09.03.2017

Das „Urbane Gebiet“ kommt – Bundestag berät über Baurechtsnovelle

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09.03.2017

Das „Urbane Gebiet“ kommt – Bundestag berät über Baurechtsnovelle

Die Ansiedlung von Wohnnutzungen in der Nachbarschaft von emissionsträchtigen Gewerbegebieten soll erleichtert werden. Dies ist Ziel eines Gesetzesentwurfs der Bundesregierung zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU im Städtebaurecht und zur Stärkung des neuen Zusammenlebens in der Stadt (BT-Drs. 18/10942). Der Entwurf wird heute (9. März 2017) in zweiter und dritter Lesung im Bundestag beraten. Im Mai diesen Jahres wird die Gesetzesnovelle voraussichtlich in Kraft treten.

Zu den zentralen Neuerungen des Gesetzentwurfs gehört die Einführung der neuen Baugebietskategorie „Urbane Gebiete (MU)“ in einem neuen § 6a Baunutzungsverordnung (BauNVO). Urbane Gebiete dienen dem Wohnen sowie der Unterbringung von Gewerbebetrieben und sozialen, kulturellen und anderen Einrichtungen, die die Wohnnutzung nicht wesentlich stören.

Mit dem urbanen Gebiet soll den Gemeinden ein flexibleres Instrument als die bisherigen Misch- und Kerngebiete an die Hand gegeben werden, mit dem sie planerisch die „nutzungsgemischte Stadt der kurzen Wege verwirklichen können“. Der neue Gebietstyp soll sich durch eine räumliche Nähe wichtiger Funktionen wie Wohnen, Arbeiten, Versorgung, Bildung, Kultur und Erholung auszeichnen. Dadurch soll Verkehr vermieden und reduziert sowie ein „lebendiger öffentlicher Raum“ gefördert werden.

Der Katalog der zulässigen Nutzungen im urbanen Gebiet entspricht weitestgehend dem des Mischgebiets. Das urbane Gebiet setzt aber keine gleichgewichtige Nutzungsmischung voraus, sondern ermöglicht auch einen Wohnanteil, der die gewerblichen Nutzungen im Gebiet weit überwiegt. Umgekehrt sind im urbanen Gebiet aber auch geringe Wohnanteile in ansonsten stark gewerblich geprägten Bereichen denkbar.

Gleichzeitig soll im urbanen Gebiet eine stärkere Verdichtung durch erhöhte Obergrenzen für die Bestimmung des Maßes der baulichen Nutzung ermöglicht werden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht hierfür im Rahmen eines geänderten § 17 Abs. 1 BauNVO eine Grundflächenzahl (GRZ) von 0,8 und eine Geschossflächenzahl (GFZ) von 3,0 vor, während beispielsweise in Mischgebieten nur eine GRZ von 0,6 und eine GFZ vom 1,2 erlaubt sind.

Außerdem zeichnet sich der neue Gebietstyp durch geringere Anforderungen an den Lärmschutz aus. Um ein Nebeneinander von Wohnen und Gewerbe zu ermöglichen, sollen für das urbane Gebiet erhöhte Immissionsrichtwerte in die TA Lärm eingefügt werden. Diese sollen tags 63 dB(A) und nachts 48 dB(A) betragen und liegen damit 2 dB(A) unter den Richtwerten für Gewerbegebiete und 3 dB(A) über den für Kerngebiete und Mischgebiete vorgesehen Richtwerten.

Mit diesen Richtwerten wird im urbanen Gebiet einerseits die Ansiedlung von Wohnnutzungen in der Nachbarschaft von Gewerbegebieten oder anderen Gebieten mit emittierenden Nutzungen erleichtert. Andererseits bedeuten die erhöhten Immissionsrichtwerte der TA Lärm aber auch, dass Wohnnutzungen in urbanen Gebieten deutlich mehr Lärm durch innerhalb der Gebiete liegende emittierende Anlagen oder Betriebe zugemutet werden kann.

Ein Problem lösen die erhöhten Immissionsrichtwerte für das urbane Gebiet nicht: Sofern sie im Einzelfall nicht eingehalten werden können, wird es auch weiterhin nicht möglich sein, den daraus resultierenden Lärmkonflikten mit Maßnahmen des passiven Schallschutzes zu begegnen. Insoweit greift die geplante Änderung der TA Lärm aus unserer Sicht zu kurz.

Insgesamt sind die geplante Einführung des urbanen Gebiets und die damit im Zusammenhang stehenden Neuregelungen aber zu begrüßen, da sie mehr Flexibilität bei der Planung und Errichtung von Wohnungsbauvorhaben in verdichteten Innenstadtlagen schaffen.

Zitat Dr. Martin Fleckenstein: „Das urbane Gebiet ist ein wichtiger Schritt zur Förderung des innerstädtischen Wohnungsbaus. Um den immensen Wohnraumbedarf der Großstädte zu befriedigen, werden die mit den neuen Gebietstyp verbundenen Erleichterungen allein aber nicht ausreichen.“

Zitat Bernhard Burkert: „Mit dem urbanen Gebiet werden Lärmkonflikte aus dem Zusammentreffen von Wohnen und Gewerbe weiter verschärft. Um dem wirksam begegnen zu können, sollte die TA Lärm zukünftig auch für Maßnahmen des passiven Schallschutzes geöffnet werden.“

 

Dr. Martin Fleckenstein
Partner
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Berlin
Telefon +49 30 52133 21110
martin.fleckenstein@luther-lawfirm.com

 

 

Bernhard Burkert, LL.M. (Stellenbosch)
Associate
Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Berlin
Telefon +49 30 52133 21279
bernhard.burkert@luther-lawfirm.com