21.02.2020
Luther.Sea: Seit Beginn des Jahres werden die Nachrichten vom Coronavirus beherrscht, ein Thema, welches auch für die maritime Wirtschaft an Bedeutung gewinnt. So liegen sieben der zehn wichtigsten Handelshäfen der Welt an der Küste Chinas und folglich war es nur eine Frage der Zeit, bis die Schifffahrt die Auswirkungen des Coronavirus zu spüren bekam. Die Schifffahrtsbranche wird von den Auswirkungen des Virus zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt getroffen, da ebenfalls seit dem Jahreswechsel die neuen Regulierungen der IMO (International Maritime Organization) hinsichtlich des erlaubten Schwefelausstoßes bei Schiffen Anwendung finden und zu Mehrkosten führen.
Die großen Linienreedereien reagieren in der Branche als erstes, sie drosseln im Gleichschritt ihre Transportkapazitäten rund um das chinesische Festland. Grund dafür dürften der geringere Transportbedarf sein, hervorgerufen durch Fabrikschließungen, Verlängerung der chinesischen Neujahrsferien und geringere Herstellungsmengen. Zudem sind die Frachtraten seit Januar 2020 für den Transport eines Containers von China nach Europa um 14 Prozent gefallen[1]. Dieser Trend lässt sich bisher durch eine Verringerung des Angebotes nicht stoppen. Die Reduzierung der planmäßigen Anläufe in China führt dazu, dass sich weltweit in den Häfen Container, welche der Industrie in China zugeführt werden sollen, stauen. Schon bald seien in einigen Häfen die Lagergrenzen erreicht, um einen effizienten Frachtumschlag zu garantieren, heißt es in der Branche.
Doch nicht nur die Containerschifffahrt spürt die Auswirkungen des Coronavirus. Besonders der Bulkcarrier- und der Tankermarkt sind unter Druck und abhängig von den Importen Chinas.
Die Volksrepublik importiert rund 40 Prozent der globalen Dry-Bulkverschiffungen und ist somit der größte Abnehmer von Erz, Kohle und sogenannten Minor Bulks. Durch die derzeit geschlossenen Fabriken sinkt die Nachfrage und gleichzeitig die Frachtraten, aktuell sind diese auf einem Niveau von unter 90 Prozent im Vergleich zum Höchststand des letzten Jahres. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im Baltic Dry Index wieder, welcher seit Entdeckung des Virus um mehr als 1.000 Punkte, auf einen Stand knapp über 400 Punkte, gefallen ist. Der Baltic Dry Index spiegelt die Nachfrage nach Transportkapazitäten für Schüttgüter wieder und galt in der Vergangenheit als Indikator für bevorstehende weltwirtschaftliche Turbulenzen. Allerdings weist die Branche darauf hin, dass die Ursache für die niedrige Charter nicht allein der Coronavirus ist. Auch die durch die neue IMO Regulierung hinsichtlich des Schwefelausstoßes gestiegenen Treibstoffkosten seien ein wichtiger Faktor für die niedrigen Charterraten.
Für den Tankermarkt fällt das Coronavirus in ohnehin schwierige Zeiten. Hatten die Charterraten dem bisherigen politischen Geschehen im Nahen Osten weitgehend getrotzt (insbesondere dem Konflikt zwischen den USA und Iran), war der Einbruch der Nachfrage des chinesischen Marktes vorerst nicht zu verkraften. Zwischen Mitte-Januar und Mitte-Februar ist der Ölpreis um ca. 10 Prozent gefallen. Noch drastischer sind die Charterraten für Öltanker gesunken, besonders betroffen sind VLCCs (very large crude carrier). Der Öltransport zwischen Nahen Osten und China hat sich im Vergleich zum Februar 2019 mehr als halbiert.
Die Folgen des Coronavirus spiegeln sich jedoch nicht nur in der Veränderung der Transportwege und der Nachfrage nach Frachtkapazitäten wieder, auch die Werften und wichtige Zulieferer sind betroffen.
Aufgrund der im Januar in Kraft getretenen neuen Regulierung der IMO (Reduzierung des Schwefeloxide) hatten die chinesischen Werften gut gefüllte Auftragsbücher, um Abgasreinigungsanlagen auf Frachtschiffen zu installieren. Bei Verstoß gegen die neuen IMO-Regularien drohen drastische Strafen. Die durch den Coronavirus bedingten Werftschließungen und die geringere Verfügbarkeit von Arbeitskräften lassen die Umrüstung nun ins Stocken geraten. Folglich können Schiffe, welche längst umgerüstet hätten werden sollen, nicht ihre Reise fortsetzen und werden so um ihre Einnahmen gebracht. Gegen die Eigentümer entstehen weitergehend Ansprüche von Seiten etwaiger Charterer, die mit pünktlicher Übergabe des Schiffes gerechnet haben. Die gleiche Problematik betrifft ebenso Neubauten, bei denen der Liefertermin, durch die verzögerten Arbeiten, nicht mehr eingehalten werden kann.
Der Geschäftsführer einer Hamburger Reederei warnt in einem Gespräch uns gegenüber vor allzu großer Hysterie: „Das Virus verschärft die Volatilität in der Schifffahrt, insbesondere im Dry-Bulk Bereich. Derzeit ist jedoch noch von keinen langfristigen negativen Folgen auszugehen.“
Die weiteren Auswirkungen des Coronavirus auf die Schifffahrt bleiben abzuwarten. Diese hängen vom derzeit nicht absehbaren weiteren Verlauf und der Ausbreitung des Virus ab. Die in den Medien vielfach behandelte Kreuzschifffahrt lässt erahnen, was drohen könnte, wenn Staaten sich gezwungen sehen, weitere Maßnahmen zur Eindämmung des Virus zu ergreifen. Einlaufverbote und dadurch hervortretende Begrenzungen des Warenverkehrs wären wohl die stärksten und kostspieligsten Maßnahmen für die Branche.
Die rechtliche Würdigung verschiedener Sachverhalte, im Kontext mit dem Coronavirus, erscheint meist komplex, da immer eine Würdigung des Einzelfalles geboten ist. Es sollte stets geklärt werden, ob ein Fall des Force Majeure (höhere Gewalt) vorliegt. Eine fundierte rechtliche Würdigung scheint hier unabdingbar.
[1] Der Spiegel, 10.02.2020 – „Der Corona-Effekt schlägt auf den Welthandel durch“
Daniel Fehling, LL.M. (Auckland)