06.03.2018

Mergers & Acquisitions Q1/2018

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Analoge Anwendung des § 179a AktG auf die Über­­tragung des (nahezu) gesamten Vermögens einer Personen­gesellschaftGeschäftsführerhaftung: Unternehmerisches Ermessen beim UnternehmenskaufBefugnis des Geschäftsführers einer GmbH zur Einreichung der Gesellschafterliste im Rahmen einer Transaktion? Der Vorbehalt „…. soweit rechtlich zulässig“ bewahrt nicht vor KartellverstoßICO - Crowdfunding leicht gemacht?

Analoge Anwendung des § 179a AktG auf die Über­­tragung des (nahezu) gesamten Vermögens einer Personen­gesellschaft

Die Übertragung des (nahezu) ganzen Gesellschaftsvermögens einer Per­so­nengesellschaft bedarf eines Beschlusses der Gesellschafter analog § 179a AktG.OLG, Urteil vom 23. November 2017 – I-6 U 225/16 (nicht rechtskräftig)

OLG, Urteil vom 23. November 2017 – I-6 U 225/16 (nicht rechtskräftig)

Auf den Punkt.

Die Übertragung des (nahezu) ganzen Gesellschaftsvermögens einer Per­so­nengesellschaft bedarf eines Beschlusses der Gesellschafter analog § 179a AktG.

Der Fall

Die Klägerin ist ein Immobilienfond, der als Zweitmarktfond an zahlreichen sog. Zielfonds beteiligt ist; u. a. an der Beklagten.
Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfond in der Rechtsform der Kommanditgesellschaft. Gegenstand des Unternehmens der Beklagten ist u. a. der Erwerb und die Veräußerung von Grundbesitz sowie der Erwerb und die Errichtung von Gebäuden, deren Vermietung, Verwaltung und Veräußerung. Einziges Anlageobjekt der Beklagten war ein Golf- und Tagungshotel.
Im September 2015 wurde zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung der Beklagten eingeladen. Anlass boten erhebliche finanzielle Probleme der Beklagten. Ein aufgenommenes Darlehen war nicht gestundet worden und Umfinanzierungsversuche waren gescheitert. Das Anlageobjekt stand auf Antrag der Kreditgeberin unter Zwangsverwaltung. Der Geschäftsführung der Beklagten gelang es, einen Investor zu finden, der bereit war, das Anlageobjekt zu einem, zur Entschuldung knapp ausreichenden, Kaufpreis zu erwerben. Weitere Kaufangebote lagen nicht vor.
In der Gesellschafterversammlung im Oktober 2015 fand der Beschluss über die Veräußerung des Anlageobjektes eine knappe einfache Mehrheit. Diese war nach dem Gesellschaftsvertrag allgemein für Gesellschafterbeschlüsse ausreichend. Besondere Beschlussgegenstände (u.a. Änderung des Gesellschaftsvertrags, Übertragung des Unternehmens und Auflösung des Unternehmens) erforderten eine Dreiviertelmehrheit.
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des gefassten Zustimmungsbeschlusses.

Die Entscheidung

Das OLG bestätigte zwar die Entscheidung der Vorinstanz (LG Düsseldorf, Urteil vom 11.11.2016 – 39 O 3/16) im Ergebnis, dass der Beschluss wirksam sei, bejahte aber (entgegen der Vorinstanz) ein qualifiziertes Mehrheitserfordernis für die Beschlussfassung.
Der Senat ist der Ansicht, dass bei der Beschlussfassung einer Personengesellschaft betreffend die Veräußerung des (nahezu) gesamten Gesellschaftsvermögens eine analoge Anwendung von § 179a AktG jedenfalls dann in Betracht komme, wenn der Gesellschaftsvertrag zu den Mehrheitserfordernissen bei dem in Rede stehenden Beschlussgegenstand keine Regelung enthalte.
Das Erfordernis einer Dreiviertelmehrheit für die erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung folge sowohl aus der objektiven Auslegung des Gesellschaftsvertrages der Beklagte als auch aus § 179a AktG analog. Die genannte Vorschrift aus dem Aktienrecht statuiert, dass ein Vertrag, durch den sich eine Aktiengesellschaft zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens verpflichtet, eines zustimmenden Beschlusses der Hauptversammlung mit einer Dreiviertelmehrheit (§ 179a AktG) bedarf. Mit der ganz überwiegenden Meinung nimmt der Senat an, dass § 179a AktG auf Personengesellschaften analoge Anwendung finde und die Gesellschafterversammlung Verträgen zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens zustimmen müsse. Auch in Bezug auf Personengesellschaften gelte für die Zustimmung der Gesellschafterversammlung das im § 179a AktG vorgesehene qualifizierte Mehrheitserfordernis. Der Zustimmung bedürfen auch solche Verträge, durch die das Gesellschaftsvermögen nur nahezu vollständig übertragen werden soll, und der Gesellschaft einzelne unbedeutende Vermögensgegenstände verbleiben. Gleiches kann gelten, wenn Gegenstand der Übertragung ein einzelner Gegenstand ist, der (nahezu) das ganze Gesellschaftsvermögen ausmacht. Entscheidend sei, ob die übertragende Gesellschaft in der Lage ist, mit dem zurückgehaltenen Betriebsvermögen ihren satzungsmäßigen Unternehmensgegenstand selbständig weiterzuverfolgen, wenn auch in eingeschränktem Umfang (sog. qualitative Betrachtung).
Die unternehmerische Betätigung der Beklagten beschränke sich vorliegend auf das Halten des Golf- und Tagungshotels und deren Verpachtung, sodass die Veräußerung dieses Anlageobjekts den Tatbestand des § 179a AktG erfülle. Insbesondere hat die Beklagte keinen weiteren Grundbesitz erworben und verfügt demzufolge über kein wesentliches weiteres Vermögen.
Der Klägerin sei allerdings die Berufung auf die Unwirksamkeit des Beschlusses verwehrt, weil sie aufgrund ihrer gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht verpflichtet gewesen wäre, für die Veräußerung des Fondsobjekts zu stimmen. Aufgrund der schwierigen finanziellen Umständen wäre die Klägerin gehalten gewesen, den Beschluss zur Veräußerung des Anlageobjekts zuzustimmen. Eine Veräußerung an einen Investor erschien unumgänglich und sei der Klägerin auch zumutbar.
Im Gegensatz zu einem Hauptversammlungsbeschluss nach § 179a AktG bei einer Aktiengesellschaft, habe der Gesellschafterbeschluss der Kommanditgesellschaft ohne Beachtung der notariellen Form gefasst werden können. § 130 AktG bzw. § 53 Abs. 2 GmbHG seien nicht entsprechend analog anwendbar.

Unser Kommentar

Die aktienrechtliche Vorschrift des § 179a AktG ist analog auf Personalgesellschaften anwendbar; so auch die ganz herrschende Meinung. Der Kompetenztitel zugunsten der Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung nach § 179a Abs. 1 AktG schränkt die organschaftliche Vertretungsmacht der Leitung ein. Ein ohne die erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung geschlossener Vertrag ist (schwebend) unwirksam. Die genannte Vorschrift erfasst nicht nur Verträge über das Gesellschaftsvermögen in Gänze, sondern auch Verträge über Einzelgegenstände, wenn nach ihrer Übertragung keine wesentlichen Vermögensgegenstände, wie in der hier gegenständlichen Entscheidung, in der Gesellschaft verbleiben. Fraglich ist, ob sich die analoge Anwendung des § 179a AktG im Personengesellschaftsrecht auf die Frage der Erforderlichkeit der Zustimmung der Gesellschafterversammlung beschränkt oder, wie hier vom OLG Düsseldorf angenommen, auch auf das von §§ 179, 179a AktG vorgesehene qualifizierte Mehrheitserfordernis bezieht. Denkbar wäre auch die Zustimmung sämtlicher Gesellschafter zu fordern, da bei Personengesellschaften bereits eine Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bei über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehenden Rechtsgeschäften erforderlich ist (§§ 116 Abs. 2, 164 Satz 1 HGB). Bei Immobilienfonds, bei denen mit der Entäußerung des gesamten Vermögens gerechnet werden kann, könnte aber auch mit der Vorinstanz argumentiert werden, dass es gar keines qualifizierten Mehrheitserfordernisses bedürfe. Das Urteil und die sich in diesem Zusammenhang stellenden Fragen zeigen die Schwierigkeiten bei der analogen Anwendung des § 179a AktG auf Personengesellschaften. Für die Praxis bleibt das beim BGH anhängige Verfahren (Az. II ZR 413/17) abzuwarten.

Johann Brehm, LL.M.
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Köln
Telefon +49 221 9937 24478
johann.brehm@luther-lawfirm.com

Geschäftsführerhaftung: Unternehmerisches Ermessen beim Unternehmenskauf

Bei der Bewertung eines Firmenwertes sind die Grenzen des unternehmerischen Ermessens zu beachten. Erforderlich ist eine umfassende Abwägung auf der Grundlage aller verfügbaren Informationen und das Vorliegen von Gründen, die den Erwerb des Firmenwertes (vernünftigerweise) angemessen erscheinen lassen. Eigeninteressen des Geschäftsführers („Insichgeschäft“) sind hiermit nicht vereinbar.

OLG Frankfurt/Main, Urteil vom 2. Juni 2017 – 25 U 107/13

Auf den Punkt.

Bei der Bewertung eines Firmenwertes sind die Grenzen des unternehmerischen Ermessens zu beachten. Erforderlich ist eine umfassende Abwägung auf der Grundlage aller verfügbaren Informationen und das Vorliegen von Gründen, die den Erwerb des Firmenwertes (vernünftigerweise) angemessen erscheinen lassen. Eigeninteressen des Geschäftsführers („Insichgeschäft“) sind hiermit nicht vereinbar.

Der Fall

Der Kläger nimmt in seiner Eigenschaft als Insolvenz­verwalter über das Vermögen einer GmbH den früheren Geschäftsführer wegen der Verletzung von Pflichten beim Erwerb von Aktiva eines anderen Unternehmens, an dem der Geschäftsführer selbst beteiligt war („Insichgeschäft“), auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Beklagte war Gesellschafter der GmbH, die in der Entwicklung, Herstellung und dem Vertrieb von Solarmodulen tätig war. Er wurde im Jahr 2006 zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt. Neben dem Beklagten hatte die GmbH die beiden weiteren Gesellschafter C und D, deren Anteile der Beklagte in den Jahren 2008 und 2010 erwarb.
Die GmbH kaufte Anfang 2008 die Aktiva einer GbR, die aus dem Beklagten und dem D bestand. Die GbR hatte einen Controller zur Steuerung von Solaranlagen entwickelt. Nach der Bilanz der GbR erwirtschaftete diese im Jahr 2007 keine Umsatzerlöse und wies zum 31.12.2007 ein Gesamtvermögen von (alle nachfolgenden Werte gerundet) EUR 9.400 aus, von dem ein Betrag von EUR 5.400 auf fertige Erzeugnisse und Waren und ein Betrag von EUR 2.400 auf Sachanlagen entfiel. Immaterielle Vermögenswerte hatte die GbR lediglich in Höhe von EUR 2,00 bilanziert. Das Eigenkapital in Höhe von EUR 7.100 bestand im Wesentlichen aus Gesellschafterdarlehen. Der Kaufpreis für die Aktiva der GbR betrug EUR 30.000 und teilte sich auf konkret bezeichnete Assets in Höhe von EUR 4.500 und den Firmenwert in Höhe von EUR 25.500 auf.
Im Mai 2012 wurde ein Insolvenzverfahren über das Ver­­mö­gen der GmbH eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. In der Folge nahm der Kläger den Beklagten unter anderem wegen eines Verstoßes gegen Geschäftsführerpflichten beim Kauf der Aktiva der GbR in Anspruch.

Die Entscheidung

Das OLG bejahte einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus § 43 Abs. 2 GmbHG i.V.m. §§ 134, 143 InsO wegen der Verletzung seiner Obliegenheiten als Geschäftsführer der GmbH bei dem Erwerb der Aktiva der GbR, weil die GmbH einen unangemessenen und überhöhten Preis für den Firmenwert der GbR gezahlt hatte und das erworbene Know-how nicht wirtschaftlich nutzen und verwerten konnte.
Der Firmenwert ist ein immaterieller Wert, den ein Käufer über den Wert einzelner Vermögensgegenstände hinaus zu zahlen bereit ist, insbesondere im Hinblick auf eine Stammkundschaft, gutes Management, effiziente Herstellungsverfahren bzw. Betriebsorganisation, rationelle Verfahren, Know-how, etc. Da die Firma der GbR nicht übernommen wurde, und sie im Jahr 2007 keine Geschäftstätigkeit erkennen ließ, konnte ein Firmenwert allenfalls aus immateriellem, nicht bilanziertem Know-how resultieren. Nach den Feststellungen des Gerichts war das in der GbR vorhandene Know-how jedoch zum Teil wertlos, hatte im Übrigen für die GmbH auch keinen messbaren Vermögenswert und rechtfertigte im Ergebnis eine Bewertung des Firmenwerts mit EUR 25.500 nicht.
Für den entstandenen Schaden hatte der Beklagte zu haften. Der Pflichtenkreis eines Geschäftsführers ergibt sich aus seiner Aufgabe, die Geschäfte der GmbH in einer dem Gesellschaftszweck entsprechenden Weise unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften und der von den Gesellschaftern gesetzten Vorgaben erfolgreich zu führen. Dabei hat er die Sorgfalt eines ordentlichen, gewissenhaften Geschäftsmanns einzuhalten. Der Sorgfaltsstandard orientiert sich dabei an einem selbständigen, treuhänderischen Verwalter fremder Vermögensinteressen.
Es ist anerkannt, dass ein Geschäftsführer bei unternehmerischen Entscheidungen über einen Ermessensspielraum verfügt, der auch das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken mit der Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehlentscheidungen erfasst. Das OLG betonte aber, dass dieser überschritten sei, wenn „ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln fehlt, wenn die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, in unverantwortlicher Weise überspannt worden ist oder wenn das Verhalten des Geschäftsführers aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten muss.“ Ein strenger Maßstab ist zudem anzulegen, wenn der Geschäftsführer im Namen der GmbH und zugleich in eigenem Namen tätig wird („Insichgeschäft“). Bei einem solchen Interessenkonflikt ist besonders zu beachten, dass das Geschäft für die GmbH fair und angemessen ist.
Wenn die Möglichkeit einer Pflichtverletzung des Geschäftsführers besteht, obliegt es dabei dem Geschäftsführer, darzulegen und zu beweisen, dass er seiner Sorgfaltspflicht gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG nachgekommen ist oder schuldlos nicht nachkommen konnte, oder dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Alternativverhalten eingetreten wäre.
Vorliegend kam das OLG zu dem Ergebnis, dass der Beklagte nicht mehr im Rahmen des ihm eingeräumten unternehmerischen Ermessens gehandelt habe und „keinerlei stichhaltige[…] Gründe“ dafür vorgetragen habe, die den Erwerb des Firmenwertes der GbR zu einem Kaufpreis von EUR 25.500 vernünftigerweise als angemessen erscheinen ließen. Auch sei nicht im Ansatz erkennbar, dass der Beklagte „bei sorgfältiger Vorbereitung der Entscheidung alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausgeschöpft, auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der Handlungsoptionen sorgfältig abgeschätzt und den erkennbaren Risiken Rechnung getragen hat. […] Andererseits ist offensichtlich, dass der Beklagte und D ein massives Eigeninteresse daran hatten, die Verluste schreibende GbR ohne eigene Verluste abzuwickeln.“

Unser Kommentar

Die Entscheidung zeigt an dem Beispiel der Bewertung des immateriellen Firmenwertes erneut die Pflichten eines Geschäftsführers in M&A-Transaktionen auf. Transaktionen sind in besonderem Maße von unternehmerischen Entscheidungen geprägt, bei denen dem Geschäftsführer ein Ermessensspielraum zusteht, der auch das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken mit der Gefahr von Fehlbeurteilungen und Fehlentscheidungen erfasst. Hierbei ist es allerdings wichtig, dass bei der Entscheidungsfindung alle verfügbaren Informationsquellen tatsächlicher und rechtlicher Art ausgeschöpft, auf dieser Grundlage die Vor- und Nachteile der Handlungsoptionen sorgfältig abgeschätzt werden, den erkennbaren Risiken Rechnung getragen wird und der Entscheidungsprozess umfassend dokumentiert wird.
Bei Geschäften, in denen ein Fall des Insichgeschäfts vorliegt, wird auf Grund des strengen Maßstabs an ein für die Gesellschaft faires und angemessenes Geschäft ein besonderes Augenmerk darauf zu legen sein, ob das Geschäft einem Drittvergleich standhält. Der betroffene Geschäftsführer sollte hier besondere Vorsicht an den Tag legen und den Abschluss eines Geschäfts, das primär seinen Interessen entspricht, tunlichst vermeiden.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen – wie der vorliegende Fall zeigt – auch Fälle, in denen das Zielunternehmen nicht auf Grund gut eingeführter Produkte und solider Erträge attraktiv ist, sondern sich der Erwerber mit der Transaktion den Kauf von z.B. Geschäftschancen oder innovativen Ideen erhofft; ein Umstand, der häufig im Zusammenhang mit dem Erwerb von Startups von zentraler Bedeutung ist. Die Besonderheiten einer solchen Transaktion sind im Interesse der Minimierung des Haftungsrisikos in besonderem Umfang in z.B. der detaillierten Darstellung der zukünftigen Ertragserwartungen auf Grundlage eines Business Case oder anderer geeigneter Planungen und Bewertungen zu berücksichtigen.

Dr. Maximilian Habel
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Hannover
Telefon +49 511 5458 11525
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Befugnis des Geschäftsführers einer GmbH zur Einreichung der Gesellschafterliste im Rahmen einer Transaktion?

Der Gesetzgeber hat in der zwingenden Vorschrift des § 40 GmbHG die Verantwortlichkeit zur Listenaufstellung und Listeneinreichung zwischen Ge­schäftsführer und Notar klar aufgeteilt. Bei Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils kann daher ausschließlich der Notar eine neue Gesellschafterliste einreichen, da er an der Übertragung mitgewirkt hat.Der Fall

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Befugnis des Geschäftsführers einer GmbH zur Einreichung einer geänderten Liste der Gesellschafter, obwohl ein Notar an den Veränderungen mitgewirkt hat.

OLG Rostock, Beschluss vom 25. Januar 2017 – I W 55/16

Auf den Punkt.

Der Gesetzgeber hat in der zwingenden Vorschrift des § 40 GmbHG die Verantwortlichkeit zur Listenaufstellung und Listeneinreichung zwischen Ge­schäftsführer und Notar klar aufgeteilt. Bei Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils kann daher ausschließlich der Notar eine neue Gesellschafterliste einreichen, da er an der Übertragung mitgewirkt hat.Der Fall
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Befugnis des Geschäftsführers einer GmbH zur Einreichung einer geänderten Liste der Gesellschafter, obwohl ein Notar an den Veränderungen mitgewirkt hat.  

Der Fall

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Befugnis des Geschäftsführers einer GmbH zur Einreichung einer geänderten Liste der Gesellschafter, obwohl ein Notar an den Veränderungen mitgewirkt hat. 
Im Dezember 2015, zu diesem Zeitpunkt waren ausweislich der Gesellschafterliste zwei Gesellschafter mit jeweils einem Geschäftsanteil i.H.v. EUR 12.500 beteiligt, verhandelte der Notar einen Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrag. Darin veräußerte eine der beiden Gesellschafter seinen Geschäftsanteil an den Mitgesellschafter. In Vollzug des Vertrages übertrug der Veräußerer den Geschäftsanteil an den Erwerber unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen und vorbehaltlosen Zahlung. Vereinbart wurde im Vertrag weiter, dass der beurkundende Notar verpflichtet ist, unverzüglich nach Wirksamwerden der Anteilsübertragung eine neue Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen.
Weiter heißt es zu dieser Regelung: „Veräußerer und Erwerber verpflichten sich bereits heute, dem beurkundenden Notar unter Verwendung der im Entwurf beigefügten – Bestätigung schriftlich mitzuteilen, dass die Anteilsübertragung in vollem Umfang wirksam ist und vollzogen werden kann. Der Notar soll erst dann die neue Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einreichen, sobald ihm die Vollmacht vom […] in Urschrift vorliegt und die vorstehende Mitteilung von allen Beteiligten zugegangen ist und eine Abschrift der geänderten Liste der Gesellschafter an die Gesellschaft übermitteln.“
Der Geschäftsführer und nunmehrige Alleingesellschafter erstellte unter dem 30. Mai 2016 eine geänderte Gesellschafterliste, die ihn als Alleingesellschafter auswies. Diese Liste wurde durch den seinerzeit auch beurkundenden Notar am gleichen Tage beim zuständigen Registergericht mit dem Hinweis „Die Übermittlung erfolgt als Bote der Beteiligten“ eingereicht.
Das Registergericht erhob gegen die Freigabe der geänderten Gesellschafterliste Bedenken und teilte diese dem Geschäftsführer der Gesellschaft mit. Da an der Geschäftsanteilsübertragung ein Notar mitgewirkt habe, obliege es diesem, die geänderte Gesellschafterliste zu erstellen und für deren Richtigkeit zu unterzeichnen. Eine Erstellung und Einreichung der Gesellschafterliste durch einen Geschäftsführer sei nur möglich, wenn es sich um die Korrektur einer vom Notar gem. § 40 Absatz 2 GmbHG eingereichten unrichtigen Gesellschafterliste handeln würde; hierbei sei zuvor (vor der Korrektur) auch dem betroffenen Gesellschafter noch Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Hiergegen wendet sich die Gesellschaft.

Die Entscheidung

Das Registergericht hat die Entgegennahme der (geänderten) Gesellschafterliste zur Aufnahme in das elektronisch geführte Handelsregister mit Recht abgelehnt, weil sie nicht von dem nach § 40 Absatz 2 S. 1 GmbHG zur Einreichung verpflichteten Notar, sondern dem Geschäftsführer der Gesellschaft – mittels eines Boten – vorgelegt worden ist, dem eine Befugnis in diesem Fall jedoch nicht zugestanden hat.
Grundsätzlich sind die Geschäftsführer nach § 40 GmbHG verpflichtet, unverzüglich nach jeder Veränderung in der Person der Gesellschafter eine aktualisierte Gesellschafterliste einzureichen. Hat jedoch ein Notar an Veränderungen im Sinne von § 40 Absatz 1 S. 1 GmbHG mitgewirkt, hat er unverzüglich „nach deren Wirksamwerden“ ohne Rücksicht auf etwaige später eintretende Unwirksamkeitsgründe die Liste anstelle der Geschäftsführer zu unterschreiben, zum Handelsregister einzureichen und eine Abschrift der geänderten Liste an die Gesellschaft zu übermitteln.
Das Registergericht nimmt die Gesellschafterliste lediglich entgegen und verwahrt sie, ohne eine inhaltliche Prüfpflicht zu haben. Das Registergericht darf jedoch gleichwohl prüfen, ob die Gesellschafterliste den formalen Anforderungen des § 40 GmbHG entspricht, und ist berechtigt, bei Beanstandungen die Entgegennahme zu verweigern. Dieses formale Prüfungsrecht gibt dem Registergericht die Befugnis, die Gesellschafterliste jedenfalls dann zurück zu weisen, wenn für das Gericht ohne Weiteres ein Sachverhalt feststeht, nach dem entweder eine vom Notar einzureichende Gesellschafterliste oder aber eine vom Geschäftsführer einzureichende Liste vorzulegen ist, und die dann tatsächlich vorgelegte Gesellschafterliste nicht diesem Unterschriftserfordernis entspricht.
Im vorliegenden Fall hat ausweislich des eingereichten Geschäftsanteilskauf- und Abtretungsvertrages an diesem ein Notar gemäß § 15 Absatz 3 GmbHG mitgewirkt. Nach der gesetz­lichen Regelung von § 40 Absatz 2 S. 1 GmbHG musste es mithin dem Notar obliegen, eine von ihm unterschriebene (neue) Gesellschafterliste zum Handelsregister einzureichen. Das vermochte das Registergericht im Rahmen seiner formalen Prüfungskompetenz – ohne dass es weiterer inhaltlicher (materiellrechtlicher) Untersuchung bedurfte – zu beurteilen und deshalb die Einreichung durch den Geschäftsführer nicht genügen lassen.
Eine andere Sichtweise begründet sich nicht unter Berücksichtigung des sogenannten „Listenkorrektur-Urteil“ des BGH (BGHZ 199, 270), welches sich mit der Frage befasst, ob der Geschäftsführer zur Korrektur einer unrichtigen Gesellschafterliste befugt ist, die der Notar gemäß § 40 Absatz 2 S. 1 GmbHG eingereicht hat. Diese Frage ist im Grundsatz bejaht worden, u.a. unter Verweis darauf, dass mit der Einreichung der Liste durch den Notar eine höhere Richtigkeitsgewähr einhergehen kann, dies allerdings nicht für eine ausschließliche Korrekturzuständigkeit desselben spricht. Im Anschluss an die BGH-Rechtsprechung kann daher nicht mehr an der ausschließlichen Notarzuständigkeit in Fällen des § 40 Absatz 2 GmbHG festgehalten werden, jedoch ist die Berechtigung eines Geschäftsführers zur Einreichung einer geänderten Gesellschafterliste auf solche Fälle zu begrenzen, in denen es sich um eine Korrektur einer vom Notar eingereichten Liste handelt. Ein Fall der Listenkorrektur liegt hier jedoch ersichtlich nicht vor, da der Notar hier gar nicht tätig geworden ist.
Es besteht darüber hinaus vorliegend auch bei Untätigkeit des Notars grundsätzlich keine subsidiäre Befugnis des Geschäftsführers zur Einreichung der Gesellschafterliste. Die Verpflichtung des Notars zur Einreichung der Liste setzt gem. § 40 Absatz 2 Satz 1 GmbHG erst mit Wirksamwerden der Veränderung ein; bei einer aufschiebend bedingten Geschäftsanteilsabtretung daher erst mit Bedingungseintritt.

Unser Kommentar

Gerade vor dem Hintergrund der Transaktionssicherheit ist es von erheblicher Bedeutung, die „technische Umsetzung“ der Transaktion auch sauber im Anteilskaufvertrag abzubilden und im Nachgang zum Signing auch stets nachzuhalten. Hier steckt häufig der Teufel im Detail. Dementsprechend ist hier eine enge Abstimmung und regelmäßiger Austausch mit dem vollziehenden Notar erforderlich, um nicht kurz vor der Ziellinie ins Straucheln zu geraten und die zügige Umsetzung des Transaktionsverfahrens zu gefährden.

Dr. Daniel Schubmann
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Hannover
Telefon +49 511 5458 16810
daniel.schubmann@luther-lawfirm.com

 


Der Vorbehalt „…. soweit rechtlich zulässig“ bewahrt nicht vor Kartellverstoß

Der EuGH hatte in seiner Entscheidung vom 13. September 2017 die Vereinbarkeit eines Wettbewerbsverbotes mit europäischem Kartellrecht zu beurteilen. Es ging insbesondere um die Frage, ob durch einen allgemeinen Vorbehalt („soweit rechtlich zulässig“) eine an sich unzulässige Wettbewerbsabsprache dem An­wendungs­bereich des Kartellverbots (Art. 101 AEUV) entzogen werden kann.

Auf den Punkt.

Der EuGH hatte in seiner Entscheidung vom 13. September 2017 die Vereinbarkeit eines Wettbewerbsverbotes mit europäischem Kartellrecht zu beurteilen. Es ging insbesondere um die Frage, ob durch einen allgemeinen Vorbehalt („soweit rechtlich zulässig“) eine an sich unzulässige Wettbewerbsabsprache dem An­wendungs­bereich des Kartellverbots (Art. 101 AEUV) entzogen werden kann.

Hintergrund der Entscheidung

Die Telekommunikationsunternehmen Telefónica und Portugal Telecom (im Folgenden: PT) beherrschten über ein gemeinsames Tochterunternehmen (Brasilcel) das brasilianische Mobilfunkunternehmen Vivo. Am 6. Mai 2010 unterbreitete Telefónica ein feindliches öffentliches Übernahmeangebot über die Anteile der PT an der Brasilcel. In den Vertragsentwürfen wurde eine als „Wettbewerbsverbot“ überschriebene Klausel aufgenommen, die den Parteien die direkte oder indirekte Beteiligung an Vorhaben im Telekommunikationsgeschäft untersagte, die auf dem iberischen Markt mit der jeweils anderen Partei in Wettbewerb stehen könnten. Im endgültigen Vertrag war dieses Wettbewerbsverbot um den Zusatz „soweit rechtlich zulässig“ erweitert worden. Die Kommission stellte in dem diesbezüglich von ihr eingeleiteten Bußgeldverfahren fest, dass die Klausel auch unter Berücksichtigung des einschränkenden Zusatzes „soweit rechtlich zulässig“ eine Marktaufteilungsvereinbarung darstelle, die unter Verstoß gegen Art. 101 AEUV eine Beschränkung des Wettbewerbs im Binnenmarkt bezwecke und verhängte Geldbußen in Höhe von insgesamt ca. 80 Mio. EUR gegen Telefónica und Portugal Telecom.

Gegen die Entscheidung der Kommission hatten die Parteien Rechtsmittel eingelegt. Sie hatten u.a. vorgebracht, der Einschub „soweit rechtlich zulässig“ stelle eine „Verpflichtung zur Selbstbewertung“ dar, von der das Inkrafttreten des Wettbewerbsverbots abhängig sei. Dies bringe zum Ausdruck, dass die Parteien durch die Klausel gerade nicht den Wettbewerb beschränken, sondern sich an Recht und Gesetz halten wollten.

Entscheidungen der europäischen Gerichte

Der EuGH bestätigte nun das erstinstanzliche EuG-Urteil wonach der Zusatz „soweit rechtlich zulässig“ den Kartellverstoß nicht heilt. Die Parteien haben nach Auffassung der europäischen Gerichte nämlich nicht hinreichend dargelegt, dass die Klausel – vor dem Hintergrund des Zusatzes „soweit rechtlich zulässig“ – tatsächlich eine der Geltung des Wettbewerbsverbotes vorgeschaltete – Verpflichtung zur Selbstbewertung durch die Parteien enthalte. Eine echte Verpflichtung zur Selbstbewertung sei dem bloßen Wortlaut nicht zu entnehmen. Vielmehr hätten die Parteien hierfür beispielsweise darlegen müssen, warum es ihnen nicht möglich war, die Frage der Rechtmäßigkeit des in Frage stehenden Wettbewerbsverbotes vor der Vertragsunterzeichnung oder jedenfalls vor Inkrafttreten des Vertrages zu klären, obwohl sie Zugang zu hochspezialisierter Rechtsberatung hätten. Zwar könne die Vornahme der Verpflichtung zur Selbstbewertung ggf. auch individuell durch die Parteien erfolgen, allerdings ließen die von den Parteien angeführten Gesichtspunkte weder die Schlussfolgerung zu, dass die „Hinfälligkeit“ der Klausel ab einem bestimmten Zeitpunkt Konsens zwischen den Parteien gewesen sei, noch, dass die Klausel überhaupt eine Selbstbewertung vorgesehen habe oder dass diese behauptete Selbstbewertung irgendwelche Wirkungen gehabt habe.

Unser Kommentar

Die Entscheidung macht deutlich, dass die Bewertung einer Vereinbarung als unzulässige Wettbewerbsbeschränkung i.S.d. Art. 101 AEUV, wie z.B. die hier vorliegende Marktaufteilungsvereinbarung, nicht bereits dadurch vermieden werden kann, dass die entsprechende Klausel mit dem bloßen Zusatz „soweit rechtlich zulässig“ versehen wird. Dieses Ergebnis überrascht letztendlich nicht. Ein solcher Zusatz dürfte in vielen Fällen ohnehin eher eine Alibi-Funktion haben. Denn der Zusatz „soweit rechtlich zulässig“ hilft dem nicht kartellrechtlich vorgebildeten Rechtsanwender in der Regel nicht, zu beurteilen, ob er im Einzelfall von der Umsetzung der vertraglich immerhin vereinbarten Klausel Abstand nehmen soll. Der Umstand, dass die Klausel überhaupt aufgenommen wird, indiziert ihm aber, dass die Umsetzung in der Regel wohl zulässig sein müsse – ansonsten wäre es ja überflüssig gewesen, die Regelung aufzunehmen. Die Gefahr, dass die Regelung ohne die Einschränkung praktiziert wird, liegt daher auf der Hand.

Umgekehrt darf man dem Urteil aber wohl auch entnehmen, dass es unter besonderen Umständen durchaus die Möglichkeit geben könnte, eine Klausel, über deren Zulässigkeit bei Vertragsschluss keine Einigkeit zu erzielen ist, unter einen solchen Vorbehalt zu stellen. Der bloß einschränkende Wortlaut „soweit rechtlich zulässig“ belegt dies nach Auffassung der europäischen Gerichte jedoch nicht. Hierfür müsste vielmehr konkret dargelegt werden können, dass und warum tatsächlich eine (vorgeschaltete) Verpflichtung zur Selbstbewertung vereinbart ist – und zwar im Sinne einer klar definierten aufschiebenden Bedingung. Darüber hinaus müsste sichergestellt werden, dass die Klausel bis zum erfolgreichen Abschluss der Selbstbewertung auch tatsächlich nicht praktiziert wird. Eine solche Lösung wird in der Praxis aber nur im Ausnahmefalls gangbar sein. Denn häufig ist ein Wettbewerbsverbot ein wichtiger Aspekt des Vertrages. Wenn die Parteien vor Vertragsschluss nicht wissen, ob das Wettbewerbsverbot hält, kann das Ergebnis der Prüfung über die „rechtliche Zulässigkeit“ das Äquivalenzverhältnis im Rückblick massiv stören. Dieses Risiko, letztendlich „die Katze im Sack“ zu kaufen, werden die Parteien in der Regel nicht eingehen wollen.

Für die Praxis taugt die Lösung über den Vorbehalt der rechtlichen Zulässigkeit daher in der Regel nicht. Vor diesem Hintergrund sollten potentiell wettbewerbsbeschränkende Vertragsklauseln stets beizeiten (und nicht erst am Vorabend des Notartermins) auf ihre kartellrechtliche Unbedenklichkeit geprüft werden. Der Rückzug auf nur vermeintlich weniger aufwändige, pauschale „soweit rechtlich zulässig-Formulierungen“ dürfte in der Praxis entweder zu von den Parteien nicht gewünschten Ergebnissen oder aber zu einem Kartellverstoß führen.

Anne Caroline Wegner, LL.M. (European University Institute)
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
Telefon +49 211 5660 18742
anne.wegner@luther-lawfirm.com


Almuth Berger, LL.M. (Birmingham)
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
Telefon +49 211 5660 24990
almuth.berger@luther-lawfirm.com

ICO - Crowdfunding leicht gemacht?

Initial Coin Offerings sollen die Finanzierung von Start-ups revolutionieren und jungen Unternehmen schnell und unkompliziert zu dem nötigen Startkapital verhelfen. Doch die damit verbundenen rechtlichen Hürden und Risiken sollten nicht leichtfertig missachtet werden.

Auf den Punkt.

Initial Coin Offerings sollen die Finanzierung von Start-ups revolutionieren und jungen Unternehmen schnell und unkompliziert zu dem nötigen Startkapital verhelfen. Doch die damit verbundenen rechtlichen Hürden und Risiken sollten nicht leichtfertig missachtet werden.

Begriffsklärung

Initial Coin Offerings erfreuen sich (noch) vor allem im Ausland großer Beliebtheit und erzielen immer wieder hohe Millionenbeträge. Dieser vermeintlich einfache und unbeschränkte Weg, Finanzierungsmittel zu erhalten, ist jedoch - entgegen der immer noch weit verbreiteten Ansicht - keineswegs ohne rechtliche Fallstricke. So haben bereits sowohl die ESMA als auch die BaFin vor den Risiken für Verbraucher, aber auch für ausgebende Unternehmen gewarnt.

Mit dem Initial Coin Offering (kurz: ICO - angelehnt an den besser bekannten IPO - Initial Public Offering) findet die Blockchain-Technologie ihre Anwendung in der Unter­nehmensfinanzierung. Hinter diesem Ausdruck steckt ein Finanzierungsmittel, welches sich je nach Ausgestaltung zwischen Börsengang und Crowdfunding bewegt und auf der Ausgabe von eigens dafür geschaffenen Kryptowährungen bzw. sog. Tokens beruht.

Um Finanzierungsmittel zur Realisierung von Produktentwicklungen oder der Einleitung von notwendigen Wachstumsschritten zu erhalten, „verkauft“ das jeweilige ausgebende Unternehmen eigene Tokens. Hintergrund der Finanzierung und Bedeutung der Tokens sowie die Rahmenbedingungen des ICOs ergeben sich dabei in der Regel aus einem sog. Whitepaper und den allgemeinen Geschäftsbedingungen. Je nach Ausgestaltung des ICOs berechtigen die ausgegebenen Tokens zur Anteilnahme am Erfolg des Unternehmens, verleihen ggfs. Stimmrechte oder ermöglichen bloß den Tausch gegen Waren und Dienstleistungen des ausgebenden Unternehmens. In aller Regel aber sind sie nach der Ausgabe frei handelbar, was nicht zuletzt häufig die Hoffnungen von spekulativen Investoren weckt.

Rechtliche Risiken

Da es keine grundsätzlichen Beschränkungen hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung von ICOs gibt, lassen sich diese auch nicht pauschal rechtlich klassifizieren oder bestehenden gesetzlichen Normen unterwerfen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass ICOs, auch wenn sie auf einer rechtlich nicht geregelten neuen Technologie basieren, dennoch - je nach Ausgestaltung - verschiedenen gesetzlichen Beschränkungen unterliegen können.

So wies die BaFin in ihren Stellungnahmen vom 15. November 2017 und 20. Februar 2018 darauf hin, dass auch ICOs u.a. der Erlaubnispflicht nach dem Kreditwesengesetz (KWG), dem Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) oder dem Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) unterliegen können oder Prospektpflichten auslösen können. Bei Verstoß gegen einschlägige Vorschriften drohen neben Bußgeldern im Einzelfall sogar Gefängnisstrafen. Unabhängig davon, kann der Verstoß gegen Prospektpflichten auch spätere Schadensersatzansprüche von Investoren zur Folge haben.

Vor allem bei der Gewährung von Tokens, welche Gewinnanteils- und Stimmrechte vermitteln, ist ferner darauf zu achten, dass dies im Einklang mit geltendem Gesellschafts- und Steuerrecht geschieht und mit einem ICO nicht der spätere Einstieg eines Equity-Investors unnötig erschwert wird.

Kommentar

Ein ICO kann eine spannende Möglichkeit sein, um Finanzierungsmittel einzusammeln. Dabei sollte jedoch dringend geprüft werden, ob und wenn ja welche rechtlichen Bedingungen für den jeweils avisierten ICO zwingend zu beachten sind. Auch sollte bei der Ausgestaltung des Whitepapers und der allgemeinen Geschäftsbedingungen sorgfältig geprüft werden, welche Folgen der ICO auf spätere Finanzierungsrunden oder die Entwicklung des Unternehmens hat. Je nach Ausgestaltung des ICO wird auch eine vorherige Abstimmung mit den zuständigen Aufsichtsbehörden anzuraten sein.

Dr. Moritz Mentzel
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Berlin
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