08.04.2020
Die Corona-Krise macht auch vor dem Fußball keinen Halt. Während die DFL den Spielbetrieb eingestellt hat, haben die Clubs mit den wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen. Borussia Mönchengladbach war der erste Club der 1. Bundesliga, welcher den (teilweisen) Verzicht auf noch ausstehende Gehälter durch die Profis öffentlich gemacht hat. Inzwischen sind viele weitere Vereine diesem Vorbild gefolgt. Während die wirtschaftliche Bedeutung dieser Maßnahmen für den jeweiligen Club evident ist, sind die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Folgen noch weitestgehend unbekannt. Nachfolgend sollen die Effekte auf Ebene der Clubs dargestellt werden.
Die meisten Clubs haben in den letzten Jahren den Lizenzspielbetrieb auf eine eigenständige Kapitalgesellschaft ausgegliedert. Handelsrechtlich ergibt sich spätestens seit diesem Zeitpunkt die Verpflichtung zur Aufstellung einer Bilanz. Nach der Leitentscheidung des BFH vom 9. Juni 1997 (GrS 1/94, juris) führt der zivilrechtlich zulässige Verzicht auf eine Forderung durch die Sportler auf Ebene des Schuldner zur Verringerung der Passivseite seiner Bilanz und damit zu einem bilanziellen Ertrag.
Für die Steuerbilanz ist die handelsbilanzielle Würdigung grundsätzlich maßgeblich (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG), so dass auch hier der Verzicht auf Spielergehälter zu einem Ertrag führt. Für den ggf. in einer wirtschaftlichen Krise befindlichen Club ist die zusätzliche Belastung aus der Besteuerung dieses Ertrags hingegen regelmäßig kontraproduktiv und kann worst case zur Insolvenz führen. Nachdem dieser Effekt des steuerlichen Ertrags bei Entfall einer Verpflichtung nur dann eintreten kann, wenn die Verpflichtung bereits Eingang in die Bilanz gefunden hat, stellt sich zunächst die Frage nach der Passivierung von Verbindlichkeiten aus den Spielergehältern.
Unter Berücksichtigung der allgemeinen bilanzsteuerlichen Grundsätze ist eine Verbindlichkeit dann zu passivieren, wenn sie rechtlich entstanden ist. Entstehen, wie regelmäßig, die Gehaltsansprüche der Spieler monatlich, so sind Gehaltszahlungen für künftige Monate im Gegensatz zu rückständigen Gehaltszahlungen für bereits abgelaufene Monate oder Boni für vergangene Zeiträume gerade nicht anzusetzen. Sie stellen vielmehr Aufwand im bilanziellen Sinne dar. Zudem wäre in Fällen des Verzichts auf eine werthaltige Forderung durch einen Gesellschafter aufgrund der außerbilanziellen Korrektur dieser als verdeckten Einlage zu wertenden Handlung eine Einkommenserhöhung vermieden. Bis auf wenige Ausnahmen (außerhalb des Profifußballs) sind die Spieler jedoch nicht als Gesellschafter beteiligt, sondern agieren als Arbeitnehmer.
Vielfach wird der vereinbarte Gehaltsverzicht daher zu einem Entfall künftiger Verpflichtungen ohne nachlaufende Steuerbelastung führen. Es stellt sich aber die Frage, wie ggf. doch anfallende Erträge steuerlich zu behandeln sind, wenn etwa auf noch nicht ausbezahlte Prämien verzichtet wird. Der Gesetzgeber hat mit § 3a EStG (iVm. § 8 Abs.1 KStG) ist diese Norm auch für Kapitalgesellschaften anwendbar) auf die notwendige Steuerfreistellung von Sanierungsgewinnen reagiert und damit den bisherigen Sanierungserlass des Bundesfinanzministeriums (BMF) vom 27. März 2003 weitestgehend in Gesetzesform gegossen. Danach werden Betriebsvermögensmehrungen grundsätzlich dann von der Steuer freigestellt, wenn diese aus einem Schuldenerlass zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung resultieren. Über § 7b GewStG gilt die Steuerbefreiung von Sanierungserträgen auch im Bereich der Gewerbesteuer. Für die Anwendbarkeit dieser Steuerbefreiung in der aktuellen Corona-Krise stellt sich damit die Frage, ob der Verzicht auf die Spielergehälter zum Zwecke einer unternehmensbezogenen Sanierung erfolgt. § 3a Abs. 2 EStG enthält eine Legaldefinition dieses Begriffes und stellt dabei auf den Nachweis von Sanierungsbedürftigkeit und Sanierungsfähigkeit des Unternehmens, die Eignung der Maßnahme und auch die Absicht der Gläubiger zur Sanierung im Zeitpunkt des Schuldenerlasses ab. Verzichten mehrere Gläubiger auf ihre Ansprüche, so kann regelmäßig von einer entsprechenden Sanierungsabsicht ausgegangen werden. Aber auch die übrigen Voraussetzungen, die den Club vor dem Zusammenbruch bewahren und wieder ertragsfähig machen sollen, werden wohl durch die Gehaltsverzichte erreicht werden können. Ob der Club einen entsprechenden Nachweis führen kann, ist jedoch im jeweiligen Einzelfall unter Gesamtschau der Umstände beurteilen. Soweit dieser Nachweis gelingt, sind Erträge aus dem Gehaltsverzicht steuerfrei zu stellen und belasten den wirtschaftlich angeschlagenen Club nicht.
Arbeitsentgelt unterliegt in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung grundsätzlich der Beitragspflicht und ist – abgesehen von Zusatzbeiträgen in der Pflegeversicherung – paritätisch von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu tragen. Die Verpflichtung zur Zahlung des Gesamtsozialversicherungsbeitrages hingegen trifft den Arbeitgeber.
Für die Beurteilung der Auswirkungen eines Gehaltsverzichtes aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht ist zwischen laufendem und einmalig gezahlten Arbeitsentgelt zu unterscheiden. Wie im Steuerrecht auch gilt dabei bei einmalig gezahltem Entgelt das Zuflussprinzip. Die Beitragspflicht entsteht damit erst, wenn das Entgelt auch tatsächlich zur Auszahlung gelangt (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Verzichtet der Spieler daher vor Auszahlung der Einmalzahlung hierauf, so entsteht auch keine Beitragspflicht.
Anders ist dies jedoch bei laufend gezahltem Entgelt. Dort gilt, anders als im Steuerecht und bei einmalig gezahltem Entgelt, gerade nicht das Zuflussprinzip. Vielmehr entsteht die Beitragspflicht mit dem rechtlichen Entstehen der Lohnzahlungsverpflichtung (BSG, Urteil v. 14. Juli 2004 – B 12 KR 1/04 R, juris). Nachdem es damit gerade nicht auf die tatsächliche Auszahlung ankommt, bleiben die Gehälter im Umfang des Verzichts nur dann beitragsfrei, wenn auf diese arbeitsrechtlich zulässig verzichtet wurde, der Verzicht aufgrund der Vorschriften des Nachweisgesetzes (dort § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6) schriftlich vereinbart wurde und sich der Verzicht auf künftig zustehendes Entgelt beschränkt (Besprechungsergebnis der Spitzenverbände der Sozialversicherung v. 21./22. November 2001, TOP 8). Arbeitsrechtlich ist der Gehaltsverzicht in diesen Konstellationen regelmäßig unproblematisch. Probleme tauchen nur dort auf, wo Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge über die Höhe des Entgelts bestehen. Für einen Verzicht bedürfte es dann einer sog. Öffnungsklausel. Im Bereich des Sports gibt es keine Tarifverträge und auch Betriebsvereinbarungen zur Höhe des Entgelts sind nicht bekannt. Da es sich beim Gehaltsverzicht um einen sog. Erlassvertrag handelt, sollten die Höhe und die Dauer des Verzichts konkret bezeichnet sein. Umgekehrt führt ein rückwirkender Verzicht des Spielers auf Gehalt nicht zum Entfall der Beitragspflicht. Soweit jedoch trotz eines erklärten Verzichts Sozialversicherungsbeiträge fällig werden, kann nunmehr bedingt durch die Corona-Krise erleichtert eine Stundung der Beiträge für März bis Mai 2020 beantragt und zusätzlich die Erhebung von Säumniszuschlägen verhindert werden. Die Einzelheiten hierzu, insbesondere zum Vorrang von Kurzarbeitergeld, hat der Spitzenverband der Krankenkassen in seinem Schreiben vom 25. März 2020 niedergelegt.
Die DFL und andere Verbände haben den Spielbetrieb zunächst eingestellt. Im Hinblick auf die verbleibende Saison verbleiben zwei Möglichkeiten: der komplette Abbruch der Saison – so bereits in zahlreichen Verbänden, beispielsweise im belgischen Fußballverband KBFV oder auch in der Deutschen Eishockeyliga, geschehen – oder das Verschieben der Spiele und Wettkämpfe – so von der DFL für die Bundesliga und 2. Bundesliga angedacht.
Im Falle des Saisonabbruchs sind die Vereine in ihrer Funktion als Arbeitgeber weiterhin zur Zahlung des Arbeitsentgelts verpflichtet. Die Spieler können zwar ihre Hauptleistungspflichten, das Trainieren sowie das Bestreiten von Wettkämpfen, nicht erbringen. Der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ wird in diesen Fällen aber durchbrochen, weil das Risiko für einen derartigen Ausfall beim Arbeitgeber liegt, § 615 BGB. Für den Grundlohn mag das soweit zutreffend sein. Was aber ist mit Punkt- und Siegprämien, die in einigen Sportarten einen hohen Anteil des Gehalts ausmachen? Ein Anspruch auf Auszahlung der Prämien entsteht grundsätzlich erst mit Eintritt der vertraglich festgelegten Umstände, also mit Erreichen eines Punktes oder Sieges. Die Sportler können diese Umstände nun ohne eigenes Verschulden nicht eintreten lassen. Im Falle der Krankheit – in dem der Sportler ebenfalls unverschuldet die Umstände nicht eintreten lassen kann – werden teilweise die Prämien bei der Bemessung des Entgeltfortzahlungsanspruchs berücksichtigt. Und auch in Zeiten der Freistellung, in denen der Sportler ebenfalls nicht an den maßgeblichen Umständen mitwirken kann, erhalten die Sportler und Trainer regelmäßig 75% der gesamten Vergütung – die Prämien finden also mittelbar Berücksichtigung.
In beiden Konstellationen können die Prämien aber auf Grundlage der von den Teamkollegen tatsächlich errungenen Punkte und Siege konkret berechnet werden. Die vertraglich festgelegten Voraussetzungen – das Erreichen von Punkten oder Siegen – wurden erfüllt; wenn auch nicht in Person des kranken oder freigestellten Sportlers. Das ist aber nicht möglich, wenn die Spiele wie im Augenblick vollständig entfallen. Prämienansprüchen entstehen dann nicht, soweit die Verträge für diese Konstellation keine Regelung vorsehen. Die Prämien können von den Sportlern daher wohl kaum eingefordert werden.
Sollten Verträge „zum Saisonende“ befristet sein, muss ermittelt werden, ob das ursprünglich als Saisonende angedachte Datum oder das neu eingeführte Datum gilt. Der Wille der Parteien bei Vertragsschluss dürfte sich jedenfalls auf das tatsächliche Saisonende und nicht das Datum bezogen haben. Die Befristung mit der Formulierung „zum Saisonende“ ist zudem einer Zweckbefristung ähnlich, die den Vertrag ebenfalls mit Wegfall des Zwecks – hier der Saison – beendet, vgl. § 15 Abs. 2 TzBfG.
Haben die Parteien hingegen ein festes Datum vereinbart, endet der Arbeitsvertrag grundsätzlich nach den Befristungsregeln mit Eintritt dieses Datums – unabhängig davon, ob die Saison beendet ist oder nicht. Arbeiten die Parteien nach diesem Datum ohne zusätzliche Vereinbarung weiter, entsteht automatisch (!) ein unbefristetes Arbeitsverhältnis, vgl. § 15 Abs. 5 TzBfG. Die Vereine sollten daher dringend darauf achten, rechtzeitig entsprechende Regelungen zu treffen, um eine Entfristung zu vermeiden. Nicht zuletzt in den Diskussionen rund um das BAG-Urteil im „Fall Heinz Müller“ (BAG, Urteil v. 16. Januar 2018 – 7 AZR 312/16, juris) wurden die drastischen Folgen einer Entfristung ausführlich dargestellt.
Treffen die Parteien eine einvernehmliche Einigung zur Fortführung des Arbeitsverhältnisses, stellt sich das nächste Problem: Die neue Vereinbarung stellt einen neuen befristeten Arbeitsvertrag dar. Befristete Verträge dürfen aber nur mit Arbeitnehmern geschlossen werden, die zuvor nicht beim Arbeitgeber angestellt waren, vgl. § 14 Abs. 2 S. 2 TzBfG. Auch hier wäre daher die Folge, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis entsteht. Diese Folge tritt dann nicht ein, wenn die Befristung noch keine zwei (2) Jahre andauerte. In einem solchen Fall ist eine Verlängerung der Befristung bis zur Gesamtdauer von zwei Jahren zulässig. Oder wenn die neue Befristung (wieder) auf einem Sachgrund beruht. Die Befristung kann in dieser Konstellation aber nicht – wie sonst im Profisport üblich – mit der Eigenart der Arbeitsleistung (§ 14 Abs. 1 Nr. 4 TzBfG) begründet werden. Denn die Begründung des BAG im Urteil „Heinz Müller“ stützt sich im Wesentlichen auf den bei den Sportlern eintretenden Verschleiß, der die Befristung rechtfertigt. Der Verschleiß dürfte aber bei einer Befristung von nur wenigen Monaten bis zum tatsächlichen Saisonende kaum eintreten. Es müssen daher die verbleibenden Befristungs-Tatbestände beleuchtet und im Einzelfall geprüft werden.
Es bleibt aufgrund der unsicheren und komplexen Rechtslage zu hoffen, dass Sportler, Vereine und Verbände sinnvolle Lösungen finden. Das Recht bietet hierfür viele Ansatzpunkte, die es zu beleuchten gilt. Es kommt in Betracht, über eine Auslegung zu dem Ergebnis zu gelangen, dass nicht das fest vereinbarte Datum der von den Parteien gewünschte Beendigungszeitpunkt war, sondern vielmehr das tatsächliche Saisonende. In diesem Sinne wird auch vorgeschlagen, im Hinblick auf den Beendigungszeitpunkt § 313 BGB anzuwenden und so eine Änderung der Vertragsbedingungen über die Störung der Geschäftsgrundlage zu erreichen. Die Vorschrift des § 313 BGB findet im Arbeitsrecht allerdings nur in äußerst seltenen Fällen Anwendung, denn der Arbeitgeber muss sich vorrangig der arbeitsrechtlichen Mittel bedienen. In der vorliegenden Konstellation würden so grundlegende Regelungen des Befristungsrechts umgangen werden. Jedenfalls entstehen – sollte § 313 BGB Anwendung finden können – dann Probleme, wenn der Sportler bereits einen Arbeitsvertrag mit einem anderen, ausländischen Verein unterzeichnet hat. Beginnt die Saison oder jedenfalls die intensive Vorbereitungsphase dort bereits, während in Deutschland noch die „alte“ Saison läuft, wird dem neuen Verein kaum unterstellt werden können, dass er bei Kenntnis der Corona-Krise den Vertragsbeginn auf ein späteres Datum gesetzt hätte. Es ist deshalb wichtig, sämtliche Möglichkeiten zu erörtern und eine für alle Beteiligten tragbare und rechtssichere Lösung zu finden.
Dr. Joachim Reichenberger, LL.M., EMBA (Washington D.C.)