29.09.2023
Der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China (NPCSC) hat am 1. September 2023 Änderungen des Zivilprozessrechts beschlossen, welche am 1. Januar 2024 in Kraft treten werden. Die Änderungen betreffen insbesondere die Sonderbestimmungen für Zivilverfahren mit Auslandsbezug und sollen diese effizienter gestalten.
Nachfolgend werden die wichtigsten Änderungen in Kürze aufgeführt (zum Original-Gesetzestext hier).
Nach Art. 276 n.F. des Zivilprozessgesetzes der VR China (ZPG n.F.) kann bei zivilrechtlichen Klagen gegen einen Beklagten ohne Wohnsitz im Hoheitsgebiet der VR China das Volksgericht folgender Orte zuständig sein, sofern dieser Ort in der Volksrepublik China liegt:
Ein Volksgericht kann darüber hinaus auch dann für einen zivilrechtlichen Streit mit Auslandsbezug zuständig sein, wenn dieser eine sonstige geeignete Verbindung zu der VR China aufweist, was eine neue Auffangregelung für jegliche geeignete Zuständigkeitsbegründung darstellen soll.
Von diesen Zuständigkeiten ausdrücklich ausgenommen sind nunmehr Klagen, die höchstpersönliche Rechtsgeschäfte (Personenstand) betreffen.
Gemäß den Artikeln 277 ZPG n.F. und Art. 278 ZPG n.F. der Prozessordnung können die Parteien zudem die Zuständigkeit eines Volksgerichts in einem Streitfall mit Auslandsbezug schriftlich vereinbaren. Ein Volksgericht gilt dabei auch als zuständig, wenn die betreffende Partei die (Un-)Zuständigkeit nicht gerügt und sich mit Klageerwiderung oder Widerklage auf den Rechtsstreit eingelassen hat.
Art. 279 ZPG n.F. der Prozessordnung erweitert den bisher geltenden Art. 273 ZPG ferner um zwei ausschließliche Gerichtsstände. Nach Artikel 273 ZPG sind die Volksgerichte bereits ausschließlich für Klagen über chinesisch-ausländische Joint Ventures zuständig. Hinzu kommen nun:
Zu beachten ist, dass in diesen Fällen auch Schiedsvereinbarungen ausgeschlossen sind und die Volksgerichte die alleinige Zuständigkeit haben.
Zwei neue Vorschriften über parallele Rechtsstreitigkeiten (parallel proceedings, Art. 280 und 282 ZPG n.F.) sehen vor, dass ein chinesisches Gericht unter bestimmten Umständen auch dann für einen Fall zuständig sein kann, wenn derselbe Rechtsstreit zuerst vor einem ausländischen Gericht eingereicht wurde. Voraussetzung hierfür ist, dass die Zuständigkeit des Volksgerichts nach dem ZPG n.F. gegeben ist.
Dies war bereits nach der Auslegung des Obersten Volksgerichts der Fall, hat nun aber eine gesetzliche Grundlage im ZPG erhalten. Die Möglichkeit einer Einleitung von parallel proceedings mag dabei je nach Fallkonstellation durchaus strategisch relevant sein.
Mit Art. 283 ZPG n.F. soll die Zustellung an ausländische Beklagte u.a. durch folgende neue Zustellungsmöglichkeiten erleichtert und verkürzt werden:
Gemäß Art. 284 n. F. der Zivilprozessordnung kann ein Volksgericht auf Antrag einer Partei mit Beweismitteln, die sich außerhalb des Hoheitsgebiets der VR China befinden, in einem anderen Land Beweise erheben. Voraussetzung hierfür ist, dass das Land, in dem sich das Beweismittel befindet, und die VR China einen internationalen Vertrag über die Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen geschlossen haben bzw. einem solchen beigetreten sind. Eine Beweiserhebung im Ausland kann zudem auf diplomatischem Weg stattfinden.
Zwischen Deutschland und China richtet sich dies nach dem Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18. März 1970.
Gemäß den Artikeln 297 und 304 ZPG n.F. kann der Kläger für die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches nun zwischen einem Volksgericht und einem ausländischen Gericht frei wählen. Dies gilt sowohl für den Fall des in der VR China ergangenen Schiedsspruchs gegen einen Beklagten, der bzw. dessen Vermögen sich nicht im Hoheitsgebiet befindet, als auch für den Fall, dass der Schiedsspruch außerhalb des Hoheitsgebietes ergangen ist, aber sich der Beklagte oder dessen Vermögen innerhalb der VR China befindet. Zuvor musste sich der Kläger im ersten Fall an das ausländische Gericht, im zweiten an das chinesische wenden.
Die Artikel 300 ff. ZPG n.F. regeln die Anerkennung und Vollstreckung von ausländischen Gerichtsurteilen. Diese Regelungen sind in Bezug auf Deutschland jedoch wenig relevant, da deutsche Gerichtsurteile nach aktuellem Stand in der VR China mangels Gegenseitigkeit ohnehin nicht vollstreckbar sind.
Es lohnt sich die Änderungen der Rechtsdurchsetzung vor staatlichen Gerichten in der V.R. China im Blick zu behalten, da diese in vielen Fällen, in denen keine Schiedsabrede besteht, das einzig zweckmäßige Mittel zur Rechtsdurchsetzung bleiben.
Unser Complex Disputes Team verfügt neben der fachlichen Expertise über langjährige Erfahrung in komplexen Streitigkeiten, speziell im grenzüberschreitenden Kontext. Dabei verfügen wir über besondere Expertise in deutsch-chinesischen Streitigkeiten und arbeiten hier eng mit unseren chinesischen Partnerkanzleien vor Ort zusammen. Mit unserem speziellen Asienfokus und unseren zahlreichen Büros in Südostasien können wir auch bei Rechtsstreitigkeiten mit südostasiatischen Parteien beraten.
Katharina Klenk-Wernitzki, Dipl. Reg.-Wiss
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