08.05.2019
06.05.2019
Manchmal scheint es so, als sei die steuerliche Organschaft Lieblingsspielplatz des BMF, wenn es darum geht, die GmbH-Vertragskonzernierung in der Schwebe und alle Beteiligten ein wenig ratlos zu halten. Mit einem Rundschreiben (aus April 2019) gibt die oberste Finanzverwaltung nun vor, wie Gewinnabführungsverträge mit Blick auf die Verlustübernahme künftig zu formulieren sind, wenn die ertragsteuerliche Organschaft anerkennungsfähig sein (und in Altfällen auch bleiben) soll.
Das BMF-Schreiben muss Sie interessieren, wenn Sie an einem GmbH-Vertragskonzern beteiligt sind, auch und gerade, wenn der Gewinnabführungsvertrag schon älter ist. Es braucht Sie nicht zu interessieren, wenn der Vertag so alt (oder gestaltet) ist, dass er spätestens zum 31. Dezember 2019 ausläuft. Oder wenn Sie von Gewinnabführung und Verlustübernahme noch nie etwas gehört haben.
Beteiligte an Gewinnabführungsverträgen genossen bislang Vertrauensschutz hinsichtlich der richtigen Gestaltung solcher Verträge. Zwar verlangt das Gesetz nach § 17 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 KStG bereits seit 2013 die ausdrückliche Einbeziehung des § 302 Abs. 2 AktG in Gewinnabführungsverträge des GmbH-Konzerns und bezweckt damit die steuerliche Gleichbehandlung der GmbH mit der Aktiengesellschaft. Bei Altverträgen sah die Finanzverwaltung jedoch bislang über die Anpassungspflicht an die gesetzliche Vorgabe hinweg, weil ihnen das BMF-Schreiben vom 16.12.2005, BStBl. I 2006, 12 einen gewissen Bestandsschutz gewährte. Die darin verordnete jahrelange Nichtbeanstandungspraxis, wonach Gewinnabführungsverträge, die vor dem 1.1.2006 geschlossen wurden, bislang auch ohne den Verweis auf die Verlustübernahmeregelung des § 302 Abs. 2 AktG anerkannt wurden, hat nun ein jähes Ende.
Das neue BMF-Schreiben beseitigt den genannten Vertrauensschutz weitestgehend für die Zukunft. Dass der Verweis auf § 302 Abs. 2 AktG in der Vergangenheit nicht bestand, wird nur dann nicht zum Fallstrick der ertragsteuerlichen Organschaft, wenn die Altverträge bis zum 31. Dezember 2019 um diese Verweisung ergänzt werden. Dabei ist wörtlich auf die „jeweils geltende Fassung des § 302 AktG“ zu verweisen (sog. dynamischer Verweis). Die Ergänzung löst die Mindestlaufzeit von 5 Jahren als Voraussetzung für die Organschaft nicht von Neuem aus, da sie nicht als „Neuabschluss“ behandelt wird.
Anstoß für diese Neuerung gab ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH), in welchem der BFH den BMF-Schreiben eine Bindungswirkung für das Gericht (und damit jegliche Schutzwirkung für den Betroffenen) absprach und entgegen der Verwaltungspraxis entschied, dass die ertragsteuerliche Organschaft nur dann gem. § 17 Satz 2 Nummer 2 KStG bestehe, wenn der Gewinnabführungsvertrag ausdrücklich auch auf § 302 Absatz 4 AktG verweise. Dieser war im Zuge des Schuldrechtsmodernisierungsanpassungsgesetzes Ende 2004 eingefügt worden und enthält eine besondere Verjährungsregelung für die Ansprüche aus § 302 AktG insgesamt.
Dass Finanzverwaltung und Finanzrechtsprechung auch schon mal gegenläufig entscheiden, ist nicht neu. Das BMF gab sich (und den betroffenen Unternehmen) zwei Jahre Zeit, um auf das Urteil des BFH vom 10. Mai 2017 - I R 93/15 – zu reagieren. Nun ist jedoch klargestellt, dass auch außerhalb finanzgerichtlicher Verfahren die Anpassungspflicht greift. Die Frist bis Jahresende ist dabei eng bemessen, wenn man berücksichtigt, welchen Aufwand die Änderung eines abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrages im GmbH-Konzern mit sich bringen kann. Je nach konkreter Konzernstruktur können Gremienvorbehalte zu erheblichen Verzögerungen führen. Das Risiko, dass ohne rechtzeitige Anpassung die ertragsteuerliche Organschaft auch rückwirkend entfiele, ist für langjährig gelebte Organschaften besonders pikant, weil die beteiligten Gesellschaften plötzlich auf Jahre rückwirkend isoliert veranlagt werden könnten.
Es ist höchste Zeit, die Formulierung bestehender Gewinnabführungsverträge mit Blick auf die Regelungen zur Verlustübernahme genau zu prüfen. Sofern Anpassungsbedarf festgestellt wird, ist zügiges Handeln unter professioneller Begleitung geboten. Denn den Preis, die Anerkennungsfähigkeit der Organschaft auch für die Vergangenheit zu verlieren, können und sollten sich auch gut aufgestellte GmbH-Konzerne nicht leisten.
Susanne Abraham |