06.10.2021
Dr. Borbála Dux-Wenzel und Katharina Klenk-Wernitzki zum BGH-Urteil über Veränderungsklauseln in Banken-AGB
Mit dem Urteil vom 27. April 2021 hat der Bundesgerichtshof (BGH, XI ZR 26/20) entschieden, dass Klauseln einer Bank in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) unwirksam sind, wenn diese zur Folge haben, dass durch eine einseitige Mitteilung der Bank und bloßes Schweigen des Kunden uneingeschränkt Vertragsbedingungen geändert oder Gebühren erhöht werden können. Eine solche Fiktion weiche von wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes – nämlich dem Abschluss eines Vertrages durch Abgabe zweier übereinstimmender Willenserklärungen – ab und stelle somit eine unangemessene Benachteiligung des Kunden dar.
Auch wenn sich die Entscheidung auf die AGB einer Bank bezog, sind die Gründe der Unwirksamkeit nicht bankenspezifisch – daher lässt sich die Urteilsbegründung auf nahezu alle Branchen übertragen.
Durch das Urteil können insbesondere solche Branchen betroffen sein, in denen Dauerschuldverhältnisse mit entsprechenden AGB-Klauseln üblich sind. Dies dürfte beispielsweise Internetportale und Streamingdienste, aber auch Telekommunikationsdienstleister betreffen.
Das größte unternehmerische Risiko ergibt sich aus der zeitlichen Reichweite der Entscheidung: Indem die entsprechenden Klauseln rückwirkend unwirksam sind, ist anzunehmen, dass alle Verwender solcher Klauseln die zu viel gezahlten Beträge auf Verlangen des Kunden zurückgewähren müssen. Nach Behauptungen mancher Klägeranwälte sogar über einen Zeitraum von drei Jahren hinaus, ohne verjährt zu sein.
Das könnte zur Folge haben, dass vielfach Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden. Im Extremfall drohen Wellen (vielfach unberechtigter) Ersatzforderungen mit beträchtlichen administrativen und vor allem finanziellen Ausmaßen.
Für Verwender von AGBs ist es – ganz gleich in welcher Branche – ratsam, umfassend zu prüfen, ob entsprechende Klauseln verwendet wurden.
Bei Neuverträgen besteht die Möglichkeit, die Regelungen anzupassen und einer Unwirksamkeit zuvorzukommen, z. B. durch Klauseln mit inhaltlichen Einschränkungen oder ausdrücklichem Zustimmungserfordernis.
Bei bereits verwendeten Klauseln empfiehlt sich eine genaue Prüfung, ob die Rechtsprechung tatsächlich auch auf die jeweiligen Verträge übertragbar ist, und ob und inwieweit eine Verteidigung von geltend gemachten Forderungen Aussicht auf Erfolg hat, oder tatsächlich eine Rückzahlung zu empfehlen ist. Denn falls eine potentielle Inanspruchnahme droht, gilt es vorbereitet zu sein, um schnell und angemessen reagieren zu können.
Das Urteil klärt nicht abschließend alle offenen Fragen, daher bieten sich trotz der grundlegenden Entscheidung des BGH und der potentiellen Tragweite gute Verteidigungsmöglichkeiten. Branchenspezifika und bereits bestehende inhaltliche Einschränkungen bieten die Chance für eine abweichende Bewertung.
Ebenso könnte etwa im unternehmerischen Verkehr der Rechtsgedanke des kaufmännische Bestätigungsschreiben herangezogen werden und eine abweichende Bewertung zulassen. So ist es ratsam, die konkrete Übertragbarkeit auf Verträge des jeweiligen Unternehmens ebenso wie Aspekte der Verjährung potentieller Ansprüchen zu prüfen. Vermeintliche Kleinigkeiten können einen großen Unterschied machen.
Dr. Borbála Dux-Wenzel, LL.M.
Partnerin
Köln
borbala.dux@luther-lawfirm.com
+49 221 9937 25100
Katharina Klenk-Wernitzki, Dipl. Reg.-Wiss
Partnerin
Berlin, Köln
katharina.klenk@luther-lawfirm.com
+49 30 52133 25741