07.11.2023
(Urteil vom 29.06.2023, IX ZR 56/22)
Der BGH hat sich in einer Grundsatzentscheidung ausführlich mit der Einbeziehung (faktischer) Geschäftsführer als Dritte in den Schutzbereich eines Beratungsvertrages beschäftigt. Gegenstand des zu bescheidenden Falles war der Schadensersatzanspruch zweier Geschäftsführer gegen den vormals ihre Gesellschaft beratenden Rechtsanwalt wegen mangelnder Beratung zu einem möglichem Schadenersatzanspruch nach § 64 GmbHG (alt).
Ende 2009 übernahm der M. von seinem Vater M.sen. die formale Geschäftsführung der M GmbH & Co. KG (nachfolgend: KG). Gleichzeitig blieb M.sen. faktisch als Geschäftsführer der KG aktiv. Ab 2009 war der beklagte Rechtsanwalt wiederholt mit der „Rechtsberatung der KG“ beauftragt (die näheren Einzelheiten und Inhalte wurden nicht mitgeteilt). Drei Jahre später wurde über das Vermögen der KG das Insolvenzverfahren eröffnet. In dessen Rahmen wurden M. als formaler Geschäftsführer und M.sen. als faktischer Geschäftsführer wegen verbotener Zahlungen nach Insolvenzreife in Anspruch genommen. Im Wege eines Vergleichs wurden hierauf auf EUR 85.000 an den Insolvenzverwalter gezahlt. Von dem zu dieser Zeit tätigen Rechtsanwalt (bzw. dessen Haftpflichtversicherung) verlangen die Kläger nunmehr Ersatz dieses Schadens.
Die Revision gegen die abschlägige Entscheidung des OLG hatte Erfolg und führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (OLG Köln). Mit der Entscheidung erweiterte und ergänzte der BGH seine bisherige Rechtsprechung.
Nach dem Urteil vom 26.01.2017 (IX ZR 285/14) kann eine Beraterhaftung wegen Insolvenzverschleppung bereits greifen, wenn der Berater auch (nur) mit der Erstellung eines Jahresabschlusses für eine GmbH beauftragt war.
Mit seinem neuen Urteil stellt der BGH darüber hinaus die grundsätzliche Schutzwirkung von Beratungsverträgen für Dritte ausdrücklich fest. Zwar habe der Beratungsvertrag lediglich mit der Gesellschaft bestanden, jedoch sei die persönliche Einbeziehung der Geschäftsführer der Gesellschaft in den Schutzbereich des Beratungsvertrages nach den Grundätzen des Rechtsinstituts des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter geboten.
Auch faktische Geschäftsführer können demnach dem Drittschutz unterfallen, da sie die gleichen (Insolvenzantrags-)Pflichten treffen, wie formale Geschäftsführer. Der Drittschutz für Geschäftsführer bestimmt sich im Einzelfall nach dem Näheverhältnis der Hinweis- und Warnpflichten zu der vertraglich geschuldeten Hauptleistung.
Das Urteil des BGH stellt eine weitere Ausweitung der Beraterhaftung dar – Geschäftsführer und leitende Mitglieder der Überwachungsorgane sind nun auf ihre Pflichten bei einem möglichen Insolvenzgrund hinzuweisen, sobald entsprechende Anhaltspunkte bekannt sind, offenkundig vorliegen oder sich dem Beratenden aufdrängen, und wenn zudem angenommen werden muss, dass dem Mandanten die mögliche Insolvenzreife nicht bewusst ist.
Mit der gesteigerten Haftungsgefahr geht die Empfehlung einher, während der Gestaltung neuer Beratungsverträge und laufender Beratungen ein besonderes Augenmerk auf mögliche Insolvenzgründe zu richten. Dies dürfte nicht nur für Rechtsanwälte und Steuerberater, sondern in besonderem Maße auch für Unternehmensberater gelten, da diese in der Regel vertiefte Einblicke in das Zahlenwerk des (zukünftigen) Schuldners haben.
Reinhard Willemsen
Partner
München, Köln
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