30.10.2020
Missbräuchliche Abmahnungen schädigen nicht nur den Ruf von uns Rechtsanwälten und Rechtsanwältinnen, sondern stellen gerade für kleinere und mittlere Unternehmen einen erheblichen Kostenfaktor dar. Der Gesetzgeber möchte nun mit dem „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“ der Abmahnindustrie einen Riegel vorschieben.
Ziemlich genau ein Jahr war es ruhig nach der ersten Beratung zum Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs. Nun haben innerhalb eines Monats sowohl der Bundestag als auch der Bundesrat über dieses Gesetz entschieden. Mit einem Inkrafttreten wird Ende dieses Jahres gerechnet. Im UWG (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb) kommt es hierdurch zu zahlreichen Änderungen. Insbesondere kleinere Unternehmen sollen dadurch entlastet werden. Im nachfolgenden Beitrag haben wir die wichtigsten Änderungen im Wettbewerbsrecht durch das nun beschlossene Gesetz für Sie zusammengefasst. Ob das Gesetz den gewünschten Erfolg mit sich bringt und missbräuchliche Abmahnungen, die hauptsächlich Gebühren generieren sollen, nun der Vergangenheit angehören oder das Gesetz nicht auch lautere Marktteilnehmer behindert, wird sich zeigen.
Eine der Besonderheiten des UWG ist, dass nur ein fest umrissener Personenkreis Ansprüche geltend machen kann – z.B. Mitbewerber und bestimmte Verbände. Der neue Gesetzesentwurf will diesen Personenkreis noch weiter einschränken. So sollen z.B. nur noch diejenigen Mitbewerber Ansprüche geltend machen können, die die betroffenen Waren und Dienstleistungen in einem relevanten Umfang vertreiben oder nachfragen. Dies muss vom Anspruchsteller nachgewiesen werden. So soll verhindert werden, dass z.B. ein kleiner Händler mit einer schnell zusammengebastelten Internetseite, obwohl dieser kaum Umsatz erwirtschaftet, andere Konkurrenten in ganz Deutschland abmahnt und diese Abmahntätigkeit in keinem Verhältnis zu seiner Tätigkeit als Händler steht.
Rechtsfähige Verbände, die Abmahnungen aussprechen, müssen in Zukunft in einer Liste beim Bundesamt für Justiz eingetragen sein. Hierfür ist es erforderlich, dass diese eine gewisse Größe haben und die Verbandsmitglieder ähnliche Produkte vertreiben. Es ist also damit zu rechnen, dass hauptsächlich kleinere Verbände ihre Tätigkeit in diesem Bereich einstellen müssen. Die „üblichen Verdächtigen“, die man gemeinhin mit „Abmahnverbänden“ in Verbindung bringt, werden daher voraussichtlich zum Leidwesen vieler Betroffenen nicht vom Markt verschwinden.
Das Verbot missbräuchlicher Abmahnungen gab es bereits im alten UWG. Der Gesetzgeber hat die Voraussetzungen nun differenziert und konkretisiert, um klarzustellen, wann eine Abmahnung missbräuchlich ist und Rechtssicherheit für die betroffenen Unternehmen zu schaffen. Wie bereits bisher ist die missbräuchliche Geltendmachung der Ansprüche nicht nur unzulässig, sondern auch teuer: Der Abgemahnte kann seine Rechtsverteidigungskosten verlangen.
Nach dem neuen Anti-Abmahngesetz soll eine missbräuchliche Abmahnung u.a. vorliegen
Letztlich sind diese Fallgruppen im Großen und Ganzen bereits zuvor durch die Rechtsprechung entwickelt worden, sodass hier keine erheblichen Neuerungen zu erwarten sind.
Neu ist, dass der Gesetzgeber nun eine ganze Reihe an Informationen verlangt, die in einer Abmahnung zwingend enthalten sein müssen. Hierdurch soll insbesondere das massenhafte Verwenden von nicht individualisierten Textbausteinen verhindert werden.
Der Abmahnende und sein Vertreter müssen demnächst nicht nur Namen und Firmierung angeben (was selbstverständlich sein sollte), sondern der Abmahnende muss nachweisen, dass er die betroffenen Waren und Dienstleistungen in „nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreibt oder nachfragt“. Hier wird für alle Marktteilnehmer - ob professioneller Abmahner oder nicht - ein Einfallstor für Diskussionen eröffnet. Ebenfalls nicht unproblematisch ist, dass der Abmahnende jeweils aufzeigen muss, wie sich der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch berechnet. Ob dies nur eine allgemeine Darstellung meint, wie ein Aufwendungsersatzanspruch nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz berechnet wird, oder ob der Abmahner auch zeigen muss, wie er den Streitwert berechnet (was im UWG durchaus schwierig ist), wird voraussichtlich Gegenstand gerichtlicher Streitigkeiten werden. Zudem müssen die Rechtsverletzung und die Umstände, die hierzu geführt haben, angegeben werden.
Sofern die Angaben nicht vorliegen, kann der Abmahner nicht nur keine Kosten für die Abmahnung verlangen, sondern der Abgemahnte kann sogar seine Verteidigungskosten vom Abmahnenden fordern. Dies gilt übrigens auch (Achtung!), wenn die Abmahnung sich als unberechtigt erweist.
Um Abmahnmissbrauch zu verhindern, dürfen Mitbewerber in Zukunft keine Abmahngebühren wegen Verstößen gegen Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet verlangen. Hierunter fallen z.B. die Impressumspflicht oder Informationspflichten aus dem Bereich Widerruf und Angaben der Preisangabenverordnung. Für Unternehmen, die weniger als 250 Mitarbeiter beschäftigen, gilt dies zudem für datenschutzrechtliche Verstöße (Kurze Randbemerkung hierzu: Es war bisher hoch umstritten, ob Verstöße gegen die DSGVO überhaupt abgemahnt werden dürfen. Es sieht ganz so aus, als hätte der Gesetzgeber diesen Streit einfach so mit einem Pinselstrich erledigen wollen).
Wenn solche Ansprüche trotzdem mittels Abmahnung geltend gemacht werden, muss der Abmahnende darauf hinweisen, dass er keine Kosten verlangen darf. Fehlt dies, kann wiederum der Abgemahnte selbst seine Kosten verlangen.
Das neue Gesetz regelt ebenfalls die Vereinbarung von Vertragsstrafen, die der Abmahnende für einen neuen Verstoß verlangen kann: Es stellt insbesondere klar, wie eine angemessene Vertragsstrafe zu berechnen ist. Bei nur unerheblichen Verstößen und wenn der Abgemahnte unter 100 Mitarbeiter beschäftigt, darf eine Vertragsstrafe von 1.000 Euro nicht überschritten werden.
Bei den oben genannten Verstößen gegen die Impressumspflicht oder Informationspflichten und datenschutzrechtlichen Verstößen darf erst mit einer zweiten Abmahnung eine Vertragsstrafe vereinbart werden, wenn der Abgemahnte unter 100 Mitarbeiter beschäftigt. Für rechtstreue Mitbewerber besteht daher in Zukunft kaum Anreiz, darauf zu achten, dass auch ihre Konkurrenten sich hier rechtskonform verhalten.
Am heftigsten kritisiert wird wohl die Entscheidung des Gesetzgebers im Online-Bereich den sogenannten „Fliegenden Gerichtsstand“ für Mitbewerber nahezu aufzugeben. Dies bedeutet, dass solche Verstöße nur noch am Sitz des Verletzers gerichtlich durchgesetzt werden können und nicht mehr dort, wo die Verletzung stattfindet (was im Internet überall dort ist, wo die Internetseite abrufbar ist – also deutschlandweit). Hierdurch soll verhindert werden, dass der Anspruchssteller sich für ihn freundliche Gerichte aussucht (oder noch schlimmer: zu einem anderen Gericht wechselt, wenn sein Anspruch zurückgewiesen wird). Folge hiervon ist aber, dass zukünftig, nicht wie bisher, hauptsächlich spezialisierte Kammern (dies sind insbesondere die Kammern in München, Köln, Düsseldorf, Hamburg und Berlin) über UWG-Verfahren entscheiden werden, sondern auch diejenigen, die mit Wettbewerbsrecht kaum etwas zu tun haben. Ob dies zur Qualität der Entscheidungen beiträgt, ist zu bezweifeln. Eventuell werden zukünftig noch mehr Länder als bisher von ihrer Kompetenz Gebrauch machen und einzelne Gerichtsstandorte bestimmen, die für Wettbewerbssachen ausschließlich zuständig sind.
Die leidige Thematik Abmahnanwälte wird voraussichtlich durch das neue Gesetz nicht verschwinden, wenn überhaupt eingeschränkt werden. Insbesondere durch die neuen Voraussetzungen zum Inhalt der Abmahnung werden auch für lautere Abmahner Hürden geschaffen. Durchaus kritisch ist die Abschaffung des Fliegenden Gerichtsstands im Online-Bereich anzusehen, da die hohe Spezialisierung gerade zum hohen Niveau (und damit der Rechtssicherheit) auf diesem Gebiet geführt hat. Offensichtlich schwarze Schafe – wie bei den Anwälten und Verbänden – gab es bei den Gerichten gerade nicht.
Dr. Silvia Hartmann