18.01.2017

Kartellrecht Q1/2017

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Geldbußenreduktion in Missbrauchsverfahren gegen Entsorgungsunternehmen

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Europäische Kommission, Beschluss vom 20. September 2016 – „ARA“

Ein Unternehmen, das seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, kann durch eine Kooperation mit der Kartellbehörde seine Geldbuße verringern. Die Europäische Kommission hat jüngst einen solchen Rabatt zum ersten Mal gewährt. Sie hat sich dafür auf eine Klausel in ihren Geldbußenleitlinien gestützt. In der Sache handelte es sich um ein Settlement.

Marktbeherrschende Stellung von ARAs „Haushaltssammelinfrastruktur“

Die Altstoff Recycling Austria Aktiengesellschaft („ARA“) betrieb in Österreich ein sogenanntes „Entpflichtungssystem“, bot also Verpackungsherstellern an, Verpackungsabfall zu sammeln und zu verwerten. Auf diese Weise wurde der Verpackungshersteller von seiner Pflicht befreit, dies selbst zu tun.

Zudem hatte ARA eine umfangreiche „Haushaltssammelinfrastruktur“ etabliert. Diese bestand darin, dass ihr 5 % der Sammelcontainer gehörten und sie mit den Eigentümern der übrigen 95 % Container (Sammelunternehmen und Gemeinden) Verträge geschlossen hatte, die ihr u.a. Zugriff auf diese restlichen Container gaben. Die Verträge untersagten es den Gemeinden und Sammelunternehmen nicht, ARAs Wettbewerbern die Nutzung der Container zu gestatten. Eine solche Nutzung musste aber „fair und praktikabel“ sein und durfte „unter keinen Umständen zur Diskriminierung von ARA“ führen. In Österreich war ARA die einzige Betreiberin einer „Haushaltssammelinfrastruktur“ und die einzige Anbieterin eines umfassenden Entpflichtungssystems.

Unternehmen, die ein Entpflichtungssystem für Haushaltsverpackungen anbieten wollten, waren gesetzlich zum Nachweis verpflichtet, dass ihr Sammelsystem ganz Österreich abdeckte. Dazu war der Zugang zur ARA-Infrastruktur erforderlich. Denn diese zu duplizieren, wäre sinnlos gewesen, weil die dafür erforderliche behördliche Genehmigung auch wegen der befürchteten höheren Kosten für den Verbraucher (z.B. für weitere Sammelcontainer) höchstwahrscheinlich nicht erteilt worden wäre. Bei der bestehenden Infrastruktur handelte es sich somit kar­tell­rechtlich um eine „essential facility“, weil ihre Nutzung für den Zutritt von Wettbewerbern zu dem nachgelagerten Markt der Entpflichtung von Haushaltsverpackungsabfall unerlässlich war.

Missbrauch durch Zugangsverweigerung

Interseroh Austria GmbH („Interseroh“) begehrte den Zugang zur Infrastruktur und sprach hierzu ARA sowie zahlreiche Gemeinden und Sammelunternehmen an. Die Gemeinden baten ARA um Bestätigung, dass ihre Verträge mit ARA eine Nutzung der Infrastruktur durch Interseroh zuließen. ARA bestätigte dies nicht, sondern teilte den Gemeinden mit, Interseroh müsse sich wegen der gemeinsamen Nutzung an ARA wenden. Die Gemeinden schlossen daraufhin keine Verträge mit Interseroh. Von Interseroh verlangte ARA von Region für Region den Nachweis, ob Interseroh die Infrastruktur duplizieren könne oder nicht. Nur in den Regionen, wo die Infrastruktur nachweislich nicht ein zweites Mal aufgebaut werden konnte, wollte ARA Zugang gewähren. Wie bereits gesagt, wäre ein solcher Aufbau paralleler Strukturen, wenn auch nur in einigen Regionen Österreichs, höchstwahrscheinlich nicht genehmigt worden, sodass im Ergebnis Interseroh auf dem Markt für Entpflichtungsleistungen nicht hätte tätig werden können.

Kommission durchsucht ARA

Interseroh informierte die Europäische Kommission, die daraufhin zunächst u.a. die Räumlichkeiten von ARA durchsuchte. Im Verlauf des Verfahrens verlangte sie Auskünfte von ARA und weiteren Unternehmen. Danach richtete sie eine „Mitteilung der Beschwerdepunkte“ an ARA – dies ist eine Zusammenstellung des Sachverhalts und seine Bewertung durch die Kommission. Später informierte sie ARA noch zweimal per sogenannter „letter of facts“ über ihre aktuelle Bewertung. Auf den zweiten „letter of facts“ folgte ein Kooperationsangebot von ARA.

„Kooperationsangebot“ von ARA

Das Kooperationsangebot von ARA bestand aus mehreren Komponenten, die sich eng an die sogenannte Settlement-Mitteilung anlehnten („Vergleichsausführungen“ gemäß Ziffer 2.3 der Mitteilung der Kommission über die Durchführung von Vergleichsverfahren bei dem Erlass von Entscheidungen nach Artikel 7 und Artikel 23 der Verordnung 1/2003 des Rates in Kartellfällen).

ARA

  • erkannte an, das Missbrauchsverbot des Art. 102 AEUV verletzt zu haben,
  • nannte als akzeptablen Maximalbetrag der Geldbuße EUR 6,1 Mio.,
  • bestätigte den Erhalt der Beschwerdepunkte und der letter of facts,
  • erklärte, sie habe ausreichend Möglichkeit gehabt, die Be­­­weise einzusehen und ihre Ansicht der Kommission zu schildern,
  • erklärte sich damit einverstanden, die endgültige Entscheidung der Kommission auf Englisch statt auf Deutsch zu erhalten,
  • erkannte an, dass eine Veräußerung ARAs Sammelcontainer notwendig und verhältnismäßig sei, um die Zuwiderhandlung zu beenden.

Mit Beschluss vom 20. September 2016 verhängte die Kom­mission eine Gelbuße in Höhe von EUR 6,015 Mio. und gab ARA auf, seine Sammelcontainer zu veräußern. Für den Fall, dass sich ARA nicht daran halten würde, wurden Strafzahlungen angedroht.

Geldbußenreduktion in Missbrauchsverfahren

Mit dem Beschluss hat die Kommission erstmals in einem Marktmissbrauchsverfahren die Geldbuße wegen der Kooperation eines Unternehmens reduziert. Bei der Berechnung ging sie zunächst wie üblich vor und ermittelte – wie sie es in ihren Geldbußenleitlinien vorsieht – den sogenannten Grundbetrag. Dies ist ein bestimmter Anteil vom Umsatz, der sich nach der Schwe­re des Verstoßes richtet, multipliziert mit der Anzahl der Jahre der Zuwiderhandlung. Den nächsten Schritt, den Grundbetrag aufgrund von erschwerender oder mildernder Umstände zu erhöhen oder herabzusetzen, machte sie nicht. Stattdessen gewährte sie wegen ARAs Kooperation auf den Grundbetrag eine Reduktion in Höhe von 30 %. Dabei berief sie sich auf eine Regelung in den Leitlinien, die ein Abweichen von der allgemeinen Methode zur Festsetzung der Geldbuße zulässt, wenn es die „besonderen Umstände eines Falles … rechtfertigen.“ Diese besonderen Umstände lagen nach Aussage der Kommission darin, dass ARA die Zuwiderhandlung eingeräumt, eine Rationalisierung des Verfahrens ermöglicht und eine taugliche Abhilfemaßnahme vorgeschlagen habe, um eine Wiederholung der Zuwiderhandlung auszuschließen.

Kronzeugenmitteilung nicht anwendbar

Die Verwendung der Begriffe „Kooperation“ und „Angebot“ dürfen nicht zu dem Trugschluss verleiten, ein Marktbeherrscher könne einen Kronzeugenantrag stellen und dadurch seiner Haf­tung entgehen. Die Kronzeugenmitteilung der Kommission (eben­so die des Bundeskartellamts) greift nur bei Verstößen gegen das Kartellverbot. Dies ist auch richtig, denn Zweck der Kronzeugenregelungen ist es, Unsicherheit zwischen Kartellanten zu erzeugen und so Kartelle zu destabilisieren. Ein Marktbeherrscher, der seine Macht missbraucht, koordiniert sich aber nicht mit seinen Wettbewerbern.

Settlement-Mitteilung zu eng gefasst

Auch die Settlement-Mitteilung der Kommission regelt das Vergleichsverfahren nur bei Kartellverstößen; Vorschriften für ein Settlement im Fall missbräuchlicher Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung sind darin nicht vorgesehen. Anders ist dies in der Settlement-Mitteilung des Bundeskartellamts geregelt. Danach ist die sogenannte „einvernehmliche Verfahrensbeendigung“ in allen Verfahren möglich, die wegen Ordnungswidrigkeiten im Sinne des § 81 GWB eröffnet werden, also auch in Missbrauchsverfahren. Statt mit den „besonderen Umständen“ der Geldbußen-Leitlinien operieren zu müssen, wäre es stimmiger, wenn die Kommission ihre Settlement-Mitteilung ebenfalls auf Missbrauchsverfahren ausweiten würde.

Dr. Helmut Janssen, LL.M. (London)
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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Martina Stasch, Maîtrise en droit, Mag. iur.
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
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Vertikale Preisbindung im Einzelfall erlaubt?

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Urteil des OLG Celle vom 7. April 2016 – 13 U 124/15 (Kart)

In den hitzigen Debatten um die 9. GWB-Novelle ist eine Entscheidung des OLG Celle vom 7. April 2016 (13 U 124/15 (Kart)) in der Öffentlichkeit etwas untergegangen, obwohl sie durchaus revolutionäre Elemente enthält. Das OLG Celle lehnt nicht nur die Unzulässigkeit einer vertikalen Preisbindung bei fehlender Spürbarkeit im Einzelfall ab. Darüber hinaus stellt es sich der EuGH-Rechtsprechung („Expedia“), welche eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung stets als spürbar einordnet, entgegen.

Tatbestand

Die Beklagte ist Herstellerin eines Lebensmittels für eine gewichtskontrollierende Ernährung („das Abnehm-Produkt“). Dieses wird in Apotheken, Drogeriemärkten und auch im Internet vertrieben. Anfang 2014 gab die Beklagte ein an Apotheker gerichtetes „einmaliges Aktionsangebot“ heraus, das im Falle einer Direktbestellung einen 30-prozentigen Barrabatt auf das genannte Produkt versprach. Die Bedingung für den Erhalt dieses Rabattes war jedoch, dass der Apotheker gut sichtbar mindestens drei Dosen nebeneinander im Regal oder im Verkaufsdisplay präsentierte und einen Verkaufspreis von EUR 15,95 nicht unterschritt. Gemäß dem Bestellformular mussten mindestens zwölf, durften aber maximal 90 Dosen pro Apotheke bestellt werden. Die Aktion lief bis zum Jahresende 2014. Allerdings konnte jede Apotheke nur einmal zu den genannten Vorzugsbedingungen bestellen.

Die Beklagte wurde von einem Wettbewerbsverein abgemahnt, da dieser das „Aktionsangebot“ als kartellrechtswidrig ansah. Das LG Hannover hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt, das OLG Celle hat hingegen der Beklagten in der Berufung recht gegeben.

Begründung des Urteils

Das OLG Celle sieht den Tatbestand von § 21 Abs. 2 GWB (unzulässige Vorteilsgewährung) i.V.m. § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV zunächst einmal grundsätzlich als erfüllt an. Das OLG Celle weist im Anschluss daran jedoch darauf hin, dass die Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal von § 1 GWB und Art. 101 Abs. 1 AEUV ist. Die Klägerin hatte vorgetragen, dass eine spürbare Wettbewerbsbeschränkung stets gegeben sei, wenn der Marktanteil der beteiligten Unternehmen 20 % oder mehr betrage. Diese Auffassung teilte das OLG Celle nicht, vielmehr lehnte es eine rein quantitative Definition der Spürbarkeit ab und übernahm somit nicht die Einschätzung der Kommission in ihrer sogenannten De-minimis-Bekanntmachung. Die Kommission geht davon aus, dass vertikale Vereinbarungen unterhalb eines Marktanteils von 15 % als nicht spürbar anzusehen sind. Allerdings hält die Kommission diese quantitative Betrachtung nicht bei Kernbeschränkungen für relevant. Das OLG Celle betrachtet diese Bekanntmachung für Gericht und Behörden als nicht verbindlich. Es stützt sich demgegenüber auf die BGH-Entscheidung „1 Riegel extra“ (8. April 2003 – KZR 3/02). Dort hatte der BGH auch im Rahmen der vertikalen Preisbindung die Spürbarkeit der Beeinträchtigung der Preisgestaltungsfreiheit geprüft und verneint.

Bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

Die Klägerin hatte ferner geltend gemacht, dass eine Spürbarkeit auch dann stets anzunehmen sei, wenn die Wettbewerbsbeschränkung „bezweckt“ sei, also auch bei Vereinbarungen zwischen Unternehmen mit einem Marktanteil von weniger als 15 %. Auch dieser Auffassung folgt der Senat nicht. Er räumt zwar ein, dass im vorliegenden Fall – auch angesichts der bestehenden EuGH-Rechtsprechung – eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung bestehen dürfte. Gleichwohl sei nicht in jedem Fall zwingend eine Spürbarkeit einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung anzunehmen. Hierbei verweist er auf Fußnote 2 der De-minimis-Bekanntmachung von 2014. Er interpretiert diese Fußnote dahin gehend, dass auch in dem Fall eines Kernverstoßes die Spürbarkeit nicht zwingend zu bejahen sei.

Der Kläger hatte sich auch auf die EuGH-Entscheidung „Expedia“ (13. Dezember 2012 – C-226/11) berufen. Spätestens mit dieser EuGH-Entscheidung war für die Kartellrechtspraxis weitgehend der Eindruck entstanden, dass bei einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung die Spürbarkeit gerade nicht mehr zu prüfen sei. Die EuGH-Rechtsprechung legte seither vielmehr den Schwerpunkt auf die Frage, wann eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung vorliege und wann nicht. Demgegenüber weist das OLG Celle darauf hin, dass die Unterscheidung zwischen bewirkter und bezweckter Wettbewerbsbeschränkung auch vom EuGH schon im Jahr 1966 getroffen worden war, weshalb dieser Gesichtspunkt nicht neu und auch schon bei Er­lass der BGH-Entscheidung im Fall „1 Riegel extra“ bekannt gewesen sei. Der BGH hatte in diesem Fall eine vertikale Preisbindung für eine kurze Zeitspanne von sechs Wochen als nicht spürbare Beeinträchtigung der unternehmerischen Gestaltungsfreiheit der Vertragspartner eingeordnet. Diesen Maßstab übernimmt das OLG Celle auch für den vorliegenden Fall und kommt daher zur Verneinung der Spürbarkeit der Wettbewerbsbeschränkung.

Einordnung der Entscheidung

Die Entscheidung des OLG Celle ist für die weitere Diskussion der vertikalen Preisbindung nicht ohne Bedeutung. Sie betont, dass die Spürbarkeit aller Wettbewerbsbeschränkungen auch bei bezweckten Wettbewerbsbeschränkungen zu prüfen sei. Damit tritt sie einer Tendenz der neueren EuGH-Rechtsprechung entgegen, welche sich auf die Frage nach dem Vorliegen einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung beschränkt, um im Falle einer bezweckten Wettbewerbsbeschränkung sodann eine Spürbarkeit zu unterstellen. Es wäre interessant zu wissen, ob der BGH die Einordnung des OLG Celle der BGH-Entscheidung „1 Riegel extra“ auch heute noch teilt. Wenn man die Entwicklung der europäischen Rechtsprechung in den letzten Jahren betrachtet, könnte man daran zweifeln.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass auch die Kommission in ihren Vertikalleitlinien (Tz. 225) durchaus Ansätze für eine Rechtfertigung von vertikalen Preisbindungen im Einzelfall gesehen hat. Auch wenn diese Vorschrift bisher keine große praktische Bedeutung erlangt hat, so ist sie möglicherweise der Beginn zur Liberalisierung des Verbots der vertikalen Preisbindung. Ein Blick in die USA zeigt, dass auch dort die vertikale Preisbindung viele Jahrzehnte (seit 1911) verboten war und dann überraschender Weise vom Supreme Court in der bekannten Entscheidung „Leegin“ (2007) aufgehoben wurde. Die Diskussion über die vertikale Preisbindung bleibt also spannend, insbesondere als in der ökonomischen Literatur immer wieder darauf hingewiesen wird, dass ein Per se-Verbot für die vertikale Preisbindung nicht angemessen sei. Für (Compliance-)Praktiker stellt das OLG Celle hingegen vorerst keine verlässliche Handhabung der vertikalen Preisbindung zur Verfügung. Die generelle Diskussion um die Behandlung der vertikalen Preisbindung hält die Entscheidung jedoch am Leben.

Dr. Thomas Kapp, LL.M. (UCLA)
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Stuttgart
Telefon +49 711 9338 12893
thomas.kapp@luther-lawfirm.com


Rekordbußgeld wegen Gun Jumping

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Neue Maßstäbe in der Fusionskontrolle?

Die französische Wettbewerbsbehörde hat kürzlich ein Rekordbußgeld von EUR 80 Mio. wegen des Vollzugs zweier Zusammenschlussvorhaben vor Erteilung der kartellrechtlichen Freigabe („Gun Jumping“) verhängt. Die Entscheidung lässt keine neuen Beurteilungsgrundsätze erkennen – sie verdeutlicht aber auf drastische Weise die kartellrechtlichen Anforderungen an Integrationsprozesse bei M&A-Vorhaben.

Die Autorité de la concurrence war von Wettbewerbern informiert worden und hatte daraufhin die Räumlichkeiten der Unternehmen aus dem TK-Sektor durchsucht. Der Vorwurf lautete unter anderem, das Zielunternehmen habe das vorherige Einverständnis seines zukünftigen Erwerbers für die Abgabe und Inhalte bestimmter Angebote eingeholt. Beide Unternehmen hätten außerdem ein gemeinsames Produkt monatelang so intensiv vorbereitet, dass es nur 19 Tage nach Erteilung der fusionskontrollrechtlichen Freigabe bereits angeboten werden konnte. Schließlich seien in erheblichem Umfang strategische und wettbewerblich sensible Informationen ausgetauscht worden, z. B. der Angebotspreis für ein drittes Unternehmen sowie nicht aggregierte Daten hinsichtlich aktueller Geschäftsprozesse und zukünftiger Erwartungen, teilweise im Rahmen eines wöchentlichen Reportings.

Rekordbußgeld aufgrund schwerwiegender Verstöße

Der Anfang November entschiedene Fall hat in der Fachöffentlichkeit große Aufmerksamkeit gefunden und wurde bereits als Teil eines „globalen Trends“ zur strengen Ahndung von Gun Jumping-Verstößen gesehen. Diese Aufmerksamkeit dürfte in erster Linie auf die Bußgeldhöhe zurückzuführen sein, es handelt sich weltweit gesehen um das bislang mit Abstand höchste Bußgeld für Gun Jumping. Eine gerichtliche Überprüfung wird nicht stattfinden, da der Entscheidung eine Einigung (Settlement) mit der Autorité de la concurrence vorausgegangen war. Nach Auffassung der Behörde lagen mehrere vorsätzlich begangene, erhebliche und evidente Verstöße vor. Nicht einmalig, aber ungewöhnlich war zudem, dass die Unternehmen zur Ermittlung der Verstöße durchsucht worden waren. Solche Maßnahmen finden in der Regel nur zur Aufdeckung geheimer Kartellabsprachen statt.

Keine Umsetzung von Integrationsplänen vor Freigabe

Dennoch stellen die Beurteilungsmaßstäbe der Autorité de la concurrence kein Novum dar. Das in weltweit praktisch allen Fusionskontrollordnungen enthaltene Vollzugsverbot besagt, dass Zusammenschlussvorhaben, die einer vorherigen Prüfung durch die zuständige(n) Fusionskontrollbehörde(n) unterliegen, nicht umgesetzt (vollzogen) werden dürfen, solange die erforderliche Freigabe nicht erteilt worden ist. Offensichtlich ist, dass der formelle Erwerb von Geschäftsanteilen am Zielunternehmen deshalb erst nach der Freigabe stattfinden darf. Aber auch in or­ga­nisatorischer Hinsicht (IT, Personal, Einkauf, Geschäfts­führung, etc.) darf die spätere Integration beider Unternehmen nicht umgesetzt, sondern allenfalls vorbereitet werden. Generell unzulässig ist es zudem, wenn der Käufer vor der Freigabe auf die Geschäftsführung des Zielunternehmens faktisch Einfluss nimmt.

Maßnahmen zum Werterhalt des Zielunternehmens weiterhin zulässig

Erlaubt sind demgegenüber Regelungen, wonach das Zielunternehmen zwischen Signing und Closing im Rahmen des (vorhandenen) Geschäftsplans weitergeführt wird („ordinary course of business“ oder „standstill obligation“). Das gilt auch nach der Entscheidung der Autorité de la concurrence. Dem steht es nicht entgegen, wenn für bestimmte, insbesondere finanziell bedeutsame Maßnahmen des Zielunternehmens (z. B. Unternehmens­käufe, Kreditaufnahmen ab einem bestimmten Volumen, Eröffnung / Schließung von Niederlassungen, etc.) eine vorherige Genehmigung des Erwerbers eingeholt werden muss. Ein solcher Genehmigungsvorbehalt muss jedoch darauf abzielen, den Unternehmenswert bis zum Closing zu erhalten. Er muss daher sorgfältig formuliert werden, auch um praktisch handhabbar zu bleiben. Nicht zulässig wäre ein Vorbehalt im Hinblick auf Produktentwicklungen und Angebotsabgaben.

Vorsicht bei „faktischen Maßnahmen“

Diese Grundsätze sind nicht nur bei der Abfassung der schriftlichen Transaktionsdokumente zu beachten. Gerade bei der täglichen Kommunikation im Vorfeld der späteren Übernahme muss genau darauf geachtet werden, dass die beteiligten Personen nicht frühzeitig faktisch Einfluss auf das Zielunternehmen ausüben. Käufer und Zielunternehmen sind vielmehr bis zur Freigabe wie zwei getrennte Einheiten zu führen. Insoweit gilt zusätzlich das Verbot wettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen zwischen Unternehmen (Kartellverbot). Unzulässig ist daher jeder Austausch wettbewerblich sensibler Informationen, zum Beispiel über Kunden, beabsichtigte Preisgestaltungen oder Produkteinführungen oder über sonstige Aspekte der generellen strategischen Ausrichtung. Vor diesem Hintergrund kann es ratsam sein, Vorsichtsmaßnahmen wie die Einrichtung von sog. Clean Teams, die häufig vor dem Signing zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen ergriffen werden, bis zum Closing fortzuführen.

Sorgfältige kartellrechtliche Begleitung von M&A-Prozessen erforderlich

Im Ergebnis ist trotz der Entscheidung der Autorité de la concurrence bei M&A-Vorhaben kein „Alarmismus“ angesagt, sondern – nach wie vor – eine sorgfältige kartellrechtliche Begleitung eines jeden M&A-Vorhabens. Das gilt im Übrigen selbst dann, wenn die Transaktion nicht der Fusionskontrolle unterliegt: Auch in diesem Fall gilt das Kartellverbot, solange das Vorhaben nicht vollzogen wurde.

Dr. Holger Stappert
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Franz-Rudolf Groß, LL.M. (London)
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Speaker’s Corner

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Alle reden von Trump – wir auch

Donald Trump wird der nächste Präsident der USA werden. Wir stellen uns heute im Speaker’s Corner die Frage: Was bedeutet die Wahl von Donald Trump für das US Antitrust Law und für die internationale Kartellrechtspflege?

Während Hillary Clinton eine detaillierte Agenda für die künftige Antitrust Policy vorgelegt hatte, äußerte sich Donald Trump im Wahlkampf nicht konzeptionell zu seinen Plänen im Kartellrecht. Allerdings machte er einige bemerkenswerte Äußerungen mit Bezug zum Kartellrecht:

  • In seinem Buch „Time to Get Tough: Making America #1 Again“ schlug er vor, die OPEC für Verletzung der Kartellgesetze zu verklagen. Hierzu regte er an, dass der Kongress ein „No Oil Producing and Exporting Cartels Act“ (NOPEC) ver­abschieden solle. Hier rüttelt Trump an der amerikanischen Act-of-State-Doktrin, wonach Staaten der amerikanischen Gerichtsbarkeit entzogen sind.
  • In einem Interview im Mai 2016 kritisierte er Amazon und de­ren Chef Jeff Bezos dafür, dass sie die Zeitung Washington Post für ihre politischen Zwecke missbräuchten. Insbesondere sollte dadurch verhindert werden, dass Amazon in der Weise besteuert werden würde, wie es angemessen sei. Originalton Donald Trump: „… he thinks I would go after him for antitrust, because he’s got a huge antitrust problem because he’s controlling so much, …“
  • Auf die Ankündigung der Fusion von AT&T/Time Warner reagierte Donald Trump mit der Aussage, dass unter seiner Administration diese Fusion nicht genehmigt werden würde. Begründung: „too much concentration of power in the hands of too few“. Inzwischen wurde aus dem Urteil von Trumps Führungsteam jedoch klargestellt, dass man die Fusion nach den allgemein gültigen Standards überprüfen würde.

Es stellt sich nun die Frage, welche Schlussfolgerungen man aus diesen Äußerungen Trumps ziehen kann. Hierbei ist wichtig, wie man Trump grundsätzlich einschätzen muss. Hierzu hat Brad Todd zutreffend gesagt: „Die Wähler nehmen Trump ernst, aber nicht wörtlich. Die Presse nimmt ihn beim Wort, aber nicht ernst.“ Manche Kommentatoren haben auch darauf hingewiesen, dass Trump der erste Kandidat sei, der selbst in Antitrust-Rechtsfällen verwickelt gewesen sei. Es handelt sich hierbei um drei Fälle: Verstoß gegen die Anmeldepflichten nach dem Hart-Scott-Rodino Antritrust Improvements Act, eine Klage der USFL gegen die NFL (National Football League) sowie eine kar­tellrechtliche Auseinandersetzung im Atlantic City Hotel Casino Case. Ob man aus diesen persönlichen Erfahrungen Trumps mit dem Antitrust Law Schlussfolgerungen für seine künftige Politik ziehen kann – wie dies einige Kommentatoren tun – ist allerdings eher fraglich. Trump ist einfach unberechenbar: Einerseits will er den Staat zurückdrängen – andererseits hat er in einem aktuellen Fall der Abwanderung eines Klimaanlageherstellers nach Mexiko Steuergeschenke von USD 7 Mrd. versprochen, um 800 Jobs zu erhalten. Mit Automobilherstellern geht er ähnlich um.

Nach unserer Einschätzung stehen zwei Fragen im Vordergrund.

  • Wird es zu einer Politisierung des Kartellrechts in den USA kommen? Die Tatsache, dass Donald Trump sich als Vertreter der „kleinen Leute“ sieht und die Machtkonzentration in den Händen von wenigen als problematisch ansieht, könnte diese Gedanken stützen. Dennoch bleibt auch hier offen, ob Donald Trump sagt, was er denkt, und tut, was er sagt. Im Übrigen wird in vielen Fällen die Judikative – allen voran der Supreme Court – ein bedeutendes Wort bei der Gestaltung der künftigen Antitrust Politik haben.
  • Für uns Europäer sehr viel wichtiger ist die Frage, inwieweit Trump einen konsequenten Protektionismus umsetzt. Der Slogan „Make America great again“ könnte hierfür eine Grundlage sein. Ein amerikanischer Protektionismus würde sicher international nicht ohne Folgen bleiben, da dann viele andere Länder ebenfalls zu entsprechenden Gegenmaßnahmen greifen würden. Eine solche Entwicklung könnte auch die internationale Zusammenarbeit der Kartellbehörde (ICN) nachhaltig beschädigen.

An unsere Leser möchten wir daher heute folgende Fragen stellen:

  1. In welche Richtung wird sich das US Antitrust Law unter der Trump-Administration kartellrechtlich/ökonomisch voraussichtlich entwickeln?
  2. Wo sehen Sie die größten Risiken für Europa?

Dr. Thomas Kapp, LL.M. (UCLA)
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Nachrichten in Kürze

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Bundeskartellamt: Freigabeentscheidung im Bereich Tiefkühllogistik veröffentlicht

Das Bundeskartellamt hat die Freigabeentscheidung des Zusammenschlusses der Nagel Group (in der TK-Logistik auch unter der Bezeichnung Eurocool Nagel bekannt) mit dem Tiefkühllogistiker MUK-Transthermos veröffentlicht. Der europaweit agierende Lebensmittellogistiker mit Sitz in Versmold übernimmt rückwirkend zum 1. Januar das Münchner Unternehmen. MUK betreibt über ihre Tochtergesellschaften Transthermos GmbH und Transthermos Kontraktlogistik GmbH deutschlandweit Tiefkühlhäuser und bietet den Transport von tiefgefrorenen Lebensmitteln an.

Das Bundeskartellamt hat mögliche Bedenken gegen den Zusammenschluss geprüft und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine erhebliche Beschränkung wesentlichen Wettbewerbs nicht zu erwarten ist. Verneint wurde insbesondere die Frage, ob als Folge des Zusammenschlusses eine Einzelmarktbeherrschung oder der Eintritt sonstiger unilateraler Effekte zu erwarten ist. Wegen der im Vergleich zur Zielgesellschaft relativ geringen Bedeutung von Nagel wird sich an der Marktstruktur nach Aufassung des Bundeskartellamts nichts Wesentliches ändern. Ferner hat das Bundeskartellamt festgestellt, dass der Zusammenschluss (trotz bestehender Oligopolvermutung) nicht zu einer Verstärkung eines marktbeherrschenden Oligopols zwischen dem fusionierten Unternehmen und Nordfrost führen wird, und dass auch keine sonstigen koordinierten Effekte zu erwarten sind.

Bundeskartellamt gibt Erwerb von Coop durch REWE unter Auflagen frei

Das Bundeskartellamt hat die Übernahme des norddeutschen Lebensmitteleinzelhändlers Coop eG (Kiel) durch die REWE Markt GmbH (Köln) unter Auflagen freigegeben. Coop erzielte 2015 einen Umsatz von EUR 1,23 Mrd. und betreibt in den Bundesländern Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Hamburg rund 200 Filialen unter der Marke Sky. REWE ist mit bundesweit über ca. 6000 Filialen und einem Umsatz von ca. EUR 36 Mrd. im Jahr 2015 der zweitgrößte Lebensmitteleinzelhändler in Deutschland. REWE plant mind. 55% an der Supermärkte Nord Vertriebs GmbH & Co. KG i.G. (Kiel) zu erwerben, in die die Standorte der Coop eingebracht werden sollen. Das Bundeskartellamt hat im Fusionsfall REWE/Coop inhaltlich die gleiche Prüfung durchgeführt wie im Fusionsfall Edeka/Tengelmann. Auf der Absatzseite wurden 45 regionale Markträume in Norddeutschland (primär ländliche Gebiete) detailliert untersucht. Darüber hinaus wurde für Hamburg eine Analyse anhand von sieben Stadtbezirken vorgenommen. Die Ermittlungen haben gezeigt, dass die Übernahme in den Regionen Boizenburg, Husum, Ludwigslust, Nauen, Röbel, Schwarzenbek, Schwerin und Wittenburg sowie in den Hamburger Stadt­­­bezirken Nord und Harburg zu einer Behinderung des Wett­bewerbs geführt hätte. Zur Beseitigung dieser Wettbewerbs­probleme haben REWE und Coop bereits während des laufenden Verfahrens elf Filialen aus den betroffenen Regionalmärkten an die wettbewerblich unabhängige, mittelständische Bartels Langness-Gruppe verkauft, so das Bundeskartellamt. Auf den Beschaffungsmärkten – im Verhältnis der Händler zu ihren Lieferanten – kommt es nach Auffassung des Bundeskartellamts durch die Übernahme von Coop durch REWE nicht zu einer erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs. Maßgeblich für diese Annahme war u.a. die Tatsache, dass das eigenständige Beschaffungsvolumen von Coop lediglich einem Anteil von unter 0,5% am gesamten Beschaffungsvolumen des deutschen Lebensmitteleinzelhandels entsprach. REWE und Coop sind bereits seit fast zehn Jahren in einer Einkaufskooperation verbunden, über die Coop 65-70% seiner Waren beschafft. Insoweit war Coop auf der Beschaffungsseite schon in der Vergangenheit nicht als unabhängiger Wettbewerber von REWE zu sehen, der eine echte Ausweichalternative für die Lieferanten dargestellt hätte.

Bundeskartellamt: Verfahren gegen Gesellschaften der Tönnies-Gruppe eingestellt

Das Bundeskartellamt hat die Bußgeldverfahren gegen zwei Gesellschaften der Zur Mühlen-Gruppe eingestellt. Die gegen die Böklunder Plumrose GmbH & Co. KG (Böklund) sowie die Könecke Fleischwarenfabrik GmbH & Co. KG (Bremen) erlassenen Bußgeldbescheide über insgesamt EUR 128 Mio. sind infolge konzerninterner Umstrukturierungen gegenstandslos geworden. Die Zur Mühlen-Gruppe selbst ist eine Beteiligungsgesellschaft von Herrn Clemens Tönnies.

Das Bundeskartellamt hatte im Jahr 2014 Bußgelder in Höhe von insgesamt rund EUR 338 Mio. gegen 21 Wursthersteller sowie gegen 33 verantwortlich handelnde Personen verhängt. Gegen elf Unternehmen und 15 Personen wurden die Verfahren mittlerweile durch rechtskräftige Bußgeldbescheide (i.H.v. insg. ca. 71 Millionen Euro) abgeschlossen. Gegen die darüber hinaus verhängten Bußgelder wurden Einsprüche eingelegt. Im vorliegenden Fall wurden nach Einlegung des Rechtsmittels wesentliche Vermögensgegenstände der Böklunder Plumrose GmbH & Co KG und der Könecke Fleischwarenfabrik GmbH & Co. KG auf andere Gesellschaften der Zur Mühlen-Gruppe übertragen. Die beiden Gesellschaften sind anschließend erloschen.

Das Bundeskabinett hat am 28. September 2016 einen vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie vorgelegten Entwurf für eine Novelle des Gesetzes gegen Wettbe­werbs­be­schrän­kungen (GWB) verabschiedet, der diese sog. „Wurstlücke“ zukünftig schließen soll.

Monitoringbericht 2016 der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamtes

Die BNetzA und das BKartA haben am 30. November 2016 ihren gemeinsamen Monitoringbericht über die Entwicklungen auf den deutschen Elektrizitäts- und Gasmärkten im Jahr 2015 veröffentlicht. Eine hohe Angebotsvielfalt ohne marktbeherrschende Anbieter führte demnach zu häufigen Wechseln des Stromanbieters; bei den Gewerbe- und Industriekunden wechselten im Jahr 2015 knapp 13% ihren Stromversorger. Dies ist der höchste Wert seit Beginn des Monitorings im Jahr 2006. Die Strompreise für Haushaltskunden sind zum 1. April 2016 geringfügig auf 30,63 ct/kWh angestiegen. Leichte Preissteigerungen gibt es auch in den beiden anderen Abnahmegruppen – Vertrag beim Grundversorger außerhalb der Grundversorgung und Vertrag bei einem Lieferanten, der nicht der örtliche Grundversorger ist. Dagegen sind die Strompreise für Industrie- und Gewerbekunden eher zurückgegangen. Der Gaspreis ist für Haushaltskunden auch zum 1. April 2016 weiter um ca. 2,1% auf 6,54 ct/kWh gesunken (durchschnittlich für alle Vertragsarten). Dabei sind die Preise beim Grundversorgungsvertrag um ca. 0,6 ct/kWh teurer als Verträge mit dem Grundversorger außerhalb der Grundversorgung bzw. um ca. 0,5 ct/kWh teurer als Verträge bei einem Lieferanten, der nicht örtlicher Grundversorger ist.

Bundeskartellamt: Sparkassen dürfen Zahlungsfunktion „Kwitt“ gemeinsam anbieten

Das BKartA erhebt keine Einwände gegen die Zahlungsfunktion „Kwitt“, mit der Sparkassen-Kunden künftig Geldbeträge von Handy zu Handy senden können. Sofern – wie erwartet – eine Vielzahl der einzelnen Sparkassen diese Funktion nutzen, können die rund 4,5 Millionen Nutzer der Apps mit ihrem Smartphone Geldbeträge an die Mobilfunknummer eines Dritten senden. Mit diesem Angebot für Sparkassen-Kunden steht die Sparkassen-Gruppe im Wettbewerb insbesondere zu Anbietern, die unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer Bankengruppe entsprechende Apps am Markt anbieten und an Kreditinstitute lizenzieren. Die innerhalb der Sparkassen-Gruppe erfolgte Entwicklung und die Verwendung durch die teilnehmenden Sparkassen könnten zu einer Beschränkung des Wettbewerbs führen, weil unabhängigen Drittanbietern der direkte Zugang zu den Endkunden fehlt. Dagegen spricht jedoch, dass der einzelne Sparkassen-Kunde mit dieser vereinfachten Form einer Überweisung nicht auf Kunden seiner eigenen Sparkasse beschränkt bleibt. Vor diesem Hintergrund hat das BKartA im Rah­men seines Aufgreifermessens entschieden, kein Verfahren einzuleiten. Zeitgleich hat auch das gemeinsame Rechenzentrum aller Volks- und Raiffeisenbanken eine ähnliche Online-Banking-App angekündigt. Gegen diese erhebt das BKartA im Ergebnis ebenfalls keine Bedenken. Zwischenzeitlich gab es – nicht weiter verfolgte – Planungen zwischen den Sparkassen und Genossenschaftsbanken, gemeinsam eine derartige Zahlungsfunktion einzuführen.

Bundeskartellamt: REWE darf 67 Standorte von EDEKA übernehmen

Das BKartA hat am 8. Dezember 2016 die Weiterveräußerung von 67 Lebensmitteleinzelhandels-Standorten von EDEKA an REWE freigegeben. Die Beurteilung des BKartA erfolgte nach Rücknahme der Beschwerde gegen die Ministererlaubnis durch REWE und Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums, dass die Bedingungen der Ministererlaubnis erfüllt sind. Dadurch ist die Ministererlaubnis bestandskräftig und wirksam, so dass EDEKA das Unternehmen Kaiser’s Tengelmann übernehmen kann. In allen betroffenen Marktgebieten ist EDEKA nach der Übernahme Marktführer, so dass die Weiterveräußerung von Filialen an REWE sogar zu strukturellen Verbesserungen der Wettbewerbslage führt. Im Rahmen des vorausgegangenen Schlichtungsverfahrens hatten die Schlichter und die Un­ter­nehmen das BKartA gebeten, bestimmte kartellrechtliche Fragen vor einer möglichen Weiterveräußerung von Standorten an REWE zu erläutern. Die Einschätzung des BKartA ist als wettbewerbsrechtlicher Rahmen in die Verhandlungen mit dem Schlichter eingeflossen.

Bundeskartellamt startet Sektoruntersuchung Haushaltsabfälle

Das Bundeskartellamt hat mit den Ermittlungen im Rahmen der Sektoruntersuchung Haushaltsabfälle begonnen. Gegenstand der Untersuchung sind die Wettbewerbsverhältnisse auf den regionalen Märkten für die Sammlung und den Transport von Haushaltsabfällen. Das Bundeskartellamt möchte mit der Sektoruntersuchung insbesondere den Wettbewerb bei Ausschreibungen der dualen Systeme und den Kommunen untersuchen.

Europäische Kommission: Bedingte Genehmigungsentscheidung für LinkedIn/Microsoft

Die Europäische Kommission genehmigte am 6. Dezember 2016 den Kauf von LinkedIn durch Microsoft unter der Be­din­gung, dass die Transaktion alsbald angekündigt würde. Verantwortliche der Kommission befassten sich mit der Frage, ob der Deal zu Wettbewerbsbeschränkungen auf den Märkten der sozialen Medien für Berufsträger sowie den Märkten für Software für Kundenbeziehungsmanagement und der Onlinewerbung führen würde. Microsoft hat sich dafür eingesetzt, dass Computer-Herstellern und Vertreibern auch die Option verbleibt, LinkedIn nicht auf Windows zu installieren. Kunden solle es außerdem möglich sein, LinkedIn auch dann von Windows zu entfernen, wenn sich Hersteller und Vertreiber von Computern für eine Vorinstallation aussprechen. Der Übereinkunft entsprechend wird Microsoft auf wettbewerblicher Ebene die Interaktion zwischen sozialen Medien für Berufsträger und Microsofts Office Produkten durch sogenannte Office add-in program- und Office application programming interfaces unterstützen. Schließlich garantierte der US Technologieriese den sozialen Medien für Berufsträgern Zugang zu einem Portal für Software-Entwickler namens „Microsoft Graph“. Dadurch können Applikationen und Dienstleistungen mit Zugriff auf in der Microsoft Cloud gespeicherte Daten angeboten werden. Die Übereinkunft gilt für fünf Jahre innerhalb des europäischen Wirtschaftsraums und wird von einem Treuhänder überwacht.

Europäische Kommission: Übernahme des Laserlieferanten Rofin-Sinar von Coherent

Die Europäische Kommission hat die geplante Übernahme von US-amerikanischer und deutscher Rofin-Sinar durch Coherent in den USA freigegeben. Beide sind globale Anbieter von Lasern mit breiten Produktportfolios und globalen Vertriebs- und Service-Fähigkeiten. Um den Wettbewerbsprozessen der Kom­mission gerecht zu werden, bot Coherent an, Rofin-Sinar’s Hull (UK), den Herstellungsbetrieb von CO2-Laser mit niedriger Leis­tung, zu verkaufen. Der Verkauf eliminiert weltweit die Überschneidungen zwischen den Aktivitäten der beiden Unterneh­men bei CO2-Lasern mit geringer Leistung. Die Kommission kam zu dem Schluss, dass die Transaktion in der durch die Ver­pflich­tungen geänderten Form keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken aufwirft.

Europäische Kommission: Erwerb von Alteo ARC und Alufin durch Imerys

Die Europäische Kommission hat die geplante Übernahme von Alteo ARC und Alufin durch Imerys aus Frankreich genehmigt. Der Zwischenverkauf ist bedingt durch die Veräußerung des weißen Alu-Geschäftes von Alteo ARC in La Bâthie Alteo ARC, Alufin und Imerys sind in der Herstellung und Lieferung von verschiedenen Spezialaluminaten im Europäischen Wirtschafts­raum (EEA) tätig. Die Kommission stellte keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken in Bezug auf andere von der Transaktion betroffene Produkte, wie braun geschmolzenes Aluminiumoxid, fest. Die Untersuchung ergab auch, dass die Marktanteile des fusionierten Unternehmens in diesen Produkten bescheiden waren und mehrere alternative Lieferanten, auch außerhalb Europas, ihre Tätigkeit fortsetzen würden. Um den Wettbewerbsproblemen der Kommission gerecht zu werden, bot Imerys an, das gesamte Aluminium- und Aluminiumgeschäft von Alteo ARC in Alteos Werk in La Bâthie (Frankreich) zu veräußern, wodurch die Wettbewerbsintensität in diesen Märkten vollständig bewahrt werden würde. Daher kam die Kommission auch hier zu dem Schluss, dass die Transaktion in der durch die Verpflichtungen geänderten Form keine wettbewerbsrechtlichen Bedenken aufwirft.

Europäische Kommission: Eingehende Untersuchung der geplanten Übernahme von Syngenta durch ChemChina

Die Europäische Kommission hat die Überprüfung begonnen, ob die geplante Übernahme von Syngenta durch ChemChina im Einklang mit der EU-Fusionskontrollverordnung steht. Die Kommission wird insbesondere prüfen, ob das Abkommen den Wettbewerb in Pflanzenschutzmitteln und die Versorgung mit bestimmten chemischen Grundstoffen verringern kann. Die vorgeschlagene Fusion würde das schweizerische Unter­nehmen Syngenta, eines der weltweit wichtigsten Saatgut- und Pflanzenschutzunternehmen, und ChemChina, den größten Anbieter von generischen Pflanzenschutzmitteln in Europa, vereinen. Die Transaktion würde in einer Industrie stattfinden, die bereits relativ konzentriert ist. Neben der Untersuchung von Pflanzenschutzmärkten wird auch überprüft werden, ob der Zusammenschluss die Wirkstoffversorgung beeinträchtigen kann. Die Kommission hat nunmehr bis zum 15. März 2017 Zeit, um eine Entscheidung zu treffen.

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