27.03.2020
Die derzeitige Corona-Krise stellt Unternehmen wirtschaftlich vor enorme Herausforderungen. Auf unbestimmte Zeit befinden sich weite Teile der Wirtschaft im Lock-Down, viele Unternehmen müssen weitreichende Umsatzeinbußen verkraften. Das Ausmaß der wirtschaftlichen Auswirkungen war noch vor wenigen Wochen in dem heute bekannten Umfang nicht vorhersehbar und auch heute kann noch kein Unternehmen abschließend abschätzen, wie stark es von der Krise betroffen sein wird. Vor diesem Hintergrund stellt sich somit für Vorstände der AG und Geschäftsführer der GmbH (auch als Geschäftsführung der Komplementärin einer GmbH & Co. KG) die Frage, ob sie bereits vor dem Bekanntwerden des Ausmaßes der Corona-Krise wirksam gefasste Beschlüsse ausführen müssen oder ob sie berechtigt oder sogar verpflichtet sind, Beschlüsse, die einen erheblichen Liquiditätsabfluss vorsehen (Ausschüttungen, Transaktionen, Abschluss von Dauer- Schuldverhältnissen etc.), nicht auszuführen. Das Gesellschaftsrecht weist dem Geschäftsführer und Vorstand einen klaren Weg:
Hat sich die wirtschaftliche Situation, wie beispielsweise derzeit in der Corona-Krise, zwischen Beschlussfassung (z.B. Gewinnverwendung) und liquiditätswirksamer Maßnahme (z.B. Ausschüttung) erheblich verschlechtert, so hat der Vorstand bzw. der Geschäftsführer eine kritische Überprüfung der neuen Situation durchzuführen. In diese Überprüfung sind alle betroffenen Interessen, auch die der Gesellschafter, einzustellen. Kommt der Vorstand bzw. der Geschäftsführer zu dem Ergebnis, dass eine Befolgung des Beschlusses einen erheblichen Nachteil für die Gesellschaft bedeuten würde, so besteht nicht nur eine Berechtigung, sondern sogar die Verpflichtung, den Ausschüttungsbeschluss nicht umzusetzen.
Dies ergibt sich für den Vorstand bzw. den Geschäftsführer aus seiner Pflicht, bei der Geschäftsführung die Sorgfalt und die Gewissenhaftigkeit eines ordentlichen Geschäftsmannes zu beachten (vgl. zur AG bei § 93 Abs. 1 AktG, zur GmbH bei § 43 Abs. 1 GmbHG).
Kommt der Vorstand bzw. Geschäftsführer dieser Pflicht nicht nach, so haftet er ggf. auf Schadensersatz.
Kommt der Vorstand bzw. Geschäftsführer im Rahmen seiner Neubewertung zu dem Ergebnis, dass die liquiditätswirksame Maßnahme (z.B. Ausschüttung) nicht nur (erhebliche) Nachteile für die Gesellschaft nach sich zieht, sondern dass sich daraus sogar eine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ergeben kann, so ergibt sich die Pflicht des Vorstands bzw. des Geschäftsführers zur Unterlassung der liquiditätswirksamen Maßnahme zudem aus § 92 Abs. 2 AktG bzw. aus § 64 GmbHG.
Der Vorstand bzw. der Geschäftsführer ist also verpflichtet, den Beschluss nicht umzusetzen (z.B. darf eine Ausschüttung nicht vorgenommen werden), wenn dies zu erheblichen Nachteilen für die Gesellschaft oder zur Zahlungsunfähigkeit führt. Der Beschluss darf jedoch nicht einfach ignoriert werden. Vielmehr hat der Vorstand bzw. der Geschäftsführer, unter Einhaltung der hierfür maßgeblichen Regelungen aus dem Gesetz und der Satzung, die Haupt- bzw. Gesellschafterversammlung einzuberufen. Im Rahmen dieser neuen Versammlung ist über die veränderte Lage aufzuklären und ein neuer Beschluss über die liquiditätswirksame Maßnahme (z.B. Gewinnverwendung, Transaktion) herbeizuführen, der den veränderten Gegebenheiten Rechnung trägt.
Im Hinblick auf das Fassen von Gesellschafterbeschlüssen und der Abhaltung von Hauptversammlungen hat der Bundestag jüngst Erleichterungen beschlossen, wodurch Gesellschaften trotz der bestehenden Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeit erforderliche Beschlüsse fassen und so handlungsfähig bleiben können sollen. Insoweit verweisen wir insbesondere auf unsere Beiträge „Gesellschaftsrechtliche Anpassungen im Zuge der Corona-Pandemie“.
Prof. Dr. Florian Schulz M.B.A. (Nimbas)
Partner
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Jan-Patrik Welter
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Daniel Fehling, LL.M. (Auckland)