13.03.2019

Abpfiff der Trilog-Verhandlungen: Whistleblower Richtlinie wird kommen

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13.03.2019

Abpfiff der Trilog-Verhandlungen: Whistleblower Richtlinie wird kommen

Autor: Daniel Lehmann

Nachdem die EU zuletzt das Thema Geheimnisschutz  angegangen ist, widmet sie sich aktuell der nahezu gegenteiligen Materie: dem Whistleblowing. Nach langen und zähen Verhandlungen im Rahmen der sog. Trilog Verhandlungen zwischen EU-Parlament, Rat und Kommission hat die EU nunmehr eine Richtlinie („Whistleblower Richtlinie“) auf den Weg gebracht, die den Bereich der Enthüllungen in Unternehmen, Organisationen und Institutionen von innen heraus in weiten Teilen neu regeln wird.
 

Worum geht es?

Als Whistleblowing bezeichnet man in der Regel den Vorgang einer Enthüllung, bei der für die Allgemeinheit wichtige - häufig auch illegale - Aktivitäten oder Umstände  aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang an die Öffentlichkeit getragen werden. Oft geschieht dies, indem der Presse oder gar eigens zum Whistleblowing geschaffenen Plattformen sensible Dokumente zugespielt werden, aus denen sich die sensiblen Umstände ergeben. Beispiele hierfür sind etwa die Aufarbeitung des sogenannten „Panama Paper Skandals“ durch die Presse oder die Veröffentlichung vertraulicher, von Edward Snowden bereitgestellter Informationen, über die Plattform Wikileaks.

Viele Skandale wären wohl nie ohne die sog. Whistleblower aufgedeckt worden, also die Personen, welche die Umstände und Informationen publik machen oder zumindest aus dem Kreis der Geheimnis- und Informationsträger herausgeben. Naturgemäß müssen die Whistleblower, als Geheimnisverräter und Nestbeschmutzer gebrandmarkt, Repressalien fürchten: von arbeitsrechtlichen Konsequenzen wie Kündigungen über zivilrechtliche Konsequenzen wegen Vertraulichkeitsbrüchen bis hin zu gar strafrechtlichen Konsequenzen.

Da die Gesellschaft regelmäßig ein Interesse an der Aufdeckung der verdeckten und teils illegalen Vorgänge hat, besteht ein weitverbreitetes Interesse am Schutz der Whistleblower, um diese durch eine Abwehr (oder wenigstens Abfederung) von negativen Konsequenzen zur Stärkung der Zivilgesellschaft zu motivieren.
Dieses Ziel gab den Ausschlag für die Gesetzgebungsinitiative zu den Verhandlungen über die Whistleblower Richtlinie, da ein EU-einheitliches Schutzregime in dieser Hinsicht nicht existiert.
 

Worum wurde gestritten?

Ein zentraler Streitpunkt, der die Trilog-Verhandlungen und auch die öffentliche Diskussion um den Richtlinienentwurf lange dominierte, war die Frage, unter welchen Umständen die Enthüllungsaktivitäten eines Whistleblowers gerechtfertigt sind und wann er sich folglich auf den Schutz der neuen Bestimmungen berufen kann.
Während die eine Seite verlangte, dass stets zuerst die unternehmens- bzw. institutionsinternen Meldewege (z.B. Ombudspersonen oder spezielle Compliance Abteilungen) gänzlich und erfolglos ausgeschöpft werden müssten, bevor ein Herantreten an Behördenstellen und erst in letzter Instanz an die Öffentlichkeit (und insb. Presse) gerechtfertigt sei, verlangte die andere Seite den Verzicht auf solche als starr angesehenen Meldeprozesse und das Recht auf sofortiges Herantreten an unternehmensexterne Stellen, sofern die Sachlage und der Schutz des Whistleblowers dies gebiete.
Im Wesentlichen konnte sich, auch nach erheblichem öffentlichen Druck, die letztgenannte Seite durchsetzen.

Die Richtlinie sieht nun in ihrer finalen Fassung vor, dass sich ein (angehender) Whistleblower zwar zunächst bei den unternehmens- bzw. organisationsinternen Meldestellen melden soll. Ergibt sich jedoch ersichtlich aus den Umständen, dass ihm in diesem Falle negative Konsequenzen drohen oder dass die Beschreitung dieses Meldeweges zwecklos wäre, dann kann der Whistleblower auch sofort die zuständigen Behörden informieren und – in besonders schweren Fällen – an die Öffentlichkeit treten.
 

Was ändert sich?

Unabhängig von den einzelnen inhaltlichen Bestimmungen der Whistleblower Richtlinie liegt ihre größte Bedeutung zunächst darin begründet, dass mit der Umsetzung in den einzelnen Mitgliedsstaaten – jedenfalls jenen, die bis Ablauf der Umsetzungsfrist noch Mitgliedsstaaten sind  – für EU-weit einheitliche oder zumindest vergleichbare Bedingungen für Whistleblower gesorgt wird.
Dies dürfte bestenfalls letztlich auch verhindern, dass es zu einem Enthüllungstourismus kommt, da die Schutzmaßnahmen für Whistleblower somit flächendeckend vereinheitlicht werden.

Beachtenswert ist unter den insgesamt 23 Artikeln insbesondere der Art. 2 der Whistleblower Richtlinie, welcher den persönlichen Anwendungsbereich der durch die Richtlinie gewährten Schutzmaßnahmen regelt. Hier wird klar geregelt, dass nur solche Whistleblower geschützt sind, welche die zu enthüllenden Informationen im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit erlangt haben. Dies dürfte einer bei Beginn des Gesetzgebungsverfahrens von der Wirtschaftsseite geäußerten Angst entgegenwirken, dass unternehmensfremde Personen (z.B. Konkurrenten) sich unter dem Deckmantel des Whistleblower Schutzes Zugang zu Informationen über Unternehmen verschaffen und diese dann geschäfts- und rufschädigend veröffentlichen könnten.
 

Ausblick:

Der nunmehr im Rahmen der Trilog-Verhandlungen von EU-Parlament, Rat und Kommission angenommene Vorschlag der Whistleblower-Richtlinie muss nun noch formell von den Mitgliedsstaaten angenommen werden und wird von selbigen dann bis zum 15. Mai 2021 in nationales Recht umgesetzt werden. Beziehungsweise „sollte“ bis zu diesem Zeitpunkt umgesetzt werden. Denn die Erfahrungen mit den Bemühungen des deutschen Gesetzgebers zur Umsetzung  von EU-Richtlinien waren zuletzt eher ernüchternd. Die eingangs angesprochene EU-Richtlinie zum Geheimnisschutz („EU-Know-How-Richtlinie“) hätte der deutsche Gesetzgeber bereits im Sommer 2018 umsetzen müssen, doch auch gegenwärtig befindet sich dieses noch im Entwurfsstadium eines „Geschäftsgeheimnisgesetzes“. Nicht zuletzt, weil gerade der Punkt der von einigen Abgeordneten behaupteten Einschränkung des Whistleblower Schutzes im Rahmen der deutschen Umsetzung zur Blockade weiterer Verhandlungen geführt hat.Es bleibt abzuwarten, wie sich die Bestimmungen der Whistleblower Richtlinie in die deutsche Gesetzeslandschaft einfügen werden, ob die nunmehr erlangte Einigung zum Whistleblower Schutz den Verhandlungen über das neue Geschäftsgeheimnisgesetz frischen Aufwind verschafft und wie sich beide Gesetze – Geheimnisoffenbarung und Geheimnisschutz – zukünftig zueinander verhalten werden.

Den offiziellen Text des Richtlinienvorschlags finden Sie hier. Weiterführende Informationen und Materialien zum Geschäftsgeheimnisgesetz finden Sie überdies hier.

 

 

Daniel Lehmann
Rechtsanwalt
Associate
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Köln
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daniel.lehmann@luther-lawfirm.com