Bundesgerichtshof, Urteil vom 29. April 2015 - Aktenzeichen VIII ZR 104/14
Problemstellung
Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe e.V. (ZDK) vertritt die Interessen von knapp 40.000 Kfz-Händlern und Servicebetrieben in Deutschland. Neben seinen anderen Dienstleistungen stellt der ZDK seinen Mitgliedern unverbindliche Empfehlungen für Allgemeine Geschäftsbedingungen zur Verfügung. Insbesondere seine Kfz-Reparaturbedingungen dürften kaum einem Automobilisten je entgangen sein. Unter anderem stellt er seinen Mitgliedern aber auch die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen für den Verkauf gebrauchter Kraftfahrzeuge und Anhänger“ zur Verfügung. Darin werden im Ausgangspunkt branchenübliche Regelungen getroffen, die sich naturgemäß aufgrund ihrer Rechtsnatur als Allgemeine Geschäftsbedingungen an der gesetzlich vorgesehenen Inhaltskontrolle für derartige Klauselwerke, aber auch an den gesetzlichen Vorgaben für Transparenz und Verständlichkeit messen müssen und gleichzeitig keine für den Geschäftspartner des Kfz-Händlers überraschenden Klauseln beinhalten dürfen.
Der Fall
Auf die Probe gestellt wurden diese ZDK-Bedingungen vor dem BGH, nachdem eine Kundin von einem süddeutschen Autohändler einen Gebrauchtwagen Brilliance BS4 unter Verwendung dieser Vertragsbedingungen gekauft hatte. An dem Wagen traten nach Übergabe des Fahrzeuges Korrosionsschäden auf, die auf Verarbeitungsfehler bei der Produktion zurückzuführen waren. Die Kundin hatte daraufhin den Verkäufer des Wagens unter Fristsetzung aufgefordert, die Korrosionsschäden zu beseitigen, was dieser unter Verweis auf die nach seiner Auffassung eingetretene Verjährung der Gewährleistungsfristen ablehnte. Tatsächlich war der – in Deutschland noch recht exotische Wagen – der Kundin nämlich am 23. Februar 2010 übergeben worden. Verjährungshemmende Maßnahmen, hier: die Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens, leitete die Kundin aber erst im November 2011 ein. Daraufhin verlangte die Kundin vom Verkäufer des Fahrzeugs Erstattung der Kosten für die Beseitigung der Schäden im Wege des Schadensersatzes, was dieser ebenfalls unter Verweis auf die seiner Auffassung nach abgelaufene Verjährungsfrist ablehnte. Der Kfz-Händler war davon ausgegangen, durch Einbeziehung der ZDK-Bedingungen mit der Kundin wirksam eine einjährige Verjährungsfrist gerade auch für Schadensersatzansprüche wegen eines Sachmangels des gebrauchten Fahrzeugs vereinbart zu haben.
Dem hatte sich auch das Landgericht Waldshut-Tiengen noch angeschlossen und die Klage der Kundin auf Kostenerstattung abgewiesen. Diese Entscheidung wurde vom BGH jedoch letztinstanzlich aufgehoben und der Kundin die von ihr begehrte Kostenerstattung zugesprochen.
Die Entscheidung
Die streitentscheidende Frage für das Urteil des BGH vom 29. April 2015 war es, ob die hier anzuwendenden ZDK-Bedingungen eine wirksame Verkürzung der Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche der Kundin gegenüber der gesetzlichen Zweijahresfrist beinhaltet. Dies hat der BGH im Ergebnis verneint. Um insoweit Missverständnissen vorzubeugen: Die Tatsache, dass die Verjährungsfrist für derartige Ansprüche beim Verkauf gebrauchter Waren auch gegenüber einem Verbraucher von der gesetzlich vorgesehenen Dauer von 2 Jahren vertraglich auf 1 Jahr reduziert werden kann, war hier nicht im Streit. Hierfür hätte in Anbetracht der klaren gesetzlichen Vorgabe auch kein Anlass bestanden. Umstritten war hier allerdings, ob die konkrete Ausgestaltung der betreffenden Regelungen der ZDK-Bedingungen dem gesetzlichen Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB standhält und der Kfz-Händler als Verwender der umstrittenen Vertragsklauseln die Rechte und Pflichten seiner Kunden möglichst klar und durchschaubar dargestellt hat. Richtschnur des BGH ist hierbei, ob der Klauselverwender die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen der Klauseln so exakt beschrieben hat, dass für ihn aus etwaigen Ungenauigkeiten keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Gleichzeitig sind die Klauseln so abzufassen, dass der Kunde seine Rechte auch ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach feststellen kann.
Genau dies hat der BGH bei den ZDK-Bedingungen (Stand 3/2008) verneint. Die ZDK-Bedingungen waren insoweit auf zwei Regelungskomplexe verteilt: Die Regelungen zur Ausgestaltung der Gewährleistungsrechte einerseits sowie die Regelungen zur Haftung auf Schadensersatz andererseits. Dabei war die Verjährungsfrist für Sachmängel-Gewährleistungsansprüche unter den Regelungen „Gewährleistung“ auf 1 Jahr beschränkt. Allerdings war dort auch angeordnet, dass diese Regelungen insgesamt nicht für Schadensersatzansprüche gelten, sondern hierfür wiederum ausschließlich die Regelungen unter „Haftung“ gelten sollen. Dort wiederum war nun keine Regelung zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen vorgesehen – aus Sicht des Vertragserstellers im Zweifel konsequent, denn für Sachmängel-Gewährleistungsansprüche, ohne die auch keine Schadensersatzansprüche wegen der Verweigerung der Nacherfüllung bestehen können, war dies ja bereits erfolgt. Und für diejenigen Konstellationen, für die die Regelungen unter „Haftung“ überhaupt Ansprüche des Vertragspartners vorgesehen haben (z.B. vorsätzliche oder grob fahrlässige Herbeiführung von Schäden), ließ bereits das Gesetz keine AGB-rechtliche Beschränkung der Verjährungsfristen zu. Nicht transparent genug war dies allerdings dem BGH, da für den Vertragspartner nicht klar genug werde, ob die Verjährung von Ansprüchen auf Schadensersatz wegen einer vom Verkäufer verweigerten – aber ja auch verjährten – Nacherfüllung möglicherweise längere Verjährungsfristen gelten sollten. Jedenfalls für die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners im Zeitpunkt des Vertragsschlusses verblieben hierbei Unklarheiten. Und da AGB-Regelungen nach § 305c Abs. 2 BGB im Falle von Unklarheiten stets zu Lasten des Klauselverwenders auszulegen sind, hat der BGH in seiner Entscheidung dem Klauselwerk keine wirksame Verkürzung der Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche entnehmen können.
Die Bewertung
Die in den ZDK-Bedingungen vorgenommene Aufteilung in Regelungen zu den Sachmängel-Gewährleistungsansprüchen einerseits und Regelungen zur Begrenzung von Schadensersatzansprüchen andererseits ist allgemein üblich und nach der Rechtsprechung des BGH mit ihren teilweise sehr kleinteiligen Vorgaben an den Klauselverwender letztlich auch gar nicht zu vermeiden. Die vom BGH vorgenommene Einschätzung, dass für den Kunden hier Unklarheiten verblieben, ist sicherlich gut vertretbar. Die entsprechenden Klauseln lassen sich an dieser Stelle durchaus noch weiter klarstellen. Allerdings wäre sicherlich auch die gegenteilige Meinung sehr gut vertretbar gewesen. Schließlich hat der BGH in seinem Urteil völlig zurecht ausgeführt, dass der Schadensersatzanspruch der Kundin ausschließlich darauf gegründet werden kann, dass der Händler das Nacherfüllungsverlangen der Kundin verweigert hat. Ist er hierzu aber berechtigt, da zu dem Zeitpunkt die Frist zur Verjährung von Nacherfüllungsansprüchen abgelaufen ist, so handelt der Kfz-Händler nicht vertragswidrig, wenn er das Nacherfüllungsverlangen zurückweist. In diesem Fall kann ein Schadensersatzanspruch von vornherein schon nicht entstehen. Es kommt dann auf die Frage der Verjährung solcher Schadensersatzansprüche nicht mehr an. Dass die Abkürzung der Verjährungsfrist fürNacherfüllungsansprüche hier nicht wirksam sein könnte, hat der BGH aber zurecht nicht angenommen.
Es steht zu vermuten, dass die durch das Urteil des BGH jetzt erzwungene Überarbeitung die ZDK-Bedingungen noch detaillierter und damit auch komplexer machen wird. Ein nicht geringer Teil der von der Rechtsprechung den Klauselverwendern oft entgegengehaltenen Komplexität allgemeiner Geschäftsbedingungen ist insoweit gerade der AGB-rechtlichen Rechtsprechung geschuldet.
Volker Steimle
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