17.04.2018
Der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte („EGMR“) schärft in zwei aktuellen Entscheidungen die Anforderungen an die Einsichtnahme in E-Mails und Daten von Arbeitnehmern: Neben einer vorherigen, vollumfänglichen Information der Betroffenen legt der Gerichtshof besonderes Augenmerk auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, insbesondere Anlass, Umfang und Dauer derselben. Außerdem sei relevant, wie klar entsprechende Dateien als „privat“ gekennzeichnet seien. Für Unternehmen wird es darauf ankommen, diese Vorgaben durch möglichst rechtssichere Regelungen in die Praxis umzusetzen.
Der Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte („EGMR“) schärft in zwei aktuellen Entscheidungen die Anforderungen an die Einsichtnahme in E-Mails und Daten von Arbeitnehmern: Neben einer vorherigen, vollumfänglichen Information der Betroffenen legt der Gerichtshof besonderes Augenmerk auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme, insbesondere Anlass, Umfang und Dauer derselben. Außerdem sei relevant, wie klar entsprechende Dateien als „privat“ gekennzeichnet seien. Für Unternehmen wird es darauf ankommen, diese Vorgaben durch möglichst rechtssichere Regelungen in die Praxis umzusetzen.
Der EGMR befasste sich zuletzt gleich mehrfach mit etwaigen Verletzungen der Privatsphäre i.S.d. Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention ("EMRK") aufgrund der Überwachung von oder Einsichtnahme in elektronische Kommunikation.
Zunächst musste sich der Gerichtshof (Urteil vom 5.September 2017 - 61496/08) mit der Kündigung eines rumänischen Arbeitnehmers befassen, der trotz Verbots der privaten Nutzung über den dienstlichen Account eines Messengers mit Freunden und Angehörigen kommunizierte. Der Arbeitgeber nahm dies zum Anlass für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Nachdem sowohl die nationalen Gerichte als auch die zunächst befasste Kammer des EGMR das Begehren des Arbeitnehmers abgelehnt hatten, wandte sich dieser an die große Kammer des Gerichtshofs.
In einem sich anschließenden Verfahren (Urteil vom 22. Februar 2018 - 588/13) in ähnlichem Kontext war vom Gerichtshof zu untersuchen, ob und ggf. unter welchen Umständen ein Zugriff auf private Dateien, die auf einem dienstlichen Laufwerk gespeichert sind, zulässig ist. Vorliegend kündigte ein französisches Unternehmen dem betroffenen Arbeitnehmer, nachdem auf dessen individuellem dienstlichen Laufwerk u.a. pornografische Medien vorgefunden worden waren. Auch in diesem Verfahren richtete sich der Arbeitnehmer gegen die hieran geknüpften arbeitsrechtlichen Sanktionen.
Im erstgenannten Verfahren bestätigte der Gerichtshof eine Verletzung der Privatsphäre durch die weitreichenden Kontrollhandlungen des Arbeitgebers. Da insofern ein privates Unternehmen betroffen war, musste dies dogmatisch als Verletzung einer staatlichen Schutzpflicht durch die befassten Gerichte begründet werden. Dieser seien die nationalen Gerichte nicht nachgekommen, indem sie die Rechtsmittel des Betroffenen zurückwiesen.
Insbesondere zog der EGMR die Verhältnismäßigkeit der gegenständlichen Überwachungsmaßnahmen in Zweifel. So sei bereits nicht klar, ob der Arbeitnehmer im Vorfeld hinreichend über die bestehende Überwachung in Kenntnis versetzt worden sei – dies sei aber regelmäßig erforderlich, damit dieser sich entsprechend orientieren und verhalten könne. Außerdem fehle es an einem belegbaren Anlass sowie folglich einer klaren anlassbezogenen Begrenzung des Umfangs der Überwachungsmaßnahmen. Weiterhin bemängelte der Gerichtshof auch die „klassischen“ Komponenten der Erforderlichkeitsprüfung; insbesondere also, ob nicht ggf. ein weniger invasives Mittel zur Aufdeckung ausreichend gewesen wäre. Schließlich sei auch die besonders gravierende Konsequenz – hier die Kündigung (ultima ratio) – von den befassten Gerichten nicht angemessen gewürdigt worden.
Im zweiten hier besprochenen Verfahren wies der EGMR dagegen den Vorwurf der Verletzung der Privatsphäre des Arbeitnehmers zurück. Anders als im vorbenannten Fall war hier ein öffentlicher Arbeitgeber betroffen, sodass es insofern des Umweges über die „staatlichen Schutzpflichten“ nicht bedurfte – der betroffene Arbeitgeber müsse vielmehr unmittelbar selbst die (europäischen) Grundrechte seiner Arbeitnehmer wahren. Die Dateien waren ausgehend von den Feststellungen der nationalen Gerichte jedoch nicht „deutlich“ als „privat“ identifizierbar. Das nationale Recht in Frankreich erlaube in diesem Fall für im dienstlichen Umfeld hinterlegte Dateien grundsätzlich die Einsichtnahme durch den Arbeitgeber. Es sei insofern unschädlich, dass der betroffene Arbeitnehmer den maßgeblichen Ordner zu „personal“ umbenannt habe, da dies nicht per se ein vollständiges betriebliches Laufwerk „infizieren“ – und mithin im Ergebnis für den Arbeitgeber uneinsehbar – machen könne.
Der EGMR schärft in beiden aktuellen Entscheidungen die Rahmenbedingungen für eine „Überwachung“ von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber im Rahmen der Nutzung betrieblicher IT-Komponenten. Während das erstbesprochene Urteil hier dem Arbeitgeber – wenngleich nur „mittelbar“ über die Hilfskonstruktion staatlicher Schutzpflichten – noch recht weitgehende Verpflichtungen aufbürdet, erfolgt für Dateien im betrieblichen Umfeld eine grundsätzlich sachgerechte Abgrenzung am Maßstab der „deutlichen“ Erkennbarkeit. Auch hierbei handelt es sich freilich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung in der Praxis noch zu einigen Schwierigkeiten führen dürfte.
Diese Differenzierung dürfte zugegebenermaßen dem Umstand geschuldet sein, dass private Kommunikation nach dem Recht aller Mitgliedstaaten regelmäßig besonders strengen Schutzvorkehrungen (und entsprechender Sanktionierung bei Eingriffen) unterliegt. Diesen Maßstab gilt es in Einklang zu bringen mit dem Erfordernis einer stabilen und handlungsfähigen betrieblichen Arbeitsumgebung, die ggf. auch eine Einsichtnahme des Arbeitgebers in betriebliche Dokumentationen erlauben muss.
Es empfiehlt sich anlässlich der besprochenen Entscheidungen, die im Unternehmen zu diesem Komplex bestehenden Regelungen insgesamt auf den Prüfstand zu stellen. Insbesondere sollte den vom EGMR aufgestellten Kriterien im Rahmen unternehmensinterner Richtlinien, Vorgaben und Vereinbarungen möglichst umfassend Rechnung getragen werden. Im Lichte der zweiten hier besprochenen Entscheidung sollte auch geregelt werden, dass etwaige private Inhalte vom Arbeitnehmer eindeutig als solche gekennzeichnet werden müssen – damit die Einsichtnahme in sonstige (betriebliche) Dokumente dem Grunde nach eröffnet bleibt. Auch und gerade bei gestatteter Privatnutzung empfehlen sich daher klar Regelungen im Unternehmen zu diesem Themenkomplex.
Die wesentlichen Gesichtspunkte im Bereich der Einsichtnahme in betriebliche Kommunikation lassen sich insoweit wie folgt zusammenfassen:
Es existieren durchaus Mechanismen, welche geeignet sind, die vorbenannten Kriterien im Unternehmensumfeld pragmatisch in die Tat umzusetzen. Zu denken wäre insofern etwa an unternehmensinterne Richtlinien oder Betriebsvereinbarungen, welche insbesondere zugleich als datenschutzrechtlicher Rechtfertigungsgrund fungieren (könnten). Hier sollten bereits die Anforderungen der ab 25. Mai 2018 in allen Mitgliedstaaten unmittelbar maßgeblichen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) beachtet werden, nicht zuletzt auch wegen des nunmehr deutlich erhöhten Sanktionsrahmens für etwaige Verstöße (Deckelung erst bei 4% des Jahresumsatzes bzw. EUR 20.000.000).
Hat ein Mitarbeiter einer Firma einen Facebook-Account für diese Firma registrieren lassen und betrieben, so kann diese Firma unter bestimmten Voraussetzungen nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters von diesem die Herausgabe des Facebook-Accounts bzw. der Zugangsdaten verlangen. Diese Voraussetzungen lagen hier aber nicht vor.
Hat ein Mitarbeiter einer Firma einen Facebook-Account für diese Firma registrieren
lassen und betrieben, so kann diese Firma unter bestimmten Voraussetzungen nach
dem Ausscheiden des Mitarbeiters von diesem die Herausgabe des Facebook-
Accounts bzw. der Zugangsdaten verlangen. Diese Voraussetzungen lagen hier aber
nicht vor.
Kaum ein Unternehmen kommt ohne Marketing aus, und heutzutage ist Social Media Marketing aus dem PR-Portfolio kaum mehr wegzudenken. Neben Twitter, Instagram und anderen Diensten wird insbesondere auch Facebook genutzt, um gerade die internetaffine Kundschaft zu erreichen. Während manche Unternehmen diesen und andere Bestandteile der Marketingstrategie auf Agenturen ausgelagert haben und somit schon deshalb oft ausdifferenzierte Verträge existieren, die Rechte und Pflichten bzgl. der Internetpräsenz regeln, kümmern sich viele Unternehmen immer noch lieber selbst um diesen Bereich. So fällt die Aufgabe der Pflege des Onlineauftritts den eigenen Mitarbeitern zu, was auch der Grund dafür ist, dass – wie im vorliegenden Fall – häufig keine Rechtezuweisungen erfolgen. Teilweise weil die Arbeitgeber annehmen, dieser Aspekt sei schon irgendwie im Arbeitsvertrag geregelt, teilweise weil hieran schlicht nicht gedacht wird.
Häufig zeigt sich das Konfliktpotential hinsichtlich der Social Media Accounts erst, wenn das Arbeitsverhältnis, wie hier, beendet wird und zwischen Arbeitgeber und nunmehr ehemaligem Arbeitnehmer unterschiedliche Meinungen darüber existieren, wem nun welche Rechte an der Onlinepräsenz zustehen.
Etwa acht Jahre war ein Arbeitnehmer bei seinem Arbeitgeber beschäftigt und im vierten Jahr der Anstellung registrierte der Arbeitnehmer den Facebook-Account, um den die Parteien vorliegend stritten. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses enthielt dieser Facebook-Auftritt unter den Seitenreitern „Info“ und „zusätzliche Kontaktinformation“ einen Link auf das Impressum des Arbeitgebers. Im Januar 2017 schlossen Arbeitgeber und dann Ex-Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag, der unter anderem folgende Erledigungsklausel enthielt: „Mit der Erfüllung des zwischen den Parteien abgeschlossenen Aufhebungsvertrages und dessen niedergelegten Pflichten sind sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, gleich aus welchem Rechtsgrund und gleich, ob bekannt oder unbekannt erledigt oder ausstehend erfüllt.“
Im März 2017 hat der Arbeitnehmer eine Internet-Domain (keine Facebook-Seite) angemeldet, deren Name sehr starke Ähnlichkeit zu der bereits lange bestehenden Firmen-Domain des Arbeitgebers aufwies. Ebenfalls im März 2017 gründete der Ex-Arbeitnehmer eine eigene Firma.
Auf das Impressum und die Website ebendieser neuen Firma verlinkte wenig später der Ex-Arbeitnehmer auf seiner Facebook-Seite. Den Link zur Seite des alten Arbeitgebers entfernte er. Daraufhin erwirkte der Arbeitgeber einen Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel über den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Ex-Arbeitnehmer. Darin wurde ihm unter Androhung eines Ordnungsgeldes bei Zuwiderhandlungen erstens untersagt, Änderungen an der streitgegenständlichen Facebook Seite vorzunehmen, und zweitens wurde er verpflichtet, unter den Seitenreitern „Info“ und „zusätzliche Kontaktinformation“ auf das Impressum des ehemaligen Arbeitgebers zu verlinken.
Gegen diesen Beschluss ging nun der Ex-Arbeitnehmer vor – und bekam im Hauptsacheverfahren Recht. So wie auch zuvor im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens hätte auch das vorliegend entscheidende Gericht das Verfahren schon deshalb von sich weisen können, weil der Arbeitgeber sich hier hinsichtlich des Accounts auf seine Rechte aus dem Arbeitsverhältnis stützt, weshalb ausschließlich die Arbeitsgerichte zuständig wären. Das Gericht machte sich aber auch die Mühe, in der Sache selbst auszuführen.
Das Gericht hob den vormaligen Beschluss auf und wies den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurück. Nach Auffassung des Gerichts hat der Arbeitgeber keinen Anspruch darauf, dass der Ex-Arbeitnehmer den Link unter dem Feld „Info“ wieder auf das Impressum des Arbeitgebers lenkt, statt auf jenes seiner eigenen neugegründeten Firma.
Das Gericht meint zwar, dass ein Arbeitgeber nach Ausscheiden des Mitarbeiters von diesem grundsätzlich all jenes herausverlangen kann, was dieser durch die Ausführung des „firmenbezogenen“ Geschäfts erlangt hat, hier das (von Facebook Inc. gewährte) Recht an der Nutzung der Facebook-Domain. Doch in dem streitgegenständlichen Facebook Account sah das Gericht eben kein solches firmenbezogenes Geschäft, sondern ein privates des Ex-Arbeitnehmers. Aus Sicht des Gerichts spricht für den Ex-Arbeitnehmer bei der Frage, wer berechtigter Inhaber der Facebook-Seite ist, wesentlich der Umstand, dass diese auf ihn und von ihm angemeldet wurde und unstreitig auch von ihm aktualisiert wurde. Auch die Erledigungserklärung könne dahingehend ausgelegt werden, dass mit dem Aufhebungsvertrag mit allen anderen Ansprüchen eben auch die (wenn überhaupt bestehenden) Ansprüche des Arbeitgebers an der Facebook-Seite erloschen sein sollten.
Auch nach dem äußeren Erscheinungsbild des Profils, welches unstreitig auch zahlreichen privaten Content des Ex- Arbeitnehmers enthielt, würde es sich aus Sicht eines Durchschnittsbesuchers so darstellen, dass hier keine Firma die Facebook-Präsenz dominiere. Letztlich könne die Zuordnung des Accounts zum Arbeitsverhältnis und somit zum Arbeitgeber auch nicht schon aus der Tatsache gerechtfertigt werden, dass der Account während der Dauer des Arbeitsverhältnisses entstanden ist. Denn ohne weitere inhaltliche Betrachtung würde dann jeder Facebook-Account, unabhängig von seinem Inhalt, formal nicht dem privaten Schaffen, sondern dem Dienstverhältnis des Arbeitnehmers zugeordnet werden.
Am Rande merkt das Gericht noch ein telekommunikationsrechtliches Problem an, dass nämlich eine Freigabe des ganzen Accounts an den Arbeitgeber nur dann erfolgen dürfte, wenn alle Kommunikationsteilnehmer (also jeder Nutzer, der die Seite geliked oder darauf gepostet hat) in die Freigabe einwilligt.
Umfassende Erledigungsklauseln dahingehend, dass mit Abschluss der Aufhebungsvereinbarung alle Ansprüche zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nunmehr erloschen sind, sind häufig in der Praxis anzutreffen und haben auch ihre Berechtigung im Sinne des Rechtsfriedens. Allerdings sind sie oft auch mit erheblichen Risiken verbunden. Vor allem, wenn die Erledigungsklausel wie hier im Fall so weit gefasst wird, dass alle Ansprüche erfasst sind, „ob bekannt oder unbekannt, erledigt oder ausstehend“. Eine solche Formulierung sollte nur gewählt werden, wenn jegliche Beziehung der Parteien zueinander rechtlich durchleuchtet wurde. Im vorliegenden Fall wurde die Problematik des Facebook-Accounts und die Tatsache, dass sie möglicherweise der Erledigungsklausel unterfällt, offenbar schlicht übersehen.
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 20. Februar 2018 entschieden: Das Online-Bewertungsportal Jameda muss das Profil einer Ärztin vollständig löschen. Das Portal verlässt laut dem Bundesgerichtshof seine Stellung als „neutraler“ Informationsmittler, indem es beim Aufruf von Profilen nichtzahlender Ärzte zahlende Ärzte mit Profilbildern als Werbung einblendet. Im Gegensatz zu dem bereits 2014 durch den Bundesgerichtshof entschiedenen Fall überwiege hier das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Ärztin, die die Löschung ihres Profils verlangte, gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit.
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 20. Februar 2018 entschieden: Das Online-Bewertungsportal Jameda muss das Profil einer Ärztin vollständig löschen. Das Portal verlässt laut dem Bundesgerichtshof seine Stellung als „neutraler“ Informationsmittler, indem es beim Aufruf von Profilen nichtzahlender Ärzte zahlende Ärzte mit Profilbildern als Werbung einblendet. Im Gegensatz zu dem bereits 2014 durch den Bundesgerichtshof entschiedenen Fall überwiege hier das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Ärztin, die die Löschung ihres Profils verlangte, gegenüber dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit.
Die Beklagte, das Online-Portal Jameda, bietet Informationen über Ärzte und Träger anderer Heilberufe kostenfrei für Verbraucher zum Abruf unter der Internetadresse www.jameda.de an. Zu diesen Informationen gehören der akademische Grad, Name, die Fachrichtung, die Praxisanschrift, die Sprechzeiten sowie weitere Daten, die ähnliche praxisbezogene Informationen beinhalten (sog. „Basisdaten“). Darüber hinaus sind Bewertungen abrufbar, die Nutzer des Portals angegeben haben. Die Beklagte bietet zahlenden Ärzten an, ihre Profile mit zusätzlichen Informationen sowie mit einem Foto zu versehen. Beim Aufruf des Profils eines nichtzahlenden Arztes wurden darüber hinaus als „Anzeigen“ gekennzeichnete Profile der zahlenden Ärzte eingeblendet. Die Klägerin ist niedergelassene Dermatologin und Allergologin. Die Klägerin wurde auf dem Online-Portal der Beklagten gegen ihren Willen geführt. Bei Abruf ihres kostenfreien Profils erschienen „Anzeigen“ zahlender Ärzte in der aufgeführten Art und Weise. Die Klägerin verlangte von der Beklagten die vollständige Löschung ihres Profils auf der Website der Beklagten. Die erste Instanz wies die Klage ab. Auch die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Der Bundesgerichtshof hat der Klage im Revisionsverfahren nun stattgegeben.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass nach § 35 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 BDSG personenbezogene Daten zu löschen sind, wenn ihre Speicherung unzulässig ist. Im vorliegenden Fall sei die Speicherung unzulässig. Im Gegensatz zu dem Urteil des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2014 verlasse die Beklagte ihre Stellung als „neutrale“ Informationsmittlerin, weil sie zahlende und nichtzahlende Ärzte unterschiedlich behandele. Die Beklagte könne ihre auf das Grundrecht der Meinungs- und Medienfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG, Art. 10 EMRK) gestützte Rechtsposition gegenüber der Klägerin auf Schutz ihrer personenbezogenen Daten (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs.1 EMRK) nur mit geringerem Gewicht geltend machen. Der Klägerin sei aufgrund ihrer überwiegenden Grundrechtsposition ein „schutzwürdiges Interesse an dem Ausschluss der Speicherung“ ihrer Daten gem. § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BDSG zuzubilligen. Daraus folgt: Die Beklagte muss das Profil der Klägerin löschen.
Die Auswirkungen dieses Urteils auf das Bewertungsportal Jameda und andere Bewertungsportale im Internet sind weitreichend. Anders als noch in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2014 hat der BGH mit der aktuellen Entscheidung die Rechte der Ärzte und anderer Betroffener deutlich gestärkt. Zwar hält er es immer noch für rechtmäßig, dass Ärzte auf öffentlich zugänglichen Portalen genannt und bewertet werden können. Mit seiner aktuellen Entscheidung zeigt er aber deutlich die Grenzen auf: Wenn kommerzielle Interessen im Vordergrund stehen, überwiegt das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Ärzte und anderer Betroffener das Recht auf Meinungsfreiheit der Bewertungsportale. Damit wohnt der aktuellen Entscheidung des BGH das Potential inne, die derzeitigen Geschäftsmodelle der großen Bewertungsportale grundsätzlich in Frage zu stellen. Wer weiterhin Werbung auf seinen Seiten schaltet, setzt sich der Gefahr aus, seine für die Abwägung der widerstreitenden Rechte entscheidende Schutzposition aufzugeben. Das könnte eine Welle von Profil-Löschungen zur Folge haben.
Die Einwilligung eines Verbrauchers in die Kontaktaufnahme zu Werbezwecken kann sich auch auf mehrere Kommunikationskanäle beziehen, ohne dass es einer eigenen Erklärung für jeden einzelnen Kanal bedarf. Eine zeitliche begrenzte Geltungsdauer der erteilten Einwilligung besteht grundsätzlich nicht.
Die Einwilligung eines Verbrauchers in die Kontaktaufnahme zu Werbezwecken kann sich auch auf mehrere Kommunikationskanäle beziehen, ohne dass es einer eigenen Erklärung für jeden einzelnen Kanal bedarf. Eine zeitliche begrenzte Geltungsdauer der erteilten Einwilligung besteht grundsätzlich nicht.
Bei der Einholung der Einwilligung zu Werbezwecken sind eine Vielzahl unterschiedlicher Gesetzesnormen zu berücksichtigen. Neben den spezialgesetzlichen Vorschriften des Telemediengesetzes (TMG) und des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sind insbesondere das Wettbewerbsrecht und das Datenschutzrecht zu beachten. So kann eine Werbemaßnahme zwar nach den Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (künftig auch DSGVO) zulässig, gleichzeitig allerdings nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) unzulässig sein, wenn es etwa an der entsprechenden Einwilligung fehlt. Die für die werbliche Kontaktaufnahme lauterkeitsrechtlich zentrale Norm ist der § 7 UWG. Danach bedarf es für die Direktwerbung grundsätzlich – mit nur wenigen Ausnahmen – der vorherigen ausdrücklichen Einwilligung des Empfängers. Die formellen Anforderungen an diese Einwilligung sind bereits durch eine Vielzahl von Urteilen konkretisiert worden. So stellen vorformulierte Werbeeinwilligungen nach ständiger Rechtsprechung Allgemeine Geschäftsbedingungen dar, die der AGB-Kontrolle unterliegen. Darüber hinaus ist in der Rechtsprechung zu erkennen, dass die Anforderungen der wettbewerbsrechtlichen Einwilligung an der datenschutzrechtlichen Definition der Einwilligung zu messen sind. Dementsprechend werden vor allem an die Reichweite der Erklärung hohe Anforderungen gestellt. Aus diesem Grund sind sehr allgemein gehaltene vorformulierte Einwilligungserklärungen häufig unwirksam, da sie nicht dem (datenschutzrechtlichen) Transparenzgrundsatz entsprechen. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH ergeben sich im Wesentlichen die folgenden vier Anforderungen an die Einwilligung: (1) eine Willensbekundung, (2) die ohne Zwang (3) für den konkreten Fall (4) in Kenntnis der Sachlage erfolgt.
Das beklagte Telekommunikationsunternehmen wurde wegen der Verwendung von Regelungen über die Einwilligung von Verbrauchern in die Beratung und Information über neue Angebote und Services auf Unterlassung in Anspruch genommen. Anknüpfungspunkte waren sowohl die lange Geltungsdauer der Erklärung als auch die gleichzeitige Einwilligung in die Kontaktaufnahme über unterschiedliche Kommunikationskanäle. Nachdem das Berufungsgericht die verwendete vorformulierte Einwilligungserklärung für unwirksam gehalten hatte, hob der BGH das Urteil nun auf. Anders als das Berufungsgericht sieht der BGH die Anforderungen „für den konkreten Fall“ und „in Kenntnis der Sachlage“ als erfüllt an. Eine Einwilligung wird in Kenntnis der Sachlage erteilt, wenn der Verbraucher weiß, dass seine Erklärung ein Einverständnis darstellt und worauf sie sich bezieht. Nach Ansicht des BGH reicht es bereits aus, wenn die Informationen der vorformulierten Einwilligungserklärung eine inhaltliche Einheit bilden und gemeinsam den Inhalt und den zeitlichen Umfang konkretisieren. Eine zusammenhängende Regelung kann nicht isoliert betrachtet werden. Insofern bedarf es keiner weiteren Konkretisierung, wenn der Empfänger aus der Zusammenschau der Informationen und den Hintergründen die Sachlage erkennen kann. Darüber hinaus war die verwendete Einwilligungserklärung auch spezifiziert genug. Jedenfalls widerspricht es dem Erfordernis einer spezifischen Angabe nicht, wenn sich die Einwilligungserklärung auf eine Werbung mittels verschiedener Kommunikationskanäle (hier Telefon und E-Mail) bezieht. Eine gesonderte Erklärung für jeden einzelnen Werbekanal bedarf es nicht, solange die gesetzlichen Anforderungen übereinstimmen. Allerdings betont der BGH nochmals, dass die eingeholten Erklärungen inhaltlich gleich sein sollten und nicht zusammen mit anderen vertraglichen Erklärungen und Regelungen eingeholt werden können. Letztlich spricht auch die in diesem Fall nach Vertragsbeendigung weiter gültige Einwilligung nicht gegen ihre Wirksamkeit. Die Gesetze sehen keine zeitliche Begrenzung der einmal erteilten Einwilligung vor, sodass diese grundsätzlich nicht durch Zeitablauf erlischt. Folglich hält die verwendete Klausel der Inhaltskontrolle stand, und das angefochtene Urteil des Berufungsgerichts wird aufgehoben.
Das Urteil des BGH ist aus vielerlei Gründen begrüßenswert. Solange der Verbraucher eine ausreichende Wahlfreiheit hat und den Inhalt der Erklärung vollständig überblicken kann, spricht nichts gegen eine zusammenfassende vorformulierte Einwilligungserklärung. Er muss bewusst darüber entscheiden können, ob er der Verwendung seiner Daten zustimmt oder nicht. Diese Entscheidungsfreiheit beruht bereits auf seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Erfüllt die vorformulierte Erklärung diese Anforderungen, spricht vieles für eine wettbewerbskonforme Lösung. Eine für jeden Einzelfall gesondert einzuholende Erklärung wäre nicht nur unpraktikabel, sondern auch nicht unmittelbar zur Förderung des Verbraucherschutzes geeignet. Es bleibt abzuwarten, inwiefern sich die Anforderungen an die Einwilligung zukünftig unter Geltung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verändern werden. Wünschenswert wäre ein ähnlich ausgeprägtes Verständnis, dass, unter Wahrung der Entscheidungsfreiheit der Verbraucher, eine gewisse Gestaltungsfreiheit der vorformulierten Erklärung bestehen bleibt. Jedenfalls dürften die noch bisher zulässigen voreingestellten Erklärungen, die mittels Opt-Out abgelehnt werden müssen, zukünftig im Rahmen der Grundsätze Privacy-by-Design und Privacy-by-Default der DSGVO unzulässig sein. Vor allem die deutlich erweiterten Transparenzanforderungen der DSGVO werden von den Werbenden bei der Einholung der Einwilligung zu beachten sein.
Das Anbieten der Durchsetzung von vermeintlichen oder tatsächlichen Abfindungsansprüchen von Arbeitnehmer durch Legal-Tech ist irreführend, soweit nicht klargestellt wird, welche Leistung konkret erbracht werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn im Rahmen des Angebots pauschal behauptet wird, dass die Geltendmachung der Ansprüche über Legal-Tech gegenüber der Beauftragung eines Rechtsanwalts vorteilhaft sei.
Das Anbieten der Durchsetzung von vermeintlichen oder tatsächlichen Abfindungsansprüchen von Arbeitnehmer durch Legal-Tech ist irreführend, soweit nicht klargestellt wird, welche Leistung konkret erbracht werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn im Rahmen des Angebots pauschal behauptet wird, dass die Geltendmachung der Ansprüche über Legal-Tech gegenüber der Beauftragung eines Rechtsanwalts vorteilhaft sei.
Der Antragsteller ist eine Standesorganisation der Rechtsanwaltschaft und geht gegen den Antragsgegner, bei welchem es sich um einen sogenannten Legal-Tech-Anbieter handelt, wegen irreführender Werbung vor. Der Antragsgegner bietet Software und Onlinedienste an, die juristische Arbeitsprozesse unterstützen oder gänzlich automatisiert durchführen. In diesem Zusammenhang hat der Antragsgegner damit geworben, dass er Abfindungsansprüche von Arbeitnehmern gegenüber dem ehemaligen Arbeitgeber durchsetzen werde. Konkret bewarb der Antragsgegner seine Leistungen wie folgt:
„Wir setzen Ihr Recht durch. Wenn Sie uns beauftragen, holen unsere Rechtsexperten Ihnen Ihre Abfindung. Wir ziehen bis vor Gericht, ohne dass Ihnen Kosten entstehen. Sie können sich zurücklehnen und entspannen.“
„Wieso behält abfindungxxxx.de 25 % der Abfindung ein? Unsere Vergütung beträgt deshalb 25 % der Abfindung, damit wir Ihnen das Versprechen geben können, das gesamte Kostenrisiko Ihres Falles zu tragen. abfindungxxxx.de möchte als Held der Arbeitnehmer gerade auch für die Fälle aufkommen, bei denen keine Abfindung erzielt werden kann. Damit wir uns wirtschaftlich tragen und weiter unsere Dienstleistungen anbieten können, ist es notwendig, bei Erfolg 25 % der Abfindung einzubehalten. Wir bitten dafür um Ihr Verständnis.“
„Schon gewusst? abfindungxxxx.de übernimmt Ihr volles Prozesskostenrisiko und ist günstiger als jeder Anwalt - es gibt nichts zu verlieren! Jetzt selbst ausprobieren und weitersagen!“
„abfindungxxxx.de Jeder hat ein Recht auf Abfindung! Recht ohne Risiko. Wir sind der Partner an Ihrer Seite.“
Das Landgericht Bielefeld untersagte die genannten Werbeäußerungen des Antragsgegners im Wege der einstweiligen Verfügung aufgrund irreführender geschäftlicher Handlungen, die dazu geeignet sind, den Verbraucher oder sonstige Marktteilnehmer zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er anderenfalls nicht getroffen hätte.
Der Antragsgegner suggeriere, dass er die Rechtsdienstleistungen selbst erbringe. Es werde nicht hinreichend deutlich, dass keine Einzelfallprüfung erfolgt, sondern die eingegebenen Parameter lediglich durch einen Algorithmus verarbeitet werden. Der Antragsgegner erweckt zudem den Eindruck, er erstelle automatisch eine individuelle Kündigungsschutzklage, die durch den Partneranwalt nur noch bei Gericht eingereicht werden müsse. Hierdurch werde der Verbraucher darüber getäuscht, dass der Partneranwalt nach den AGB des Antragsgegners nicht lediglich Bote für die Einreichung der Klage ist, sondern dass die Verantwortung für eine rechtliche Überprüfung des Falles und die Entscheidung über die Einreichung der Klage gerade bei ihm und nicht bei dem Antragsgegner liege.
Der Antragsgegner mache zudem irreführende Angaben über die Qualifikation seiner Mitarbeiter und seinem Tätigkeitsfeld. Den streitgegenständlichen Aussagen lasse sich in keiner Weise entnehmen, dass wesentliche Leistungen überhaupt nicht von dem Antragsgegner selbst ausgeführt, sondern gerade die charakteristischen Hauptleistungen einer Rechtsberatung an Partneranwälte vergeben werden. Hierbei handelt es sich namentlich um die Überprüfung des Bestehens eines Abfindungsanspruchs, die außergerichtliche Durchsetzung eines etwaigen Abfindungsanspruchs und die Entscheidung über die Erhebung einer Kündigungsschutzklage und deren inhaltlicher Ausgestaltung. Aufgrund des Gesamteindrucks der Werbung lasse sich hieraus der Schluss ziehen, dass die genannten Leistungen als eigene wenn auch technologisch generierte Leistung von dem Antragsgegner erbracht würden.
Der Verbraucher glaube, durch die Technologie unterstützt, würde die Höhe des berechtigten Abfindungsanspruchs selbstständig von dem Antragsgegner ermittelt, eine Kündigungsschutzklage automatisch und individuell erstellt und erst anschließend einem Partneranwalt der Fall übergeben, der die Klage lediglich bei dem zuständigen Arbeitsgericht einreiche. Dies sei indessen unzutreffend. Die Irreführung werde dem Gericht zufolge auch nicht dadurch beseitigt, dass entsprechende Angaben in den AGB des Antragsgegners enthalten seien, da Informationen innerhalb der AGB von Verbrauchern in der Regel überhaupt nicht oder jedenfalls nicht in gleicher Weise wie der Haupttext des Angebotes bzw. der Bewerbung wahrgenommen würden.
Zudem verstoße die Werbung neben der allgemeinen Irreführung auch gegen die Preisangabenverordnung, da der Kunde lediglich auf 25 % der ggf. erhaltenen Abfindung, jedoch nicht auf die zu zahlende Mehrwertsteuer hingewiesen werde. Tatsächlich liege der zu zahlende Betrag nicht bei 25 %, sondern bei 29,5 % der erzielten Abfindung. Auch die Aussage, Leistungen seien günstiger als jeder Anwalt, sei falsch und damit irreführend. Ein Verbraucher der ohne Selbstbeteiligung rechtschutzversichert ist oder einen Anspruch auf ratenfreie Prozesskostenhilfe hat, könne im Erfolgsfall einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach unberechtigter Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ohne eigenes Kostenrisiko, dafür aber ohne Verpflichtung der Zahlung einer Provision von 25 % netto durch einen Rechtsanwalt geltend machen. Aus dem gleichen Grunde sei auch die pauschale undifferenzierte Behauptung, die Beauftragung eines Anwalts sei mit einem hohen Kostenrisiko verbunden, unzulässig. Unzutreffend ist zudem die Behauptung, die Beauftragung eines Rechtsanwalts sei stets mit einem hohen Zeitaufwand und Stress verbunden, da durch den Antragsgegner lediglich ein anwaltlicher Beratungsvertrag vermittelt werde, jedoch auch hier ein Rücksprachebedarf mit dem Partneranwalt nicht ausgeschlossen wird.
Gerade bei der Bewerbung von Produkten und Dienstleistungen muss mit pauschalen Aussagen vorsichtig umgegangen werden. Bereits theoretisch denkbare Konstellationen, die aufzeigen, dass die Pauschalbehauptung nicht immer zutreffend ist, kann bereits eine Irreführung darstellen. Auch weitere aufklärende Hinweise innerhalb von AGB sind dabei nicht geeignet, die Irreführung ausschließen.
Ein Nutzer eines privaten Facebook-Kontos verliert sein Recht, einen ausländischen Vertragspartner vor den Gerichten seines Wohnsitzes zu verklagen (sog. Verbrauchergerichtsstand), nicht dadurch, dass er sich im Hinblick auf das Verfahren öffentlich engagiert und bezüglich des Streitgegenstandes besondere Expertise aufweist. Der Verbrauchergerichtsstand steht dem Verbraucher ausschließlich im Hinblick auf die Geltendmachung eigener Rechte, nicht aber bezüglich abgetretener Ansprüche zu.
Ein Nutzer eines privaten Facebook-Kontos verliert sein Recht, einen ausländischen Vertragspartner vor den Gerichten seines Wohnsitzes zu verklagen (sog. Verbrauchergerichtsstand), nicht dadurch, dass er sich im Hinblick auf das Verfahren öffentlich engagiert und bezüglich des Streitgegenstandes besondere Expertise aufweist. Der Verbrauchergerichtsstand steht dem Verbraucher ausschließlich im Hinblick auf die Geltendmachung eigener Rechte, nicht aber bezüglich abgetretener Ansprüche zu.
Der in Österreich wohnhafte Kläger, Jurist und Datenschützer Maximilian Schrems, klagt vor heimischen Gerichten gegen Facebook Ireland, der er eine Vielzahl datenschutzrechtlicher Verstöße im Hinblick auf seinen privaten Facebook-Account vorwirft. Im Zuge des Verfahrens ließ Schrems sich Ansprüche weiterer Verbraucher abtreten, um diese – in Form einer unionsrechtlich grundsätzlich nicht vorgesehenen Sammelklage – gebündelt gegen Facebook geltend zu machen. Ferner nutzte der Kläger einen eigens zu diesem Zwecke erstellten gewerblichen Facebook-Account, um u.a. Bücher und Vorträge bezüglich des medienwirksamen Verfahrens zu vermarkten.
Facebook lehnte vor den österreichischen Gerichten in der Folge eine Anwendbarkeit des Verbrauchergerichtsstands mit der Begründung ab, dass Herr Schrems angesichts der (auch) gewerblichen Nutzung von Facebook, sowie diversen gewerblichen Betätigungen im Bereich des Datenschutzrechts und der damit verbundenen Expertise, nicht als Verbraucher im Sinne des maßgeblichen Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 in Betracht käme. Auch auf die abgetretenen Ansprüche fände der Gerichtsstand keine Anwendung, da die Verbrauchereigenschaft nicht abtretbar sei. Der mit der Sache befasste Österreichische Oberste Gerichtshof (ÖOGH) legte die aufgeworfenen Fragen schließlich dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
Der EuGH stellte fest, dass ein Nutzer eines privaten Facebook-Accounts die Verbrauchereigenschaft im Sinne der unionsrechtlichen Bestimmung nicht verliert, wenn er (im Hinblick auf das Verfahren) Bücher publiziert, Vorträge hält, Websites betreibt, Spenden sammelt und sich die Ansprüche zahlreicher Verbraucher abtreten lässt, um sie gerichtlich geltend zu machen. Im Hinblick auf die Bewertung der für den Gerichtsstand entscheidenden Verbrauchereigenschaft des Klägers käme ausschließlich das jeweils von der rechtlichen Auseinandersetzung betroffene Vertragsverhältnis in Betracht. Zwar sei, da es sich um Dienste eines sozialen Online-Netzwerks handele, die auf eine langfristige Nutzung ausgelegt seien, im Rahmen der gebotenen engen Auslegung des Verbraucherbegriffs die weitere Entwicklung der Nutzung der betreffenden Dienste zu berücksichtigen. Mithin könne ein Kläger, der solche Dienste nutze, sich nur dann auf die Verbrauchereigenschaft berufen, wenn die im Wesentlichen nicht berufliche Nutzung dieser Dienste, für die er ursprünglich einen Vertrag abgeschlossen hatte, später keinen im Wesentlichen beruflichen Charakter erlange. Da der Verbraucherbegriff aber in Abgrenzung zum Unternehmerbegriff definiert werde und von den Kenntnissen und Informationen, über die die betreffende Person tatsächlich verfügt, unabhängig sei, nähmen ihr weder die Expertise, die diese Person im Bereich der betreffenden Dienste erwerben kann, noch ihr Engagement bei der Vertretung der Rechte und Interessen der Nutzer solcher Dienste die Verbrauchereigenschaft im Sinne der unionsrechtlichen Bestimmung.
Auf die abgetretenen Ansprüche selbst lehnt das Gericht den Verbrauchergerichtsstand indes ab; in diesen Fällen stehe der Kläger selbst gerade nicht als betroffener Verbraucher in einer Vertragsbeziehung zu dem Beklagten. Auf eine Verbrauchereigenschaft der Zedenten käme es nicht an, da diese nur in Person Kläger oder Beklagte von dem Schutzbereich der maßgeblichen unionsrechtlichen Norm umfasst wären.
Das Gericht schiebt mit seiner Entscheidung Sammel- und Massenklagen von Verbrauchern einen Riegel vor. Zudem festigt es die bisherige Rechtsprechung, nach der der Verbraucherbegriff grundsätzlich eng und mit Bezug auf das konkrete Vertragsverhältnis auszulegen ist.
Zwar obliegt es nun den mit der Sache befassten österreichischen Gerichten, abschließend zu entscheiden, ob es sich vorliegend um ein einheitliches oder zwei separate Vertragsverhältnisse zwischen Herrn Schrems und Facebook handelt und welche Konsequenzen hieraus für die Bewertung der Verbrauchereigenschaft zu ziehen sind. Die Entscheidung des EuGH stellt aber klar, dass das ursprünglich private Facebook-Konto von Herrn Schrems nach wie vor nicht im Wesentlichen einer gewerblichen Tätigkeit dient. Die Annahme eines unternehmerischen Schwerpunkts wird sich hierbei nunmehr nicht einzig auf ein öffentliches Engagement im Hinblick auf das Verfahren stützen lassen. Die Absage an eine Anwendung des Verbrauchergerichtsstandes auf abgetretene Ansprüche dürfte rechtspolitische Diskussionen im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Regulierung kollektiven Rechtsschutzes befeuern.
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