25.03.2020

Die COVID-19-Pandemie – Auswirkungen auf gewerbliche Mietverhältnisse nach der Einführung des Art 240 § 2 EGBGB (Stand: 25.3.2020)

Hintergrund

Die COVID-19-Pandemie hat den deutschen Immobilienmarkt nunmehr mit „voller Wucht“ erreicht. Neben den bisherigen Auswirkungen auf die Hotelbranche sind nun auch eine Vielzahl weiteren Branchen durch die erlassenen Allgemeinverfügungen und Rechtsverordnungen und der dort enthaltenen Schließungen bestimmter Betriebe sowie auch Wohnraummieter (durch Nichtausübung Ihrer beruflichen Tätigkeit, Kurzarbeit) von den damit einhergehenden Folgen betroffen. Die Bundesregierung hat daher kurzfristig beschlossen zu handeln und der Bundestag am heutigen Tag u.a. das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ beschlossen. Dieses umfasst umfangreiche Regelungen zu verschiedenen Bereichen des Zivilrechts (insb. Moratorium für ausgewählte Bereiche des Zivilrechts, Mietrecht und Darlehensrecht).

Im Hinblick auf die darin enthaltenen Regelungen und Auswirkungen auf das Mietrecht soll dieser Beitrag ein paar Hinweise geben.

1. Befristeter und begrenzter Kündigungsausschluss

Nach dem neuen Art. 240 § 2 EGBGB ist für den Vermieter die Kündigung des Mietverhältnisses ausgeschlossen, wenn der Mieter in dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 fällige Mietforderungen nicht zahlt, sofern die Nichtzahlung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Die gilt sowohl für Wohn- und Gewerberaummietverhältnisse als auch für Pachtverhältnisse. Andere Kündigungsgründe z.B. aufgrund der Verletzung von wesentlichen Vertragspflichten oder bereits vor dem 1. April 2020 ausstehenden Mietzahlungen bleiben hiervon unberührt, sodass der Vermieter das Mietverhältnis aus solchen Gründen weiterhin kündigen kann.

Die Darlegungslast und Glaubhaftmachung des Zusammenhangs zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung liegt beim Mieter. Nach der Gesetzesbegründung soll er diese Kausalität regelmäßig mit dem Hinweis auf die durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung angeordnete Untersagung oder erhebliche Einschränkung des Geschäftsbetriebs glaubhaft machen können.

Um eine Kündigung aufgrund ausbleibender Mietzahlungen in dem Zeitraum vom 1. April bis 30. Juni 2020 abwenden zu können, muss der Mieter die Zahlungen bis spätestens zum 30. Juni 2022 (24 Monate nach Ende der Ausschlussfrist) nachholen. Ab diesem Zeitpunkt ist die Kündigung durch den Vermieter aufgrund ausgebliebener Mietzahlungen für den Zeitraum vom 1. April bis 30 Juni 2020 wieder möglich.

2. Keine gesetzliche Stundung der Mietzahlungen

Ein Mieter soll nach der Gesetzesbegründung auch weiterhin zu Zahlung der Miete verpflichtet bleiben, sofern diese nach allgemeinen Grundsätzen fällig wird. Mit der neuen Regelung in Art. 240 § 2 EGBGB wird also keine gesetzliche Stundung angeordnet. Bei Nichtzahlung soll somit theoretisch auch der Verzug des Mieters mit der gesamten Mietforderung eintreten können.

3. Kann von den neuen gesetzlichen Regelungen abgewichen werden?

Im Hinblick auf den gesetzlich geregelten Ausschluss der Rechtsfolge einer  Kündigung des Vermieters kann nicht zu Lasten des Mieters abgewichen werden. Allerdings bleibt es den Parteien des Mietvertrags weiterhin unbenommen, vertragliche Vereinbarungen zur Zahlung der Miete zu treffen. Solche Vereinbarungen werden durch die beschlossene Änderung nicht berührt.

4. Mietminderung durch den Mieter

Unabhängig von gegebenenfalls in dem jeweiligen Mietvertrag vorhandenen „Pandemieklauseln“ oder sonstigen Regelungen zum Mietzweck und zur Risikoverteilung, die Vorrang haben, nimmt der Gesetzgeber im Rahmen seiner Gesetzesbegründung an, dass die  COVID-19- Pandemie grundsätzlich wohl kein Minderungsrecht für den Mieter auslöst.

Der Gesetzgeber nimmt damit Bezug auf die Grundsätze, wonach ausbleibende Gäste- und Kundenzahlen und hieraus resultierende Einnahmeeinbußen einen Mieter in der Regel nicht dazu berechtigen, die Miete zu mindern oder sich von einem „belastenden“ Mietvertrag zu trennen. Das sog. Verwendungs- und Erfolgsrisiko liegt im Zweifel beim Mieter.

Im Einzelfall ist aber aufgrund der jeweiligen Rechtsverordnung oder Allgemeinverfügung auch die Unmöglichkeit (§ 275 BGB) der Überlassung der Mietsache durch den Vermieter zu dem vereinbarten Mietzweck denkbar. Die Rechtsfolge bei der Annahme einer Unmöglichkeit wäre der Entfall der Gegenleistungspflicht des Mieters (hier die Mietzahlung). Hier kommt es aber auf jeden Einzelfall an.

Letztlich kommt auch ein Anspruch des Mieters auf Vertragsanpassung aufgrund einer Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht. Diese kann bei einer schwerwiegenden Änderung der Umstände, die Grundlage des Vertrages geworden sind, worunter auch Umstände von „höherer Gewalt“ fallen können, vorliegen. Auch insoweit kann aber die Beurteilung nur im Einzelfall erfolgen. Es ist aber denkbar, dass die Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt, dass Vermieter und Mieter in der aktuellen Ausnahmesituation eine Risiko-/Gefahrengemeinschaft bilden, einen wechselseitigen Anspruch auf Vertragsanpassung annehmen könnte. Es empfiehlt sich, dies unter den Mietvertragsparteien soweit als möglich selbst zu vereinbaren.

5. Risiko verspäteter Übergaben von Mietgeständen

Das Risiko einer verspäteten Übergabe auf Grund einer infolge der COVID-19-Pandemie ins „Stocken“ geratenen oder zum Stillstand gekommenen Baustelle trifft – vorbehaltlich anderweitiger vertraglicher Regelungen – den Vermieter. Bei einer verspäteten Übergabe kann der Vermieter dem Mieter daher ggf. zum Schadensersatz verpflichtet und der Mieter ggf. zur Kündigung des Mietvertrags berechtigt sein. Auch Vertragsstrafenansprüche können hier relevant werden. Zumeist wird es aber am Verschulden des Vermieters mangeln.

Bei zukünftigen Mietverträgen empfehlen wir die Aufnahme von Regelungen, wonach beide Parteien den Übergabetermin bis zu einem bestimmten Zeitpunkt schieben können, möglich ist auch die Vereinbarung von Übergabekorridoren (sog. „Frühest-/Spätesttermin“) mit kurzen Ankündigungsfristen, sowie die Vereinbarung von Karenzzeiten.

6. Laufende Verhandlungen

Derzeit sind die künftigen Entwicklungen und die Dauer der Einschränkungen des öffentlichen Lebens nicht absehbar. Dies betrifft sowohl die Zukunft der Mieter als auch die Termine für Umbaumaßnahmen, die Frequenz- und Umsatzprognose etc.  Haben Vertragsverhandlungen vor der COVID-19-Pandemie begonnen, könnten sie daher häufig aus wichtigem Grund beendet werden. Um dies zu vermeiden, können die Verhandlungen entweder „geparkt“ und zu einem späteren Zeitpunkt fortgesetzt oder beendet werden oder es wird in den Vertrag ein freies Sonderkündigungsrecht z.B. bis zum Jahresende aufgenommen, zu dem die Beteiligten den Vertrag fortführen oder zu definierten Folgen beenden können. Hier sollten aber Entscheidungen nicht voreilig, sondern mit Blick auf die „Zeit nach der Krise“ besonnen getroffen werden.

Für Besichtigungstermine und Vertragsverhandlungen gelten die allgemeinen Hinweise.

7. Betriebspflicht und Betriebsunterbrechung

Ein Mieter wird von vertraglichen Betriebspflichten vorübergehend frei, wenn sein Betrieb behördlich untersagt wird. Anders ist dies, wenn der Betrieb erlaubt bleibt, aber nicht wirtschaftlich erscheint. Hier besteht die Betriebspflicht fort, aber zugleich Bedarf für eine angemessene Verständigung mit dem Vermieter oder Asset-Manager.

Betriebsunterbrechungsversicherungen werden im Regelfall nicht einschlägig sein, weil Pandemie als Versicherungsfall standardmäßig nicht vorgesehen ist.

8. Fürsorge- und Schutzpflichten

Im Hinblick auf die weitere Ausbreitung der COVID-19-Pandemie stellt sich die Frage, ob ein Vermieter gegenüber dem Mieter verpflichtet ist, diesen bzw. dessen Mitarbeiter vor einer Infizierung zu schützen. Die Pflichten der Vermieter beziehen sich allerdings stets nur auf die Abwehr von und die Vorsorge gegen Störungen, die von der Mietsache ausgehen. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie sind aber Teil des allgemeinen Lebensrisikos und fallen daher nicht unter die allgemeine Verkehrssicherungspflicht eines Vermieters.

Unabhängig davon empfiehlt es sich hier, aus Gesichtspunkten der Risikominimierung und einer einheitlichen Vorgehensweise in einem Gebäude oder größeren Objekt, mit den jeweiligen Mietern/der Mietgemeinschaft in Kontakt zu treten und ein gemeinsames Maßnahmenkonzept zu vereinbaren, das unter anderem häufigere und intensivere Reinigungen und Desinfektionen oder das Aufstellen von Desinfektionsspendern sowie die Kostentragung z.B. durch Umlage auf die Betriebs- und Nebenkosten umfassen kann.

9. Unterstützung der Mieter

Im Regelfall werden die Vermieter ihre Mieter in der aktuellen Ausnahmesituation nicht allein lassen. Zur Abmilderung der Belastungen für die Mieter können Vereinbarungen über Stundung der Miete, „Mietpause“ mit entsprechender Verlängerung und Wertsicherung der Miete ebenso vereinbart werden, wie ggf. Vertragsverlängerungen unter Gewährung von mietfreien Zeiten sowie vorzeitige Vertragsaufhebungen, die eine Neupositionierung von Mieter und Immobilie ermöglichen.

10. Kein Alleingang

Im Hinblick auf die im Umgang mit der COVID-19-Pandemie noch bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Unsicherheiten empfiehlt es sich, nicht eigenmächtig vorzugehen. Das Gebot der Stunde ist die angemessene Abstimmung unter den Vertragspartnern mit dem Ziel einer für beide Seiten wirtschaftlich sinnvollen Lösung.

11. Schriftform mach keine Pandemieferien

Wenn gemeinsame Lösungen gefunden sind, sollten diese unbedingt schriftformgerecht fixiert werden. Das gesetzliche Schriftformerfordernis nach § 550 BGB (wonach Vereinbarungen unter Missachtung der Schriftform zu einer ordentlichen Kündigung des Mietvertrags führen können) macht keine Pandemieferien. Zur Vermeidung eines „bösen Erwachens“ sollte die Schriftform gewahrt bleiben. Das Gesetzesvorhaben zur Abschaffung des „gesetzlichen Schriftformerfordernisses“ bei Mietverträgen liegt derzeit auf Eis, sodass diesbezüglich auch weiterhin größte Sorgfalt zu wahren ist.

Autor/in
Dr. Thomas Gohrke

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Patrick Gocht

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