22.07.2015
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Die Grunderwerbsteuer bemisst sich gemäß § 8 Abs. 1 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) nach dem Wert der Gegenleistung, insbesondere nach dem Kaufpreis. Gibt es keine Gegenleistung, bemisst sich die Grunderwerbsteuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG, die in der Regel zu einer unter dem Verkehrswert liegenden Besteuerungsgrundlage führt. Dabei gelten differenzierte Bewertungsregelungen. Die Grundbesitzwerte werden je nach Art des Grundbesitzes auf unterschiedliche Art und Weise festgestellt.
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hatte sich nach den Vorlagen des Bundesfinanzhofes mit der Verfassungswidrigkeit der Ersatzbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 2 GrEStG zu befassen. Der Bundesfinanzhof hielt § 8 Abs. 2 GrEStG mit dem Gleichheitsgebot von Art. 3 Abs. 1 GG für unvereinbar. Daher setzte er das Ausgangsverfahren aus und holte eine Entscheidung des BVerfG ein.
Mit dem Beschluss vom 23. Juni 2015 (veröffentlicht am 17. Juli 2015) entschied das BVerfG, dass § 8 Abs. 2 GrEStG verfassungswidrig sei, da die Ersatzbemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG i.V.m. den Bewertungsvorschriften des Bewertungsgesetzes zu einer erheblichen Ungleichbehandlung der Steuerschuldner führe, deren Grunderwerbsteuer auf der Grundlage der (höheren) Regelbemessungsgrundlage nach § 8 Abs. 1 GrEStG berechnet werde. Das BVerfG verpflichtet den Gesetzgeber spätestens bis zum 30. Juni 2016 rückwirkend zum 1. Januar 2009 eine neue Regelung zu treffen.
Nach Art. 3 Abs. 1 GG muss Gleiches gleich behandelt werden. Dem Gesetzgeber werden im Steuerrecht durch das Gebot der Besteuerung nach der finanziellen Leistungsfähigkeit Grenzen gesetzt. Im Falle des § 8 Abs. 1 GrEStG verfolgen Käufer und Verkäufer meist gegenläufige Interessen und der Kaufpreis entspricht dem Marktwert der Immobilie. Im Falle des § 8 Abs. 2 GrEStG bestimmt das Bewertungsgesetz dagegen unterschiedliche Wertansätze. Die Werte bebauter Grundstücke lägen nach Einschätzung des BVerfG im Durchschnitt 50 % unter dem Kaufpreis, unbebaute Grundstücke erreichten nur ein Niveau von rund 70 % des gemeinen Werts, weil dieser sich nach dem um 20 % ermäßigten Bodenrichtwert ermittelt. Der land- und forstwirtschaftliche Grundbesitzwert stelle im Endergebnis lediglich 10 % des Verkehrswerts dar. Dies führe zu einer Ungleichbehandlung, die nicht zu rechtfertigen sei.
Das BVerfG hatte schon in dem Beschluss vom 07. November 2006 (1 BvL 10/02) ausgeführt, dass die Bewertung nach §§ 138 ff BewG im Rahmen der erbschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage zu Ungleichbehandlungen führe und dies verfassungswidrig sei. Das BVerfG verpflichtete den Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2008 eine verfassungskonforme Regelung für die Erbschaftsteuer zu treffen. Dem kam der Gesetzgeber durch die Schaffung neuer Vorschriften nach. Die §§ 138 ff BewG und die Grunderwerbsteuervorschriften wurden nicht angepasst, wobei dies vor dem Hintergrund gleicher Problematik geboten und notwendig war.
Das BVerfG entschied daher konsequent, dass die Ersatzbemessungsgrundlage gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG verfassungswidrig sei. Sie sei ab dem 1. Januar 2009 nicht anwendbar und vom Gesetzgeber durch eine Neuregelung zu ersetzen.
Es wird erwartet, dass das Gesetz so geändert wird, dass es in den Fällen, in denen die Ersatzbemessungsgrundlage anwendbar ist, zu höherer Grunderwerbsteuer kommt. Für Fälle, die sich vor 2009 ereignet haben, muss nach der Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts das Gesetz nicht rückwirkend geändert werden. Vorgänge, die seit 2009 der Grunderwerbsteuer nach der Ersatzbemessungsgrundlage unterlegen haben, sind von der angeordneten Gesetzesänderung nicht mehr betroffen, wenn das entsprechende Grunderwerbsteuerfestsetzungsverfahren bereits endgültig abgeschlossen ist. Für noch nicht abgeschlossene Fälle, dürfte die Anmerkung des Bundesverfassungsgerichts wichtig sein, dass nach dessen Entscheidung vom 7. November 2008 festgestanden habe, dass die Bewertungsregeln mangelhaft gewesen seien. Es habe dem Gesetzgeber, der Verwaltung und den Steuerpflichtigen klar sein müssen, dass die Regeln zu Ungleichheiten führten. Das Bundesverfassungsgericht geht von rückwirkenden Änderungen aus, die allerdings nur „soweit nach gelten dem Recht zulässig“ erfolgen dürften. Das Gericht verweist auf die Vertrauensschutzregeln in der Abgabenordnung. Grunderwerbsteuerbescheide, die nach dem Aussetzungsbeschluss des Bundesfinanzhofs vom 2. März 2011 mit dem Vermerk der Vorläufigkeit ergangen sind, können – abhängig von der neuen gesetzlichen Regel und im Rahmen eventuellen Vertrauensschutzes – nach der nun bevorstehenden Gesetzesänderung vom Finanzamt geändert werden, was voraussichtlich zu einer Erhöhung der Steuer führen wird.