17.03.2020
Das Coronavirus hat Deutschland mittlerweile fest im Griff. Schulen und Kitas werden ebenso geschlossen wie Einzelhandelsbetriebe im non-food-Bereich. Veranstaltungen sind abzusagen, soziale Kontakte sollen weitestgehend vermieden werden. Das öffentliche Leben kommt immer weiter zum Stillstand. Für Unternehmen bedeuten die behördlichen Maßnahmen massive wirtschaftliche Verluste, die sich teilweise bereits jetzt existenzbedrohend auswirken. Schnell kommt daher die Frage auf, ob und gegebenenfalls wer für den entstandenen Schaden aufkommt und welche weiteren Schritte von den Betroffenen eingeleitet werden müssen.
Behördliche Maßnahmen in Bezug auf das Coronavirus beruhen auf den Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes (IfSG). Die Bekämpfung einer Infektionskrankheit obliegt den nach Landesrecht zuständigen Behörden (häufig die lokalen Ordnungsbehörden). Nach der infektionsschutzrechtlichen Generalklausel des § 28 Abs. 1 IfSG treffen diese die notwendigen Schutzmaßnahmen, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. Bei der Auswahl der gebotenen Maßnahmen haben die Behörden ein weites Ermessen. Diese Generalklausel wird derzeit beispielsweise für Verbote von Veranstaltungen, der Anordnung von Schließungen im Einzelhandel und in der Gastronomie herangezogen. Leitlinien der Bundesregierung sind dabei rechtlich unverbindlich. Sie können aber bei der örtlichen Ermessensausübung berücksichtigt werden.
Das Infektionsschutzrecht sieht für besondere Fälle eigene Entschädigungsansprüche vor. Diese Ansprüche setzen dabei behördliche Anordnungen voraus. Freiwillig ergriffene Schutzmaßnahmen werden hiervon nicht erfasst.
Daneben können landesrechtliche Entschädigungsansprüche nach dem jeweiligen Gefahrenabwehrrecht bestehen. Die Polizei- und Ordnungsgesetze sehen durchweg Entschädigungen für den Fall einer Inanspruchnahme als Nichtverantwortlicher (Nichtstörer) vor. In NRW etwa ist dies § 39 Abs. 1 OBG NRW geregelt. Demnach wird der Schaden, der dem Nichtstörer infolge seiner rechtmäßigen Inanspruchnahme entstanden ist, ersetzt. Gleiches gilt im Fall rechtswidriger Maßnahmen der Ordnungsbehörden.
Ob im Anwendungsbereich des besonderen Infektionsschutzrechts ein Rückgriff auf die allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Entschädigungsvorschriften der Länder erfolgen kann, ist allerdings bislang nicht geklärt. In den Schweinepestfällen hat der Bundesgerichtshof einen solchen Rückgriff abgelehnt, allerdings war dort die Rechtsgrundlage eine andere. Wir sehen eine staatliche Entschädigungsgewährung indes unter Berücksichtigung des Sonderopfers, das die betroffenen Unternehmen für die Aufrechterhaltung der Gesundheit anderer erbringen, als geboten an. Die staatliche Gemeinschaft darf sich hier nicht unter Verweis auf besondere Bürgschafts- und Kreditprogramme ihrer Verantwortung für die kausal auf die Pandemiemaßnahmen zurückzuführenden Schäden entziehen.
Auch Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG können gegeben sein. Diese setzen allerdings rechtswidrige und schuldhafte Amtspflichtverletzungen voraus. Solche können in offenkundig ermessensfehlerhaften Maßnahmen bestehen – oder unter Umständen auch im Unterlassen behördlicher Schließungsanordnungen mit dem Ziel, gefahrenabwehrrechtliche Entschädigungsansprüche zu vermeiden. Schlussendlich kommen bei rechtswidrigen Eigentumsbeeinträchtigungen auch Ansprüche nach enteignungsgleichem Eingriff in Betracht.
Im Grundsatz wird bei allen in Betracht kommenden Entschädigungstatbeständen der Vorrang des Primärrechtsschutzes zu beachten sein: Soweit Maßnahmen rechtswidrig sind, muss sich der Betroffene zunächst um deren (gerichtliche) Abwehr bemühen. Das gilt allerdings nur soweit, wie ein solches Rechtsschutzbemühen auch zumutbar ist. Offensichtlich aussichtslose Rechtsbehelfe müssen nicht ergriffen werden.
Generelle Aussagen dazu, ob aktuell Anfechtungsklagen und Maßnahmen des Eilrechtsschutzes eine Aussicht auf Erfolg haben, wird man nicht treffen können. Die föderale Entscheidungsstruktur mit einer Zuständigkeit in erster Linie der örtlichen Ordnungsbehörden verlangt eine Prüfung der jeweiligen Einzelmaßnahme. Erste Erfahrungen zeigen dabei ein sehr unterschiedliches Bild: Es gibt die gut begründete und nachvollziehbare Allgemeinverordnung ebenso wie die offenkundig rechtswidrige Einzelanordnung zur Schließung eines bestimmten Ladenlokals. Mit zunehmender Dauer der Pandemie wird zudem der Umgang mit Ausnahmeanträgen an Bedeutung gewinnen.
Dr. Stefan Altenschmidt, LL.M. (Nottingham)
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