08.07.2020
Autorinnen: Laura Kues/Ann Cathrin Müller
Mit Beschluss vom 30. Januar 2020 hat der Bundesgerichtshof (BGH) festgestellt, dass bei der Prüfung der Unterscheidungskraft im Eintragungsverfahren einer Marke sämtliche praktisch bedeutsamen und naheliegenden Verwendungsformen des Zeichens miteinbezogen werden müssen. Einzig in Fällen, in denen in der betroffenen Branche lediglich eine einzige Verwendungsart praktisch bedeutsam ist, kann die Prüfung auf diese wahrscheinlichste Verwendung reduziert werden (BGH, Beschluss vom 30. Januar 2020 – I ZB 61/17).
Am 17. November 2015 hat die Klägerin die Wortmarke „#darferdas?“ beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) für Waren der Klasse 25 (Bekleidungsstücke, insbesondere T-Shirts; Schuhwaren; Kopfbedeckungen) angemeldet. Die Markenanmeldung wurde jedoch im Rahmen des Eintragungsverfahrens vom DPMA wegen mangelnder Unterscheidungskraft des Zeichens (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) zurückgewiesen.
Auch die von der Klägerin daraufhin eingereichte Beschwerde beim Bundespatentgericht (BPatG), blieb erfolglos (Beschluss vom 3. Mai 2017 – 27 W (pat) 551/16). Die zuständigen Richter haben sich vielmehr der Auffassung des Amtes angeschlossen und die Markenanmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft abgelehnt. Nach Auffassung des BPatG handele es sich bei der Bezeichnung „#darferdas?“ um eine als Frage formulierte Wortfolge gebräuchlicher Wörter der deutschen Sprache, die durch den Hashtag zur Diskussion auffordern soll. Deshalb nehme der Verkehr diese Frage als Aufdruck auf der Vorder- oder Rückseite von Bekleidungsstücken lediglich als dekoratives Element, nicht aber als Herkunftshinweis wahr.
Mit eingelegter Rechtsbeschwerde verfolgte die Klägerin ihr Eintragungsbegehren vor dem BGH weiter. Nach Ansicht des zuständigen Senats sei nicht auszuschließen, dass die Verwendung des Zeichens „#darferdas?“ als Aufdruck auf der Vorder- oder Rückseite von Kleidungsstücken nur eine von mehreren Verwendungsformen darstelle. Ebenso könne das Zeichen nämlich auf einem Etikett in der Innenseite des Bekleidungsstückes angebracht und somit als Herkunftshinweis wahrgenommen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH genüge es, wenn naheliegende und praktisch bedeutsame Verwendungsmöglichkeiten bestehen, infolge derer das Zeichen vom Verkehr ohne Weiteres als Herkunftshinweis verstanden werde. Die Karlsruher Richter zweifelten jedoch an der Vereinbarkeit dieser Rechtsprechung mit den einschlägigen unionsrechtlichen Regelungen und legten deshalb dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) folgende Frage zur Auslegung vor: „Hat ein Zeichen Unterscheidungskraft, wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, es für die Waren oder Dienstleistungen als Herkunftshinweis zu verwenden, auch wenn es sich dabei nicht um die wahrscheinlichste Form der Verwendung des Zeichens handelt?“ (BGH, Beschluss vom 21. Juni 2018 – I ZB 61/17).
Mit Urteil vom 12. September 2019 bejahte der EuGH die Vorlagefrage im Grundsatz und verwies die Sache zurück nach Karlsruhe. Nach Auffassung der Luxemburger Richter sei die Unterscheidungskraft eines angemeldeten Zeichens unter Berücksichtigung aller relevanten Tatsachen und Umstände, einschließlich sämtlicher wahrscheinlicher Verwendungsarten der angemeldeten Marke zu prüfen. Wahrscheinliche Verwendungsarten seien dabei solche, die in der Branche üblich und praktisch bedeutsam sein können. Ein Markenanmelder müsse jedoch bei Anmeldung der Marke noch nicht genau wissen, wie er das Zeichen künftig benutzen wird. Bei der Prüfung der Unterscheidungskraft solle in diesen Fällen an das angeknüpft werden, was in der entsprechenden Branche üblich ist. Dabei müsse jede in Betracht kommende praktische Verwendungsart daraufhin überprüft werden, ob der Verkehr das Zeichen als Herkunftshinweis auffasst (EuGH, Urteil vom 12. September 2019 – C-541/18).
Unter Beachtung dieser Grundsätze stellte der BGH daraufhin fest, dass die Auffassung des BPatG, dass es der angemeldeten Marke für die betroffene Waren an Unterscheidungskraft fehle, einer rechtlichen Nachprüfung nicht standhalte. Das BPatG sei unzutreffend davon ausgegangen, dass bei Prüfung der Unterscheidungskraft auf die wahrscheinlichste Verwendungsform des angemeldeten Zeichens abzustellen sei. Deshalb habe das BPatG die Zeichenfolge „#darferdas?“ lediglich als sichtbaren Aufdruck auf der Vorder- oder Rückseite von Bekleidungsstücken, Kopfbedeckungen oder Schuhwaren, der Beurteilung zugrunde gelegt. Andere weniger wahrscheinliche und praktisch bedeutungslosere Verwendungsmöglichkeiten, wie z.B. die Verwendung des angemeldeten Zeichens auf Warenetiketten im Inneren des Bekleidungsstücks, haben die Richter des BPatG hingegen außer Acht gelassen.
Die Karlsruher Richter argumentierten, dass der Verkehr ein Zeichen auf einem Bekleidungsstück je nach Art und Platzierung sowohl als Herkunftshinweis aber auch als dekoratives Element wahrnehmen kann und deshalb eine Beurteilung der Unterscheidungskraft anhand der Umstände des Einzelfalls erfolgen müsse. Dafür seien insbesondere die Kennzeichnungsgewohnheiten im maßgeblichen Warensektor relevant. Der BGH weist in seiner Entscheidung ferner darauf hin, dass grundsätzlich solche Verwendungsarten, die in der betreffenden Branche zwar denkbar, aber praktisch bedeutungslos und somit unwahrscheinlich erscheinen, für die Prüfung der Unterscheidungskraft irrelevant seien. Sofern der Markenanmelder jedoch konkrete Anhaltspunkte geliefert hat, die eine unübliche Verwendungsart wahrscheinlich machen, gelte es von diesem Grundsatz abzuweichen, so die Richter. Im Übrigen könne die Prüfung der Unterscheidungskraft nur dann auf die wahrscheinlichste Verwendungsform beschränkt werden, wenn in der betreffenden Branche nur eine Verwendungsart von praktischer Bedeutung ist. Deshalb hob der BGH den Beschluss auf und verwies die Sache zurück an das BPatG. Im wiedereröffneten Beschwerdeverfahren soll das BPatG nun überprüfen, ob der Verkehr das Zeichen „#darferdas?“ unter Berücksichtigung der verschiedenen Verwendungsarten – insbesondere auch auf dem Etikett eines Kleidungsstücks – als Herkunftshinweis auffassen könnte.
Insbesondere im Bereich der Bekleidungsstücke stellt sich immer wieder die Frage, ob Aufdrucke sogenannter „Fun-Sprüche“ markenrechtliche Unterscheidungskraft besitzen. Oftmals geben solche Zeichen keinen Hinweis auf die Herkunft der Ware, sondern sind rein dekorativer Natur. Daneben besteht die – wenn auch ungewöhnlichere – Möglichkeit, den Spruch auf einem Etikett in der Innenseite des Kleidungsstücks anzubringen, auf dem meist Angaben zum Hersteller zu finden sind. Bislang ging der EuGH davon aus, dass die Unterscheidungskraft eines Zeichens abzulehnen ist, sofern die wahrscheinlichste Benutzungsform nicht markenmäßig ist, obgleich in der jeweiligen Branche weitere praktisch bedeutsame markenmäßige Verwendungsarten existieren. Nun hat sich die Auffassung des Gerichtshofs jedoch gewandelt: Mit dem vorliegenden Urteil erkennt der EuGH sämtliche Verwendungsformen der betreffenden Branche als relevant an. Dementsprechend kann auch die Benutzungsmöglichkeit eines „Fun-Spruches“ in der Bekleidungsbranche auf dem Einnähetikett ausreichen, um die Unterscheidungskraft eines Zeichens wie „#darferdas?“ zu bejahen. Es bleibt nun abzuwarten, wie das BPatG die Vorgaben des EuGH und des BGH in die Praxis umsetzen wird.
Laura Katharina Kues