20.09.2018
20.09.2018
Viel abgeben, wenig bekommen – dieses Gefühl haben neben vielen Arbeitnehmern auch Geschäftsführer, wenn sie an die Sozialversicherung und deren Pflichtbeiträge denken. Und auch für das Unternehmen ist die Frage nach der Sozialversicherungspflicht von hoher wirtschaftlicher Bedeutung. Durch entsprechende gesellschaftsrechtliche Gestaltung kann die Antwort auf diese Frage beeinflusst werden – im Sinne des Geschäftsführers und im Sinne des Unternehmens.
Das Thema betrifft vom jungen Start-Up bis zum erfahrenen Hidden-Champion jedes Unternehmen und dessen an der GmbH beteiligte Geschäftsführung: Unterliegt der Geschäftsführer der Sozialversicherungspflicht?
Dem Geschäftsführer geht es regelmäßig um geringere Beiträge oder erweiterte Leistungsumfänge, die ihn bei privaten Versicherungen potentiell erwarten. Für das Unternehmen hingegen kann ein Irrtum über die Sozialversicherungspflicht schlimmstenfalls existenzgefährdend werden: So muss das Unternehmen Beiträge einschließlich hoher Säumniszuschläge für bis zu fünf Jahre – im Falle des vorsätzlichen und daher strafbaren Nichtabführens sogar für die letzten 30 Jahre – nachzahlen und kann beim Geschäftsführer nur sehr eingeschränkt Ersatz verlangen.
Die Frage nach der Sozialversicherungspflicht wird danach entschieden, ob eine Tätigkeit nach Weisungen oder weisungsfrei ausgeübt wird. Während der Vorstand einer Aktiengesellschaft keinen Weisungen unterliegt und seine Tätigkeit daher sozialversicherungsfrei ist, muss der Geschäftsführer einer GmbH Weisungen der Gesellschafterversammlungen befolgen, weshalb seine Tätigkeit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtig ist. Dies gilt stets für den Fremdgeschäftsführer. Bei dem Gesellschaftergeschäftsführer wird vom Grundsatz der Sozialversicherungspflicht abgewichen, wenn das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer satzungsmäßig, das heißt im Gesellschaftsvertrag der GmbH, ausgeschlossen ist.
Hält ein Geschäftsführer die Hälfte des Stammkapitals, so können grundsätzlich keine Gesellschafterbeschlüsse gegen seinen Willen gefasst werden. Dadurch kann er Weisungen gegen seine Geschäftsführung verhindern und ist von der Sozialversicherungspflicht befreit.
Dies ändert sich, wenn der Geschäftsführer z. B. im Wege der vorweggenommenen Erbfolge Geschäftsanteile an seine Angehörigen überträgt und anschließend eine Stimmenmehrheit in der Gesellschafterversammlung gegen sich hat. Bei der beabsichtigten Übertragung von Geschäftsanteilen sollten daher stets die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen geprüft und berücksichtigt werden.
Ist ein Geschäftsführer mit weniger als 50 % am Stammkapital beteiligt, so müssen für ihn regelmäßig Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden. Dies lässt sich vermeiden, in dem die Weisungsgebundenheit in der Satzung ausgeschlossen wird.
Ein Weg hierfür ist, dem Geschäftsführer eine umfassende Sperrminorität einzuräumen. Dadurch können sämtliche Beschlüsse, die sich auf Angelegenheiten der Gesellschaft beziehen, nicht mehr gegen die Stimmen des Gesellschaftergeschäftsführers gefasst werden. Dies führt allerdings dazu, dass jeder Gesellschafter, der die erforderliche Stimmenanzahl besitzt, Entscheidungen der Gesellschafterversammlungen blockieren kann. Um das Risiko einer Handlungsunfähigkeit zu vermeiden, kann ein Vetorecht stattdessen ausdrücklich zugunsten der Person des Gesellschaftergeschäftsführers in die Satzung geschrieben werden.
In der Vergangenheit nahmen Landessozialgerichte noch weitere Ausnahmen vom Grundsatz der Sozialversicherungspflicht an: So wurden Stimmbindungsvereinbarungen außerhalb der Satzung, wonach Gesellschafter ihre Stimmen in der Gesellschafterversammlung nur einheitlich mit dem Gesellschaftergeschäftsführer ausüben durften, als ausreichend erachtet. Ebenso sollte der Geschäftsführer, der aufgrund familiärer oder wirtschaftlicher Verbundenheit oder aufgrund besonderer Kenntnisse und Fertigkeiten frei schalten und walten kann, als nicht weisungsgebunden gelten. In jüngsten Urteilen vertritt das Bundessozialgericht jedoch die Auffassung, dass die genannten Maßnahmen sozialversicherungsrechtlich wirkungslos sind, weil sie nicht in der Satzung festgehalten wurden. Auf betroffene Unternehmen könnten daher künftig erhebliche Nachforderungen seitens der Sozialversicherungsträger zu kommen.
Die rechtlichen Verhältnisse der an einer GmbH beteiligten Geschäftsführung sollten regelmäßig sachkundig überprüft werden. Spätestens im Falle einer Änderung der Rechtsprechung – wie jüngst erfolgt – ist eine Prüfung dringend geboten. Denn bisherige vertragliche Gestaltungen zur Erlangung der Sozialversicherungsfreiheit können sich nun als wirkungslos und damit folgenschwer für Unternehmen und für die Geschäftsführer erweisen.
Christian Brauns |