26.06.2015

Newsletter Automotive, Q2 / 2015

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Rückabwicklung eines Pkw-Kaufvertrages wegen fehlenden Aschenbechers

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Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 10. März 2015 – Aktenzeichen 13 U 73/14

Problemstellung

Nach der gesetzlichen Regelung (§§ 323, 440 BGB) kann der Käufer einer mangelhaften Sache vom Kaufvertrag zurücktreten,

  • wenn er dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Beseitigung des Mangels (Nachbesserung) oder zur Lieferung einer mangelfreien Sache (Nachlieferung) bestimmt hat oder
  • wenn die Fristsetzung entbehrlich ist, weil besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen, oder
  • wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung (Nachbesserung oder Nachlieferung) verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist, wobei eine Nachbesserung nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen gilt, wenn sich nicht insbesondere aus der Art der Sache oder des Mangels oder den sonstigen Umständen etwas anderes ergibt.

Nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist der Rücktritt dagegen ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung des Verkäufers unerheblich ist.

In einer am 10. März 2015 verkündeten Entscheidung hat das Oberlandesgericht Oldenburg sich mit der Frage befasst, wann das Fehlen eines fest installierten und beleuchteten Aschenbechers in einem als Neuwagen bestellten Pkw keine unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, bei der der Käufer nicht zum Rücktritt berechtigt wäre.

Der Fall

In dem der Entscheidung zu Grunde liegenden Fall stritten die Parteien um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Kraftfahrzeug. Der Geschäftsführer der Klägerin hatte im Januar 2013 einen Pkw der Oberklasse für EUR 134.990 bei der beklagten Vertragshändlerin bestellt. Nach der Zeugenaussage des für die Beklagte tätigen Autoverkäufers hatte der Geschäftsführer der Klägerin auf seine Nachfrage, ob er das Raucherpaket haben will, erklärt, dass ihm das "ganz wichtig" sei und dass das so sein müsse wie beim Vorgängermodell, das er fuhr. Der Geschäftsführer der Klägerin habe ihm gesagt, dass das – ebenfalls bei der Beklagten gekaufte – Vorgängermodell auch ein Raucherpaket habe und der neue wie der alte sein solle. Als das Fahrzeug ausgeliefert wurde, stellte der Geschäftsführer der Klägerin jedoch fest, dass es nicht über einen fest installierten und beleuchteten Aschenbecher wie das Vorgängermodell verfügt. Die Beklagte hatte er daraufhin mehrfach zur Nachrüstung des Fahrzeugs mit einem fest installierten und beleuchteten Aschenbecher aufgefordert. Da eine Nachrüstung nicht möglich war, verlangte die Klägerin von der Beklagten die Rückabwicklung des Kaufvertrages über den Pkw.

Die Vorinstanz hatte die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht Oldenburg die Beklagte unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung zuzüglich Zinsen an die Klägerin Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Entscheidung

Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg ist das Fehlen eines fest installierten und beleuchteten Aschenbechers in einem als Neuwagen bestellten Pkw jedenfalls dann keine unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB, bei der der Käufer nicht zum Rücktritt berechtigt wäre, wenn der Käufer im Rahmen der Bestellung ausdrücklich betont hat, dass das bestellte Raucherpaket ganz wichtig sei und das Fahrzeug so ausgestattet sein solle wie das Vorgängermodell, das über einen fest installierten und beleuchteten Aschenbecher verfügt hat.

Nach den Entscheidungsgründen des Oberlandesgerichts erfordert die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB ist, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine umfassende Interessenabwägung, in deren Rahmen ein Verstoß gegen eine Beschaffenheitsvereinbarung die Erheblichkeit der Pflichtverletzung in der Regel indiziert (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 28. Mai 2014 – Aktenzeichen VIII ZR 94/13 – Besprechung in unserem Newsletter 4. Quartal 2014, Seite 4). Unabhängig vom Vorliegen einer Beschaffenheitsvereinbarung scheide die Annahme von Unerheblichkeit regelmäßig dann aus, wenn sich dem konkreten Vertrag entnehmen lässt, dass der betreffende Qualitätsaspekt wesentlich sein sollte. Hier habe der Geschäftsführer der Klägerin anlässlich der Nachfrage des Zeugen ausdrücklich betont, dass das Raucherpaket ganz wichtig sei. Vor dem Hintergrund dieser Äußerung hätten die Parteien vereinbart, dass das Fahrzeug hinsichtlich des Raucherpakets so ausgestattet sein sollte wie das Vorgängermodell, also mit einem fest installierten und beleuchteten Aschenbecher. Unter diesen Umständen komme die Annahme einer unerheblichen Pflichtverletzung im Sinne des § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB nicht in Betracht.

Bei dem Fehlen eines fest installierten und beleuchteten Aschenbechers handele sich auch nicht um einen Aspekt, der als bloße Bagatelle und deshalb – ausnahmsweise – dennoch als unerheblich anzusehen wäre. Vielmehr seien die für einen Raucher nicht unerheblichen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen (bei Dunkelheit kann wegen der fehlenden Beleuchtung der Aschenbecherdose nicht "abgeascht" werden, ohne das Fahrzeug zu verschmutzen; die Zigarette kann wegen der fehlenden Passform der Aschenbecherdose während der Fahrt nicht abgelegt werden; außerdem ist die Möglichkeit, Getränkedosen und -becher abzustellen eingeschränkt, weil eine Getränkehalterung durch die Aschenbecherdose belegt ist). Jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem die Wichtigkeit des Raucherpakets von der Käuferin besonders betont worden sei, könne man dies nicht mit der Begründung als unerheblich abtun, es handele sich nur um geringfügige Einschränkungen des "Rauchkomforts".

Aufgrund des Rücktritts der Klägerin seien die empfangenen Leistungen wechselseitig zurück zu gewähren und die Nutzungen herauszugeben. Den von der Klägerin für die Nutzung des Fahrzeugs zu leistenden Wertersatz (Nutzungsentschädigung) hat das Oberlandesgericht Oldenburg auf Grundlage einer angenommenen voraussichtlichen Gesamtfahrleistung von 300.000 Kilometern mit – gerundet – 0,3 % vom Kaufpreis je gefahrene 1.000 Kilometer berechnet. Den bei der Berechnung zugrunde zu legenden Bruttokaufpreis von EUR 134.990 hat es dabei wegen der angenommenen Komforteinbußen während der Nutzungsdauer aufgrund des fehlenden Aschenbechers um 5 % auf EUR 128.240,50 gemindert.

Die Bewertung

Vor dem Hintergrund zunehmender Rauchverbote zur Verbesserung des Nichtraucherschutzes mag die besprochene Entscheidung auf den ersten Blick unzeitgemäß erscheinen. Tatsächlich geht es rechtlich jedoch nicht um die Frage, ob das Fehlen eines fest installierten und beleuchteten Aschenbechers in einem als Neuwagen bestellten Pkw grundsätzlich ein Mangel ist, der den Käufer zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigt, sondern um die Voraussetzungen, unter denen der Käufer wegen eines Beschaffenheitsmangels zum Rücktritt berechtigt ist. Maßgeblich dafür ist nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg die aus dem konkreten Vertrag erkennbare Wesentlichkeit des betreffenden Qualitätsaspekts für den Käufer. Hat dieser gegenüber dem Verkäufer ausdrücklich betont, dass eine bestimmte Beschaffenheit (hier: die Ausstattung des Fahrzeugs mit einem optionalen Raucherpaket) für ihn "ganz wichtig" sei, gilt die Beschaffenheit danach als vereinbart. Die Annahme einer den Rücktritt ausschließenden unerheblichen Pflichtverletzung des Verkäufers verbietet sich dann.

Der Kraftfahrzeughandel sollte beachten, dass die Erheblichkeitsschwelle für einen Beschaffenheitsmangel nicht in jedem Fall erst dann überschritten ist, wenn (auch) ein durchschnittlicher Käufer den in Rede stehenden Mangel als wesentlich ansehen würde. Stattdessen ist eine Einzelfallbetrachtung geboten. Überschritten ist die Erheblichkeitsschwelle für einen Beschaffenheitsmangel danach dann, wenn sich dem konkreten Vertrag entnehmen lässt, dass die betreffende Beschaffenheit wesentlich sein sollte. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn der Käufer deren Wichtigkeit gegenüber dem Verkäufer besonders betont.

Dr. Hans-Peter Hufschlag
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
Telefon +49 211 5660 18115
hans-peter.hufschlag@luther-lawfirm.com

 

 

Einleitung eines kartellrechtlichen Verfahrens zur Prüfung der Zulässigkeit von Boni

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Das Bundeskartellamt hat ein Verfahren eingeleitet, um die kartellrechtliche Zulässigkeit der Zahlung von Boni im Zusammenhang mit dem Internetvertrieb mehrerer Marken zu überprüfen. Betroffen sind Ford, Opel und PSA Peugeot Citroën. Auch der Zentralverband des Deutschen Kraftfahrzeug-Gewerbes (ZDK), der bemängelt, dass bei dem Vertrieb über Online-Plattformen die Identität der Anbieter nicht aufgedeckt würde, wurde vom Bundeskartellamt befragt. Auslöser für die Ermittlungen des Amtes waren nicht etwa konkrete Beschwerden seitens der Händler oder Internetplattformen, sondern die Presseberichterstattung (insbesondere durch den Händler-Verbänden nahestehende Medien). Das Bundeskartellamt holte Stellungnahmen und Unterlagen sowohl bei den Herstellern als auch bei den Neuwagenportalen meinauto.de und Autohaus24.de ein.

Nach Angaben von Ford (Quelle: Mlex) ist Gegenstand der Untersuchung eine Bonusregelung des Herstellers, mit der die Veröffentlichung des Händlernamens auf Online-Plattformen honoriert wird. Auch Peugeot verbindet einen Teil der variablen Marge mit der Einhaltung eines „E-Commerce-Kodex“, der u.a. die Angabe von Kontaktdaten bei der Internetvermarktung beinhaltet und dazu auffordert, Angebote auf externen Internetseiten auch auf der eigenen Internetseite einzustellen. Das Bundeskartellamt befürchtet laut Presseberichterstattung, dass derartige Regelungen dazu führen, dass Händler Bestellungen, die außerhalb ihres Verkaufsgebiets getätigt werden, nicht mehr erfüllen können.

Grundsätzlich darf ein Hersteller seine Ware über ein selektives Vertriebssystem verkaufen - also nur an Händler, die anhand von festgelegten Merkmalen ausgewählt werden. Eine solche vertikale Vereinbarung ist nach der Verordnung 330/2010 der Europäischen Kommission vom Kartellverbot des Art. 101 Abs. 1 AEUV freigestellt. Dabei darf der Hersteller auch untersagen, die Ware an sogenannte Wiederverkäufer – Händler, die nicht Teil des selektiven Vertriebssystems sind – zu veräußern. Andererseits darf gemäß Art. 4 lit. c Vertikal-GVO weder der aktive noch der passive Verkauf an Endkunden beschränkt werden. Ein Verkauf über einen sogenannten Einkaufsvermittler – eine Person, derer sich der Endkunde bedient, um für sich bestimmte Waren einzukaufen – wird von der Kommission als Verkauf an einen Endverbraucher angesehen, der nicht eingeschränkt werden darf. Wenn der Einkaufsvermittler allerdings tatsächlich im Lager des Abnehmers steht – also als dessen Agent handelt – ist er als Wiederverkäufer anzusehen. Die Abgrenzung, ob ein „Vermittler“ – sei es eine natürliche Person oder eben eine Internetplattform – vorliegt, muss anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls erfolgen.

Zum Schutz des selektiven Vertriebssystems darf ein Hersteller Auflagen für die Verkäufe an Endverbraucher über einen solchen Einkaufsvermittler machen, um sicherzustellen, dass es sich auch tatsächlich um einen Einkaufsvermittler und nicht um einen Agenten handelt. Zulässig im Offline-Vertrieb ist beispielsweise die Verpflichtung, sich die schriftliche Vollmacht des Endkunden für die konkrete Bestellung und Entgegennahme der Ware durch den Vermittler vorlegen zu lassen. Ebenso darf ein Nachweis verlangt werden, dass der Endkunde auch tatsächlich existiert. Nach den Vertikal-Leitlinien der Kommission dürfen Hersteller und Händler Voraussetzungen für die Nutzung von Plattformen Dritter vereinbaren. Die Leitlinien nennen hier ausdrücklich das Verbot, eine Händlerwebsite über die Website eines Dritten mit dessen Logo aufzurufen – was der Erlaubnis zur Untersagung derartiger Drittplattformen gleichkommen dürfte (Vertikal-Leitlinien, Rn. 54).
In dem nun angestrengten Verfahren handelt es sich um ein Verwaltungsverfahren, das nicht in der Verhängung von Bußgeldern mündet, sondern vielmehr darauf gerichtet ist – abhängig vom Ergebnis der Ermittlungen – eine Änderung für die Zukunft zu bewirken. Das Bundeskartellamt ist in der jüngeren Vergangenheit verstärkt gegen Unternehmen vorgegangen, die im Verdacht standen, ihren Händlern den Verkauf über Online-Plattformen zu untersagen. Betroffen waren u.a. die Sportartikelhersteller Adidas und Asics (Newsletter Kartell- und EU-Recht Q3/2014, wir berichteten). Im Bereich des Automobilvertriebs wurde bisher eher die Europäische Kommission tätig – es bleibt abzuwarten, ob nun der gesamte Sektor in den Fokus des Bundeskartellamtes rückt oder ob das Verfahren hauptsächlich im Rahmen der vom Amt angestrebten Grenzenlosigkeit des Internetvertriebes zu sehen ist.

Da es sich im Kraftfahrzeugsektor um technisch komplexe Güter handelt, bei denen der Vertrieb in einem selektiven System zweifelsohne berechtigt ist, könnten möglicherweise andere Bewertungsmaßstäbe gelten als beispielsweise bei Sportbekleidung. Letztlich dürfte entscheidend sein, ob die Online-Plattformen wie Agenten der Kraftfahrzeughändler auftreten. Dann sollte es den Herstellern innerhalb eines selektiven Vertriebssystems erlaubt sein, ihre Nutzung zu untersagen. Anders könnte die Bewertung jedoch ausfallen, wenn es sich gerade nicht um einen Agenten handelt, sondern die Plattformen lediglich „Leads“ generieren, die dann von den Händlern verfolgt werden können. Wie immer liegt der Teufel im Detail.

Anne Caroline Wegner, LL.M. (European University Institute)
Partnerin
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
Telefon +49 211 5660 18742
anne.wegner@luther-lawfirm.com

 

Gesa Friderike Milbrett
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Düsseldorf
Telefon +49 211 5660 18792
gesa.milbrett@luther-lawfirm.com

Das vernetzte Automobil und der Datenschutz

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„Pay-as-you-drive“, On-board-Diagnosen, Fahrassistenz, Ortungsgeräte, Dash-Cams und smarte Infotainment-Lösungen: Moderne Automobile ähneln dank eingebauter Steuergeräte, einer Vielzahl von Sensoren und integrierter Internetdienste immer mehr rollenden Computern. Nicht nur Autohersteller oder Versicherer haben Interesse an dem damit zu hebenden Datenschatz, sondern auch Apple oder Google nehmen diese Daten ins Visier. Die im Auto erhobenen Daten werden dabei nicht nur zur Verbesserung der angebotenen Dienste oder der Fahr- und Verkehrssicherheit, sondern auch zur Kontrolle des Fahrers, des Mitarbeiters, der Übermittlung von zielgruppenspezifischer Werbung, der Berechnung von Versicherungsprämien oder anderen wirtschaftlichen Zwecken genutzt.

Risiko: Personenbezug

Interessant sind für die Industrie in erster Linie die so genannten personenbezogenen Daten, d.h. Daten, die einen Rückschluss auf einen Menschen (z.B. den Fahrer) zulassen. Ein solcher Rückschluss ist z.B. in Anmeldemodellen (wie Car-Sharing) ohne weiteres möglich; in anderen Fällen wird die Identifizierung über andere Wege, z.B. durch Verknüpfung der Daten mit denen des letzten Werkstattbesuchs oder eine Halter-Abfrage leicht gemacht. Der Umgang mit personenbezogenen Daten unterliegt allerdings strengen Regelungen: In Europa gilt insofern das Verbotsprinzip, d.h. der Umgang mit entsprechenden Daten ist nur dann erlaubt, wenn eine Rechtsgrundlage diesen legitimiert oder die Person ihre ausdrückliche, vorherige Einwilligung in diesen Umgang erteilt hat. Verstöße können zurzeit nach deutschem Recht mit Bußgeldern bis zu EUR 300.000,00 geahndet werden.

Einwilligung als Alternative?

Der Mensch kann grundsätzlich frei über den Umgang mit seinen Daten entscheiden und seine Einwilligung in die verschiedensten Nutzungen erteilen. So kann er z.B. in die GPS-Überwachung seines Fahrzeugs einwilligen, damit dieses im Fall eines Diebstahls geortet werden kann. Eine freie Entscheidung setzt jedoch zunächst voraus, dass bekannt ist, wofür die Daten genutzt werden sollen. Dies muss konkret in der jeweiligen Einwilligungserklärung beschrieben sein. Eine pauschale Information in z.B. den vertraglichen Vereinbarungen reicht nicht aus. Der Betroffene muss zudem schriftlich bzw. elektronisch in den in der Erklärung beschriebenen Umgang mit seinen Daten einwilligen.

Die Formulierung und Einholung von Einwilligungen ist in der Praxis mitunter schwierig: Zum einen wissen viele Unternehmen noch gar nicht bei der Erhebung der Daten, wofür sie diese überhaupt konkret nutzen möchten, zum anderen ist die Einwilligung freiwillig und kann jederzeit widerrufen werden. Gerade bei der Freiwilligkeit ergeben sich Risiken, da hier abzuwägen ist, in welchen Fällen der Betroffene tatsächlich noch frei entscheidet bzw. entscheiden kann. Werden künftig Versicherungen viel günstiger angeboten, wenn der Fahrer eines Autos seine Daten zur Kontrolle seines Fahrverhaltens preisgibt, sollte zumindest sichergestellt sein, dass keine sittenwidrig höheren Prämien von den Versicherungsnehmern gefordert werden, die ihre Daten nicht preisgeben. Ist die Einwilligung zudem erforderlich um den Umgang der Daten im Rahmen des Services zu legitimieren (z.B. bei der GPS-Überwachung) ist technisch sicherzustellen, dass im Fall eines Widerrufs dieser auch umgesetzt werden kann. Daneben ist über die Konsequenzen des Widerrufs zu belehren.

Rechtliche Erlaubnis als Lösung?

Alternativ können die Daten auf Grundlage des geltenden Rechts erhoben etc. werden. Hier kommen je nach Art der Daten und der angebotenen Dienste verschiedene Regelungen in Betracht. Das System eCall, das nun wohl erst 2018 eingeführt werden soll und in Europa als Notfallsystem verpflichtend in jedem Auto integriert werden muss, unterliegt z.B. als Mobilfunkangebot den Regelungen des Telekommunikationsgesetzes. Internetbasierte Multimediaangebote, wie Navigationsgeräte, unterliegen den Regelungen des Telemediengesetzes, wohingegen für den sonstigen Umgang mit Daten (z.B. im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen zwischen Fahrer und Autohersteller oder Versicherer) das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) gilt.

Wann welcher Umgang mit Daten nach den Regelungen des BDSGs zulässig ist, richtet sich wiederrum nach der Art des Dienstes: Ein in einem Fahrzeug verbautes IT-System kann z.B. nach § 3 Abs. 10 BDSG ein mobiles Speicher- und Verarbeitungsmedium sein, auf das die besonderen Transparenzpflichten des § 6c BDSG Anwendung finden. Werden Daten im Rahmen des vertraglichen Verhältnisses mit dem Autohändler oder –hersteller erhoben und genutzt, kann dies ggf. für die Erfüllung dieses vertraglichen Verhältnisses erforderlich sein, § 28 Abs. 1 Nr. 1 BDSG. Hier muss allerdings sorgfältig abgewogen werden, welche Nutzung der Daten tatsächlich für das Vertragsverhältnis „erforderlich“ ist. Eine intransparente, massenhafte Datenerhebung wird davon ebenso wenig umfasst sein wie die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen (z.B. durch Auswertung, welche Sitzstellung der Fahrer bevorzugt, ob und wieviel er bremst und wann er tankt). Gleiches gilt für die gesetzliche Erlaubnis der Nutzung der Daten auf Grundlage einer Interessenabwägung zwischen den berechtigten Interessen des Unternehmens und den schutzwürdigen Interessen des Betroffenen, § 28 Abs. 1 Nr. 2 BDSG: Auch hier ist im Einzelfall zu prüfen, welcher Umgang mit den Daten erlaubt ist und von welchem eher Abstand genommen werden sollte. Werden die Daten zudem genutzt, um z.B. Versicherungsprämien gezielt aufgrund des Fahrverhaltens zu berechnen, greift der Sondertatbestand des § 28b BDSG betreffend das Scoring. Dieser regelt im Detail, welche Daten wie im Rahmen des Scoring genutzt werden dürfen.

Privacy by design als Lösung?

Als Möglichkeit, Datenschutz im Auto umzusetzen, bietet sich „Privacy by Design“ an. Dabei werden die im Auto eingesetzten Systeme bereits unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Anforderungen gestaltet. Ansätze sind z.B. technisch sicherzustellen, dass technische Daten nicht mit personenbezogenen Daten des Fahrers zusammengeführt werden, der Fahrer transparent über den Umgang mit seinen Daten informiert wird oder dem Fahrer die Möglichkeit zu bieten, selbstbestimmt über seine Daten verfügen zu können, indem er mittels Knopfdruck die Erhebung unterdrücken kann. Der VDA hat dazu bereits in 2014 seine „Datenschutzprinzipien für vernetzte Fahrzeuge“ veröffentlicht, die von den Herstellern und Zulieferern im VDA berücksichtigt werden (abrufbar hier).

Unser Kommentar

Das Auto wird ein Teil des Internets der Dinge. Damit steigen die datenschutzrechtlichen Risiken für Unternehmen, die z.B. aus den unklaren Verantwortlichkeiten für den Umgang mit den Daten, der massenhaften Erhebung der Daten, der fehlenden Transparenz und der mangelnden Prüfung der dabei einschlägigen datenschutzrechtlichen Vorgaben entstehen. Zudem erhöht sich durch die digitale Vernetzung des Autos das Risiko von Angriffen, z.B. durch Tachomanipulation, Industriespionage, Überwachung oder Sabotage. Ziel ist hier nicht zuletzt auch der Datenklau. Neben Privacy by Design sollte daher auch der Bereich Security by Design bzw. IT-Security bei der Entwicklung und dem Einsatz entsprechender Systeme berücksichtigt werden. Auch die Reputation bzw. der Verlust derselben ist heute von erheblicher Bedeutung: Inzwischen achten Verbraucher verstärkt darauf, wie Unternehmen mit ihren Daten umgehen und ob sie den Unternehmen vertrauen können. Die Medien berichten täglich über vermeintliche Verstöße. Datenschutzaufsichtsbehörden kontrollieren Unternehmen regelmäßig und verhängen Bußgelder. Mit Einführung der europäischen Datenschutzgrundverordnung (voraussichtlich 2016) sollen die Bußgelder für Datenschutzverstöße zudem auf bis zu 100 Mio. EUR bzw. 5 % des weltweiten Umsatzes des Unternehmens angehoben werden. Im Ergebnis führt kein Weg daran vorbei, sich intensiv mit dem Thema Datenschutz und IT-Security zu beschäftigen.

Silvia C. Bauer
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Köln
Telefon +49 221 9937 25789
silvia.c.bauer@luther-lawfirm.com

 

 

BGH-Urteil schafft Handlungsbedarf bei ZDK-Bedingungen

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Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. April 2015 - Aktenzeichen VIII ZR 104/14

Problemstellung

Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. (ZDK) vertritt die Interessen von knapp 40.000 Kfz-Händlern und Servicebetrieben in Deutschland. Neben seinen anderen Dienstleistungen stellt der ZDK seinen Mitgliedern unverbindliche Empfehlungen für Allgemeine Geschäftsbedingungen zur Verfügung. Insbesondere seine Kfz-Reparaturbedingungen dürften kaum einem Automobilisten je entgangen sein. Unter anderem stellt er seinen Mitgliedern aber auch die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge und Anhänger“ zur Verfügung. Darin werden im Ausgangspunkt branchenübliche Regelungen getroffen, die sich naturgemäß aufgrund ihrer Rechtsnatur als Allgemeine Geschäftsbedingungen an der gesetzlich vorgesehenen Inhaltskontrolle für derartige Klauselwerke, aber auch an den gesetzlichen Vorgaben für Transparenz und Verständlichkeit messen müssen und gleichzeitig keine für den Geschäftspartner des Kfz-Händlers überraschenden Klauseln beinhalten dürfen.

Der Fall

Auf die Probe gestellt wurden diese ZDK-Bedingungen vor dem BGH, nachdem eine Kundin von einem süddeutschen Autohändler einen Gebrauchtwagen Brilliance BS4 unter Verwendung dieser Vertragsbedingungen gekauft hatte. An dem Wagen traten nach Übergabe des Fahrzeuges Korrosionsschäden auf, die auf Verarbeitungsfehler bei der Produktion zurückzuführen waren. Die Kundin hatte daraufhin den Verkäufer des Wagens unter Fristsetzung aufgefordert, die Korrosionsschäden zu beseitigen, was dieser unter Verweis auf die nach seiner Auffassung eingetretene Verjährung der Gewährleistungsfristen ablehnte. Tatsächlich war der – in Deutschland noch recht exotische Wagen – der Kundin nämlich am 23. Februar 2010 übergeben worden. Verjährungshemmende Maßnahmen, hier: die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens, leitete die Kundin aber erst im November 2011 ein. Daraufhin verlangte die Kundin vom Verkäufer des Fahrzeugs Erstattung der Kosten für die Beseitigung der Schäden im Wege des Schadensersatzes, was dieser ebenfalls unter Verweis auf die seiner Auffassung nach abgelaufene Verjährungsfrist ablehnte. Der Kfz-Händler war davon ausgegangen, durch Einbeziehung der ZDK-Bedingungen mit der Kundin wirksam eine einjährige Verjährungsfrist gerade auch für Schadensersatzansprüche wegen eines Sachmangels des gebrauchten Fahrzeugs vereinbart zu haben.

Dem hatte sich auch das Landgericht Waldshut-Tiengen noch angeschlossen und die Klage der Kundin auf Kostenerstattung abgewiesen. Diese Entscheidung wurde vom BGH jedoch letztinstanzlich aufgehoben und der Kundin die von ihr begehrte Kostenerstattung zugesprochen.

Die Entscheidung

Die streitentscheidende Frage für das Urteil des BGH vom 29. April 2015 war es, ob die hier anzuwendenden ZDK-Bedingungen eine wirksame Verkürzung der Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche der Kundin gegenüber der gesetzlichen Zweijahresfrist beinhaltet. Dies hat der BGH im Ergebnis verneint. Um insoweit Missverständnissen vorzubeugen: Die Tatsache, dass die Verjährungsfrist für derartige Ansprüche beim Verkauf gebrauchter Waren auch gegenüber einem Verbraucher von der gesetzlich vorgesehenen Dauer von 2 Jahren vertraglich auf 1 Jahr reduziert werden kann, war hier nicht im Streit. Hierfür hätte in Anbetracht der klaren gesetzlichen Vorgabe auch kein Anlass bestanden. Umstritten war hier allerdings, ob die konkrete Ausgestaltung der betreffenden Regelungen der ZDK-Bedingungen dem gesetzlichen Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB standhält und der Kfz-Händler als Verwender der umstrittenen Vertragsklauseln die Rechte und Pflichten seiner Kunden möglichst klar und durchschaubar dargestellt hat. Richtschnur des BGH ist hierbei, ob der Klauselverwender die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Klauseln so exakt beschrieben hat, dass für ihn aus etwaigen Ungenauigkeiten keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Gleichzeitig sind die Klauseln so abzufassen, dass der Kunde seine Rechte auch ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach feststellen kann.

Genau dies hat der BGH bei den ZDK-Bedingungen (Stand 3/2008) verneint. Die ZDK-Bedingungen waren insoweit auf zwei Regelungskomplexe verteilt: Die Regelungen zur Ausgestaltung der Gewährleistungsrechte einerseits sowie die Regelungen zur Haftung auf Schadensersatz andererseits. Dabei war die Verjährungsfrist für Sachmängel-Gewährleistungsansprüche unter den Regelungen „Gewährleistung“ auf 1 Jahr beschränkt. Allerdings war dort auch angeordnet, dass diese Regelungen insgesamt nicht für Schadensersatzansprüche gelten, sondern hierfür wiederum ausschließlich die Regelungen unter „Haftung“ gelten sollen. Dort wiederum war nun keine Regelung zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen vorgesehen – aus Sicht des Vertragserstellers im Zweifel konsequent, denn für Sachmängel-Gewährleistungsansprüche, ohne die auch keine Schadensersatzansprüche wegen der Verweigerung der Nacherfüllung bestehen können, war dies ja bereits erfolgt. Und für diejenigen Konstellationen, für die die Regelungen unter „Haftung“ überhaupt Ansprüche des Vertragspartners vorgesehen haben (z.B. vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung von Schäden), ließ bereits das Gesetz keine AGB-rechtliche Beschränkung der Verjährungsfristen zu. Nicht transparent genug war dies allerdings dem BGH, da für den Vertragspartner nicht klar genug werde, ob die Verjährung von Ansprüchen auf Schadensersatz wegen einer vom Verkäufer verweigerten – aber ja auch verjährten – Nacherfüllung möglicherweise längere Verjährungsfristen gelten sollten. Jedenfalls für die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners im Zeitpunkt des Vertragsschlusses verblieben hierbei Unklarheiten. Und da AGB-Regelungen nach § 305c Abs. 2 BGB im Falle von Unklarheiten stets zu Lasten des Klauselverwenders auszulegen sind, hat der BGH in seiner Entscheidung dem Klauselwerk keine wirksame Verkürzung der Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche entnehmen können.

Die Bewertung

Die in den ZDK-Bedingungen vorgenommene Aufteilung in Regelungen zu den Sachmängel-Gewährleistungsansprüchen einerseits und Regelungen zur Begrenzung von Schadensersatzansprüchen andererseits ist allgemein üblich und nach der Rechtsprechung des BGH mit ihren teilweise sehr kleinteiligen Vorgaben an den Klauselverwender letztlich auch gar nicht zu vermeiden. Die vom BGH vorgenommene Einschätzung, dass für den Kunden hier Unklarheiten verblieben, ist sicherlich gut vertretbar. Die entsprechenden Klauseln lassen sich an dieser Stelle durchaus noch weiter klarstellen. Allerdings wäre sicherlich auch die gegenteilige Meinung sehr gut vertretbar gewesen. Schließlich hat der BGH in seinem Urteil völlig zurecht ausgeführt, dass der Schadensersatzanspruch der Kundin ausschließlich darauf gegründet werden kann, dass der Händler das Nacherfüllungsverlangen der Kundin verweigert hat. Ist er hierzu aber berechtigt, da zu dem Zeitpunkt die Frist zur Verjährung von Nacherfüllungsansprüchen abgelaufen ist, so handelt der Kfz-Händler nicht vertragswidrig, wenn er das Nacherfüllungsverlangen zurückweist. In diesem Fall kann ein Schadensersatzanspruch von vornherein schon nicht entstehen. Es kommt dann auf die Frage der Verjährung solcher Schadensersatzansprüche nicht mehr an. Dass die Abkürzung der Verjährungsfrist fürNacherfüllungsansprüche hier nicht wirksam sein könnte, hat der BGH aber zurecht nicht angenommen.

Es steht zu vermuten, dass die durch das Urteil des BGH jetzt erzwungene Überarbeitung die ZDK-Bedingungen noch detaillierter und damit auch komplexer machen wird. Ein nicht geringer Teil der von der Rechtsprechung den Klauselverwendern oft entgegengehaltenen Komplexität allgemeiner Geschäftsbedingungen ist insoweit gerade der AGB-rechtlichen Rechtsprechung geschuldet.

Volker Steimle
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Köln
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