14.04.2021

Bekanntmachung zur Bekämpfung geheimer Absprachen in Vergabeverfahren

Hintergrund

Eigentlich kann man es nicht oft genug sagen: Ja, geheime Absprachen sind ein wiederkehrendes Phänomen auf den Märkten für öffentliche Auftragsvergaben. Und die EU-Kommission nennt es jetzt auch offiziell beim Namen: Dies gilt insbesondere in so wichtigen Wirtschaftssektoren wie Bauwesen, IT oder Gesundheit. Manifestiert hat das die EU-Kommission in ihrer Bekanntmachung vom 18. März 2021 über Instrumente zur Bekämpfung geheimer Absprachen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und über Leitlinien für die Anwendung des entsprechenden Ausschlussgrundes (2021/C 91/01).

Hervorgehoben wird zu Recht: Die Aufdeckung und Bewältigung von geheimen Absprachen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge stellt öffentliche Auftraggeber vor besondere Herausforderungen. Denn rechtswidrige Absprachen zwischen Wirtschaftsteilnehmern zur Kollusion sind per definitionem geheim und werden in den meisten Fällen sehr sorgfältig nach einem ausgeklügelten System durchgeführt. Es gibt Anzeichen dafür, dass Kollusion in vielen (wenn nicht sogar in den meisten) Fällen während des Vergabeverfahrens unentdeckt bleibt und in der Regel erst lange nach der vollständigen Erfüllung des Vertrags von den zuständigen Behörden aufgedeckt und verfolgt wird (wenn überhaupt). Langfristige Absprachesysteme können in einigen Wirtschaftszweigen sogar Bestandteil der üblichen Geschäftspraxis werden, da die Wirtschaftsteilnehmer versucht oder geneigt sind, sich solchen Systemen anzuschließen, um entweder überhaupt einen Zugang zum Markt zu erhalten oder um ihren Marktanteil zu „gewährleisten“.

Die EU-Kommission ergänzt damit eine ebenfalls informative Hilfestellung, die das Bundeskartellamt bereits im Jahr 2015 herausgebracht hat: „Wie erkennt man unzulässige Submissionsabsprachen?“ (abrufbar auf der Homepage: www.bundeskartellamt.de). Sind entsprechende Verhaltensweisen nachgewiesen, drohen nicht nur kartellrechtliche Bußgelder wegen eines Verstoßes gegen § 1 GWB bzw. Art. 101 AEUV oder strafrechtliche Folgen nach § 263 StGB wegen (Submissions)Betrug. Für öffentliche Ausschreibungen kommt zudem ein Ausschluss der betreffenden Unternehmen nach § 123 Abs. 1 Nr. 4 GWB (Verurteilungen wegen Betrugs), § 124 Abs. 1 Nr. 3 GWB (schwere Verfehlungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit) und/oder § 124 Abs. 1 Nr. 4 GWB (Vereinbarungen oder Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken) in Betracht.

Praktische Bedeutung

Freilich war bislang das Problem die Aufdeckung von Kartellen und – bei Aufdeckung – der Umgang damit. Was soll in einem Vergabeverfahren dann konkret geschehen? Hierzu erteilt die EU-Kommission wertvolle Hinweise in ihrer Bekanntmachung. So stellt die EU-Kommission den Umfang des Ausschlussgrundes im Zusammenhang mit wettbewerbsverzerrenden Absprachen dar und definiert den Ermessensspielraum und die Grenzen des Beurteilungsspielraums für den öffentlichen Auftraggeber. Der in der Praxis schwer zu fassende Begriff der „hinreichend plausible Anhaltspunkte“ wird dadurch griffiger. Weitere Themen werden angegangen, wie z.B. die gemeinsame Beteiligung verbundener Unternehmen in einem Vergabeverfahren (als Konkurrenten…!) oder spezielle Unterauftragnehmerkonstellationen. Besonders hervorzuheben sind schließlich die Mittel und Tipps zur wirksamen Bekämpfung geheimer Absprachen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, die in einem eigenen Anhang plausibel dargestellt werden.

Fazit

Die neue EU-Bekanntmachung zur Kartellbekämpfung in Vergabeverfahren gehört zur Pflichtlektüre für jeden Beschaffer und ist gewichtiger Teil einer jeden Vergabe-Compliance. Wir empfehlen eine eingehende Auseinandersetzung und Schulungsmaßnahmen für Einkauf und beschaffungsaffine Fachabteilungen.

Das Dokument ist abrufbar unter:

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DEU/TXT/HTML/?uri=celex:52021XC0318(01)#ntr16-C_2021091DE.01000101-E0016

Autor/in
Dr. Stefan Mager

Dr. Stefan Mager
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