Art. 17 der Handelsvertreterrichtlinie auch unter Berücksichtigung des Kontexts, in dem diese Bestimmung stehe, sowie den Zielen, die mit der Handelsvertreterrichtlinie verfolgt werden, ausgelegt werden.
Sodann befasst sich der EuGH eingehend mit dem Kontext, in dem Art. 17 der Handelsvertreterrichtlinie steht, sowie mit den Zielen, die mit der Handelsvertreterrichtlinie verfolgt werden. Hierbei gelangt der EuGH zum einen zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand der Tätigkeit des Handelsvertreters maßgeblich vom Wortlaut des den Handelsvertreter mit dem Unternehmer verbindenden Vertrags und insbesondere von der Vereinbarung der Parteien hinsichtlich der Waren abhängt, die der Unternehmer mit Hilfe des Handelsvertreters absetzen möchte. Zum anderen stellt der EuGH klar, dass die Handelsvertreterrichtlinie allgemein die Interessen des Handelsvertreters gegenüber dem Unternehmer schützen soll, wobei Art. 17 der Handelsvertreterrichtlinie eine entscheidende Bedeutung zukommt. Art. 17 der Handelsvertreterrichtlinie sei folglich in einem Sinne auszulegen, der zu diesem Schutz des Handelsvertreters beiträgt und folglich seine Verdienste beim Zustandekommen der ihm anvertrauten Geschäfte vollständig berücksichtigt. Der Begriff „neuer Kunde“ im Sinne dieser Bestimmung dürfe daher nicht eng ausgelegt werden.
Im Hinblick auf den konkreten Rechtsstreit stellt der EuGH abschließend fest, dass in einer derartigen Konstellation, in der der Handelsvertreter nach dem Wortlaut seines Handelsvertretervertrags mit der Vermittlung des Verkaufs nur eines Teils der Warenpalette des Unternehmers betraut wurde, der Umstand, dass eine Person mit dem Unternehmer bereits wegen anderer Waren eine Geschäftsverbindungen unterhielt, nicht ausschließe, dass diese Person als vom Handelsvertreter geworbener neuer Kunde angesehen werden kann, sofern es dem Handelsvertreter durch seine Bemühungen gelungen sei, eine Geschäftsverbindung zwischen dieser Person und dem Unternehmer in Bezug auf die Waren zu begründen, mit deren Vertrieb er beauftragt wurde. Vielmehr, so der EuGH, können Umstände wie die in Rede stehenden, in denen das Warenangebot des Unternehmers nach verschiedenen Marken unterteilt ist und jeder seiner Handelsvertreter mit der Absatzvermittlung nur einer oder einiger dieser Marken betraut ist, darauf hindeuten, dass – was indes der Bundesgerichtshof im Einzelnen zu prüfen hat – diese Handelsvertreter mit jedem Kunden eine für die Marken, für die sie beauftragt sind, spezifische Geschäftsverbindung begründen sollen.
Das Urteil des EuGH überzeugt sowohl in Bezug auf sein Ergebnis als auch mit Blick auf seine Begründung.
Es sprechen stichhaltige Argumente für die von den beiden Vorinstanzen in Deutschland und nunmehr auch vom EuGH vertretene Auslegung des Begriffs „Neukunde“ im Rahmen des Art. 17 der Handelsvertreterrichtlinie. Vertraut nämlich der Unternehmer dem Handelsvertreter nur einzelne Produkte seines Gesamtsortiments zum Vertrieb an, gibt er damit zu erkennen, dass Geschäftsverbindungen für jedes dieser Produkte geschaffen werden müssen und dies gesonderte Verkaufsbemühungen erfordert. Daran muss sich der Unternehmer festhalten lassen, wenn der Handelsvertreter für das ihm zugewiesene Produktsegment Kunden gewinnt, auch wenn diese bereits zuvor andere, ihm nicht zum Vertrieb übertragene Produkte des Unternehmers erworben hatten.
Für die Praxis bedeutet die Entscheidung des EuGH die verbindliche Klärung einer bedeutsamen Frage im Rahmen des Handelsvertreterrechts. Sie führt zu einer größeren Rechtssicherheit für die Marktakteure, obgleich die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits letztlich noch dem Bundesgerichtshof obliegt.
Benjamin Schwenker
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BGH, Urteil vom 13. Juli 2016 – VIII ZR 49/15
Ist eine Kaufsache mangelhaft, stehen dem Käufer diverse Mängelrechte zu: Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung, Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen. Der Käufer muss dem Verkäufer grundsätzlich eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen, bevor er von seinen weitergehenden Rechten Gebrauch machen darf. Doch was macht eine Fristsetzung zu einer „Fristsetzung“? In seiner hier vorgestellten Entscheidung vom 13. Juli 2016 hat sich der BGH er-neut mit der Frage befasst, welche Anforderungen an die Fristsetzung zur Nacherfüllung zu stellen sind.
Ist eine Kaufsache mangelhaft, stehen dem Käufer diverse Mängelrechte zu: Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung, Schadensersatz oder Ersatz vergeblicher Aufwendungen. Der Käufer muss dem Verkäufer grundsätzlich eine angemessene Frist zur Nacherfüllung setzen, bevor er von seinen weitergehenden Rechten Gebrauch machen darf. Doch was macht eine Fristsetzung zu einer „Fristsetzung“? In seiner hier vorgestellten Entscheidung vom 13. Juli 2016 hat sich der BGH er-neut mit der Frage befasst, welche Anforderungen an die Fristsetzung zur Nacherfüllung zu stellen sind.
Die Klägerin hatte bei der Beklagten, die ein Küchenstudio betreibt, eine Einbauküche zum Gesamtpreis von rund 83.000 EUR bestellt. Nachdem die Küche Anfang des Jahres 2009 bei der Klägerin verbaut worden war, stellte sich heraus, dass die wichtigsten Bereiche der Einbauküche nicht oder nur bedingt funktionierten. In einem Gespräch um den 1. Februar 2009 beanstandete der Ehemann der Klägerin gegenüber dem Inhaber der Beklagten diverse Mängel und verlangte – so der Vortrag der Klägerin – „unverzügliche“ Beseitigung der gerügten Mängel.
In der Folgezeit zeigten sich weitere Mängel der Einbauküche. Diese rügte die Klägerin mit E-Mail vom 16. Februar 2009 und äußerte die Bitte „um schnelle Behebung“. Mit einem weiteren Schreiben vom 11. März 2009 listete die Klägerin alle ihr bekannten Mängel auf und verlangte, diese bis zum 27. März 2009 zu beheben. Die Klägerin behauptet, daraufhin habe der Inhaber der Beklagten in einem wenige Tage später geführten Telefonat versprochen, die Küche werde bis zum 23. März 2009 „fix und fertig“ gestellt.
In einer Besprechung am 24. März 2009 erklärte der Inhaber der Beklagten seine Bereitschaft, die Mängel bis zum 20. April 2009 zu beheben. Dies lehnte die Klägerin ab und verwies auf die von ihr bis zum 27. März 2009 gesetzte Frist. Das Vertrauen in die Beklagte sei erschöpft, weiteres Zuwarten komme nicht in Betracht. Die Beklagte beseitigte die Mängel nicht. Die Klägerin erklärte mit Anwaltsschreiben vom 31. März 2009 den Rücktritt vom Vertrag. Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Rückabwicklung des Vertrags und Schadensersatz.
Das Berufungsgericht hatte die Klage zurückgewiesen, weil die Klägerin der Beklagten keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt habe. Es sei der Klägerin auch nicht unzumutbar gewesen, Nacherfüllung unter angemessener Fristsetzung zu verlangen. Der BGH hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben, da der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden könnten.
In seiner Entscheidung erläutert der BGH zunächst, dass auf die Vereinbarung der Parteien über die Lieferung und Montage der Einbauküche die Vorschriften über den Kauf anzuwenden seien. Dies ergebe sich aus § 651 Satz 1 BGB, der regelt, dass auf einen Vertrag, der die Lieferung oder Herstellung zu erzeugender beweglicher Sachen zum Gegenstand hat, die Vorschriften über den Kauf Anwendung finden. Der BGH erläutert, die vereinbarten Montageleistungen seien von unter-geordneter Bedeutung und bildeten nicht den Schwerpunkt des Vertrags.
Der BGH stellt unter Verweis auf die bisherige Rechtsprechung des Senats heraus, dass es im Hinblick auf den Wortlaut der §§ 323 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB sowie den Sinn und Zweck der Fristsetzung zur Nacherfüllung genüge, wenn der Gläubiger durch das Verlangen nach sofortiger, unverzüglicher oder umgehender Leistung oder durch vergleichbare Formulierungen deutlich mache, dass dem Schuldner für die Erfüllung nur ein begrenzter (bestimmbarer) Zeitraum zur Verfügung stehe. Der Angabe eines bestimmten Zeitraums oder eines bestimmten (End-) Termins bedürfe es nicht. Dem entsprechend lässt der BGH in der aktuellen Entscheidung genügen, dass die Klägerin nur eine Bitte um „schnelle Behebung“ geäußert habe. Wörtlich habe die Klägerin nach umfangreicher Darstellung diverser Mängel erklärt: „Ich bitte – sicherlich verständlich – schon jetzt um eine schnelle Behebung der Mängel, damit ich die Küche in ihrer geplanten einwandfreien Funktionsweise auch vollständig in Betrieb nehmen kann.“ Mit dieser Formulierung werde dem beklagten Verkäufer eine zeitliche Grenze gesetzt, die aufgrund der jeweiligen Umstände des Einzelfalls bestimmbar sei, und ihm vor Augen führe, dass er die Nachbesserung nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt bewirken dürfe.
Der BGH stellt klar, dass die Ernsthaftigkeit des Nacherfüllungsverlangens nicht durch Relativierungen wie die Äußerung eines bloßen Wunsches oder einer höflichen Bitte in Zweifel gezogen werden dürfe. Dies könne in Ausnahmefällen dazu führen, dass der Schuldner keine Veranlassung habe, mit Rechtsfolgen zu rechnen. Im vorliegenden Fall hat der BGH keinerlei Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Nachbesserungsverlangens. Zwischen dem Zugang der E-Mail vom 16. Februar 2009 und dem Rücktritt vom 31. März 2009 lagen sechs Wochen. Diesen Zeitraum hielt der BGH im vorliegenden Fall für eine angemessene Frist zur Nachbesserung.
Ergänzend erläutert der BGH, dass die von der Klägerin mit Schreiben vom 11. März 2009 gesetzte – zu kurz bemessene – Frist bis zum 27. März 2009, die Wirksamkeit der Fristsetzung vom 16. Februar 2009 nicht berühre, da der Rücktritt erst am 31. März 2009 erklärt worden sei. Eine zu kurz gesetzte Frist zur Nacherfüllung hindere – so ständige Rechtsprechung – den Lauf einer angemessenen Frist nicht. Hinsichtlich der von der Klägerin behaupteten Mängelrügen ihres Ehemanns um den 1. Februar 2009 habe das Berufungsgericht entgegen der Grundsätze der Senatsrechtsprechung außer Acht gelassen, dass die Klägerin unter Beweis gestellt habe, dass der Ehemann „unverzügliche“ bzw. „sofortige“ Abhilfe verlangt habe.
Auch auf die infolge der Fristsetzung der Klägerin bis zum 27. März 2009 mit E-Mail vom 11. März 2009 nach Behauptung der Klägerin getätigte Äußerung des Beklagten, die Einbauküche werde bis zum 23. März 2009 „fix und fertig“ gestellt, geht der BGH ein. Der Gläubiger dürfe eine vom Schuldner selbst vorgeschlagene Frist als angemessen ansehen, auch wenn sie objektiv zu kurz sei. Zu beachten seien die Grenzen des § 475 Absatz 1 BGB, also im Bereich des Verbrauchsgüterkaufs.
Die Frage, ob eine zur Nacherfüllung gesetzte Frist den gesetzlichen Vorgaben genügt, stellt sich in der Praxis immer wieder, wenn es um die Prüfung der Voraussetzungen von Schadensersatzansprüchen oder der Berechtigung zum Rücktritt oder zur Minderung geht. Insofern ist die vorliegende Entscheidung von hoher praktischer Relevanz. Allerdings ist unseres Erachtens Vorsicht geboten, und zwar in doppelter Hinsicht:
Einerseits sollten Verkäufer auch eine überaus höflich formulierte Bitte oder eine eher umgangssprachliche Aufforderung ihrer Kunden, (berechtigte) Mängel zu beheben, Ernst nehmen. So ließ der BGH im vergangenen Jahr (Urteil vom 18. März 2015 – VIII ZR 176/14) etwa die Erklärung „Entweder wird das Pferd ausgetauscht oder wir gehen rechtlich gegen Euch vor.“ als Fristsetzung genügen. Andererseits bleibt Käufern nach wie vor zu empfehlen, eine Aufforderung zur Nacherfüllung (Beseitigung des Mangels oder Lieferung einer mangelfreien Sache) eindeutig als solche zu bezeichnen und dem Verkäufer hierzu eine angemessene Frist zu setzen. Rechtssicherheit lässt sich anders nicht erlangen – wenn auch diese Aufforderung durchaus höflich formuliert werden darf.
Dr. Maresa Hormes
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Ausschluss des Ausgleichsanspruchs eines im EU-Ausland tätigen Vertragshändlers
BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 – VII ZR 102/15
Anders als das Recht des Handelsvertreters ist das Recht des Vertragshändlers innerhalb der EU nicht einheitlich geregelt. In einigen Ländern gibt es spezielle Vorschriften, die Vertragshändler schützen sollen, in anderen Ländern werden die Vorschriften des Handelsvertreterrechts analog angewendet und in einigen EU-Staaten gibt es keinerlei Besonderheiten, die dem Vertragshändler zugutekommen. In Deutschland werden die Vorschriften des Handelsvertreterrechts, namentlich die §§ 84 ff. HGB, nur unter gewissen Voraussetzungen analog auf den Vertragshändler angewandt. Insbesondere der Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Vertragsverhältnisses gemäß § 89b HGB ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen.
Anders als das Recht des Handelsvertreters ist das Recht des Vertragshändlers innerhalb der EU nicht einheitlich geregelt. In einigen Ländern gibt es spezielle Vorschriften, die Vertragshändler schützen sollen, in anderen Ländern werden die Vorschriften des Handelsvertreterrechts analog angewendet und in einigen EU-Staaten gibt es keinerlei Besonderheiten, die dem Vertragshändler zugutekommen. In Deutschland werden die Vorschriften des Handelsvertreterrechts, namentlich die §§ 84 ff. HGB, nur unter gewissen Voraussetzungen analog auf den Vertragshändler angewandt. Insbesondere der Ausgleichsanspruch bei Beendigung des Vertragsverhältnisses gemäß § 89b HGB ist immer wieder Gegenstand von Diskussionen.
Bereits die Anwendbarkeit der Vorschriften des Handelsvertreterrechts auf den Vertragshändler ist umstritten. Die Beurteilung variiert indes von Vorschrift zu Vorschrift. Nach ständiger Rechtsprechung ist beispielsweise eine analoge Anwendung des § 89b HGB möglich, wenn der Vertragshändler in die Absatzorganisation des Herstellers eingebunden wird und seinen Kundenstamm an den Hersteller zu übermitteln hat. Sind diese Voraussetzungen nicht gegeben, besteht also nur ein Käufer-Verkäufer-Verhältnis zwischen Vertragshändler und Hersteller, sind die Vorschriften nicht anwendbar.
Der Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters – bei analoger Anwendung auch der des Vertragshändlers – stellt eine erhebliche finanzielle Belastung für den Hersteller dar. Aus diesem Grund scheint es zunächst reizvoll, diesen bereits bei Vertragsschluss auszuschließen. Um dies zu verhindern und so den Handelsvertreter zu schützen, untersagt das deutsche Handelsvertreterrecht den Ausschluss des Ausgleichsanspruchs im Voraus. Nur dann, wenn der Handelsvertreter nicht im EWR tätig ist, kann gemäß § 92c HGB von diesem Grundsatz abgewichen werden.
In welchem Ausmaß auch dem Vertragshändler dieser Schutz zukommt, ist fraglich. Ist der Vertragshändler innerhalb Deutschlands (bei Anwendbarkeit des deutschen Rechts) tätig, ist es herrschende Meinung, dass ein Ausschluss nicht möglich ist. Dies ergibt sich aus der analogen Anwendung von § 89b HGB und insbesondere dessen Absatz 4. Ist der Vertragshändler außerhalb des EWR tätig, ist ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs unstreitig auch im Voraus möglich. Umstritten war bislang jedoch, was für den innerhalb des EWR tätigen Vertragshändler gilt.
In der Praxis ist es durchaus üblich, den Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers auszuschließen, wenn und soweit dieser im Ausland tätig ist. Ob dies gegenüber einem im Ausland, aber im Bereich des EWR tätigen Vertragshändler möglich ist, beschäftigte jüngst auch den BGH. Der BGH hat dabei die Anwendbarkeit der Handelsvertretervorschriften auf den Vertragshändler erheblich ausgeweitet. Die Entscheidung ist damit von wesentlichem Interesse für alle Vertragsparteien, egal ob Hersteller, Zulieferer oder Vertragshändler.
Zu der Frage des Anspruchsausschlusses hat der BGH in der Entscheidung vom 25. Februar 2016 deutlich Stellung bezogen. Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine als Vertragshändler in Skandinavien und dem Baltikum tätige Kapitalgesellschaft machte einen Anspruch auf Ausgleich gegen die in Deutschland ansässige Beklagte geltend. Der Vertragshändlervertrag beinhaltete einen Ausschluss von Ausgleichszahlungen, die aus der Beendigung des Vertrages resultieren, sowie die Vereinbarung des deutschen Rechts.
Der BGH stellte fest, dass § 89b HGB und damit auch § 89b Abs. 4 HGB nach ständiger Rechtsprechung analog auf den Vertragshändler anwendbar seien. Fraglich war allerdings bislang, ob das Verbot des Ausgleichsausschlusses den territorialen Grenzen des § 92c HGB unterliegt oder ob das gesetzliche Verbot des Ausgleichsausschlusses nur bei Inlandsfällen zu beachten ist. Der BGH entschied sich für eine Anwendung der territorialen Grenzen des § 92c HGB und damit für ein Verbot des Ausgleichsausschlusses für im EWR-Ausland tätige Vertragshändler. Laut BGH sei dies schon unter dem „Gesichtspunkt der ausgleichsrechtlichen Gleichbehandlung von Handelsvertretern und Vertragshändlern“ zu berücksichtigen. Ferner sei dieser Gleichlauf schon seit dem Jahr 1958 ständige Praxis. Der Gesetzgeber habe trotzdem bei Gesetzesänderungen des Handelsvertreterrechts keine Andeutungen gemacht, diese Praxis ändern zu wollen und den Vertragshändler aus dem Anwendungsbereich – auch des § 92c HGB – auszuklammern. Ferner zeige die Gleichbehandlung aller Handelsvertreter im deutschen Recht (unabhängig davon, ob diese Waren oder Dienstleistungen vermitteln), dass der Gesetzgeber
eine Anwendung der Handelsvertretervorschriften über den Regelungsbereich der maßgeblichen Richtlinie 86/653/EWG des Rates vom 18. Dezember 1986 zur Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten betreffend die selbständigen Handelsvertreter (Handelsvertreterrichtlinie) hinaus anstrebe. Darüber hinaus gebe es auf europarechtlicher Ebene keine erkennbaren Gründe, einen Gleichlauf zu verneinen. Eine Ungleichbehandlung von Vertragshändlern aus verschiedenen Ländern sei nicht zu befürchten. Die fehlende europarechtliche Vereinheitlichung der Vorschriften würde durch die Möglichkeit der Rechtswahl gemäß der Rom-I-Verordnung relativiert. Aus diesen Gründen sei der Ausgleichsausschluss weder bei einem Vertragshändler noch bei einem Handelsvertreter möglich, sofern dieser im EWR-Ausland tätig ist.
Eine Vorabentscheidung durch den EuGH hat der BGH nicht beantragt. Der BGH hat dies damit begründet, dass der Vertragshändler nicht in den Anwendungsbereich der Handelsvertreterrichtlinie falle und damit allein deutsches Recht maßgeblich sei.
Auch wenn der Argumentation des BGH nicht vorbehaltslos beigepflichtet werden kann, hat die Entscheidung erhebliche Auswirkungen auf die gängige Vertragshändler-Praxis. In einer Vielzahl von Vertragshändlerverträgen findet sich ein Ausschluss des Ausgleichsanspruchs für den Fall, dass der Vertragshändler im EWR-Ausland tätig ist. Diese gängige Praxis ist nun aufgrund der Entscheidung des BGH nicht länger zulässig. Sollte deutsches Recht anwendbar sein, besteht mit der Entscheidung des BGH ein Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers, auch wenn die Parteien etwas anderes vereinbart haben. Um einen Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers auch in Zukunft zu vermeiden, bieten sich im Rahmen der Vertragsgestaltung verschiedene Optionen an.
Zunächst besteht die Möglichkeit, ein anderes Recht als das deutsche zu wählen. Das deutsche Vertragshändlerrecht ist – anders als in den meisten anderen Staaten des EWR – sehr weitreichend. In einigen Ländern, wie etwa Österreich, Spanien oder Griechenland wird der Ausgleich nach dortigem Recht nur Vertragshändlern zugesprochen, die auch dort tätig sind. In einer Vielzahl der Länder des EWR indes gibt es keine entsprechenden Ausgleichsbestimmungen für Vertrags-händler. Dazu zählen beispielsweise Frankreich, Italien, England, Dänemark, Schweden und die Niederlande. Würden die Vertragsparteien das Recht eines dieser Staaten vereinbaren, wäre ein Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers ausgeschlossen, oder zumindest ausschließbar. Allerdings ist bei der Rechtswahl Vorsicht geboten. Der gesamte Vertrag unterfiele dann diesem Recht. Sofern sich die Parteien in diesem Recht nicht auskennen, sollten sie sich zumindest ausreichend darüber kundig machen, um unangenehmen Überraschungen zu entgehen.
Eine weitere Möglichkeit, um den Ausgleichsanspruch zu verhindern, wäre die Vermeidung der vom BGH bestimmten Analogievoraussetzungen. Zum einen könnte der Vertragshändlervertrag so gestaltet werden, dass der Vertragshändler nicht in die Vertriebsstruktur des Herstellers/Zulieferers eingebunden wird. Zum anderen wäre es denkbar, von der Pflicht des Vertragshändlers zur Übermittlung des Kundenstammes abzusehen. Auf diese Weise würde eine Analogie ausscheiden und demnach kein Ausgleichsanspruch bestehen. Zum selben Ergebnis würde eine Vereinbarung führen, nach der der Vertragshändler die Kundendaten zwar während der Vertragslaufzeit übermitteln muss, der Hersteller aber verpflichtet ist, diese Daten nach Beendigung des Vertrages zu löschen. Auf diese Weise könnten die Kundendaten zumindest genutzt werden, solange der Vertrag besteht.
Insbesondere bei bestehenden Vertragsverhältnissen kann die Rechtsprechung des BGH zu Problemen führen. Klauseln in bestehenden Verträgen, die den Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers ausschließen, sind nicht länger wirksam. Hersteller sollten, um ihre Interessen zu wahren, versuchen, den Vertragshändler zu einer der zuvor genannten Vertragsanpassungen zu bewegen. Nur so kann vermieden werden, dass bei Beendigung des Vertrages ein Ausgleichsanspruch entsteht.
Auf Vertragshändler, die Außerhalb des EWR-Gebiets tätig sind, hat die Entscheidung des BGH keinen Einfluss. Verträge, die eine solche Situation zum Gegenstand haben, können weiterhin einen Ausschluss des Ausgleichsanspruchs enthalten.
Die Entscheidung des BGH hat erhebliche Auswirkungen auf eine Vielzahl von Verträgen. Zwar werden Vertragshändler, die im Inland oder außerhalb des EWR tätig sind, nicht beeinflusst. Sobald der Vertragshändler aber innerhalb des EWR tätig ist und das deutsche Recht Anwendung findet, sind die deutschen Vorschriften zum Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters einschlägig. Danach kann ein solcher Ausgleichsanspruch nicht ausgeschlossen werden. Das deutsche Recht als Vertragsstatut ist für Hersteller, die ihren Vertrieb mittels Vertragshändler organisieren, durch die Entscheidung des BGH erheblich unattraktiver geworden. Eine Rechtswahl hin zu einem anderen Recht ist für viele die einfachste Möglichkeit, einen Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers zu vermeiden. Eine unüberlegte Rechtswahl kann aber auch erhebliche Risiken bergen. Auch andere Gestaltungen, die gewählt werden, um einen Ausgleichsanspruch des Vertragshändlers auszuschließen, bedürfen sorgfältiger Prüfung. So mag ein Verzicht auf die Kundendaten zwar den Ausgleichsanspruch ausschließen, andrerseits entfällt dadurch im Gegenzug die Möglichkeit, nach Beendigung des Vertrages auf diese Kundendaten zurückzugreifen. Es bleibt abzuwarten, wie die Praxis diese neue Rechtslage adaptiert.
Dr. Christoph von Burgsdorff, LL.M. (Essex)
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