29.11.2021
Im vorherigen Beitrag wurden die Schritte der Betriebsratswahl bis zum Erlass (= Aushang) des Wahlausschreibens beschrieben. In diesem Beitrag erläutern wir, was Arbeitgeber außerdem beachten sollten. Mit dem Erlass des Wahlausschreibens ist die Betriebsratswahl nach den Regeln der Wahlordnung offiziell eingeleitet. Viele Schritte folgen. Die folgenden Erläuterungen gelten – wie auch die Beschreibung im vorherigen Beitrag – für größere Betriebe mit in der Regel mehr als 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern.
Mit dem Erlass des Wahlausschreibens öffnet sich ein Zeitfenster von zwei Wochen, in dem Arbeitnehmer und im Betrieb vertretene Gewerkschaften Vorschläge für Betriebsratskandidaten einreichen können. Solche Vorschlagslisten sollen – müssen aber nicht – doppelt so viele Bewerber enthalten wie der Betriebsrat später Mitglieder haben wird. Wichtig ist, dass jede Vorschlagsliste von mindestens 1/20 der wahlberechtigten Arbeitnehmer des Betriebs durch Unterschrift unterstützt werden muss. In jedem Fall genügen 50 Unterschriften – also in Betrieben mit mindestens 1.000 Wahlberechtigten.
Der Wahlvorstand hat alle eingereichten Vorschlagslisten zu prüfen. Sind sie nicht zu beanstanden, so macht er sie im Betrieb bekannt. Dabei hat er sich neutral zu verhalten, er darf keine Liste bevorzugen.
Gemeinsam mit dem Wahlausschreiben hatte der Wahlvorstand die Wählerliste bekannt zu machen. Diese ist für die Wahl immens wichtig: Auf einer Vorschlagsliste für ein Betriebsratsamt kandidieren kann nur, wer auf der Liste steht. Gleiches gilt für das aktive Wahlrecht: Seine Stimme am Wahltag abgeben kann und darf nur, wer zu diesem Zeitpunkt auf der Liste steht.
Daher sollten die Arbeitnehmer wie auch der Arbeitgeber die Richtigkeit der Wählerliste prüfen. Für die Arbeitnehmer tickt auch hier die Uhr. Sie können Einsprüche gegen die Richtigkeit nur binnen zweier Wochen ab Erlass des Wahlausschreibens beim Wahlvorstand einreichen. Später – bis zum Abschluss der Stimmabgabe – darf der Wahlvorstand das Wahlausschreiben nur im Falle rechtzeitig eingereichter Einsprüche, bei Ein- und Austritten von Arbeitnehmern oder bei offensichtlichen Fehlern korrigieren. Der Arbeitgeber und Gewerkschaften können keinen Einspruch einlegen.
Auch eine etwaige Wahlanfechtung wegen Fehlern der Wählerliste ist neuerdings eingeschränkt: Arbeitnehmer können die Wahl aus diesem Grund nur anfechten, wenn zuvor (irgend) ein Arbeitnehmer fristgerecht Einspruch eingelegt hatte oder die Anfechtenden hieran gehindert waren. Für den Arbeitgeber ist die Wahlanfechtung ausgeschlossen, wenn die Unrichtigkeit auf seinen Angaben beruhte.
Wichtig ist für den Arbeitgeber also: Er sollte innerhalb der Zwei-Wochen-Frist die Wählerliste und auch seine Vorarbeiten prüfen. Wenn er in seinen eigenen, dem Wahlvorstand überlassenen Listen Fehler entdeckt und sich die Wahlanfechtung offenhalten will, sollte er den Wahlvorstand so zeitig zur Korrektur auffordern, dass der Wahlvorstand den Fehler innerhalb der Zwei-Wochen-Frist korrigieren kann.
Zur Vorbereitung der eigentlichen Wahl hat der Wahlvorstand Stimmzettel zu erstellen. Sind in der Zwei-Wochen-Frist mehrere gültige Vorschlagslisten eingegangen, so werden die Namen der Listen auf dem Stimmzettel in der Reihenfolge ihrer zuvor zugelosten Ordnungsnummer aufgeführt. Die Wähler haben nur eine Stimme, die sie einer Liste ihrer Wahl geben können (sog. Verhältniswahl).
Wurde nur eine gültige Vorschlagsliste fristgemäß eingereicht, so findet eine sog. Mehrheitswahl statt: Alle Kandidaten der Liste werden einzeln und namentlich auf dem Stimmzettel zur Wahl gestellt. Jeder Wähler kann so viele Stimmen beliebig vergeben wie Mitglieder des Betriebsrats zu wählen sind. In manchen Betrieben werden gezielt alle Bewerber auf eine Liste geschrieben, um eine Mehrheitswahl zu erreichen. Diese soll angeblich die demokratische Anmutung der Wahl stärken. Davor ist zu warnen: Wenn nur ein verprellter Kandidat genug Unterstützer findet und in letzter Sekunde einen eigenen Vorschlag einreicht, ist das ganze gut gemeinte Vorhaben gescheitert. Diese Fälle kommen regelmäßig vor.
Wurde hingegen keine einzige gültige Vorschlagsliste fristgemäß eingereicht, so hat der Wahlvorstand zunächst eine Nachfrist von genau einer Woche zu setzen, die er weder verkürzen noch verlängern darf. Wird weiterhin keine Liste eingereicht, so hat der Wahlvorstand die Wahl abzubrechen.
Der Wahlakt selbst ähnelt öffentlichen Wahlen: In dem Wahllokal sind die Wähler anhand einer (aktualisierten) Wählerliste auszuhaken. Es ist sicherzustellen, dass sie ihre Stimme unbemerkt abgeben können. Die gefalteten Stimmzettel sind in eine nicht zu manipulierende Urne einzuwerfen und dort bis zum Ende der Stimmabgabe aufzubewahren. Umschläge für die Stimmzettel wurden übrigens gerade abgeschafft. Der Wähler hat seinen Stimmzettel nun so zu falten, dass seine Stimmabgabe nicht zu erkennen ist. Mögen die Arbeitnehmer geschickter sein als Laschet.
Briefwahl heißt bei der Betriebsratswahl schlicht „schriftliche Stimmabgabe“. Anders als z. B. letztens bei der Bundestagswahl ist eine Briefwahl nicht frei möglich. Nur Wahlberechtigte, die im Zeitpunkt der Wahl wegen Abwesenheit vom Betrieb verhindert sind ihre Stimme persönlich abzugeben, dürfen Briefwahl verlangen. Ist dem Wahlvorstand die Abwesenheit bekannt, dann hat er dem Wahlberechtigten auch ohne ausdrückliches Verlangen die Unterlagen zuzusenden.
Nach Ende der Stimmabgabe werden die Stimmen ausgezählt. Bei einer Mehrheitswahl – also einer eingereichten Vorschlagsliste – ist die Ermittlung der Gewählten jedenfalls im ersten Schritt einfach: Es geht schlicht nach der Stimmenzahl.
Im Falle der Verhältniswahl ist das kompliziertere d’Hondtsche Höchstzahlverfahren anzuwenden. Hier sind die auf jede Liste entfallenden Stimmen fortlaufend durch ganze Zahlen zu teilen, beginnend bei 1 (also durch 1, 2, 3 usw.). Auf die sich daraus ergebenden Quotienten werden – beginnend von dem höchsten – die Sitze verteilt (eingehender z. B. bei Wikipedia).
Komplizierter kann es in beiden Fällen werden, wenn das sich in der Minderheit befindliche Geschlecht nicht den seinem Beschäftigtenanteil entsprechenden Anteil an Betriebsratssitzen erhält: In diesem Fall werden die ermittelten Betriebsratsmitglieder des Mehrheitsgeschlechts beginnend mit demjenigen der geringsten Stimmen- oder Höchstzahl gestrichen und durch den nächsten Bewerber des Minderheitsgeschlechts ersetzt.
Im Extremfall kann dadurch der Bewerber einer Liste durch einen Repräsentanten des Minderheitsgeschlechts auf einer anderen Liste ersetzt werden, was die Mehrheitsverhältnisse im Betriebsrat sogar ändern kann.
Nachdem die Gewählten ermittelt wurden und diese ihre Wahl angenommen haben, ist das Wahlergebnis im Betrieb und gegenüber dem Arbeitgeber und den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften bekannt zu geben. Letzter Akt des Wahlvorstands ist die Einberufung und Leitung der konstituierenden Sitzung des neugewählten Betriebsrats, bis ein Leiter zur Wahl des Vorsitzenden bestimmt wurde.
Die hier beschriebenen Regeln gelten nur für größere Betriebe. In den kleineren gilt die sogenannte „vereinfachte“ Wahl.
Dietmar Heise
Partner
Stuttgart
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