27.08.2018

Die Besonderheiten der Warenschiedsgerichtsbarkeit

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Hintergrund

27.08.2018

Die Besonderheiten der Warenschiedsgerichtsbarkeit

GetreideIm Bereich des internationalen Warenhandels haben sich in einer über 100-jährigen Tradition spezielle Warenverbände mit eigenen Schiedsgerichtsordnungen zur Streitbeilegung entwickelt. Dabei kam Hamburg mit seinem florierenden Handel und Europas (heute) drittgrößtem Hafen eine entscheidende Rolle zu.

Unter anderem ist der Hamburger Hafen Europas wichtigster Umschlagplatz für Rohkaffee. Jedes Jahr werden hier 700.000 Tonnen Kaffee umgeschlagen und teils auch veredelt. Des Weiteren gehen auch Mineralöl, Kohle, Rohöl, Düngemittel, Getreide, Baustoffe und Metalle durch den Hafen. Neben diversem Stückgut wurden am Hamburger Hafen in 2017 auch 8,82 Mio. TEU (Twenty-Foot Equivalent Unit) Container umgeschlagen. Die größten Handelspartner sind China, Russland, Brasilien und die USA.

In Hamburg sind daher zahlreiche Warenvereine mit eigenen Schiedsgerichtsordnungen ansässig. Die Warenschiedsgerichtsbarkeit weist gegenüber der allgemeinen Handelsschiedsgerichtsbarkeit einige Besonderheiten auf, die in diesem Beitrag überblickartig beschrieben werden sollen. Darüber hinaus berichten wir über neuere Entwicklungen. Unser Beitrag beschäftigt sich dabei vorrangig mit der Schiedsgerichtsbarkeit für sogenannte „Soft Commodities“ - Weizen, Mais, Zucker, Kaffee und Baumwolle.
 

A.    Besonderheiten der Warenschiedsgerichtsbarkeit

Die verschiedenen Warenvereinigungen erarbeiten Standardverträge, die die Besonderheiten der jeweils gehandelten Ware berücksichtigen. So stellt beispielsweise der Verein der Getreidehändler der Hamburger Börse e.V. (VdG) 30 verschiedene Formularkontrakte bzw. Vertragsbedingungen zur Verfügung. Das englische Pendant, die Grain and Feed Trade Association (GAFTA), stellt fast doppelt so viele Standardverträge und Bedingungen. Die Standardverträge und Bedingungen verweisen zur Streitbeilegung auf die jeweiligen Schiedsregeln. Die Standardverträge und Bedingungen regeln damit meist das gesamte „Leben“ eines Vertrages – vom Abschluss über die Erfüllung bis hin zur Geltendmachung von Rechten bei Schlechtleistung, Verzögerung und Nichtleistung. Ergänzend werden oft die International Commercial Terms (Incoterms) und das jeweils gewählte oder in den Bedingungen bestimmte Recht angewendet.

In der Handelsschiedsgerichtsbarkeit sind die Parteien meist gänzlich frei in der Wahl ihres Schiedsrichters. Die entsprechenden Institutionen geben selten besondere Qualifikationsmerkmale vor, weder in ihren Schiedsregeln noch in den Musterklauseln. Den Parteien ist es selbstverständlich überlassen, in der Schiedsklausel oder -abrede Vorgaben im Hinblick auf die Qualifikation des oder der Schiedsrichter zu machen. Anders in der Warenschiedsgerichtsbarkeit. Die meisten Schiedsregeln sehen vor, dass die Schiedsrichter Kaufleute sein müssen (z.B. Rule 1 (c) Federation of Oils, Feeds and Fats Association (FOSFA), § 4 (2) Waren-Verein der Hamburger Börse e.V. (Waren-Verein)). Dies soll die nötige handelsspezifische Expertise des Schiedsgerichts sicherstellen.

Nach den Regeln der GAFTA und der FOSFA findet eine mündliche Verhandlung nur auf Antrag einer Partei oder wenn das Schiedsgericht eine solche für erforderlich erachtet statt (Rule 4 (f) (g) FOSFA; Rule 4.8 GAFTA). Ansonsten wird das Verfahren auf Grundlage der Schriftsätze und eingereichten Dokumente entschieden.

Im Unterschied zu Handelsschiedsverfahren (z.B. nach ICC- oder DIS-Regeln) kann die unterliegende Partei nach den meisten Warenschiedsgerichtsordnungen den Schiedsspruch durch eine zweite Instanz überprüfen lassen (Rules 7-9 FOSFA; §§ 28 ff. Waren-Verein; §§ 27 ff. VdG). In dieser Berufungsinstanz ist eine mündliche Verhandlung meist zwingend vorgeschrieben.

Für den Fall, dass eine Partei Verpflichtungen aus einem Schiedsspruch nicht Folge leistet, ist in vielen Waren-Schiedsgerichtsordnungen zudem vorgesehen, dass der Name der Partei in der Branche und teils sogar auf öffentlichen Webseiten bekannt gegeben werden kann, sogenanntes Black Listing (Rule 11 FOSFA; § 8 (3) Waren-Verein; § 33 VdG).
 

B.    Neuere Entwicklungen

1.    Überarbeitete FOSFA Schiedsgerichtsordnung

Am 1. April 2018 hat die FOSFA eine überarbeitete Schiedsgerichtsordnung veröffentlicht. Diese enthält einige Änderungen und Vereinfachungen der Schiedsgerichtsordnung von 2012. Die Frist zur Einreichung qualitätsbezogener Schiedsklagen beträgt nunmehr 90 Tage ab Entladung oder Lieferung; die Frist zur Einreichung anderer Schiedsklagen wurde auf 120 Tage verlängert. Auch die Fristen zur Einreichung von Schriftsätzen wurden verlängert.

Die neuen FOSFA- Regeln behalten grundsätzlich das zweistufige Verfahren bei (erste Instanz und Berufungsinstanz). Nach der Schiedsgerichtsordnung von 2012 entschied in der ersten Instanz ein zweiköpfiges Schiedsgericht, wenn nicht anders vereinbart; ein dritter Schiedsrichter wurde nur hinzugezogen, wenn die beiden benannten Schiedsrichter sich nicht einig wurden. Nach den neuen FOSFA-Regeln entscheidet nun in der Regel auch in der „ersten Instanz“ ein dreiköpfiges Schiedsgericht. Insoweit nähert sich die FOSFA in diesem Punkt der Handelsschiedsgerichtsbarkeit an, in der regelmäßig ein dreiköpfiges Schiedsgericht entscheidet, wenn die Parteien nichts anderes bestimmt haben oder ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt wird.

Die 2018 Schiedsgerichtsordnung findet Anwendung auf Verträge, die nach dem 1. April 2018 geschlossen wurden und auf die FOSFA-Regeln verweisen. 

2.    Aktuelle Rechtsprechung stärkt den deutschen Schiedsort

Die in den Standardkontrakten und Bedingungen enthaltenen Schiedsklauseln sind vergleichsweise knapp formuliert. Zudem werden oft sich widersprechende Vertragsbedingungen ausgetauscht. Daher sind Streitigkeiten über die Wirksamkeit häufig anzutreffen. Das OLG Hamburg (OLG Hamburg, Beschl. v. 11.10.2016 – 6 Sch 12/16) und der BGH (BGH Beschl. V. 6.7.2017 – I ZB101/16) haben folgende Klausel für wirksam und hinreichend bestimmt erachtet: „Schiedsgericht/Arbitration: Verein der Getreidehändler der Hamburger Börse“. Die Gerichte erachteten es nicht als notwendig, dass die Klausel explizit die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte ausschließt („unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges“). Der Ausschluss der staatlichen Gerichte ergebe sich aus dem Kontext. Das OLG München (OLG München Beschl. v. 16.08.2017 – 34SchH 14/216) sah dies in einem Fall einer spanischen Händlerin und einer deutschen Verkäuferin ähnlich. Dort hieß es in den Sales Contracts: „Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel nach der neusten Fassung“ ergänzt durch den Hinweis: „Gerichtsstand: Schiedsgericht des Verkäufers/Arbitration of the Seller“. Das Gericht legte die Klauseln anhand von Art. 8 (2) CISG aus und kam zu dem Schluss, dass bei Parteien, die im international Warenhandel aktiv sind, auch ohne explizite Formulierung in diesem Fall die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte ausschließen wollten. Ferner sei die Bestimmung „Arbitration of the Seller“ hinreichend klar und den Beteiligten bewusst, dass sich dies sich nur auf das Schiedsgericht der dem Verkäufer angehörigen Börsenorganisation beziehen kann.

3.    Einfluss aktueller politischer Entwicklungen

Bei internationalen Waren-Transaktionen liegt teils zwischen Vertragsschluss und Leistungserbringung ein nicht unerheblicher Zeitraum. In Anbetracht der aktuellen politischen Entwicklungen (BREXIT, zunehmender nationaler Protektionismus, Wirtschaftssanktionen etc.) ist es daher nicht unwahrscheinlich, dass nach Vertragsschluss Zölle oder Steuern anfallen, welche zuvor nicht in die Preiskalkulation eingeflossen sind. Wir hatten diese Frage bereits in einem früheren Beitrag für deutsch-englische Vertragsbeziehungen diskutiert. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass z.B. die Standardverträge der FOSFA und der GAFTA insoweit regeln, dass etwaige Zölle und Steuern vom Käufer zu tragen sind. Eine ähnliche Regelung enthalten die oft verwendeten Incoterms.
 

C.    Luthers Arbitration Team

Die Rechtsanwälte unserer Praxisgruppe Internationale Schiedsgerichtsbarkeit haben langjährige Erfahrung in internationalen Schiedsverfahren. Wir verfügen sowohl an unseren deutschen als auch an unseren ausländischen Standorten über hervorragende Spezialisten, die Sie bei der Durchsetzung Ihrer Rechte effizient und erfolgreich unterstützen. Neben allgemeinen Handelsschiedsverfahren (ICC, LCIA, DIS etc. und ad hoc) und Investitionsschiedsverfahren (ICSID und ad hoc) beraten und vertreten wir Sie in Warentransaktionen und -Schiedsverfahren (u.a. FOSFA, GAFTA, Waren-Verein) sektorenübergreifend in Deutschland und weltweit.   

Für weitere Informationen wenden Sie sich gerne an

 

Georg Scherpf
Rechtsanwalt
Solicitor (England & Wales)
Senior Associate
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David Probst, LL.M.
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