20.11.2020
Am 5. November 2020 hat der Bundestag das Gesetz zur Beschleunigung von Investitionen im Verkehrsbereich verabschiedet (Investitionsbeschleunigungsgesetz, BT-Drs. 19/22139). Durch die Vereinfachung von Raumordnungsrecht sowie der Genehmigung der Elektrifizierung von Schienenstrecken sollen Planungsverfahren beschleunigt werden. Auch Gerichtsverfahren sollen zügiger durchgeführt werden können. Für große Windkraftanlagen entfällt zukünftig die aufschiebende Wirkung von Drittwidersprüchen und -klagen.
Das Investitionsbeschleunigungsgesetz ist das mittlerweile vierte Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren von Infrastrukturprojekten. Das erste Gesetz zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich aus dem Jahr 2018 (BGBl. I 2018, 2237) sollte Gerichtsverfahren beschleunigen und die Effizienz von Verfahren steigern. Zwei weitere Gesetze traten im Frühjahr 2020 in Kraft: Das Maßnahmengesetzvorbereitungsgesetz (BGBl. I 2020, 640) ermöglichte dem Bundestag die Genehmigung von wichtigen Verkehrsprojekten durch sog. Maßnahmengesetze. Die erhöhte demokratische Legitimation sollte die Akzeptanz für Projekte im Bereich Schienen und Wasserstraßen steigern und gleichzeitig die Planung und Vorbereitung der Projekte mit weniger Zeitaufwand belasten. Das Gesetz zur weiteren Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich (BGBl. I 2020, 433) sollte bestimmte Ersatzneubauten von der Genehmigungspflicht freistellen, die keine wesentlichen Änderungen verursachen. Zudem sollte es die Kommunen bei Maßnahmen im Zusammenhang mit Bahnübergängen durch die Übernahme der Kosten durch Bund und Länder entlasten und dadurch Investitionen in die Infrastruktur und das Schienennetz beschleunigen. An diese Gesetze schließt das Investitionsbeschleunigungsgesetz an.
Artikel 1 des Investitionsbeschleunigungsgesetzes sieht eine Änderung der VwGO vor, die über Infrastrukturvorhaben hinaus wirkt. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren wird verkürzt, indem der Instanzenzug für bestimmte Verfahren reduziert wird. Die Eingangszuständigkeit für bestimmte Streitigkeiten liegt statt bei den Verwaltungsgerichten bei den Oberverwaltungsgerichten bzw. den Verwaltungsgerichtshöfen. Die Berufungsinstanz als zweite Tatsacheninstanz entfällt. Zudem sieht das Gesetz den Wegfall der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten gegen die Zulassung von Windenergieanlagen an Land mit einer Höhe von mehr als 50 Metern sowie weiterer Vorhaben bezüglich Bundesverkehrswegen und Mobilfunknetzen vor. Dadurch soll eine Verfahrensbeschleunigung eintreten, durch die die Ausbauziele für die Windkraft an Land erreicht werden sollen.
Artikel 2 und 4 des Gesetzes sehen die Freistellung von Maßnahmen zur Elektrifizierung von Schienenstrecken sowie weiterer kleinerer Baumaßnahmen von der Genehmigungspflicht im Allgemeinen Eisenbahngesetz vor. Dadurch sollen diese Projekte deutlich schneller realisiert werden können. Solche kleineren Baumaßnahmen umfassen etwa die Ausstattung der Strecke mit Signal- und Sicherungstechnik, die Errichtung von Schallschutzwänden oder die Verlängerung von Bahnsteigen. Die Freistellung gilt aber nur, wenn keine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung besteht. Durch die Freistellung vom Genehmigungsverfahren entfällt die Kommunikation mit der Behörde und das Zusammenstellen der Genehmigungsunterlagen. Dadurch kann eine Zeit- und Kostenersparnis eintreten.
Artikel 5 des Gesetzes gestaltet das Raumordnungsverfahren als Kann-Regelung aus, zudem soll es verschlankt und besser mit dem Planfeststellungsverfahren verzahnt werden. Zukünftig soll in der Regel das Raumordnungsverfahren nur noch auf Antrag des Vorhabenträgers der raumbedeutsamen Maßnahme durchgeführt werden, wenn dieser ein Verfahren für sinnvoll erachtet. Außerdem soll die Raumordnungsbehörde nach abgeschlossenem Verfahren der Zulassungsbehörde die Verfahrensunterlagen in elektronischer Form übermitteln. Die Zulassungsbehörde soll ihr Verfahren auf Belange beschränken, die nicht bereits im Raumordnungsverfahren in der erforderlichen Tiefe geprüft wurden. Zudem soll das Raumordnungsverfahren – sachgebietsübergreifend – optimiert werden, etwa durch eine stärkere Digitalisierung durch Nutzung elektronischer Unterlagen und Veröffentlichung im Internet. Auch dadurch kann eine Zeit- und Kostenersparnis eintreten, insbesondere da das Raumordnungsverfahren eine Öffentlichkeitsbeteiligung und eine Umweltverträglichkeitsprüfung erfordert.
Die Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren ist grundsätzlich zu begrüßen. Ob dieses mittlerweile vierte Gesetz allerdings eine ausreichende Beschleunigungswirkung für den Ausbau von Straße- und Schienennetzen hat oder ob, wie in der Bundestagsdebatte angeklungen, ein fünftes Gesetz erforderlich ist, bleibt abzuwarten. Zu begrüßen ist der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen den Bau von Windrädern: Dadurch kann der ins Stocken geratene Ausbau erneuerbare Energien, der zuletzt oft am Widerstand von Anwohnern scheiterte, vorangebracht werden. Der Baubeginn erfolgt dann allerdings bei laufenden Rechtsbehelfsverfahren auf eigenes Risiko des Vorhabenträgers.
Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)
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