28.04.2016
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Die ThyssenKrupp GfT Gleistechnik GmbH („GfT“) war vom Bundeskartellamt wegen ihrer Beteiligung am Kartell der „Schienenfreunde“ mit fast EUR 200 Millionen bebußt worden. Außerdem verlangten die Deutsche Bahn und andere Kunden von GfT Schadensersatz. Mit der Deutschen Bahn verglich sich GfT auf mehr als EUR 100 Mio., andere Forderungen stehen weiterhin im Raum. GfT und ihre Mutter ThyssenKrupp wollen ihre finanziellen Einbußen zumindest zum Teil durch Schadensersatzklagen gegen die mittlerweile ausgeschiedenen, (angeblich) an den Verstößen beteiligten Personen wettmachen. Über die Klage gegen Uwe Sehlbach, während der Dauer des Kartells Geschäftsführer der GfT und Bereichsvorstand bei ThyssenKrupp, hatten wir in unserem Newsletter Kartellrecht bereits berichtet (2. Quartal 2015, S.4 f.). In diesem Fall hatte das LAG Düsseldorf entschieden, dass das Unternehmen das Bußgeld tragen müsse und es nicht im Wege des Schadensersatzanspruchs (teilweise) an Herrn Sehlbach weiterbelasten dürfe. Diese Frage liegt nun dem BAG vor. Ob das Unternehmen Herrn Sehlbach dafür in Regress nehmen kann, dass es Kunden einen Ausgleich für den Verstoß gezahlt hat, ließ das LAG im Sehlbach-Fall offen – es setzte den Prozess mit Blick auf das parallel laufende Strafverfahren aus. Im hier dargestellten, vom selben Gericht am 27. November 2015 entschiedenen Fall ging es um einen Prokuristen der GfT, der als Leiter eines Verkaufsbüros an den Kartellrechtsverstößen beteiligt gewesen sein soll.
Der Prokurist war zuständig für Vertrieb, technische Beratung und Materialeinkauf. Vor und während der Dauer des Kartells war er in verantwortlicher Position tätig und angeblich an den Kartellabsprachen beteiligt. Diese begannen 2001 als Thyssen- Krupp mit der Tochtergesellschaft eines anderen Konzerns eine Vertriebsvereinbarung schloss und die sogenannte „Zweimarkenstrategie“ verabschiedete. Diese wurde auf einer Tagung der beteiligten Konzerne vorgestellt. An ihr nahmen Vorstände und Geschäftsführer teil sowie zahlreiche Mitarbeiter, unter ihnen der Prokurist.
Ebenso wie im Sehlbach-Urteil verneinte das LAG Düsseldorf hier einen Regress wegen der gezahlten Kartellbußen. Die Begründung war dieselbe wie im Sehlbach-Urteil: Die Sanktion solle das Unternehmen treffen, d.h. das Unternehmen solle sich das Geld nicht von seinen Mitarbeitern zurückholen.
Den Schadensersatzanspruch stützte GfT auf eine Verletzung des Arbeitsvertrags. Die Beteiligung an kartellrechtswidrigen Absprachen stellt nach Ansicht des LAG grundsätzlich eine Verletzung von Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag dar. Diese Pflichtverletzung müsse der Arbeitgeber nachweisen. Dafür sei der Bußgeldbescheid nicht geeignet. Zwar seien die Gerichte gemäß § 33 Abs. 4 Satz 1 GWB in Schadensersatzklagen an die im Bescheid gemachten Feststellungen gebunden. Dies gelte aber nur zu Lasten derjenigen Personen, die Adressaten des Bußgeldbescheids seien. Denn nur sie könnten Rechtsmittel gegen den Bescheid einlegen. Wer sich gegen den Bescheid nicht wehren könne, dem könne der Inhalt des Bescheids auch nicht entgegengehalten werden. Somit müsse die Pflichtverletzung des Prokuristen nachgewiesen werden. Für einige sog. „Projekte“, in denen sich der Prokurist mit Wettbewerbern abgestimmt hatte, gelang der GfT dies.
Das LAG wandte die Grundsätze der privilegierten Arbeitnehmerhaftung auf den Prokuristen an. Diese sehen eine vom üblichen Schadensersatzrecht abweichende Regelung der Haftung vor, wenn ein Arbeitnehmer bei einer betrieblichen Tätigkeit dem Arbeitgeber oder einem Dritten einen Schaden zufügt. Statt des Üblichen gilt: für Vorsatz haftet der Arbeitnehmer grundsätzlich vollumfänglich, ebenso in der Regel bei grober Fahrlässigkeit. Mittlere Fahrlässigkeit führt zu einer Quotelung der Haftung, leichte Fahrlässigkeit schließt die Haftung des Arbeitnehmers grundsätzlich aus.
Das LAG befand, dass der Prokurist (nur) grob fahrlässig gehandelt hatte. Das Unternehmen hatte zwar Compliance-Schulungen durchgeführt und Konzernrichtlinien ausgehändigt. Daher hätte er wissen müssen, dass er zu kartellrechtskonformem Verhalten verpflichtet war. Auch die finanziellen Folgen hätten ihm grundsätzlich bewusst sein müssen, weil ThyssenKrupp bereits 2004 wegen der Beteiligung an einem Aufzugskartell von der Europäischen Kommission mit einem sehr hohen Bußgeld belegt und zudem von Abnehmern auf Schadensersatz in Anspruch genommen worden war. Der für den Vorsatz erforderliche Wille lag aber nach Ansicht des LAG dennoch nicht vor. Der Prokurist habe einen Schaden in der konkreten Höhe nicht gewollt: „Schadensersatzansprüche der geschädigten Unternehmen waren in seinem Tätigkeitsbereich bisher nicht aufgetreten.“ Man könne nicht davon ausgehen, dass dem Prokuristen ein Schaden in der geltend gemachten Höhe gleichgültig gewesen sei; er habe eher darauf gehofft, der Schaden werde nicht eintreten.
Obwohl also auch nach den Regeln der privilegierten Arbeitnehmerhaftung ein vollumfänglicher Regress gegen den Prokuristen möglich schien, ging sein Arbeitgeber leer aus. Das LAG befand nämlich, dass die GfT den Schaden mitverschuldet hatte, und zwar so erheblich, dass damit das Verschulden des Prokuristen vollständig dahinter zurücktrat. Das Verschulden der GfT lag, so das LAG, im Abschluss einer kartellrechtswidrigen Vereinbarung sowie in der Vermittlung der „Zweimarkenstrategie“ auf der genannten Tagung. Damit sei das Risiko des Prokuristen, an den kartellrechtswidrigen Absprachen teilzunehmen, von seinem Arbeitgeber erhöht worden. Nach Ansicht des LAG hatte sich also der Arbeitnehmer in dem vom Arbeitgeber vorsätzlich geschaffenen kartellrechtswidrigen Rahmen bewegt. Demgegenüber wäre es den Organen der GfT ohne Weiteres möglich gewesen, den Betrieb so zu organisieren, dass es nicht zu kartellrechtswidrigen Absprachen gekommen wäre. Anders als der Arbeitnehmer hätten die Geschäftsführer nicht nur grob fahrlässig, sondern vorsätzlich gehandelt, weil sie durch Abschluss einer kartellrechtswidrigen Vereinbarung und der Vermittlung der „Zweimarkenstrategie“ den Wettbewerb ganz bewusst beschränkt hatten. Bei einer solchen vorsätzlichen Schadens(mit)verursachung des Geschädigten steht ihm nach Meinung des LAG in der Regel kein Ersatzanspruch gegen den (grob) fahrlässig handelnden Schädiger zu. Somit konnte GfT den Prokuristen trotz dessen grob fahrlässiger Pflichtverletzung nicht in Regress nehmen.
Mit dem Urteil steht zum einen fest, dass die Einhaltung von Kartellrecht zu den Nebenpflichten aus dem Arbeitsvertrag gehört und somit ein vorsätzlich oder grob fahrlässig handelnder Arbeitnehmer regresspflichtig werden kann, wenn sein Arbeitgeber an Kunden Schadensersatz zahlen muss. Haben aber die Organe vorsätzlich den kartellrechtswidrigen Rahmen geschaffen, innerhalb dessen der Arbeitnehmer handelt, dürfte, wie im hier entschiedenen Fall, das Verschulden des Arbeitsgebers in der Regel schwerer wiegen als das Verschulden des Arbeitnehmers mit der Folge, dass ein Regress oft ausgeschlossen oder nur teilweise möglich sein wird. Für die Compliance-Praxis bedeutet das Urteil, dass Mitarbeiter in Schulungen nachdrücklich auf die Schadensersatzrisiken für das Unternehmen – auch die Dimension dieser Risiken – und die Möglichkeit des Regresses hinzuweisen sind.
Dr. Helmut Janssen, LL.M. (London) |
Martina Stasch, Maîtrise en droit, Mag. iur. |
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Bei Zusammenschlüssen stellt sich vielfach die Frage, ob bestimmte Vollzugshandlungen bereits vor Abschluss der fusionskontrollrechtlichen Prüfung durch die Kartellbehörde den Zusammenschluss zumindest teilweise (zumindest faktisch) vorwegnehmen und somit gegen das Vollzugsverbot verstoßen (sog. Gun Jumping – vgl. hierzu bereits Newsletter 4. Quartal 2010, S. 5 f.). Nun hat das OLG Düsseldorf im Fall Edeka/ Tengelmann mit seinen Beschlüssen vom 9. Dezember 2015 – VI-Kart 1/15 („Vollzugsverbot I“) und vom 15. Dezember 2015 – VI-Kart 5/15 (V) („Vollzugsverbot II“) zwei aufschlussreiche Beschlüsse zum Vollzugsverbot in der Fusionskontrolle verkündet. Beide Entscheidungen des OLG Düsseldorf hängen miteinander zusammen: Während der Beschluss vom „Vollzugsverbot I“ eine einstweilige Anordnung des Bundeskartellamts zur Sicherung des Vollzugsverbots bis zum Abschluss des Fusionskontrollverfahrens betraf, ging es im Beschluss „Vollzugsverbot II“ um entsprechende Regelungen in der Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts.
Gegenstand der einstweiligen Anordnung des Bundeskartellamts war einerseits die Untersagung der Durchführung eines Rahmenvertrags zwischen EDEKA und Tengelmann. Dieser sah die Bündelung der Warenbeschaffung und die vollständige Übertragung der Zentralregulierung auf Edeka vor. Andererseits untersagte das Bundeskartellamt den Zusammenschlussbeteiligten den Vollzug eines sog. Carve-Out von bestimmten Filialen von Tengelmann: Im Kaufvertrag zwischen EDEKA und Tengelmann war vorgesehen, dass bestimmte Filialen einer bestimmten Region (sog. Carve-Out-Filialen) entweder zu schließen, zu veräußern oder in sonstiger Weise an einen oder mehrere Dritte zu übertragen seien, bevor EDEKA die übrigen Filialen von Tengelmann erwerben würde (vgl. Newsletter 1. Quartal 2015, S. 10).
Das Bundeskartellamt hat als Rechtsgrundlage für die einstweilige Anordnung sowohl § 60 Nr. 1 Alt. 2 GWB als auch § 32 a GWB herangezogen. Es sah in der vereinbarten Warenbeschaffung und Zentralregulierung einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot, da vom Vollzugsverbot auch Maßnahmen erfasst seien, die bereits im Vorfeld einer Fusion nachteilige wettbewerbliche Wirkungen auslösen würden. Nach Ansicht des Bundeskartellamts sollte dies auch für die Schließung der Carve-Out-Filialen gelten. Das Bundeskartellamt zog die Rechtsgrundlage des § 32 a GWB gleichermaßen heran, da nach seiner Auffassung die Vorwegnahme einzelner Wirkungen des Zusammenschlusses einen Verstoß gegen § 1 GWB/Art. 101 AEUV darstellen würde.
Da die Fortsetzungsfestellungsbeschwerde im Hinblick auf das Thema Carve-Out-Filialen unzulässig war, musste sich das OLG Düsseldorf materiellrechtlich nur mit dem Thema gemeinsame Warenbeschaffung und Zentralregulierung befassen. Es erkannte dabei im Hinblick auf die Rechtsgrundlage § 60 Nr. 1 GWB zwar einen Anordnungsanspruch, jedoch keinen Anordnungsgrund. Besonders lesenswert sind die grundsätzlichen Ausführungen des OLG Düsseldorf zum faktischen Vollzug eines Zusammenschlusses (juris-Veröffentlichung, Tz. 75 ff.). Es wird zunächst diskutiert, inwieweit bereits ein sog. Teilvollzug einen Verstoß gegen das Vollzugsverbot bedeuten könnte. In diesem Zusammenhang war bisher ungeklärt, ob und unter welchen Voraussetzungen Maßnahmen gegen das Vollzugsverbot verstoßen können, die weder die Voraussetzungen eines Zusammenschlusstatbestands erfüllen noch Teil einer aus mehreren Teilakten bestehenden dinglichen Umsetzung des Zusammenschlusses sind. Es handelt sich dabei um sog. „Vorfeldmaßnahmen“. Hierzu zählen etwa Planungen und Vorbereitungen der künftigen Integration des Zielunternehmens oder rein schuldrechtliche Vertragsbeziehungen, soweit sie nicht faktisch dazu führen, dass der Erwerber Einfluss auf die strategischen Entscheidungsziele des Unternehmens nehmen kann.
Während in der Literatur bisher vielfach die Auffassung vertreten war, dass derartige Vorfeldmaßnahmen nicht unter das Vollzugsverbot fallen, vertrat das Bundeskartellamt in seiner einstweiligen Anordnung die Auffassung, dass das Vollzugsverbot auch solche Vorfeldmaßnahmen erfasse. Dieser weiten Auslegung des Vollzugsverbots hat das OLG eine klare Absage erteilt. Das OLG Düsseldorf sah jedoch die Voraussetzung eines faktischen (Teil-)Vollzugs des Zusammenschlussvorhabens als erfüllt an. Dabei spielte keine Rolle, ob die Zusammen 5 schlussbeteiligten eine Einkaufskooperation bildeten oder – wie im Fall selbst vereinbart – EDEKA für Tengelmann einkaufte. Entscheidend für das OLG Düsseldorf war, dass Tengelmann als Nachfrager auf dem Beschaffungsmarkt wegfiel.
Das OLG Düsseldorf rügte jedoch, dass der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund nicht vorliege. Dem Bundeskartellamt warf es vor, bei der Prüfung des Anordnungsgrunds von seiner Abwägungsermächtigung erklärtermaßen keinen Gebrauch gemacht zu haben. Soweit das Bundeskartellamt pauschal auf eine Beschränkung des Nachfragewettbewerbs auf den LEH-Beschaffungsmärkten abstellte, führte das OLG Düsseldorf aus, dass es sich hierbei allein um die negativen wettbewerblichen Auswirkungen handelte, deren Eintritt durch das Vollzugsverbot verhindert werden soll. Ob und in welchem Umfang durch eine Warenbeschaffung durch EDEKA bis zur Entscheidung in der Hauptsache irreparable Nachteile oder schwere Schäden eintraten, hat das Amt weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.
Soweit das Bundeskartellamt sich auf § 32 a GWB gestützt hatte, rügte das OLG Düsseldorf, dass es für eine solche Rechtsgrundlage an einem Hauptsacheverfahren nach § 32 GWB fehlte. Das Bundeskartellamt hatte eine parallele Durchführung des Fusionskontrollverfahrens und eines Verfahrens nach § 1 GWB nicht nur nicht klar artikuliert, sondern in der Untersagungsentscheidung sich die Einleitung eines Verfahrens nach § 32 GWB und der Prüfung nach § 1 GWB/Art. 101 AEUV ausdrücklich vorbehalten.
Die Entscheidung „Vollzugsverbot II“ komplettiert die Entscheidung „Vollzugsverbot I“. In der Untersagungsverfügung des Bundeskartellamts nach Abschluss des Fusionskontrollverfahrens waren die entsprechenden Verbote ebenfalls enthalten. Dort war Gegenstand des Beschwerdeangriffs der Zusammenschlussbeteiligten die Frage, ob ihr streitbefangenes Verhalten (Warenbelieferung von Tengelmann durch EDEKA, Übernahme der Zentralregulierung durch EDEKA und Schließung der Carve-Out-Filialen durch Tengelmann) überhaupt vom gesetzlichen Vollzugsverbot umfasst werde. Während das OLG den Eilantrag von EDEKA in Bezug auf die Warenbelieferung und Zentralregulierung für unbegründet hielt (insofern seiner Beurteilung in der Entscheidung Vollzugsverbot I folgend), wurde dem Eilantrag von Tengelmann hinsichtlich der Schließung der Carve-Out-Filialen stattgegeben. Die Schließung der Carve-Out-Filialen verletze das Vollzugsverbot des § 41 Abs. 1 GWB nicht. Diese Maßnahme setze nämlich das beabsichtigte Fusionsvorhaben zwischen EDEKA und Tengelmann weder ganz oder teilweise noch rechtlich oder tatsächlich um. Mit der Stilllegung der Carve-Out-Filialen sei kein fusionsbedingter Machtzuwachs für EDEKA verbunden. Das OLG Düsseldorf weist ausdrücklich darauf hin, dass es aus kartellrechtlicher Sicht unbedenklich sei, dass EDEKA als potentielle Erwerberin nach ausschließlich eigenen wettbewerblichen Interessen diejenigen Standorte des Zielunternehmens Tengelmann ausgewählt habe, an deren Erwerb es kein Interesse besitze.
Nach der Erteilung der Ministererlaubnis am 17. März 2016 (vgl. dazu Nachrichten in Kürze auf Seite 12) hat Tengelmann eine einstweilige Anordnung zur Aufhebung des Vollzugsverbots für den gemeinsamen Einkauf mit Edeka beim OLG Düsseldorf beantragt.
Beide Entscheidungen sind lesenswert, da sie für die schwierige Frage, wann ein Verstoß gegen das fusionskontrollrechtliche Vollzugsverbot vorliegt, auch für künftige Fälle weiteren Aufschluss geben. Die Praxis wird daher an den beiden Entscheidungen „Vollzugsverbot I“ und „Vollzugsverbot II“ nicht vorbeikommen.
Dr. Thomas Kapp, LL.M. (UCLA) |
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Diese Frage würden viele Hersteller von Markenartikeln gerne bejahen. Sie erhoffen sich von derartigen Verboten, den Weiterverkauf ihrer Produkte in anderen Vertriebskanälen stärken zu können und dadurch das Marken- und Produktimage zu fördern. Bevorzugt werden insoweit vor allem stationäre Fachhandelsgeschäfte, in denen persönliche Beratung und „look & feel“ im Vordergrund stehen, sowie händlereigene Online-Shops, bei denen die Darstellung von Marken und Waren dem Produktimage entsprechend gesteuert werden kann.
Das Bundeskartellamt sieht entsprechende Klauseln jedoch äußerst kritisch und stuft sie als Wettbewerbsbeschränkung ein, die vor allem kleinere Händler belasten würde. Diese müssten von den bekannten Internet-Marktplätzen profitieren können, deren Reichweite die der händlereigenen Online-Shops bei weitem übertreffe. Zuletzt hat sich der Sportschuhhersteller Asics nach einem langen Streit gegenüber dem Bundeskartellamt verpflichtet, bestimmte Beschränkungen seiner Händler beim Internetvertrieb, darunter ein sogenanntes „Marktplatzverbot“, nicht mehr anzuwenden (Entscheidung vom 27. August 2015, Az. B2-98/11, vgl. Newsletter 3. Quartal 2015). Zuvor war der Sportartikelhersteller adidas eine ähnliche Verpflichtung eingegangen (Entscheidung vom 27. Juni 2014, Az. B3-137/12). Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht bisher aus.
Das OLG Frankfurt hat diese äußerst praxisrelevante Frage jetzt – anders als andere Oberlandesgerichte – im Sinne eines Markenartikelherstellers entschieden (Urteil vom 22. Dezember 2015, Az. 11 U 84/14 [Kart]). In dem betreffenden Fall hatte der Hersteller von Rucksäcken ein zulässiges qualitativ-selektives Vertriebssystem errichtet, also qualitative Kriterien aufgestellt, die ein Händler erfüllen musste, um beliefert zu werden. Diese Kriterien knüpften an die fachliche Eignung des Händlers, seines Personals und seine sachliche Ausstattung an. Insbesondere musste ein zugelassener Händler eine kompetente, individuelle und qualifizierte Fachberatung sicherstellen.
Das OLG Frankfurt erkannte an, dass diese Anforderungen nicht nur dazu dienten, den Beratungsbedarf zu decken, der angesichts der Vielzahl der vom Hersteller angebotenen Rucksackmodelle objektiv bestand. Die Kriterien sollten den Kunden auch eine hohe Produktqualität signalisieren. Diese Signalisierung könne, so das Gericht, sogar wettbewerblich geboten sein. Das sei vor allem dann der Fall, wenn sich die gehobene Qualität für den durchschnittlichen Verbraucher nur schwer beurteilen lässt, beispielsweise weil sie sich erst nach längerer oder intensiver Nutzung zeigt.
Mit diesem selektiven Vertriebssystem war ein Weiterverkauf der gelieferten Waren über die Online-Plattform „Amazon Marketplace“ nach Auffassung des OLG Frankfurt nicht vereinbar. Das Gericht erkannte an, dass sich eine kompetente, individuelle und qualifizierte Fachberatung zwar im Online-Geschäft (das als solches erlaubt bleiben muss) nicht in gleicher Weise umsetzen lässt wie im stationären Vertrieb. Auf der Plattform „Amazon Marketplace“ könne ein Händler jedoch nicht einmal auf sein Ladengeschäft als solches oder auf die dort mögliche individuelle Beratung oder eventuell vorhandenen Alternativprodukte hinweisen. Ebenso wenig lasse die einheitliche Darstellung aller Produkte auf „Amazon Marketplace“ eine Differenzierung zu, die das Markenimage zum Ausdruck bringe. Die hohe Produktqualität könne nicht ausreichend signalisiert werden; selbst in einem bei Amazon eingerichteten „Händlershop“ sei keine individuelle Gestaltung möglich.
Das OLG Frankfurt erkannte damit letztlich an, dass die Vertragsprodukte zulässigerweise nur bei den autorisierten Vertragspartnern im Rahmen eines Marktauftritts erhältlich sein können, der dem Charakter des selektiven Vertriebssystems und dem Markenimage gerecht wird und der von den Vertragspartnern selbst unmittelbar gesteuert werden kann.
Auf Online-Preissuchmaschinen wie zum Beispiel idealo.de oder ladenzeile.de sind diese Überlegungen laut OLG Frankfurt im Übrigen nicht übertragbar: Zwar sind auch hier keine individuellen Darstellungen oder gar eine Fachberatung möglich. Das OLG Frankfurt weist aber darauf hin, dass Preissuchmaschinen der vorgenannten Art anders als „Amazon Marketplace“ nicht dem unmittelbaren Verkauf dienten. Sie ermöglichten dem potentiellen Kunden lediglich, einen Händler zu finden, auf dessen Website der Kunde dann direkt von der Preissuchmaschine weitergeleitet wird. Im eigenen Online-Shop könne der Händler dann sicherstellen, dass die Anforderungen des selektiven Vertriebssystems beim Verkauf erfüllt werden. In dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall durfte der Hersteller daher nicht verlangen, dass die Händlerin keine Preissuchmaschinen nutzt.
Nun wird voraussichtlich der Bundesgerichtshof das letzte Wort haben. Die auf Belieferung klagende Händlerin hat Revision eingelegt (Az. KZR 3/16). Bis zu einem Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs ist für Hersteller weiterhin Vorsicht angebracht. In der Praxis ist die bislang strikte Ablehnung von allgemeinen Marktplatzverboten durch das Bundeskartellamt zu beachten. Auch mehrere Oberlandesgerichte haben in ähnlichen Fällen jeweils dem Online-Vertrieb größtmögliche Freiheit eingeräumt.
Diese Frage würden viele Hersteller von Markenartikeln gerne bejahen. Sie erhoffen sich von derartigen Verboten, den Weiterverkauf ihrer Produkte in anderen Vertriebskanälen stärken zu können und dadurch das Marken- und Produktimage zu fördern. Bevorzugt werden insoweit vor allem stationäre Fachhandelsgeschäfte, in denen persönliche Beratung und „look & feel“ im Vordergrund stehen, sowie händlereigene Online-Shops, bei denen die Darstellung von Marken und Waren dem Produktimage entsprechend gesteuert werden kann.
Das Bundeskartellamt sieht entsprechende Klauseln jedoch äußerst kritisch und stuft sie als Wettbewerbsbeschränkung ein, die vor allem kleinere Händler belasten würde. Diese müssten von den bekannten Internet-Marktplätzen profitieren können, deren Reichweite die der händlereigenen Online-Shops bei weitem übertreffe. Zuletzt hat sich der Sportschuhhersteller Asics nach einem langen Streit gegenüber dem Bundeskartellamt verpflichtet, bestimmte Beschränkungen seiner Händler beim Internetvertrieb, darunter ein sogenanntes „Marktplatzverbot“, nicht mehr anzuwenden (Entscheidung vom 27. August 2015, Az. B2-98/11, vgl. Newsletter 3. Quartal 2015). Zuvor war der Sportartikelhersteller adidas eine ähnliche Verpflichtung eingegangen (Entscheidung vom 27. Juni 2014, Az. B3-137/12). Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs steht bisher aus.
Das OLG Frankfurt hat diese äußerst praxisrelevante Frage jetzt – anders als andere Oberlandesgerichte – im Sinne eines Markenartikelherstellers entschieden (Urteil vom 22. Dezember 2015, Az. 11 U 84/14 [Kart]). In dem betreffenden Fall hatte der Hersteller von Rucksäcken ein zulässiges qualitativ-selektives Vertriebssystem errichtet, also qualitative Kriterien aufgestellt, die ein Händler erfüllen musste, um beliefert zu werden. Diese Kriterien knüpften an die fachliche Eignung des Händlers, seines Personals und seine sachliche Ausstattung an. Insbesondere musste ein zugelassener Händler eine kompetente, individuelle und qualifizierte Fachberatung sicherstellen.
Das OLG Frankfurt erkannte an, dass diese Anforderungen nicht nur dazu dienten, den Beratungsbedarf zu decken, der angesichts der Vielzahl der vom Hersteller angebotenen Rucksackmodelle objektiv bestand. Die Kriterien sollten den Kunden auch eine hohe Produktqualität signalisieren. Diese Signalisierung könne, so das Gericht, sogar wettbewerblich geboten sein. Das sei vor allem dann der Fall, wenn sich die gehobene Qualität für den durchschnittlichen Verbraucher nur schwer beurteilen lässt, beispielsweise weil sie sich erst nach längerer oder intensiver Nutzung zeigt.
Mit diesem selektiven Vertriebssystem war ein Weiterverkauf der gelieferten Waren über die Online-Plattform „Amazon Marketplace“ nach Auffassung des OLG Frankfurt nicht vereinbar. Das Gericht erkannte an, dass sich eine kompetente, individuelle und qualifizierte Fachberatung zwar im Online-Geschäft (das als solches erlaubt bleiben muss) nicht in gleicher Weise umsetzen lässt wie im stationären Vertrieb. Auf der Plattform „Amazon Marketplace“ könne ein Händler jedoch nicht einmal auf sein Ladengeschäft als solches oder auf die dort mögliche individuelle Beratung oder eventuell vorhandenen Alternativprodukte hinweisen. Ebenso wenig lasse die einheitliche Darstellung aller Produkte auf „Amazon Marketplace“ eine Differenzierung zu, die das Markenimage zum Ausdruck bringe. Die hohe Produktqualität könne nicht ausreichend signalisiert werden; selbst in einem bei Amazon eingerichteten „Händlershop“ sei keine individuelle Gestaltung möglich.
Das OLG Frankfurt erkannte damit letztlich an, dass die Vertragsprodukte zulässigerweise nur bei den autorisierten Vertragspartnern im Rahmen eines Marktauftritts erhältlich sein können, der dem Charakter des selektiven Vertriebssystems und dem Markenimage gerecht wird und der von den Vertragspartnern selbst unmittelbar gesteuert werden kann.
Auf Online-Preissuchmaschinen wie zum Beispiel idealo.de oder ladenzeile.de sind diese Überlegungen laut OLG Frankfurt im Übrigen nicht übertragbar: Zwar sind auch hier keine individuellen Darstellungen oder gar eine Fachberatung möglich. Das OLG Frankfurt weist aber darauf hin, dass Preissuchmaschinen der vorgenannten Art anders als „Amazon Marketplace“ nicht dem unmittelbaren Verkauf dienten. Sie ermöglichten dem potentiellen Kunden lediglich, einen Händler zu finden, auf dessen Website der Kunde dann direkt von der Preissuchmaschine weitergeleitet wird. Im eigenen Online-Shop könne der Händler dann sicherstellen, dass die Anforderungen des selektiven Vertriebssystems beim Verkauf erfüllt werden. In dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall durfte der Hersteller daher nicht verlangen, dass die Händlerin keine Preissuchmaschinen nutzt.
Nun wird voraussichtlich der Bundesgerichtshof das letzte Wort haben. Die auf Belieferung klagende Händlerin hat Revision eingelegt (Az. KZR 3/16). Bis zu einem Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs ist für Hersteller weiterhin Vorsicht angebracht. In der Praxis ist die bislang strikte Ablehnung von allgemeinen Marktplatzverboten durch das Bundeskartellamt zu beachten. Auch mehrere Oberlandesgerichte haben in ähnlichen Fällen jeweils dem Online-Vertrieb größtmögliche Freiheit eingeräumt.
Anne Caroline Wegner, LL.M. (European University Institute)
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Franz-Rudolf Groß, LL.M. (London)
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Unser letzter Speaker´s Corner im Newsletter 1. Quartal 2016 beschäftigte sich mit der Pauschalierung von Schadensersatz im Kartellrecht. Zu den dort von uns gestellten Fragen erreichte uns folgender Diskussionsbeitrag eines interessierten Lesers, den wir Ihnen nicht vorenthalten wollen. Falls Sie auch zu einem unserer Beiträge im Newsletter Kartellrecht Stellung nehmen möchten, schreiben Sie uns gerne an. Das Format wird auch künftig Raum für die Stimmen unserer Leser bieten.
Antwort: Die Frage ist uneingeschränkt mit Ja zu beantworten. Solche Klauseln sind nicht nur sinnvoll, sondern dringend erforderlich.
Die mehrjährige Erfahrung mit der in Deutschland erstmaligen außergerichtlichen Abwicklung der 2011 aufgedeckten Kartellbildung im Feuerwehrbereich lehrt, dass es ohne eine Pauschalregelung kaum möglich ist, aus praktischer Sicht zu der vom Gesetzgeber bereits 2005 und erneut mit der Novelle des GWB 2013 beabsichtigten Stärkung des Private Enforcement zu kommen.
Als Beispiel: Allein die Zahl der im Kartellzeitraum 2001-2009 geschlossenen Kaufverträge über rund 8000 Feuerlöschfahrzeuge und bei den Feuerwehr-Drehleitern von rund 500 macht deutlich, dass solche Zahlen letzten Endes nicht ohne Pauschalierungen bewältigt werden können. Überdies: Auf der einen Seite ist unter Umständen eine kleine Anzahl von Herstellerunternehmen vorhanden, der Tausende von Käufern, in diesem Fall Städte, Gemeinden, Landkreise, Bundesländer, Bundeswehr und private Unternehmungen gegenüberstehen. Eine Vielzahl von Einzelklägern wäre auch durch die Gerichte kaum zu bewältigen, wenn und solange Sammelklagen wie z.B. in den USA oder ähnlich wirkende Instrumentarien nicht zur Verfügung stehen. Diese Darstellung lässt sich bei anderen Kartellfällen auf den Bereich der Privatwirtschaft etwa bei mittelständischen Unternehmungen auf der Käuferseite übertragen. Demgegenüber ist es wesentlich einfacher für Konzernunternehmen mit entsprechend großer Marktmacht auf der Einkaufsseite, gegenüber den der Kartellbildung überführten Herstellern auf der Verkäuferseite Schadensersatz geltend zu machen und durchzusetzen, wie etwa die Verhandlungen zwischen der Deutschen Bahn AG mit den im Schienenkartell versammelten Herstellern zeigen.
Gerade im Bereich der Beschaffungen der öffentlichen Hand kommt hinzu, dass Pauschalierungen beim Kartellschadensersatz aus einem weiteren Grund angesagt sind: Es geht darum, Schaden vom Steuerzahler abzuwenden, der in diesem Fall durch Kartellbildung generierte unrechtmäßige Gewinne zu zahlen hat. Es ist sowohl Abschreckung als auch Vereinfachung durch solche Pauschalierung erforderlich.
Antwort: Das ausführlich begründete Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 31. Juli 2013 und die Entscheidung des Landgerichts Mannheim vom 4. Mai 2012 als Vorinstanz sowie das Landgericht Potsdam in seiner „dünn“ begründeten und wenig überzeugenden Entscheidung vom 22. Oktober 2014 beschäftigen sich mit Schadenspauschalierungsklauseln im Rahmen des oben angesprochenen Löschfahrzeugkartells.
Insbesondere mit Blick auf die eindeutige Zielsetzung der EU Richtlinie zu kartellrechtlichen Schadensersatzklagen (R L 2014/104/EU), die bis zum 27. Dezember 2016 vom deutschen Gesetzgeber umzusetzen ist, sollten solche ja vertraglich vereinbarten Klauseln eher großzügig behandelt werden. Es handelt sich ja nicht um AGB’s, die unbedarften Laien aufgenötigt werden, um einen der Schutzzwecke der gesetzlichen Regelungen anzusprechen. Insbesondere die von der öffentlichen Hand seit längerem verwendeten Klauseln mit einem den Schaden auf 10 % bis 15 % des Auftragswerts pauschalierenden Inhalt, erscheinen im Falle eines nachgewiesenen Kartells angemessen und verhältnismäßig. Allerdings erscheint es wegen der Spannweite der Kartellschäden erforderlich, wie im Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 31.7.2013 zu Recht verlangt, dem betroffenen Teilnehmer an einem Kartell die Möglichkeit zu gewährleisten, eine geringere Schadenshöhe nachzuweisen. Dies würde auch der Tendenz des Art. 17 Abs. 2 der EU Richtlinie mit seiner widerlegbaren Schadensvermutung entsprechen.
Antwort: Die EU-Kartellschadensersatzrichtlinie gibt Anlass, solche Überlegungen auch aus ordnungsrechtlichen Gründen, die über das Kartellrecht hinausreichen, zu forcieren. Einerseits besteht eine Schadensvermutung nach Art. 17 Abs. 2 der EU-Richtlinie. Andererseits gibt es Diskussionen, welche Verstöße die Schadensvermutung auslösen. Ferner ist keineswegs eine gesicherte Meinung vorhanden, unter welchen Voraussetzungen die Schadensvermutung widerlegt werden kann. Die Richtlinie gibt zur Höhe des Schadens keine über die heute schon bestehende Möglichkeit der Schadensschätzung (§ 287 ZPO) hinausgehende Regelung vor. Damit verbleibt es bei der sehr arbeitsaufwändigen und damit auch kostspieligen Notwendigkeit, ökonomische Gutachten als Unterlage für die Schätzung einzuholen. Genau das ist aber für kleinere von einem Kartell geschädigte Unternehmen oder Kommunen nach aller Erfahrung eine nahezu unmögliche Vorgehensweise und sehr benachteiligend:
In der Praxis sehen sich die Geschädigten häufig schon daran gehindert, trotz bindender Feststellung der Kartellbildung (§ 33 Abs. 4 GWB) den konkreten Nachweis der Kartellbetroffenheit eines Kaufvorgangs anzutreten und die Daten für die Schadensschätzung beizubringen. Die zum Schutz der Kronzeugenregelung vorhandene Beschränkung der Akteneinsicht durch die Geschädigten trägt ihren Teil dazu bei. Ein Schadensgutachten vorzufinanzieren, ist nicht nur im Einzelfall problematisch. Wenn einem beispielsweise vorliegenden Kartellschaden in Höhe von 15.000 Euro allein schon Gutachterkosten in sechsstelliger Höhe gegenüberstehen, so führt das in Anbetracht der Prozessrisiken aus wirtschaftlichen Gründen zur Zurückhaltung bei der privaten Rechtsdurchsetzung. Bei der öffentlichen Hand kommen überdies haushaltsrechtliche Probleme hinzu.
Das Bundeskartellamt wies im übrigen im Jahr 2011 auf den gerade auch der öffentlichen Hand, und mit Blick auf deren Beschaffungsvolumen besonders den Kommunen, entstehenden Schaden durch Kartelle hin. Mit Hilfe von Kartellabsprachen komme es bei Kartellen nach wissenschaftlichen Untersuchungen „im Mittel“ zu um 25 % überhöhten Preisen gegenüber dem unverfälschten Wettbewerb. Als Lösung ist eine gesetzliche Regelung in § 33 GWB zu fordern, die eine widerlegbare Vermutung für einen bestimmten prozentualen Schaden festlegt. Die Höhe des Prozentsatzes sollte entsprechend den wissenschaftlichen Erkenntnissen und unter Berücksichtigung der Spannweite der Kartellschäden zwischen 10 % und 25 % des Auftragswerts normiert werden. Gerade mit Blick auf die für Geschädigte nach wie vor absolut unbefriedigenden Einschränkungen des Akteneinsichtsrechts erscheint es angemessen, die Beweislast für eine geringere Schadensquote auch in diesem gesetzlich zu regelnden Fall den Kartellanten aufzubürden, die anhand der nur ihnen bekannten Kartelldaten diesen Beweis leichter führen könnten.
Rechtsanwalt Prof. Dr. iur. Christian O. Steger, Hauptgeschäftsführer des Gemeindetags Baden-Württemberg a. D.
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Der EuGH hat mit Urteil vom 20. Januar 2016 in dem Vorlageverfahren Rs. C-428/14 – DHL bestätigt, dass die Zusammenarbeit der nationalen und europäischen Wettbewerbsbehörden über das Netz europäischer Wettbewerbsbehörden „ECN“ sowie das europäische Kronzeugenmodell keine Bindung nationaler Behörden auslösen. Im konkreten Fall hatten zwei italienische Unternehmen der DHL-Gruppe geklagt, da die italienische Wettbewerbsbehörde AGCM bei der Bewertung des Kronzeugenantrags der Unternehmen nicht den zeitgleich bei der Europäischen Kommission eingereichten umfänglicheren Antrag mit berücksichtigt hatte. Die EU-Kommission hatte mit dem Markt für Frachtdienste im internationalen Luftverkehr nur einen Teil der Verstöße aufgegriffen und bebußt, weswegen die AGCM zusätzlich u.a. Verstöße im Straßenfrachtverkehr verfolgte. Nach Ansicht der Behörde umfasste der Kurzantrag der beiden DHL-Unternehmen auf nationaler Ebene indes nur die Sektoren Luft- und Seetransport, so dass hier keine Kronzeugenprivilegierung eingriff. In der Folge reichte ein Wettbewerber bei der AGCM einen Kronzeugenantrag für den Bereich des Straßenfrachtverkehrs ein. Diesbezüglich gelangte der Wettbewerber auf den ersten Rang unter den Kronzeugen und ging bußgeldfrei aus dem Verfahren hervor. Weil die italienische Behörde den bei der EU-Kommission eingereichten Antrag der DHL-Unternehmen nicht mit berücksichtigte, mussten diese im Bereich Straßenverkehrsfracht eine (nur reduzierte) Geldbuße hinnehmen.
Nachdem die EU-Kommission im November 2008 und September 2009 Nachprüfungen in den Räumlichkeiten mehrerer Unternehmen der Zementbranche durchgeführt hatte, ersuchte sie die betreffenden Unternehmen mit Beschlüssen vom 30. März 2011 um die Beantwortung eines Fragebogens zu den Verdachtsmomenten einer Zuwiderhandlung gegen das Kartellverbot. Einige der Unternehmen warfen der Kommission vor, die mutmaßlichen Zuwiderhandlungen nicht hinreichend erläutert und ihnen eine im Hinblick auf die Vielzahl der verlangten Auskünfte und die Vorgabe, sie in einem besonders aufwändigen Antwortformat zu liefern, unverhältnismäßig belastet zu haben und erhoben Nichtigkeitsklage vor dem EuG, das diese abwies. Der EuGH kommt demgegenüber zu dem Ergebnis, dass es den Auskunftsbeschlüssen an einer hinreichenden Begründung fehlt und erklärt diese für nichtig. Die Fragen der Kommission seien außerordentlich zahlreich gewesen und betrafen ganz unterschiedliche Arten von Auskünften. Die den Erlass der Beschlüsse der Kommission rechtfertigenden Verdachtsmomente für eine Zuwiderhandlung kämen darin jedoch nicht klar und eindeutig zum Ausdruck und es lasse sich nicht feststellen, ob die verlangten Auskünfte für die Untersuchung notwendig seien. Insbesondere vor dem Hintergrund des erheblichen Umfangs der Fragen sei die Begründung äußerst knapp, vage und allgemein gehalten. Die vorliegende Konstellation sei auch nicht mit der eines Nachprüfungsbeschlusses oder Auskunftsverlangens im Rahmen der Voruntersuchung zu vergleichen. Vorliegend seien die Auskunftsverlangen mehrere Monate seit der Einleitung des Verfahrens und mehr als zwei Jahre seit den ersten Nachprüfungen (und in der Folge mehreren Auskunftsverlangen) ergangen, als die Kommission bereits über Informationen verfügte, die Verdachtsmomente für eine Zuwiderhandlung konkreter zu formulieren.
Bereits im September letzten Jahres hatten sich zwei Formel 1 Teams formal bei der EU-Kommission wegen missbräuchlicher Praktiken der Formula One Group beschwert. Diese bevorzuge die etablierten Teams durch jährliche Zahlungen von mehr als GBP 155 Mio. Bernie Ecclestone, Geschäftsführer der Formula One Group, hatte sich gegenüber britischen Medien dahingehend geäußert, dass das Stimmgewicht der Formel 1-Motorenhersteller Mercedes und Ferrari innerhalb der die Regeln des Sports bestimmenden F1 Kommission zu einem Kartell führe. So belieferten die beiden Motorenhersteller acht der 11 Formel 1 Teams, die grundsätzlich nicht gegen ihre Motorenlieferanten stimmten, was Mercedes und Ferrari einen überproportional großen Einfluss in dem Entscheidungsgremium beschere, mit dem wettbewerbsfördernde Änderungen des Sports regelmäßig verhindert würden. Mercedes und Ferrari wiesen die Vorwürfe auch mit Unterstützung des weiteren Motorenherstellers Renault zurück. Die EU-Kommission möchte in Kürze entscheiden, ob sie den Fall weiter untersucht.
Am 18. März 2016 hat die EU-Kommission erste Ergebnisse ihrer Sektoruntersuchung zum E-Commerce, die sie im Mai 2015 eingeleitet hatte, in Bezug auf die Praxis des sog. Geo blockings veröffentlicht. Geoblocking bezeichnet im Internet eingesetzte Techniken zur regionalen Sperrung von Websites oder Internetinhalten, die insbesondere durch Einzelhändler bzw. Anbieter digitaler Inhalte angewendet wird, um zu verhindern, dass Verbraucher Gebrauchsgüter im Internet kaufen bzw. auf digitale Inhalte online zugreifen, wenn diese sich im Ausland befinden oder dort ihren Wohnsitz haben. Nach den ersten Ergebnissen dieser Sektoruntersuchung ist Geoblocking in der EU weit verbreitet und alltäglich, auch wenn die Ergebnisse nicht als statistisch repräsentativ für sämtliche EU E-Commerce Märkte angesehen werden können. 38 % der Gebrauchsgüter verkaufenden Einzelhändler, die sich an der Untersuchung beteiligten, und 68 % der Anbieter digitaler Online-Inhalte gaben hiernach an, Verbraucher aus anderen EU-Mitgliedsstaaten durch Geoblocking auszuschließen. Im Bereich der Gebrauchsgüter sei die Entscheidung, seine Waren bzw. Dienstleistungen nicht im Ausland anzubieten, nach den Angaben der EU-Kommission regelmäßig eine einseitige Entscheidung des Unternehmens. Kartellrechtlich relevant ist eine solche Praxis nur dann, wenn es sich um ein marktbeherrschendes Unternehmen handelt. Im Bereich digitaler Inhalte sei Geoblocking oftmals auf Vereinbarungen zwischen Lieferanten und Anbietern zurückzuführen. Derartige Vereinbarungen können auch außerhalb von Marktbeherrschungssachverhalten kartellrechtlich relevant sein. Die EU-Kommission müsse hier prüfen, ob ein wettbewerbsschädigendes Verhalten vorliege. In diesem Zusammenhang betont die EU-Kommission allerdings, dass die veröffentlichten ersten Ergebnisse der Sektoruntersuchung nicht der Feststellung wettbewerbsrechtlicher Bedenken oder der Einleitung kartellrechtlicher Ermittlungen vorgreifen.
Die EU-Kommission hat wegen ihrer Beteiligung an einem Kartell mit Denso gegen Melco (Mitsubishi Electric) und Hitachi Geldbußen von gerundet EUR 137,8 Mio. verhängt. Denso hingegen wurde die Geldbuße erlassen. Das Unternehmen hatte die Kommission als Kronzeuge erst von dem Kartell in Kenntnis gesetzt. Auch Melco und Hitachi räumten ihre Kartellbeteiligung ein und stimmten einem Vergleich zu, weshalb die Kommission ihre Geldbußen entsprechend der Mitteilung über Vergleichsverfahren um 10 % reduzierte. Die drei japanischen Autoteile-Hersteller stimmten mehr als fünf Jahre lang ihre Preise für Generatoren und Anlasser ab und teilten Kunden und Projekte mit Bezug zu diesen beiden zentralen Automobilbauteilen untereinander auf. Auch wenn das wettbewerbswidrige Verhalten an sich außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) stattfand, wirkte sich das Kartell auch auf europäische Kunden aus, da die Generatoren und Anlasser auch direkt an Automobilhersteller im EWR vertrieben wurden.
Die EU-Kommission hat das geplante Vorhaben eins Erwerbs von EMC durch Dell nach der Fusionskontrollverordnung freigegeben. Beide Unternehmen stammen aus den USA und bieten Datenspeicherungssysteme, insbesondere externe Speicherungssysteme für Unternehmen an. Dell ist darüber hinaus auch im Bereich der x86-basierten Server tätig. Ein von EMC kontrolliertes Unternehmen (VMware) ist zudem Anbieter von Virtualisierungssoftware, die in Kombination mit diesen Serverarten und Speichersystemen eingesetzt werden kann. Die Kommission hat Auswirkungen des Vorhabens auf den Markt für externe Speichersysteme für Unternehmen untersucht und zudem geprüft, ob und inwieweit nach dem Zusammenschluss Anreize für Dell bestehen könnten, den Zugang zur Virtualisierungssoftware von VMware für konkurrierende Hardware-Anbieter zu beschränken oder zu erschweren. Die Kommission stellte geringe Marktanteile und Martanteilszuwächse auf dem Markt für externe Speicherungssysteme für Unternehmen und hinreichend bestehendem Wettbewerb durch etablierte Anbieter fest. Trotz einer starken Position von VMware kam die Kommission unter anderem aufgrund zunehmendem Wettbewerbsdruck auf die Produkte von VMware, einer Multi-Software-Strategie der Kunden von Server-Virtualisierungssoftware, der hardware- und software-neutralen Geschäftsstrategie von VMware sowie der Existenz starker Wettbewerber von Dell auf dem Servermarkt auch zu dem Schluss, dass Dell nach dem Zusammenschluss weder die Möglichkeit noch den Anreiz hätte, Wettbewerber von den Softwareprodukten von VMware auszuschließen.
Wie bereits in den Newslettern 3. Quartal 2015 und 4. Quartal 2015 berichtet, sehen sich die großen Zuckerhersteller Süd-zucker, Nordzucker und Pfeifer & Langen einer Mehrzahl von Schadensersatzklagen ausgesetzt. Die Forderungen sollen inzwischen über EUR 300 Mio. liegen. Dieser Wert übertrifft das Bußgeld in Höhe von EUR 280 Mio., das im Jahr 2014 gegen die drei Kartellanten festgesetzt worden war. Südzucker musste damals annähernd EUR 200 Mio. der Geldbuße tragen, Nordzucker konnte als Kronzeuge ein Bußgeld gänzlich vermeiden. Hinsichtlich des zivilgerichtlichen Prozesses des Unternehmens Katjes, das eine Schadensersatzsumme in Höhe von EUR 37 Millionen geltend macht, zeichnet sich ab, dass die Kläger eine erhebliche Beweislast tragen. Der Vorsitzende Richter am Landgericht Mannheim erläuterte, es stehe zwar die Existenz des Kartells fest, nicht aber, dass es auch zu einem Schaden gekommen sei. Der Zuckermarkt sei durchreguliert, so dass ohnehin kein echter Wettbewerb bestehe. Es sei daher unklar, ob sich ohne Absprachen überhaupt andere Preise hätten bilden können.
Seit dem 23. Juli 2015 ist eine neue Definition des bilanzrechtlichen Umsatzbegriffs in Kraft, die – trotz Übergangsregelung im EGHGB – im Rahmen der Fusionskontrolle bereits jetzt zu berücksichtigen ist. Mit dem Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) erfolgte eine Änderung des § 277 Abs. 1 HGB: In der Vergangenheit war hier der Umsatz aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit maßgeblich, d.h. atypische Umsätze konnten außer Betracht bleiben. Nach der geänderten Regelung sind demgegenüber alle Erlöse mit Erzeugnissen und Waren zu berücksichtigen. Zwar muss die Änderung von den Unter-nehmen mit Blick auf den Jahresabschluss erst für das Geschäftsjahr nach dem 31. Dezember 2015 berücksichtigt werden (Art. 75 Abs. 2 EGHGB). Für vorangehende Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2013 begonnen haben, hat das Unternehmen ein Wahlrecht. Im Rahmen des § 38 Abs. 1 GWB, der auf § 277 Abs. 1 HGB verweist, ist die Änderung indes bereits jetzt relevant. Für Zwecke der Fusionskontrolle sind daher die Umsätze nach dem neuem Bilanzrecht (zusätzlich) zu ermitteln und zugrunde zu legen. Erst bei Gewinn- und Verlustrechnungen (GuV), die zum 31. Dezember 2016 oder später aufgestellt werden, kann grundsätzlich wieder von einem Gleichlauf der Vorgaben zur Fusionskontrolle und der Praxis der handelsrechtlichen Bilanzierung ausgegangen werden. Der einfache Blick in die nach alten Grundsätzen aufgestellte GuV genügt also nicht mehr.
Wie bereits im Newsletter 1. Quartal 2016 (Seite 9 f.) berichtet, hat Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Januar angekündigt, die Fusion von Kaiser´s Tengelmann und Edeka unter Auflagen freizugeben. Diese Ankündigung hat er nun durch seine Entscheidung vom 17. März 2016 umgesetzt. Der Wettbewerber REWE hatte bereits in den Anhörungen die Rechtswidrigkeit einer Ministererlaubnis moniert. Er hat nunmehr am 18. März 2016 gegen die Freigabeentscheidung des Ministers vom 17. März 2016 Beschwerde beim OLG Düsseldorf eingelegt (Az. VI Kart 4/16 (V)) und darüber hinaus die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde beantragt (VI Kart 3/16 (V)). Auch der Wettbewerber Markant soll eine entsprechende Beschwerde beim OLG Düsseldorf eingelegt haben. Aus Protest gegen die Entscheidung des Ministers trat der Chef der Monopolkommission, Daniel Zimmer, von seinem Amt zurück. Der neue Chef der Monopolkommission, Achim Wambach, übte ebenfalls Kritik an der Ministererlaubnis. Die mit der Entscheidung verbundenen Auflagen könnten das Problem struktureller Arbeitslosigkeit nicht beheben. In politischen Kreisen wurden Stimmen laut, die eine Reformierung der Rechtsgrundlagen zur Ministererlaubnis fordern.
Das Bundeskartellamt hat den Fall des Schienenkartells mit einem Bußgeld in Höhe von ca. EUR 3,5 Mio. zulasten der Vossloh-Tochtergesellschaft Laeis GmbH beendet. Das Verfahren gegen das Weichen und Signalsysteme vertreibende Unternehmen war Teil von Ermittlungen gegen die sog. Schienenfreunde, die zu Bußgeldern in Höhe von insgesamt ca. EUR 250 Mio. führten. Den Löwenteil der Geldbußen musste mit EUR 191 Mio. Thyssen-Krupp schultern. Den Schienenfreunden wurde vorgeworfen, in den Jahren 2001 bis 2011 den Verkauf von Weichen und Schienen abgesprochen und damit insbesondere die Deutsche Bahn geschädigt zu haben. Die Laeis GmbH war an einer Kartellabsprache beteiligt, die sich v.a. auf den Nahverkehr sowie Bahnen im privaten und industriellen Sektor bezog. Ihre Kooperation mit dem Bundeskartellamt wurde bei der Festsetzung des Bußgelds mildernd berücksichtigt. Zu weiteren Einzelheiten des Schienenkartells s.a. Newsletter 4. Quartal 2015, Seite 15.
Das Bundeskartellamt hat die LEGO GmbH mit einem Bußgeld in Höhe von EUR 130.000 belegt. Gegenstand des Vorwurfs war eine vertikale Preisbindung. Händler in Nord- und Ostdeuschland wurden in den Jahren 2012 und 2013 durch Vertriebsmitarbeiter von LEGO zu höheren Abgabepreisen gedrängt. Bei Unterschreitung der festgelegten Preise wurden die Händler mit Reduzierungen der Liefermenge oder Lieferstopps bedroht. Das Verfahren wurde durch ein Settlement beendet, nachdem LEGO umfassend kooperiert hatte.
Das Bundeskartellamt hat am 25. Februar 2016 mitgeteilt, dass es das Ermittlungsverfahren gegen Hersteller von Bahnschwellen aus Beton und Holz eingestellt hat. Das Verfahren bezüglich Betonschwellen endete mit der Verhängung einer Geldbuße gegen Durtrack GmbH im Wege des Settlements in Höhe von EUR 1,5 Mio. Die übrigen beteiligten Unternehmen voestalpine BWG GmbH und Rail.One GmbH gingen wegen ihrer Kooperation im Rahmen der Bonusregelung bußgeldfrei aus dem Verfahren hervor. Das Verfahren bezüglich Holzschwellen wurde mangels Nachweisen für ein Kartell eingestellt.
Das Bundeskartellamt führt seit zwei Jahren ein Verfahren gegen die Deutsche Bahn. Dieses fand nunmehr einen vorläufigen Höhepunkt durch einen Zwischenbescheid. Dem Unternehmen wurde vorgeworfen, seine Marktmacht zu missbrauchen, um die Wettbewerber im Nah- und Fernverkehr zu behindern. Die untersuchten Verhaltensweisen betrafen etwa zu hohe Provisionsgebühren beim Verkauf fremder Fahrkarten. Die Deutsche Bahn gewährte eine geringere Umsatzbeteiligung beim Verkauf von Tickets der Deutschen Bahn durch Wettbewerber als im umgekehrten Fall. Auch die fehlenden Möglichkeiten von Wettbewerbern, ihre Fahrkarten in den Bahnhöfen der Deutschen Bahn zu vertreiben oder Tickets für den Fernverkehr in deren Reisezentren zu verkaufen, wurden bemängelt. Die Deutsche Bahn lenkte inzwischen aber ein. Nunmehr dürfen fremde Fahrscheine in den in Bahnhöfen vermieteten Läden verkauft werden. Das Unternehmen geht außerdem weiter auf das Bundeskartellamt zu, indem es „symmetrische Provisionen“ einführt und den Verkauf von Fernverkehrstickets an den eigenen Schaltern erlaubt. Das Bundeskartellamt prüft nun, ob die Maßnahmen der Deutschen Bahn genügen, das Verfahren einzustellen.
Das Bundeskartellamt hat den zweitgrößten Agrarhändler Agravis zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres durchsucht. Fahnder haben Ende Januar die beiden Zentralen in Münster und Hannover durchsucht. Das Bundeskartellamt prüft insbesondere, ob sich Europas zweitgrößter Agrarhändler (auch) an verbotenen Preisabsprachen bei Landmaschinen beteiligt hat. Durchsuchungen hatte es unter anderem auch beim größten Wettbewerber, dem Agrarhandelskonzern BayWa in München, und Deutschlands drittgrößter Agrar-Hauptgenossenschaft, RWZ in Köln, gegeben. Agravis steht bereits seit Anfang 2015 zusammen mit sechs weiteren Großhändlern im Verdacht, die Preise von Pflanzenschutzmitteln abgesprochen zu haben. In diesem Zusammenhang hatte des Bundeskartellamt Agravis bereits Anfang März 2015 durchsucht.
Das Bundeskartellamt hat gegen die Facebook Inc. mit Sitz in den USA sowie die irische und deutsche Facebook-Tochter ein Verwaltungsverfahren eingeleitet. Die Behörde prüft, ob Facebook bei der Fassung der Nutzungsbedingungen für die Plattform gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstößt und insoweit ihre beherrschende Stellung im Markt für soziale Netzwerke missbraucht. Speziell betrachtet das Amt einen sog. Konditionenmissbrauch, indem das Unternehmen gegenüber den Facebook-Nutzern unangemessene Vertragsbedingungen durchsetzt. Facebook nutzt die Daten, damit Werbekunden den Facebook-Nutzern gegen Entgelt individualisierte Werbeangebote unterbreiten können. Die Einwilligung in die Datennutzung sei nur schwer nachzuvollziehen. Das Bundeskartellamt arbeitet im Verfahren gegen Facebook neben Datenschutzbeauftragten und Verbraucherschutzverbänden insbesondere mit weiteren Kartellbehörden und der EU-Kommission zusammen. Die EU-Kommission hat mitgeteilt, in dieser Hinsicht voraussichtlich kein eigenes Verfahren gegen Facebook einzuleiten.
Der Deutsche Fußballbund (DFB) habe für Spiele der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-Europameisterschaft (EM) 2016 den Ticketerwerb an eine kostenpflichtige Mitgliedschaft im Fan-Club der Nationalmannschaft gekoppelt. Diese Praxis untersuche das Bundeskartellamt nun im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens. Die Koppelung mit einer kostenpflichtigen Mitgliedschaft führe nicht nur zu einer Preiserhöhung für die Tickets, sondern die Mitgliedschaftsgebühr falle auch bei einer erfolglosen Ticketbeantragung an. Dies könnte, so das Amt, einen Ausbeutungsmissbrauch darstellen.
Das Bundeskartellamt hat im Februar 2016 ein Merkblatt zur einvernehmlichen Verfahrensbeendigung (Settlement-Verfahren) in Bußgeldsachen veröffentlicht. Hiernach kann bei hori zontalen Kartellfällen eine Bußgeldreduktion um maximal 10 % erreicht werden (sog. Settlement-Abschlag). Voraussetzung hierfür ist eine geständige Einlassung des jeweils Betroffenen bzw. der jeweiligen Nebenbetroffenen, die neben einer Beschreibung der prozessualen Tat auch Angaben über die Umstände enthält, die für die Bußgeldzumessung maßgeblich sind. In der erforderlichen sog. Settlement-Erklärung hat der jeweils Betroffene bzw. die Nebenbetroffene den zur Last gelegten Sachverhalt als zutreffend anzuerkennen und die Geldbuße bis zur Höhe eines maximal in Aussicht gestellten Betrags zu akzeptieren, ohne, dass hiermit ein Rechtsmittelverzicht verbunden ist. Ein Settlement ist unabhängig von einem Bonusantrag möglich. Der Settlement-Abschlag kann auch auf die bereits aufgrund eines Bonusantrags reduzierte Geldbuße erfolgen.
Am 1. April 2016 hat das Bundeskartellamt die Konsultation zur Erstellung eines Leitfadens für die kartellrechtliche Missbrauchsaufsicht in der Stromerzeugung eingeleitet. Im Fokus steht der Aspekt einer missbräuchlichen Zurückhaltung von Stromerzeugungskapazitäten. Hierzu hat das Bundeskartellamt einen Fragenkatalog erstellt (abrufbar unter www.bundeskartellamt. de), der von interessierten Unternehmen, Verbänden oder Behörden beantwortet werden kann. Stellungnahmen können bis zum 31. Mai 2016 erfolgen.
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