20.03.2020
Die COVID-19 Pandemie beschäftigt Unternehmen und Menschen weiter weltweit. Diverse Unternehmen ordnen Telearbeit an, Automobilhersteller fahren ihre Produktion herunter oder stellen diese vorübergehend gänzlich ein, Staaten schließen ihre Grenzen und auch der Schifffahrtsmarkt hat weiter mit den Folgen des Virus zu kämpfen. Der Frachtverkehr in China erfährt eine leichte Erholung, jedoch dürfte dies den Einbruch in anderen Teilen der Erde nur schwer abfedern, zumal die Aufrechterhaltung der Lieferkette „See“ schwieriger wird.
Das krisengeplagte Libyen hat als erster Staat zum Schutz vor dem Coronavirus die Schließung der Seehäfen ab nächsten Montag bekannt gegeben. Einige Häfen sind zwar bereits aufgrund der andauernden Konflikte geschlossen, doch eine komplette Schließung der Seehäfen des Landes gab es noch nicht.
Auch Australien hat nun in den Bundesstaaten Queensland und New South Wales eine 14-tägige Einlaufsperre für Schiffe erlassen. Ausnahmen gibt es nur für Schiffe, die seit ihrem letzten Hafen mindestens 14 Tage auf See waren, so dass diese Maßnahme vor allem den Handel mit dem asiatischen Raum betrifft.
Doch auch Großbritannien hält sich die Option offen, in der kommenden Zeit Häfen zu schließen. In einem Entwurf einer Notstandsverordnung gibt es ausdrücklich die Handlungsoption, Seehäfen zu schließen. Dies soll erfolgen, falls eine Mehrzahl der örtlichen Polizei- und Zollbeamten an dem Coronavirus erkrankt seien und somit der Ablauf im Hafen nicht mehr gewährleistet werden könnte.
China weitet seine Vorsichtsmaßnahmen in vielen Seehäfen aus. Da das Land nun rückläufige Zahlen von Neuinfizierten verzeichnet, soll unbedingt eine zweite Welle des Coronavirus verhindert werden. Daher ist Schiffen das Anlegen in vielen chinesischen Häfen nur noch erlaubt, wenn das Schiff und alle Besatzungsmitglieder mindestens 14 Tage in keinem Risikoland waren. Als Risikoländer listet China u.a. Deutschland, Großbritannien, die Niederlande, Dänemark, Italien, Frankreich, Spanien, den Iran, Südkorea und Japan auf. Die größten Probleme wird es voraussichtlich auch hier im Intra-Asia Verkehr geben.
Die Linienreedereien stehen vor der Herausforderung, ihre Fahrpläne so anzupassen, dass die betroffenen Schiffe in den jeweiligen Ländern anlegen dürfen. Diese Herausforderung wird mit einer steigenden Zahl an Risikoländern immer schwieriger zu bewältigen sein. Die Auswirkungen auf die Lieferketten an Land liegen auf der Hand.
Beim Besatzungswechsel gilt es zu verhindern, dass symptomfreie, aber infizierte Seeleute auf das Schiff gelangen. Doch auch wenn dies hypothetisch gewährleistet wäre, müsste das Crewmitglied in aller Regel zu einem weit entfernten Crewwechselhafen fliegen. Flüge werden jedoch weltweit gestrichen und die Airlines fahren ihren Betrieb massiv herunter. So wird die in normalen Zeiten simple Buchung der notwenigen Flüge zum Hindernis eines Crewchange.
Zu diesem Schluss kam auch Maersk und verschob alle Besatzungswechsel für die nächsten vier Wochen. Ob und wie lange es allerdings rechtlich möglich ist, ein Besatzungsmitglied länger an Bord zu belassen und ob dies in wichtigen Fällen auch ohne die Einwilligung des betroffenen Besatzungsmitglieds umgesetzt werden darf, erscheint fraglich. Eine einmalige Verlängerung dürfte in den meisten Fällen kein Problem darstellen. Darüber hinaus besteht eine Grauzone und es sind Absprachen mit dem jeweiligen Flaggenstaat und der Gewerkschaft ITF erforderlich. Zudem stellen sich früher oder später praktische Probleme, da die Motivation nach mehreren Wochen oder gar Monaten an Bord verständlicher Weise nicht steigt und das Verständnis eines Seemanns, für all das, was aufgrund des Virus nunmehr notwendig ist, noch weniger stark ausgeprägt sein dürfte als bei den Menschen, die „nur“ zu Hause bleiben müssen.
Dr. Benjamin Hub
Partner
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