09.12.2021
Hot Topics sind „Mobile Arbeit“ und „Künstliche Intelligenz“ schon länger – jetzt sind die Begrifflichkeiten nicht nur im Unternehmensalltag, sondern auch im Betriebsverfassungsrecht angekommen. Was bedeutet das für den Betriebsablauf und die Arbeit von Betriebsräten?
1. Was ist Künstliche Intelligenz?
KI ist nicht legaldefiniert, sodass Streit über die Frage, ob eine Anwendung von KI vorliegt, vorprogrammiert ist.
Die KI-Strategie der Bundesregierung (www.ki-strategie-deutschland.de) verfolgt die Position der „schwachen“ KI. Danach ist KI die „Lösung konkreter Anwendungsprobleme auf Basis der Methoden aus der Mathematik und Informatik, wobei die entwickelten Systeme zur Selbstoptimierung fähig sind. Dazu werden auch Aspekte menschlicher Intelligenz nachgebildet und formal beschrieben bzw. Systeme zur Simulation und Unterstützung menschlichen Denkens konstruiert.“ Unter „starker“ KI wird darüber hinaus ein System verstanden, dass die gleichen – oder sogar übertreffende – intellektuellen Fertigkeiten wie der Mensch hat.
2. KI-Einsatz
KI wird in Unternehmen zunehmend implementiert, insbesondere im Personalbereich. Als beispielhafte Anwendungsgebiete werden Bewerbungsverfahren/Assessmentcenter, Personal-Leistungsbeurteilungen sowie interne Schulungen mit Überprüfung des Lernerfolgs genannt. Arbeitgeber erhoffen sich so unter anderem zielgenauere Personalentscheidungen und Ressourcennutzung. Außerhalb des Personalbereichs hält KI zudem immer mehr Einzug in unsere Leben, so zum Beispiel bei assistierten Operationen, bei der analytischen Bilderkennung oder beim autonomen Autofahren.
3. Beteiligungsrecht des Betriebsrats
Beim Einsatz von KI haben Betriebsräte fortan unter anderem die Möglichkeit, auf externen Sachverstand zurückzugreifen, um komplexe informationstechnische Zusammenhänge zu verstehen, zu bewerten und mitzugestalten. Neu in § 80 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ist verankert, dass diese Hinzuziehung eines Sachverständigen bei der Einführung oder Anwendung von KI als erforderlich im Sinne des Satzes 1 gilt.
Der Arbeitgeber kann also bei neuen Softwarelösungen, beim Einsatz neuer Maschinen oder auch bei der Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben die Hinzuziehung eines Sachverständigen durch den Betriebsrat künftig nicht mehr mit dem Argument abwenden, dass eine solche nicht erforderlich sei.
Letztlich erhofft sich der Gesetzgeber durch die Schaffung des § 80 Abs. 3 Satz 2 BetrVG, dass die Beschäftigten bei der Einführung und Anwendung von KI-Systemen mehr Vertrauen und Akzeptanz entwickeln, wenn die Betriebsräte mit eingebunden werden.
4. Einfluss der KI auf Arbeitsabläufe und Berücksichtigung bei Auswahlrichtlinien
Flankierend findet KI darüber hinaus nunmehr auch Berücksichtigung in §§ 90 Abs. 1 Nr. 3, 95 BetrVG.
Der Gesetzgeber geht davon aus, dass Beschäftigte durch den Einsatz von KI in ihren Arbeitsverfahren und -abläufen beeinflusst sein könnten. § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG sieht deshalb vor, dass Arbeitgeber den Betriebsrat rechtzeitig über die Planung des Einsatzes von KI unterrichten müssen und zwar für alle Arbeitsbereiche.
Durch die Ergänzung in Abs. 2a des § 95 BetrVG wird klargestellt, dass der Betriebsrat insbesondere bei der Aufstellung von Auswahlrichtlinien für Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen mitentscheiden kann und zwar auch dann, wenn die Auswahlrichtlinien eigenständig durch eine KI-Anwendung erstellt werden (Einsatz sog. Algorithmic-Decision-Making-Systeme (ADM-Systeme)).
Als neues Mitbestimmungsrecht wurde § 87 Abs. 1 Nr. 14 BetrVG geschaffen. Danach hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Ausgestaltung von Mobiler Arbeit, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht wird.
1. Begriff der Mobilen Arbeit
Mobile Arbeit liegt vor, wenn Beschäftigte regelmäßig oder anlassbezogen außerhalb der Betriebsstätte unter Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnik die geschuldete Arbeitsleistung erbringen. Üblicherweise wird in Deutschland darunter eine „Homeoffice“-Tätigkeit verstanden. Unter Mobile Arbeit fällt aber nicht, wenn Beschäftigte die Arbeitsleistung aufgrund der Eigenart ohnehin mobil und nicht ortsgebunden erbringen müssen (z. B. LKW-Fahrer, Monteure, Vertriebsmitarbeiter).
2. Umfang des Mitbestimmungsrechts
Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass sich das Mitbestimmungsrecht einzig auf das „Wie“ bezieht. Der Betriebsrat kann also mitbestimmen bei der Ausgestaltung von Mobiler Arbeit, aber nicht, ob Mobile Arbeit eingeführt wird. Die Einführung von Mobiler Arbeit kann der Betriebsrat also nicht erzwingen. Zum „Wie“ gehören beispielhaft der zeitliche Umfang der Mobilen Arbeit, der Ort der Leistungserbringung, Erreichbarkeitszeiten, Umgang mit gestellten Arbeitsmitteln sowie insbesondere Datenschutz- und Sicherheitsaspekte.
Bei Nr. 14 handelt es sich letztlich um einen Auffangtatbestand, denn Mitbestimmungsrechte im Zusammenhang mit Mobiler Arbeit sind schon in Nr. 2 (Arbeitszeit), Nr. 6 (Einsatz von technischen Einrichtungen) und Nr. 7 (Arbeitsschutz) verankert, die unverändert weiterhin gelten.
Somit ist abzuwarten, inwieweit in der Praxis auf den neuen Mitbestimmungstatbestand zur Schließung von etwaigen Regelungslücken zurückgegriffen wird und inwieweit dieser mehr als ein reiner Auffangtatbestand erachtet werden wird.
Dr. Eva Maria K. Rütz, LL.M.
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Katharina Gorontzi, LL.M.