10.04.2017

Ab Januar 2018: Große Seeschiffe müssen CO2-Emissionen überwachen

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10.04.2017

Ab Januar 2018: Große Seeschiffe müssen CO2-Emissionen überwachen

Die Betreiber von Seeschiffen mit mehr als 5.000 Bruttoraumzahl müssen ab dem 1. Januar 2018 die CO2-Emissionen ihrer Schiffe überwachen. Dafür haben sie vier verschiedene Methoden zur Auswahl. Die Schiffsbetreiber können die CO2-Emissionen beispielsweise direkt messen oder den Verbrauch des Bunkerkraftstoffes an Bord nachvollziehen. Grundlage für die Überwachung bildet ein Monitoring-Konzept, das die Schiffsbetreiber bis zum 31. August 2017 für jedes ihrer Schiffe einer anerkannten und akkreditierten Prüfstelle vorgelegt haben müssen. Die  Prüfstellen bewerten die Konformität des Monitoring-Konzeptes mit den rechtlichen Vorgaben. Ab 2019 sind die Schiffsbetreiber zusätzlich verpflichtet, der Kommission und ihrer Flaggenstaatsbehörde jährlich für jedes Schiff einen Emissionsbericht zu übermitteln, der unter anderem Informationen zu den CO2-Emissionen des Schiffes enthält. Die Emissionsberichte sind ebenfalls von anerkannten und akkreditierten Prüfstellen auf Konformität zu bewerten.

Die genannten Verpflichtungen sieht eine EU-Verordnung vom Juli 2015 vor, mit der ein verbindliches Monitoring-, Reporting- und Verification- (MRV-) System für CO2-Emissionen von Seeschiffen eingeführt wurde. Verstoßen Schiffsbetreiber gegen Verpflichtungen aus der Verordnung, drohen ihnen erhebliche Sanktionen.

Die Maßnahmen sind Teil einer Strategie der EU, die CO2-Emissionen von Schiffen bis 2050 um mindestens 40 % zu senken. Um dieses Ziel zu erreichen, erhebt die EU im ersten Schritt durch das MRV-System die erforderlichen Daten. In einem zweiten Schritt wird die EU verbindliche Reduktionsziele für den Schiffsverkehr festlegen, um in einem dritten Schritt marktbasierte Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen im Schiffsverkehr einzuführen. Der Schiffsverkehr könnte dann beispielsweise in das Emissionshandelssystem der EU einbezogen werden.

Die neuen Verpflichtungen gelten für die Betreiber unabhängig davon, in welchem Staat ihr Schiff registriert ist. Maßgeblich ist allein das Gebiet, in dem das Schiff fährt. Es muss sich in die Europäische Union hinein, aus ihr heraus oder innerhalb ihres Gebietes bewegen. Damit erfasst die Verordnung etwa auch Schiffe unter der Flagge Chinas, Indiens oder Brasiliens.

Fortdauernde Diskussionen im Rahmen der IMO

Die Einführung des MRV-Systems überschneidet sich mit parallelen Bestrebungen der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO), die mit vergleichbaren Maßnahmen auf internationaler Ebene bislang (auch) am Widerstand Chinas, Indiens und Brasiliens gescheitert ist. Die Mitglieder der IMO diskutieren bereits seit 20 Jahren über Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgasemissionen von Seeschiffen. Nach den Vorstellungen der IMO soll es ein weltweites System zur Erfassung von CO2-Emissionen geben. Im Oktober 2016 hat der Umweltausschuss der IMO dazu einen ersten konkreten Beschluss gefasst. Die Betreiber von Schiffen mit mehr als 5.000 Bruttoraumzahl müssen dafür ebenfalls Daten erfassen. Diese Daten sollen an die IMO übermittelt und in einer zentralen Datenbank gespeichert werden. Dieses weltweite IMO-Datenerhebungssystem soll zum 1. März 2018 in Kraft treten.

Bislang hat sich die IMO vor allem mit der Luftverschmutzung durch Schiffe befasst. Entsprechende Regelungen finden sich seit 2005 in Anlage VI zu dem Übereinkommen zur Verhütung der Meeresverschmutzung durch Schiffe (MARPOL). Die Anlage VI des Übereinkommens enthält Grenzwerte („cap“) für den Schwefelgehalt von ölhaltigen Brennstoffen. Der für alle Schiffe geltende cap ist jüngst von 3,5 % auf 0,5% im Jahr 2020 gesenkt worden. Zudem hat die IMO Überwachungsgebiete für bestimmte Schiffsemissionen festgelegt (sog. SECA-Gebiete). In den SECA-Gebieten gelten noch strengere Grenzwerte für den Schwefelgehalt des Brennstoffes. Die Nord- und die Ostsee sind seit 2006 und 2007 SECA-Gebiete. Seit dem 1. Januar 2015 dürfen Schiffe, die innerhalb eines SECA-Gebietes fahren, ölhaltigen Brennstoff nur noch mit einem Schwefelgehalt von maximal 0,1 % einsetzen. Um die Grenzwerte einzuhalten, müssen Schiffe mit einem speziellen Filtersystem („Scrubber“) ausgerüstet sein. Alternativ können die Schiffsbetreiber etwa auf (teures) schwefelärmeres Marine-Gasöl als Brennstoff zurückgreifen.

Seit dem 1. Januar 2013 gelten zudem MARPOL-Regelungen über die Energieeffizienz von Schiffen. Neugebaute Schiffe müssen sich danach an einem Energieeffizienz-Kenntwert (EEDI) messen lassen. Der EEDI muss unterhalb einer Referenzlinie liegen, die für einen bestimmten Schiffstypus ermittelt wurde. Zusätzlich sind die Betreiber von Schiffen seit 2013 verpflichtet, Betriebspläne zum Energieeffizienzmanagement (SEEMP) auf ihren Schiffen zu erstellen.

Hintergrund: Kohlendioxidausstoß durch den Schiffsverkehr

Die Bemühungen der EU und der IMO stehen im Zusammenhang mit dem international vereinbarten Zwei-Grad-Klimaschutzziel. Derzeit emittiert der Seeverkehr nach Studien der IMO rund 3 % der global ausgestoßenen Treibhausgase. Es wird erwartet, dass diese Emissionen bis zum Jahr 2050 um 50 % bis 250 % steigen werden, je nach wirtschaftlicher Entwicklung. Für das Zwei-Grad-Ziel müssten die Treibhausgasemissionen jedoch bis zum Jahr 2050 mindestens um 50 % reduziert werden.

Wohin geht die Fahrt?

Die EU betont immer wieder ihren Willen, sich mit der IMO abzustimmen. Treibhausgasemissionen des Schiffsverkehrs könnten nur durch gemeinsame Bemühungen reduziert werden, so die EU. Dennoch wird es nun ab dem kommenden Jahr zwei parallele Systeme zur Erhebung von Brennstoffverbrauchsdaten geben. Welches der beiden Systeme sich durchsetzen wird und inwieweit das von der IMO beschlossene System an das MRV-System der EU angepasst werden kann, bleibt abzuwarten. Auch zur Einbeziehung des Schiffsverkehrs in das Emissionshandelssystem fehlt bislang eine klare Aussage der EU-Kommission – diese Option ist jedoch mit der Einführung des MRV-Systems wahrscheinlicher geworden. Denn der Einbeziehung des Luftverkehrs im Jahr 2012 gingen ähnliche Schritte voraus, wie sie jetzt die Schiffe betreffen.

Zitat Gernot-Rüdiger Engel: „Es bleibt weiterhin spannend, ob sich am Ende die IMO, die EU-Kommission oder eine gemeinsame Lösung durchsetzen wird. Um den Betroffenen Planungssicherheit zu geben, sollte diese Entscheidung aber so bald wie möglich fallen.“

Zitat Tina Ines Schmidt: „Die Schiffsbetreiber sind gut beraten, sich schon jetzt verstärkt auf technische Neuerungen wie LNG-Antriebssysteme auszurichten. Dafür muss zügig auch die entsprechende Infrastruktur in den Häfen ausgebaut werden.“

 

Dr. Gernot-Rüdiger Engel
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Hamburg
Telefon +49 40 18067 16639
gernot.engel@luther-lawfirm.com
 

 

Tina Ines Schmidt
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Berlin
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tina.schmidt@luther-lawfirm.com